Streifzüge im Excursionsgebiet
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Streifzüge im Excursionsgebiet

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Von J. Müller-Wegmann.

I.

Das Bündner Oberland, wo das Excursionsgebiet von 1874 liegt ist eine so schöne, an malerischen Scenerien reiche und interessante Gegend der Schweiz, dass sie wohl verdiente, von Bergsteigern und Touristen besucht zu werden; es geschah diess aber trotz der classischen Schrift von Theobald, « Das Bündner Oberland » und den trefflichen Angaben von Tschudi's Schweizerführer nicht in dem Maasse, wie es in andern Gegenden von Bünden und der übrigen Schweiz der Fall war; auch das instructive Itinerar von Herrn Coaz und die von Herrn Ingenieur Held vortrefflich revidirte Carte vermochten nicht viele Clubisten anzuziehen, obschon für die Ostschweizer der Weg zum Clubfest in Sitten durch das Gebiet geführt hätte.

Ich kann mir die Gründe dieser Vernachlässigung nicht genügend erklären; möglich dass früherer Mangel an guten Gasthäusern, guten Verkehrsstrassen und Wegen, sowie die in den meisten Orten vorherrschende romanische Sprache etwas Schuld waren;

seit mehreren Jahren ist das aber anders geworden, ältere Gasthöfe sind besser geworden, neue sind entstanden oder im Bau, Hotel Segnes in Waldhaus ist bereits gut renommirt und so stark besucht, dass ein grösserer Bau projectirt ist; in Ilanz, diesem so günstig für Excur sionen gelegenen Orte, wo früher zwei vielleicht eben aus Mangel an Frequenz nicht besonders renommirte Gasthöfe waren, ist jetzt nur einer, das schön gelegene Hotel Oberalp, das aber unter der Direktion von Herrn Dirsch Beother vortrefflich besorgt wird und mit den geräumigen Zimmern, guter Küche und aufmerksamer billiger Bedienung allen billigen Anforderungen entspricht. Diess ist auch in den Gasthöfen in Truns und Disentis der Fall, besonders im Verhältniss zu andern Gasthofpreisen in Bünden und anderswo; im Lugnez, Val Medel, Brigels sind freilich noch keine Hotels, aber einfaches, reinliches Logis und billige freundliche Bedienung findet man in allen grössern Ortschaften; in den Sennhütten ist man freundlich und gefällig.

Für bessere Verkehrswege ist und wird viel ge than, eine neue Strasse von Ilanz nach Fruth und Villa in Lugnetz ist erstellt und wird täglich mit Post befahren, ebenso nach Brigels; von Disentis ist die neue Lukmanierstrasse mit 11 Tunnels bis Curaglia und Piatta im schönen Val Medel vollendet.

Da die jungen Leute in den Schulen deutsch lernen, so ist auch die Sprache kaum mehr ein Hinderniss.

In der Hoffnung, im Clubgebiet viele Clubgenossen zu treffen, fuhr ich den 7. August über Chur nach TrunSj wohin ich telegraphisch den im Itinerar empfohlenen Förster Deplazes in Surrhein bestellt hatte und nahm mein Quartier im Hotel Tödi, Deplazes erhielt die Depesche zu spät und kam erst den folgenden Tag;

er ist ein stattlich grosser Mann mit freundlicher Physiognomie und bescheidenem Wesen. Er versprach morgen bei Zeit einzutreffen, was auch geschah, doch konnten wir, wie es gewöhnlich geht, erst 6 Uhr abreisen; unser Ziel war der im Itinerar mit 2388 M. bezeichnete und empfohlene Punkt ob der Alp de Munt. Der Himmel war schon nicht mehr ganz klar; auf der Poststrasse marschirten wir bis Campliun, von da rechts durch Matten in steilen Wald und zu den auf schönen von Wald umgebenen Matten liegenden Alphütten; schon hier ist eine herrliche Aussicht in 's Rheinthal auf Signina, Piz Mundaun und Miezdi, in 's Val Somvix und auf Gaglianera und die Medelserberge und Gletscher bis Muraun und Badus hinauf; weiter führte der Weg wieder durch Wald hinauf über ein Trümmerfeld und auf die steinige Alp de Munt; wir waren schon in einer Höhe von circa 2100 M., in einer Stunde hätten wir den Punkt erreicht, allein hinter Piz Ner und Piz Mut am Val Puntaiglas stiegen schon Nebel auf und ich musste mich beeilen, wenigstens hier eine Skizze zu machen und mich dabei nur auf den gegenüberliegenden, freilich schönsten und interessantesten Theil der Gebirgsaussicht zu beschränken, nämlich auf Piz Miezdi, Nadeis und die hinter dem Somvix aufsteigende Ga-glianera- und Medelser-Gruppe: ein prachtvolles Bild! Von den hohen dunklen Felsspitzen P. pleunca- de sterls 2989 M., Piz Vial 3166 M., Piz Gaglianera 3122 M., Piz Valdraus 3099 AL, senken sich zwischen massigen Felsgräten die zerrissenen Gletscher Sutglatsché und Valdraus gegen Val Lavaz;

in seiner ganzen Ausdehnung sieht man den zerrissenen Kamm, welcher Val Lavaz von Valesa trennt, mit den verwitterten Spitzen Culmet 2617 M., Piz Rentiert 2759 M., Piz Stavelatsch, dazwischen die Fuorcla de Stavelatsch, Piz Senteri 2952 M. und Piz Cazirauns 2929 M., unter welchen der Gletscher de Valesa sich ausbreitet und rechts den aussichtsreichen Piz Muraun 2899 M., von welchem sich der begraste Kamm bis auf den breiten Garvera hinabzieht, dessen Grat auf der Nordseite aus verwitterten Felsen besteht.

