Spass bedingt Vorsicht
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Spass bedingt Vorsicht Sicherheitskurs in den Gorges de Court

Den Fangstoss spüren, einen Verletzten bergen, Flaschenzüge bauen – all das steht auf dem Programm eines Sicherheitskurses in der Nähe von Moutier im Berner Jura. Dort heisst es: an die Seile, Knoten knüpfen, Siche-rungen einrichten, Flaschenzüge bauen!

Sich mit dem besten Hightechmaterial für eine Bergtour ausrüsten ist sinnlos, wenn man nicht weiss, wie man es anwendet. Es genügt nicht, die Gebrauchsanleitung jedes Ausrüstungsgegenstands zu lesen. Die Handgriffe, die Leben retten können, müssen geübt werden, denn nur dann nützt die Ausrüstung beim Bewältigen von gefährlichen Situationen. Anseilen, Sichern, Verankerungen, Flaschenzüge – all das sollten Kletterer, Alpinistinnen und Skitouristen sicher beherrschen.

Die richtigen Handgriffe lernen und sie nicht wieder vergessen, zu diesem Zweck organisieren die SAC-Sektion Prévôtoise und die Rettungsstation Moutier alljährlich einen Kurs über Sicherheit und Rettung in den Bergen, der allen offensteht.

 

Heikle Situationen meistern

Wenige Strassenkehren von Moutier entfernt liegen die Gorges de Court, wo die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 46. Ausgabe des Kurses in Empfang genommen werden. Während eines Wochenendes vertiefen sich Anfänger, aber auch erfahrene Bergsportler, Bergführer und Industriekletterer (Personen, die am Seil gesichert Arbeiten verrichten, etwa in Steinbrüchen oder beim Bau von Steinschlagverbauungen) in die Theorie der Sicherheit und die Praxis der Rettung in den Bergen.

«Wir hoffen, dass sich nach dem Kurs alle aus heiklen Situa-tionen befreien und anderen helfen können», sagt Nicolas Vez, Instruktor und Verantwortlicher des Rettungspostens Moutier.

Mitten im Wald, im Workshop «Knoten», lernen Neulinge den Achter, den Mastwurf oder den Spierenstich. Die Fortgeschrittenen üben den Prusik, den Kreuzklemmknoten, den Prohaska und andere Klemmknoten. Man stöhnt, schimpft und freut sich schliesslich lächelnd, wenn der Knoten sitzt und der Kamerad richtig angeseilt ist.

Ein paar Bäume weiter wird über Seile und Schlingen referiert. Die Kursteilnehmer sollen begreifen, welche unterschiedlichen Eigenschaften dynamisches und statisches Material etwa beim Dämpfen von Stürzen aufweist und wie man es verwendet. In den Augen von Lucienne Poupon und Jürgen Kappus ist das sehr nützlich: «Wir sind Skitourenfahrer und bisher immer mit einem für unsere Sicherheit verantwortlichen Führer auf Touren gegangen. Jetzt möchten wir selbstständig Touren machen und wollen deshalb wissen, wie man das Seil richtig anwendet, das wir im Rucksack mittragen.»

 

Die richtigen Handgriffe kennen

In den nahe gelegenen Felswänden mit den Workshops «Verankerung», «Sicherung» und «Flaschenzug» ist die Aufmerksamkeit ebenso hoch wie die Komplexität der Technik. Ob einfach, doppelt oder österreichisch, einen Flaschenzug zu bauen, ist ein schwieriges Unterfangen, ganz besonders in einer Stresssituation wie zum Beispiel bei einem Unfall. «Dass wir diese Übungen hier in der Gruppe und unter realistischen Bedingungen üben können, bringt natürlich mehr, als wenn man nur eine Zeichnung in einem Buch gesehen hat», sagt Guillaume Dufour, ein Kursteilnehmer aus Frankreich.

Zuoberst in der Felswand beobachtet Sandra Tacchini von der SAC-Sektion Sommartel die Bergung eines Verletzten nach einem Sturz. «Ich komme vor allem, um die Rettung, die Aufstiegs- und Abseiltechniken für einen Verunfallten zu trainieren», erklärt sie. «Ich empfehle den Kurs allen, die in die Berge gehen.»

Ein in der Wand verankerter, 80 Kilogramm schwerer Pneu stürzt in die Tiefe. «Diese Übung erlaubt es dem Sichernden, zu spüren, wie es sich anfühlt, wenn einer ins Seil stürzt. Sie zeigt auch, ob er schnell genug reagiert, um den Sturz zu stoppen», erklärt Céline Ryf, die Kursleiterin.

Letzte Station: Sturztraining. Die Simulation eines Sturzes ins Seil irritiert. «Auch wenn man gesichert ist, geht es einem gegen den Strich, sich fallen zu lassen», sagt Nicolas Vez und ermuntert eine Teilnehmerin, die Griffe loszulassen.

 

Materialtest und Erste Hilfe

Yann Feusier, Verantwortlicher für die Ausbildung der Fachleute bei einem Hersteller und Bergführer, demonstriert die Widerstandskraft des Materials und zeigt, wie es angewendet werden muss. «Ich erkläre die Problematik des Schocks, das Funktionieren jedes Ausrüstungsgegenstands in unterschiedlichem Kontext und seine Reaktion auf extreme Bedingungen.» Er will auch mit Vorurteilen aufräumen: «Wenige Leute wissen, dass ein Prusik das Seil mehr beansprucht als die Zähne eines Blockers.» Verblüfft lassen sich die Teilnehmenden überzeugen, nachdem sie die Verletzungen am Seil gesehen haben.

 

Erste-Hilfe-Massnahmen

Soviel zur Technik. Und was wenn wirklich etwas passiert? Dafür ist der ehemalige Chirurg Jacques–Etienne Rouge anwesend: «Ich gebe grundsätzliche Ratschläge und erkläre, was bei einem Unfall zu tun und zu unterlassen ist.» Die Lage genau analysieren, den Verletzten sichern, Erste Hilfe anwenden bei Traumata, Unterkühlung, Höhenkrankheit oder bei Lawinenopfern. Der Arzt behandelt die Themen unkompliziert und mit Humor. Auf sympathische Art erinnert er daran, dass in den Bergen die Vorsicht eine Voraussetzung für Spass ist.

Kurs 2012

Dieses Jahr findet der Kurs am 29. und 30. September statt. Anmeldeschluss ist Ende Juni 2012. Teilnehmende müssen mindestens 18 Jahre alt sein; Unterrichtssprache ist Französisch. Die Kosten belaufen sich auf 100 Franken pro Person, Essen und Übernachtung in der Hütte inbegriffen. Ein Anmeldetalon und weitere Auskünfte sind erhältlich auf www.cas-prevotoise.ch und bei Céline Ryf, Kursleiterin, erreichbar unter 076 436 60 65 oder celineryf(at)gmail.com

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