Sprinten am Berg war unerwünscht
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Sprinten am Berg war unerwünscht

In den 50er-Jahren hatte niemand Verständnis für Jack Jörimanns Leidenschaft, den Wettkampf am Berg. Heute wäre er wohl ein Skitourenrennläufer.

In Tamins, wo sich Vorder- und Hinterrhein zum Rhein vereinigen, verbrachte Jack – damals hiess er noch Jakob – jede freie Minute in der Natur, beim Wandern, Pilzesammeln oder Föhrenzapfensuchen. «Die verkauften wir Kinder der Apotheke und verdienten so unser Sackgeld.» Dass sein Vater regelmässig Berggipfel bezwang, entdeckte Jack erst nach dessen Tod. Zufällig stiess er auf ein Bild, das diesen auf dem Ringelspitz zeigt, mit Seil und Pickel. «Er musste meiner Mutter versprechen, niemals ein Wort darüber zu verlieren», erfuhr er später.

 

300 Mal auf dem Ringelspitz

Mit 16 trat Jack Jörimann der SAC-Sektion Rätia bei. Stundenlang hielt die Mutter mit dem Feldstecher Ausschau, wenn sich der Sohn mal wieder weggeschlichen hatte, um am Säsagitturm das Klettern zu üben. «Der Turm war mein Trainingsberg.» 54 Mal erklomm er die 92 Meter hohe Felswand. Über 300 Mal stand er auf dem Ringelspitz, seinem zweiten Trainingsberg. Das erste Mal als 16-Jähriger mit zwei Kameraden. Schon bald alleine. Und einmal überholte er auf Ski seinen Tourenleiter, der mit Gästen unterwegs war. Ausser sich sei er gewesen, der Alois. Nie alleine und langsam habe man sich in den Bergen zu bewegen, habe er gewettert. «Natürlich hatte er recht», sagt Jörimann heute.

 

Geschmuggelte Geissfelle

Trotzdem lotete er seine Grenzen weiter aus, auf Holzski mit Kandahar-Bindung und «geschmuggelten österreichischen Geissfellen». Zu jeder Jahreszeit bestieg er jede Woche den 3247 Meter hohen Ringelspitz. Oft mit seinem Namensvetter, dem damaligen Ringel-Hüttenwart. Zwei Stunden statt sechs, wie im Führer beschrieben, brauchten die beiden von der Hütte bis zum Gipfel. Zusätzlich stieg Jörimann dreimal pro Woche auf Benis Boden ob Tamins und legte mit den Tourenski eine Spur zum Girsch und zurück. Die rund 2,5 Kilometer mit etwa 120 Höhenmetern lief er auf Langlaufski.

 

Grenadier und Gebirgsspezialist

Irgendwann trat Jörimann aus dem SAC aus und in die Grenadierschule in Losone ein. Das Militär kam dem Heiss­sporn gelegen. Dort erkannte man das Talent des jungen Rekruten, der die Ausbildung zum Gebirgsspezia­listen absolvierte und sich anschliessend den Offizier abverdiente. Man übertrug ihm die Leitung der Sportgruppe mit 80 Mann. Er organisierte Gebirgstrainingsläufe und Divisionsmeisterschaften. Dank der Schweizerischen Interessengemeinschaft für Militär konnte er mit der Langlaufnationalmannschaft im Biathlon trainieren. Sein Ziel: Olympiaqualifikation 1964 im österreichischen Seefeld. Rheumaschübe setzten diesem Traum ein jähes Ende.

 

Die Gruppe war zu langsam

Vor zwei Jahren besuchte Jack Jörimann einen Vortrag des Extrembergsteigers Ueli Steck, der an der Matterhornnordwand den Speedrekord aufgestellt hatte, im Alleingang. «Der Steck ist mir geblieben: gleiches Gewicht, gleiche Grösse, gleiche Psyche», sagt der 77-jährige Jack Jörimann. Weil auch er als Jungspund im Alleingang unterwegs war: «In der Gruppe ging es mir zu langsam.» Einmal marschierte er von Pontresina, via Tschierva über den Biancograt auf den Piz Bernina über Crast’Agüzza auf den Piz Zuppo, traversierte über Bellavista auf den Piz Palü und stieg direkt ab zur Bahnsta­tion Bernina Suot. In 19 Stunden. Ein guter Bergsteiger braucht dafür fast doppelt so lang. Darüber reden konnte er mit niemandem. Als sein Abenteuer doch einmal zur Sprache kam, wurde die Diskussion handgreiflich.

Seine Grenzen sucht Jörimann nun nicht mehr auf, sondern im Berg, beim Strahlen. Einer seiner Funde ist momentan im naturhistorischen Museum in Bern ausgestellt. Er stammt vom Calanda. Gar nicht weit vom Ringelspitz.

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