Rechts vom Muraun erhebt sich der Piz Ganneretsch und die andern Tavetscherberge der rechten Seite bis zum Badus, ein Gewirr von begletscherten Spitzen und Gräten, welche den Thälern von Nalps und Cornera entsteigen; nicht minder schön ist die Aussicht gegen Osten, über dem Mundaun erhebt sich der Signinastock und die Lugnetzerberge, und zum Mundaun steigt, mit vielen Dörfern und Gebäuden bedeckt, die Terrasse von Obersaxen auf.

" Während des Zeichnens hörten wir auf der gegenüber liegenden Alp Glievers ein Alphorn blasen, in Bünden etwas seltenes; war der Musiker auch kein Virtuos so erfreuten uns doch die melodischen Töne und das Echo derselben; weniger erfreulich war, dass der Nebel sich immer mehrte und bald Regentropfen auf das Papier fielen, und bald waren wir selbst im Regen und Nebel und mit Aussicht und Arbeit kurz zu Ende.

Da nirgends im Thal die Gaglianera - Gruppe so deutlich sichtbar ist, wie von Disentis und Umgebung die Medelser - Gletscher, und der Weg nicht be- schwerlich, so ist die Alp de Munt oder noch besser Punkt 2388 M. wirklich zu empfehlen; auf letzterem wird man die ganze Gaglianera - Medelser Gruppe in ihren höchsten Gipfeln und Gletschern mehr im Zusammenhange sehen können.

Am folgenden Tage hellte sich der Himmel auf und der Marsch in 's Val Somvix wurde mit bester Hoffnung angetreten; ich hatte die Absicht mit Deplazes, welcher mit der Gegend bekannt, durch das Thal hinauf zur Greina und auf Piz Summuot dann auf die Alp Motterascio und wieder retour zu gehen.

Von Truns führt der Weg bis Rabius, dann links über Matten und durch Fruchtfelder zum Rheinbett, welches hier breit und von den Ueberschwemmungen her mit Steinblöcken und Schutt angefüllt ist; über den Rhein führt eine lange hölzerne Brücke auf versandetes Ufer etc. und über Matten nach Surrhein, welches ersichtlich Ueberschwemmungen ausgesetzt ist; von Surrhein steigt der schmale Saumweg anfangs steil in den Wald, aus welchem man auf eine schöne fruchtbare Terrasse, zum Hof Val 1212 M gelangt. Hier hat man eine interessante Gebirgsansicht gegen Piz Mut, Piz Ner und die Alpen Glievers und de Munt, besonders aber gegen die Brigelserhörner, deren interessante Gesteinsschichten man von blossem Auge erkennen kann. An den Höfen Clavadials, Salva pleuna 1170 M. vorbei kömmt man wieder in Wald und rechts biegend zu dem wilden Bergwasser, welches von der Alp Naustgel und aus dem begletscherten Hintergrunde der Alp Valesa herkommt, und bald steht man — von Truns in 2x/a Stunden — vor dem Teniger- oder Somvixerbad 1273 M., einem grossen baufälligen alten Holzhaus.

Die Einrichtung der Badzimmer und ßadwannen, ausgehöhlte Baumstämme, und die Leitung des Quellwassers ist sehr primitiv; da& ganze Haus ist nicht mehr « im Blei », in meinem Schlafzimmer senkte sich der Boden von Nord nach Süd /i ', das Bett aber war gut und reinlich zu meiner Verwunderung auch frei von Wanzen welche sonst nicht nur in alten Holzhäusern leicht anzutreffen sind; gegen Süden vor dem Hause steht eine Capelle mit einem Monstrum von Thürmchen und schiefem Kreuz; daneben quillt die eisenhaltige Quelle aus dem Boden und wird in einer offenen hölzernen Rinne in das wieder circa 14'entfernte Haus geleitet; die Temperatur zeigte Schwach 14° C. Was Haus und Badeinrichtung zu wünschen übrig lassen, ersetzt die schöne Umgebung und Natur. Auf einem kleinen Hügel über dem Hause hat man einen herrlichen Blick in 's Thal und auf die Berge.

Auf der rechten Thalseite zieht der Piz Cavel 2944 M. mit jetzt beschneiter Kuppe und den von der Spitze auslaufenden verwitterten Felsgräten den Blick auf sich; mit dem Fernrohr erkannte ich den von meinem Freund Zeller errichteten Steinmann; links von ihm erhebt sich der Piz dil Cugn 2677 M., zwischen beiden das Caveljoch 2536 M., rechts von Piz Cavel Piz tgietschen und im Hintergrund des Thales über la Fronscha und Carpet, Piz Summuot 2736 M. und

Piz Terri 3151 M. Ueber die linke bewaldete Thalseite steigt Punct 2786 M. ein Vorsprung von Pleunca de sterls empor; schöne grüne Matten und dunkle Waldpartien bilden den Thalgrund, in dem der Somvixerrhein in steinigem Bett in nicht gar starkem Fall dahinfliesst.

Im Bade waren nur fünf Personen, ein alter und zwei junge geistliche Herren, ein Bündner von Tavanasa und eine Frau. Die Frau Wirthin war sehr dienstwillig; sie brachte mir einen Bogen Papier, worauf Herr Hoffmann-Burkhard von Basel anzeigte, dass er bei Schnee und Regenwetter vom Caveljoch hier angekommen sei; ebenso war von Herrn Zeller-Horner seine Ersteigung des Cavel von Vrin aus angezeigt.

Der Mangel an Gästen mag Schuld gewesen sein, dass die Verproviantirung des Bades nicht gar rühmens- werth war, wenigstens in Qualität.

Wir benutzten den schönen Nachmittag zum Besuch der Clubhütte in il Run; zuerst auf ziemlich ebenem Wege längs des Baches durch liebliches lichtes Gehölz, dann auf die rechte Seite über eine Brücke 1262 M. und durch Gebüsch und lichten- Wald ansteigend bei einer malerischen Capelle vorbei, gelangten wir in einer lji Stunde zu den auf sanft ansteigenden Matten gelegenen Alphütten und Gaden il Run 1295 M., an einer der obersten flatterte lustig die eidgenössische Fahne, über den Fenstern waren auf einer Tafel die Buchstaben S.A.C. schwarz gemalt, in der hölzernen Thürfalle Stack eine Adresskarte von drei Berner Clubisten, worauf die Bemerkung « es ist gottvergesse heiss »; in der- Clubhütte war ein vertäfeltes Zimmer mit grossem Bett, Tisch, Bänke, Gestelle, Lampe, Pe-troleumflasche, Tinte, Schreibzeug und ein schönes Clubbuch, worin aber noch Niemand sich eingeschrieben.

Neben der Stube ein grösser Raum mit Feuerheerd ", Holz war auch vorhanden, im nahe stehenden grossen Gaden war ein luftiges Heulager für 16—18 Personen, in der Nähe ist gutes Quellwasser.

Die Lage ist sehr angenehm und sonnig, die Aussicht jedoch beschränkt, aber imposant ist der Anblick der direct vom Thal circa 1500 M. aufsteigenden Felswände und Terrassen bis Punct 2786 M., sowie der Blick in 's Val Lavaz mit Piz pleunca de sterls; gegen den in der Abendsonne glänzenden zerrissenen Sut-glatschgletscher bot der in tiefem Schatten steil aufsteigende Hintergrund des Thales « ils Encardens » mit dem weissen, über die hohen Felsen herabstürzenden Greinabach einen scharfen Contrast; thalauswärts waren die Flanken der Berge links und rechts bis in 's Thal bewaldet, höher schöne Alpen.

Leider zeigten sich aber auch über dem Hintergrund des Thales düstere Wolken, auch gegen Somvix war der Himmel bewölkt; es waren böse Aussichten, und wirklich war am Morgen der Hintergrund des Thales in Nebel und Regen; über Piz Cavel hing, wie oft am Pilatus, eine Regenwolke. Da wir bis zur Alp Motterascio 4^2—5 Stunden zu marschiren gehabt hätten, und der Weg über die Felsen bei Carpet* bei schlechtem Wetter etwas misslich ist, so verzichtete ich auf meinen Plan, und da Küche und Keller nicht zum besten und die freundlichen Herren Pfarrer auch fortgereist waren, so beschloss ich nach Truns zurückzugehen, in der Hoffnung, später von Vrin aus meinen Zweck zu erreichen.

Ich hatte es nicht zu bereuen, denn das Wetter wurde entschieden schlecht; den folgenden Tag fuhr ich im Beiwagen nach Disentis, welches ich seit meinem letzten Besuch sehr verschönert fand. In der Hoffnung, Clubgenossen zu finden, nahm ich meine Einkehr diessmal in der Krone, wo ich auch Herrn Oberingenieur v. Salis traf, und ausserdem Baron v. Seyffertitz, M. d. S.A.C. und Herrn Fischer von Basel, welche auf besseres Wetter warteten, um mit Gemsjäger Palli über den Cristallinapass zu gehen. Die angenehme Unterhaltung mit diesen Herren und die Mittheilungen des Herrn v. Salis über die Lukmanierstrasse vertrieben meinen Missmuth. Obgleich der Himmel trüb war und es dann und wann regnete, so machte ich doch einen Spaziergang auf der neuen Strasse durch die 11 Tunnels nach Curaglia, wo ich in Gesellschaft von Gästen aus der Krone beim Caplan einen guten Veltliner genoss.

Wer sich auch nur kurze Zeit in Disentis aufhält, sollte nicht versäumen, diesen bequem in l*/a Stunden zu begehenden Theil der neuen Strasse zu sehen. Trotz des trüben Wetters, waren doch die in Farbe und Formen mannigfach abwechselnden Felspartien, die prächtige und üppige Vegetation, Laub- und Nadelholz, die pittoresken Tunnels und an einer Stelle der Sturz des Rheins, so malerisch und interessant, dass ich den sonst alles verschönernden Sonnenschein nicht vermisste. Nach gütiger Mittheilung von Herrn Salis beträgt die ganze Länge der Strasse bis Piatta 7200 M., Breite 4,su M., auf 1 Kilometer liegen 11 Tunnels, und zwar von 13,%o M. bis 111,so M. Länge ausgeführt.

Zwei steinerne Brücken führen über den Vorder- und Mittelrhein.

Höchst befriedigt von meiner Excursion, traf ich bei eingetretener Dämmerung wieder im Hôtel ein. Der 14. August war wieder regnerisch und ich entschloss mich, den folgenden Tag nach Ilanz zu fahren, um von dort mein Glück im Lugnetz zu versuchen.

In Ilanz erkundigte ich mich bei Herrn Kaufmann Bühler, welcher im Itinerar als Führerchef bezeichnet ist, nach einem Führer; Herr Bühler bemerkte mir, dass die zwei einzigen Führer nicht mehr in Ilanz wohnten und keine geeigneten Leute da seien. Ich bestellte nun per Telegraph Förster Deplazes nach Villa, und Herr Bühler liess es sich nicht abschlagen, mich per Post bis unter Cumbels und dann zu Fuss, meinen schweren Nachtsack tragend, nach Villa zu begleiten, und bedauerte wegen Abwesenheit seiner Frau Gemahlin, nicht als Führer mit mir kommen zu können; auch zeigte er, als ächter Gebirgsfreund, grosses Interesse für die Zwecke des Alpenclub.

Die neue Strasse von Ilanz unter Luvis und neben deni historisch interessanten Frauenthor vorbei ist an schönen Ansichten reich, sowohl gegen Ilanz und das Rheinthal als auch gegen Signina und Lugnetz; unter der schön gelegenen Kirche von St. Moriz ( 1068 M. ) führt die Posstrasse nach dem tief gelegenen Peiden und Fruth, aber auch bis Villa ist dieselbe vollendet. Dieselbe steigt von Cumbels bis Villa nicht bedeutend, und fortwährend hat man freie Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge und die wilden Felsgräte und Rüfenzüge des Signinastockes, das hochgelegene Riein 1286 M. und die auf sonniger Terrasse ob den gleichnamigen furchtbaren tiefen Tobein liegenden Dörfer Pitasch und Duvin.

Duvin liegt hart am Rand des Tobeis; bis zur Spitze begrast, steigt die schon in Ilanz sichtbare Pala de tgiern 2281 M., rechts hinten überragt von Piz Grisch 2846-2862 M. empor. Weit sieht man in 's Valser Thal und über dem Hintergrund von Vrin erheben sich Piz Terri, Scharboden etc. Vor Villa setzte uns ein Trupp Feldschützen in Angst. Sie hatten an einem kleinen Hügel eine Scheibe aufgestellt und benutzten gemüthlich die Strasse als Schusslinie. Ein eigenthümlicher Schiess- und Scheibenstand; es lebe die Freiheit!

Bei Demont in Villa fand ich gutes Quartier, die grossen, hellen, säubern Zimmer, das Schlafzimmer mit reinlichem, grossem, gutem Bett, die gute freundliche Bedienung und sehr billige Zeche, hätte ich hier oben nicht erwartet; es war recht heimelig.

Von meinem Schlafzimmer hatte ich schöne Aussicht auf Piz Seranastga 2876 M. und Piz Aul 3124 M., gegen Vrin auf die vergletscherten Piz Scharboden und Alpetta und den leider ganz verschneiten Piz Terri. Villa ist schön gelegen, der Ort hat viele grosse Gebäude und Kirchen und Capellen, welche aber sehr im Verfall sind. Bei einer kleinen Capelle auf einem Hügel hat man eine herrliche Gebirgs- und Thalaussicht; zwischen den Ausläufern des Mundaun und la Cauma am Signinastock sieht man Piz Sterls, Piz Tschep und Crap Matts, den Kamm des Flimsersteins und über alle erhaben die schöne Ringelspitzedann folgt der vielgipflige zerrissene Grat des Signinagebirgs und der Kamm, der Safien von Lugnetz trennt;

obwohl die Kämme weit hinauf mit Gras bewachsen, sind die vielen tief eingeschnittenen Tobel und Rüfenzüge, welche von den höchsten Spitzen herabziehen ein wilder, schauerlicher Anblick. Zwischen den Flanken von Pala de tgiera und dem Wannenspitz, einem Vorberg von Piz Seranastga, sieht man das Yalserthal. Bis zum Valserhorn und Valserlücke, gegen Süden, thürmt sich ein vielgipfliger Grat vom Piz " Regina 2528 M. bis Piz Seranastga 2876 M. und daneben thront der Piz Aul 3124 M. mit seinem breiten Gletscherfalle, der schon bei Truns sich über den Mundaun so dominirend erhebt.

Wie im Itinerar bemerkt, ist der Besuch der nahen Kirche von Pleif 1211 M. zu empfehlen, wo man nebst der Gebirgsansicht noch mehr in 's Thal und die vielen Dörfer und Höfe sieht. Der Anblick der prachtvollen Eschen an der sonst baumlosen Thalseite wird Jedermann erfreuen.

Abends kamen die Feldschützen und andere junge Männer, schöne kräftige Leute, zu einem Glas Bier und Wein, und zu ihrem Lob muss ich bemerken, dass est trotz lebhaftem Gespräch nicht^ so lärmend zuging, wie man es bei solchen Anlässen in andern Gegenden der Schweiz erlebt. Auch wurde dem Getränk massig zugesprochen.

Morgens 6 Ulir kam Förster Deplazes; in 4 Stunden hatte er den weiten Weg von Surrhein bei Somvix über Punct 2077 M., des Mundaungrats nachYilla ge- Streifzüge im Excursionsgebiet.Y21

macht. Leider bewölkte sich der Himmel über Vrin und Vanescha. In der Absicht, wenn es dort hinten nicht besser werde, von Lumbrein doch wenigstens auf Piz Sez ner 2315 M. zu steigen, machten wir uns dahin auf den Weg. Durch die schön gelegenen Dörfer Rumein 1203 M., Vattiz 1236 M., Vigens 1241 M. führt ein schlechter und bei einer mit Erlengebüsch bewachsenen steilen nassen Halde schmaler Weg in ta/a Stunden nach Lumbrein 1410 M.: wir nahmen im kleinen Holzhaus von La Marca Quartier, wo wir von Fräulein a Marca und ihrer 82jährigen noch geistes-frischen Grossmutter freundlich empfangen und bedient wurden. Ich besuchte nun die Umgebung und machte einige Studien.

Lumbrein ist ein grosser Ort mit vielen hölzernen Gebäuden und einem alten Thurme; die Häuser und Gaden stehen dicht bei einander, nur durch einige holperige Gässchen getrennt; man darf nicht an einen Feuerausbruch denken! Die Umgebung aber ist sehr schön. Leider verdüsterte sich der Himmel immer mehr. Im traulichen Stübchen, in Gesellschaft der noch muntern Grossmutter, nahmen wir unser frugales Abendessen; fatal, dass. ich nicht romanisch verstand, ich hätte von der guten Frau manches Interessante vernehmen können. Das gebildete Fräulein a Marca besorgt das Hauswesen mit allem Fleiss. Sie klagte mir, dass sie die « helle » Noth habe, in der holzarmen Gegend für den Winterbedarf genug Brennmaterial zu bekommen. Zu verwundern ist das nicht, denn dem Wanderer wird schon von Cumbels her der Contrast zwischen der bewaldeten rechten Thalseite und den auf der linken bis zum Mundaungrat aufsteigenden baumlosen Weiden und Alpen auffallen.

Das gleiche freundliche kleine Zimmer, welches Freund Zeller vor einigen " Wochen bewohnt, wurde mir angewiesen; ein Blick durch 's kleine Fenster an den wolkenbehangenen Himmel zerstörte rasch meine Hoffnung auf besseres Wetter; am Morgen war wirklich alles grau und regnerisch. Missmuthig begaben wir uns auf den Rückweg, und nachdem ich noch einmal gerne in Villa ein Stündchen verweilt, marschirten wir gemächlich über Cumbels nach Ilanz zurück. Deplazes machte sich auf den Heimweg; ich schied ungerne von dem wackern, unverdrossenen, bescheidenen und gebildeten Mann, und darf ihn allen Clubgenossen empfehlen.

Herr Dirsch bedauerte sehr mein Missgeschick und besorgte mir für die Abendpost nach Brigels ein Billet.

Die neue Strasse nach Brigels ist bis Waltensburg 1010 M. etwas langweilig, steigt dann von dort hart am Rande der Terrasse über dem linken Rheinufer und der Poststrass.e ziemlich steil hinauf, mit schönem freiem Blick auf das sonnige, fruchtbare, mit vielen Häusern besetzte Obersaxen und den Mundaungrat; besonders bei dem Vorsprung zum Kreuz 1276 M., wo zur Erinnerung an Escher von der Linth ein Denkmal errichtet ist, das in einem Granitblock mit Inschrift und kleiner Anlage besteht, ist die Aussicht gegen Ilanz und Oberland sehr schön; nach einer Biegung der Strasse erblickt man das grosse Dorf Brigels.

Da das bekannte Gasthaus der Geschwister Capaul abgebrannt war, empfahl der Postillon mir eine kleine Wirthschaft, wo ich auch meine Einkehr nahm und es nicht zu bereuen hatte, da der Wirth der einzige anwesende Mann im Orte war, welcher mit der Gegend bekannt war und Zeit hatte, mich zu begleiten.

Das Haus ist alt und baufällig; aber Zimmer und Bett reinlich und die Bedienung freundlich und billig.

Ich benutzte den schönen Abend, um die Umgebung zu besuchen. Brigels ist bekannt als angesehener Luftkurort, es hat eine schöne geschützte Lage und ist für interessante Ausflüge günstig gelegen; viele schöne grosse Häuser bezeugen Wohlstand. Die schönen Güter und Fruchtfelder beweisen die fruchtbare, trotz der Höhe warme Lage. Schöne Waldung ist in der Nähe; auf jedem kleinen Hügel hat man freie Aussicht in die Gebirgswelt. In der Nähe fussen die Brigelserhörner und über die malerische, auf einem Hügel stehende Kirche St. Sievi 1339 M. steigen der ungeschlachte Kistenstock 27*49 M. und Piz Dartjer 2784 M. empor.

Den folgenden Morgen führte mich mein Wirth durch schönen Wald, über massig ansteigende Matten zu den Alphütten Tschen dadens sut 1728 M. und Tschen dadens sura 1977 M., und nachher höher auf circa 2100 M. Eine weite herrliche Aussicht vom Signina bis Muraun erfreute das Auge; über den erstem sah man den Piz Beverin, über den Mundaun Lugnetzer- und Valserberge, ebenso neben Piz Sez ner und über. Piz Miezdi die Gaglianera-Medelsgruppe; leider wurden oft die Spitzen der Berge mit Nebel bedeckt oder ganz verdeckt. Befriedigt von der Excursion kehrten wir zurück.

9 Den folgenden Morgen war der Himmel ziemlich, wolkenfrei, so dass wir uns mit frohem Sinne auf den Weg machten.

Das Ziel war der mit Namen Quader bezeichnete breite Bergrücken und Alp, der am Fuss mit etwas Wald und Erlengebüsch bewachsen, bis auf 2400 M. hinauf zum Piz Dartjes schöne Alpen und Weiden'hat und an dessen südwestlicher Abdachung gegen Alp Nova und Val Frisai die Alp Robi liegt und der Kistenpass aufsteigt. Durch die fruchtbaren Wiesen, im Zickzack zwischen den vielen Hütten und Gaden, stiegen wir hinauf, und immer mehr erweiterte sich die herrliche Aussicht und veränderte sich die Gebirgsansicht, je nachdem wir auf der östlichen oder westlichen Seite marschirten. Gegen die Lug-netzer- und Medelserberge war die Aussicht wie auf Alp Tschen; besonders neu und überraschend aber war mir und wird es auch andern sein, der Blick in

das bis zur Frisallücke 2810 M. offene Frisalthal, das

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auf der rechten Seite von den vergletscherten Brigelserhörnern, auf der linken von Piz Frisai und den vom Kistenstock bis Bifertenstock hinaufsteigenden Fels- kämmen begrenzt wird, zwischen welchen und dem höher gelegenen Biferten- und Frisalstock sich der in der Mitte wild zerklüftete, von Ilanz und Chur aus sichtbare Frisalgletscher herabsenkt. Grosse Schutt-und Trümmerhalden fallen auf beiden Seiten in 's Thal, und wohl mag der Blick in die Tiefe ein so schauerlicher sein von diesen Kämmen und dem Bifertenstock, wie ihn A. Roth im ersten Jahrgang des Clubbuch pag. 174 beschreibt.

Gerade vor sich gegen Norden sieht man den Kistenpass 2590 M., der zwischen dem hier in allen Details sichtbaren Kistenstock 2749 M., und dem verwitterten Piz da Dartjes 2784 M. nach Linthal führt;

gewiss Herr Roth hätte grosse Freude, wenn er hier wieder seine « Fainilienkiste » und auch die begangenen schmalen Felsbänder erblickte!

Links neben dem Kistenstock ragten die zerrissenen Felszähne der Scheibe herüber und rechts davon glänzte die Firnkuppe des Selbsanft über dem Pass. Gegen Nordost, zwischen Crap Surschein 2569 M. mit seinen verwitterten Schichten und dem nördlichen Grat von Piz Mar 2626 M., sieht man die Lücke des Panixerpass 2410 M. Leider war gegen Vorab und die Ringelspitze Alles in Wolken, ebenso die Spitzen von Piz Frisai und Bifertenstock und was hinter der Frisallücke lag, und trotz meiner Ausdauer bis spät Abends auf dem Berg, konnte ich keine befriedigende vollständige Skizze machen; immerhin aber durfte ich froh sein, wieder ein herrliches Stück Gebirgsnatur gesehen zu haben. Es ging nun schnell über die Matten hinab, bei einer Sennhütte wurden die Kühe gemolken, 75 Stück, leider alle krank. Die Sennen waren grosse starke Leute. Sie boten uns Milch an, leider sprachen sie nur Romanisch. Noch vor Dämmerung kamen wir nach Brigels.

Wer sich längere Zeit in Brigels aufhält, dem möchte ich den bis auf den höchsten Kamm leicht zu besteigenden Quader empfehlen, und glaube auch, dass Brigels in nächster Zeit in verdienten Ruf kommen wird; ein grosser Gasthof ist im Bau.

Den folgenden Morgen fuhr ich wieder mit der Post nach Ilanz, wo ich mit einem grossen Naturfreund, Herrn G. aus Leipzig, bekannt wurde und mich entschloss, ihn auf den Mundaun zu begleiten.

In einer Chaise fuhren wir bei zweifelhaftem Wetter nach Cumbels, wo wir in dem empfehlenswerthen Wirthshause zur Post nach einem Träger fragten. Aus Gefälligkeit kam der Sohn des Wirthes mit uns, ein freundlicher, bescheidener junger Mann. Ueber bald sanft, bald steil ansteigende Alpen kamen wir auf der Spitze an, wo vor uns schon zwei jüngere Geistliche, der Herr Pfarrer von Morissen, und ein Herr von Reichenau angekommen waren. Die Sonne brannte tüchtig, die Aussicht war aber nicht überall klar; ab und zu wurden diese oder jene Berge mit Nebel bedeckt. Das Entzücken und die Freude meines Reisegefährten, der zum ersten Male auf einem solchen Berg und in solcher Gebirgsnatur war, erfreute mich und ersetzte mir den vollen Genuss der Aussicht, welche mir von einem frühern Besuch des Berges bekannt war. Es wurde Abend ehe wir aufbrachen; Herr G. konnte sich nicht satt sehen.

Am 23. fuhr ich mit der Post nach Waldhaus und " besuchte die umliegende Gegend, den Caumasee, das hoch und schön gelegene Fidaz und die idyllische Alp Bargis unter der NO-Seite des Flimsersteins. Abends fuhr ich nach Reichenau und den folgenden Tag durch den Schynpass und über Parpan und Chur nach Hause.

II.

Längst war es mein Wunsch, den Cristallinapass zu besuchen, um von dort die Adulagruppe zu sehen und skizziren zu können. Als daher das Wetter sich am 30. August aufklärte, fuhr ich Abends wieder nach Chur und den folgenden Tag nach Disentis, wo ich leider meinen wackern Deplazes, den ich per Telegraph bestellt, nicht traf, weil er mit einem Herrn in 's Somvix gegangen war. Ich engagirte nun den Schlosser Huonder von Disentis wenigstens als Dolmetscher und Träger meines Gepäcks. Bis Piatta nahm ich ein Fuhrwerk und von dort marschirten wir noch nach Perdatsch in die wohlbekannte kleine Wirthschaft der wackern Martin Giger, der uns das Nachtquartier bieten sollte.

Giger war es nicht gelegen, mich morgen zu begleiten, weil er nothwendig heuen sollte; nur weil ich es sei und jetzt den weiten Weg gemacht, willigte er ein. Ich bezog nun mit Huonder das mir wohlbekannte kleine Stübchen mit zwei grossen, reinlichen, hohen Betten und den folgenden Morgen punkt 4 Uhr waren wir wieder munter und froh über den schönen Tag und um 5 Uhr machten wir uns auf den Weg in 's Cristallinathal.

Ich erlaube mir, meinem weitern Berichte die treffliche Beschreibung des Cristallinathales und Passes von Theobald in seiner Schrift « Das Bündneroberland » " voranzustellen.

« Bei den Höfen Perdatsch ( am Lukmanierpass )

13'cMüller- Wegmann.

öffnet sich nach Südost das Cristallinathal und ein starkes Bergwasser strömt aus demselben hervor, welches den Rhein fast um das Doppelte verstärkt; es dringt in Cristallina etwa ll/2 Stunden in das Gebirg ein und theilt sich dann in die Thäler Ufiern und Casaccia. Obgleich steinig und rauh hat es doch gute Weiden, die den geschätzten Cristallinakäs liefern. Am Eingang trägt der Abhang des Garviel auf der linken Seite noch schönen Hochwald zwischen mächtigen Blöcken des granitischen Gesteins, die mit schönen Moosen und den zierlichen Ranken und Blüthenglöck-chen der Linnaea Borealis bedeckt sind; die rechte Seite ist kahl. Das Thal wird einwärts immer breiter und man gewahrt schöne Ansichten der Bergseiten, welche höher und höher und in immer steileren Abhängen aufsteigen. Diese entwickeln sich endlich zu furchtbar hohen und schroffen Felswänden, von denen Schneefelder und bläuliche Gletscherabstürze herab-glänzen. Aber verschieden ist der Anblick dieser Felsen nach dem Gestein, woraus sie gebildet sind. Auf der Südseite stehen die verwitterten schwarzen Gräte und Zacken des Scopi, aus Schiefer bestehend, auf granitischer Grundlage, steil und zerrissen, von Schluchten gefurcht, auf der andern die massigen jßckigen Formen des Medelserstock's aus Granitgneis aufgebaut, der in den unteren Lagen in wirklichen Granit übergeht und keine Schichtung mehr zeigt. Wetter und Sturm haben auch an ihnen gearbeitet, aber die glatten, wenig zerklüfteten Felsenmassen und die grossen Winkel ihrer Kanten, lassen schon von weitem solidem Stoff erkennen. »

« Da stehen von ewigen Eisfeldern umgeben Piz Cristallina 3129 M., Piz Ufiern 3153 M., Cima Camadra 31^5 M. *

« Das Seitenthal Casaccia verliert sich bald an den Gletschern, welche auf der Nordseite des Scopi herabsteigen; Ufiern dringt tiefer ein in die Wildniss der Gebirge, sein Name, die Hölle, deutet auf den schauerlich wilden Anblick dieser von himmelanstrebenden Felsen, Schnee und Eis umgebenen Thalschlucht. Donnernd und stäubend wirft sich der starke Gletscherbach von den Felsen herab und bildet einen sehenswerthen Fall nicht weit vom Eingang. Hier liegt die letzte Alphütte, denn zwischen seinen Felsen hat Ufiern noch grüne Thalstufen, welche beweidet werden. Nahe dabei stürzt ein anderer Bach die felsige Höhe von der Südseite in raschem Lauf und kleinen Fällen herab, ein Pfad windet sich, ihm folgend, zwischen den Klippen hinauf. Hat man die Thalstufe erreicht, so steht man 2300 M. hoch am Ufer eines kleinen See's, in öder schweigender Einsamkeit; etwa 100 M. höher liegt ein zweiter See, dessen Wasser dem Val Campo zufliesst. »

Bei kühler Temperatur marschirten wir durch das mit grossen und kleinen Felsblöcken bedeckte Thal zuerst bei den zwei Alphütten 1598 vorbei, zur Alphütte Palius, zu welcher eben das Vieh unter rohem Gebrüll mit Prügel und Steinwürfen, wie es leider in Bünden an vielen Orten der Fall, zugetrieben wurde. Der bekannte Gemsjäger Palli war schon zur Jagd aufgebrochen. In l'/'i Stunden waren wir am Ende des Thales, wo sich rechts das Val Casaccia abzweigt, dann stiegen wir, um die Ecke biegend, am Fuss von Piz Cristallina im Zickzack auf der rechten Seite von Val Ufiern hinauf und kamen bald zu dem unterhalb einer steinernen Brücke befindlichen prachtvollen Wasser fall;

aber ein eisigkalter Wind, der von demselben und vom l Ufiernpass 2660 M. herabkommend, un& durchschauerte, liess uns nicht lange weilen und erst jenseits der Brücke, in sonniger und geschützter Lage machten wir einen Halt. Wir hatten hier einen schönen Einblick in das malerische, im Hintergrunde vergletscherte, krystallreiclie Val Casaccia; besondere schön waren die herabhängenden Gletscher des Scopi.

Giger führte uns nun über die sogen. Sätze und durch eine Schlucht mit losen Steinen zwischen Felsen hinauf, näher, aber für mich sehr anstrengend, dann .über mehrere jetzt kleine Bäche in dem Trümmer und Geschiebbett unter Gl. délias Tuors ob dem Weg und kleinen See Lagez, über verwitterte, zerklüftete Felsen und Steine auf die Passhöhe, 2404 M., oberhalb des Lago Retico, 2378 M., von Perdatsch 43/* Stunden entfernt.

Welch herrliches Gebirgsbild überrascht bei klarem Himmel hier den Wandernden!

Ueber den zu Füssen liegenden 30 Jucharten Fläche haltenden Lago Retico und über die grünen Hügel, welche denselben südlich begrenzen und durch welche in tiefer Schlucht das Wasser nach Val Campo abfliesst, steigt im Glanz der Sonne und tiefblauem Himmel die Adulagruppe vom Plattenberg bis zum Alles überragenden Piz Valrhein auf und rechts davon erheben sich Calancer- und Tessinerberge. Die Firnkuppen des Casinell, Casimoi, Rheinwaldhorns und der Bresciana-, Cassiletto- und Forneigletscher glänzten und blendeten so, dass ich zwei gefärbte Brillen nöthig hatte zum Zeichnen.

Rechts vom Valrhein flimmert der Gletscher zwischen Fil Rosso und Cima dei Cogni, welcher sonderbarer Weise Gl. della Parrete heisst, obschon Poncione della Parrete mit Gletscher viel weiter nördlich liegt. Steil in wilden Gräten und Stürzen steigt der breite Simano aus Val Soja und Val Blegno auf und in weiter Ferne sieht man noch den langen Kamm des Camoghe. Ein eisigkalter starker Wind erschwerte das Zeichnen; die spärliche Vegetation war abgestorben. Nach dreistündigem Aufenthalt und nach Messung der Temperatur des See's, Mittags 1 Uhr, welche 8 ° R. ergab, begaben wir uns auf den Rückweg und beinahe auf dem gleichen Wege auf die Passhöhe. Weisser und fast durchsichtiger Quarz und Gneis glitzerten rings herum, und ich fand auch einige Krystalle. Die Ansicht der rechten Thalseite vom V. Ufiern mit Piz Cristallina und Ufiern, war nicht so schön, wie ich mir nach der Karte vorgestellt. Die Gletscher waren zurückgeschmolzen und theilweise schmutzig. So rasch als möglich überschritten wir den mühsamen Weg, weil ich noch bis Piatta zurück wollte und den rauhen Weg durch Cristallina im Gedächtniss hatte. Bei den angeschwollenen Bächen unter Gl. délias Tuors angekommen, hatten wir Noth trockenen Fusses hinüber zu kommen. Die Geröllhalde wurde umgangen und wieder über die Brücke gelangten wir bald zum Wasserfall, welcher mit vermehrter Stärke donnernd herabstürzte. Bei der Sennhütte im Cristallinathal zeigte uns der Jäger Palli zwei heute geschossene fette Gemsen;

wir hatten die Schüsse gehört. Palli ist ein fester breitschultriger Mann, anerkannt der beste Führer und Gemsjäger im Thal. In Perdatsch angekommen, berichtigte ich meine billige Zeche und nahm herzlich Abschied von den biedern Leuten. Müde kam ich in dem wohlbekannten gastlichen Hause des Herrn Pfarrers Huonder an, wo mich Deplazes erwartete, in der Meinung, ich werde noch eine Tour machen wollen. Ich entliess den Schlosser Huonder, welcher sich als fröhlichen, dienstwilligen, unverdrossenen Burschen erwiesen hatte. Den folgenden Morgen schlenderte ich bei herrlichem Wetter nach Disentis und fuhr am Abend noch nach Ilanz und am andern Tag nach Haus.

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