Südtiroler Archäologiemuseum Bozen. «Der Mann aus dem Eis» und sein Haus
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Südtiroler Archäologiemuseum Bozen. «Der Mann aus dem Eis» und sein Haus

« Der Mann aus dem Eis » und sein Haus

Mit dem Einzug der berühmten Gletschermumie und der teilweise vortrefflich erhaltenen Beifunde erfuhr das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen eine erstaunliche Aufwertung. Über 200 000 Menschen pilgern jährlich in das stattliche Haus in der barocken Innenstadt, das ehemals eine Bank beherbergte.

Der Fund Am 19.9.1991, einer richtigen Schnaps-zahl, überschritt ein deutsches Ehepaar das Tisenjoch, den hochalpinen Übergang zwischen Österreich und Italien. Beim Abstieg entdeckten sie in einer Felsmulde auf 3210 m ü. M. eine im Eis steckende Leiche. Die mit der Bergung beauftragte Bergwacht ging zunächst davon aus, dass es sich dabei um einen verunfallten Alpinisten handle – an und für sich nicht falsch. Dass dieser « Alpinist » irgendwann zwischen 3350 und 3100 vor Christus hier ums Leben gekommen war, vermutete anfänglich niemand. Warum auch? Eine praktisch vollständig erhaltene, über 5000 Jahre alte Leiche zu finden, ist eher ein Wunder denn ein Zufall. Aus diesem Grund passierten bei der Bergung leider ein paar Pannen, so auch die eindeutige Definition des Fundortes. War er in Österreich oder in Italien? Vermesser beider Länder stellten nachträglich eindeutig fest, dass sich der Fund gut 90 Meter von der Grenze entfernt auf italienischem Gebiet befunden hat. Dies geschah aber erst, als der « Mann aus dem Eis » nach Österreich abtransportiert worden war. Anfang 1998 wurde dann der ebenso scherzhaft wie fälschlich benannte « Ötzi » in sein jetziges Domizil an der Museumsstrasse in Bozen gebracht.

« Der Mann aus dem Eis » Zur Zeit seines Todes an einem Frühsommertag war der « Mann aus dem Eis » etwa 46 Jahre alt, ein für jene Zeit erstaunlich hohes Alter. Er war 1,60 m gross und 50 kg schwer und bekleidete vermutlich einen höheren Rang im sozialen Gefüge. Auf Grund der vollständig erhaltenen inneren Organe nahm man

2 Der Autor dankt Prof. Dr. Ing. Christian Kleinert, Hagen und Sarreyer VS, für seine wertvollen Anregungen und interessanten Ergänzungen.

Die vorerst letzte Entwicklungsphase: die gewagt bemalten und lackierten, mit üppigen Ornamenten versehenen Balkonbrüs-tungen eines Hotelbaus ( Saas Fee, Lomattu ) Buntes Allerlei ( Saas Fee, Lomattu ).

Fo to s: Be rnh ar d Ru dolf Ba nz ha f DIE ALPEN 2/2002

an, dass er, krank und schwach, sich vermutlich dem Unwetter ergab, einschlief und erfror. Kürzlich wurde nun die wohl wahrscheinliche Todesursache festgestellt: Der Eismann wurde von einem Pfeil getroffen, dessen Spitze in der linken Schulter gefunden wurde. Er mochte wohl seinen Widersachern entkommen sein, nicht aber dem Tod, der ihn auf Grund seiner schweren Verletzungen ereilte. « Oetzi » wurde in der Folge von ergiebigen Schneemassen zugedeckt, die im folgenden, vermutlich kühlen Sommer nicht mehr wegschmol-zen. Später deckte ein Gletscher die Mulde zu. Gut sechshundert ( 600 !) Jahre, nachdem der Mann im Eis verschwand, wurden in Ägypten die Cheopspyrami-den gebaut.

Glückliche Fügung Die geschützte Lage der Leiche und die Tatsache, dass der Gletscher lediglich über die Mulde strich und den Körper nicht verfrachtete, führte zu einer erstaunlich perfekten natürlichen Mumifi-zierung und Konservierung von Körper und Beigaben, die in mühevoller archäologischer Arbeit im Eis – nicht mit Pinsel und Spachtel, sondern mit Dampfstrah-ler und Föhngerät – gefunden wurden. Der Mensch, der vor über 5000 Jahre lebte, gibt mit seinem gut erhaltenen Körper und seiner Kleidung und Ausrüstung präzise Auskunft über das Leben der Menschen in der frühen Kupferzeit. Die Mumie Über die Zurschaustellung einer Leiche kann man geteilter Meinung sein, wobei das Alter des Fundes keine grosse Rolle spielt. Die Museumsgestalter in Bozen gestatten dem Besucher nur einen kurzen Blick durch ein kleines Fenster, sodass man die Mumie anschauen kann, aber nicht muss. Interessant sind vor allem die Tätowierungen, die an verschiedenen Gelenken sichtbar sind. Es handelt sich um Strichbündel und kleine Kreuze, die vermutlich zur Schmerzbe-handlung angebracht wurden. Das Umfeld ist sehr aufwändig gestaltet. Beispielsweise ist das Gletscherklima nachgestellt worden, in dem der Mann aus dem Eis so lange « überlebt » hat.

Die Kleidung Ebenso interessant wie der Eismann selbst sind die Beifunde, Fragmente von ausserordentlicher Aussagekraft. Die Kleidung besteht im Wesentlichen aus Lendenschutz, Gürtel, Beinkleidern, Fellmantel, Schuhen und Bärenfellmütze, aus Leder- oder Fellstücken in erstaunlich fortgeschrittener Technik angefertigt. Die Abnützungsspuren an der Kleidung des Mannes sind an vielen Stellen weniger sachgemäss repariert. Dass sich die Menschen von damals gegen die Unbill des Bergklimas zu wehren wussten, zeigt das Paradestück: Teile eines Mantels aus geflochtenem Gras. Dieser schützte sehr gut gegen Schnee, Regen, Wind und Kälte. Da sich die Webtechnik erst später durchsetzte, trug der Mann keine gewobenen Stoffe.

Die Ausrüstung Der Mann hatte alles dabei, was für das Überleben in einer unwirtlichen Gebirgslandschaft nötig war. Und er konnte defekte oder verlorene Gerätschaften umgehend reparieren oder ersetzen. Am Bogen sind die Spuren der letzten Aktivitäten des Eismannes zu sehen: Er war im Begriff, die Oberfläche des Schaftes zu bearbeiten. Der Bogen sowie die Pfeile sind in einem unfertigen Zustand. Be-rührend wirkt die Tatsache, dass sein Pfeilbogen aus Eibenholz noch an jenen Felsen angelehnt war, wo ihn der Eismann vor 5000 Jahren hinstellte. Die Verwendung von 18 verschiedenen Holzarten für die Herstellung von Beil, Dolch, Bogen, Pfeilen, Retuscheur, Trage und Gefässen zeigt, dass die Menschen in der Kupferzeit gute Materialkennt-nisse hatten. Die Holzgegenstände werden ergänzt durch die Kupferhaue des wunderschönen Beils und die Klingen aus Silex für Dolch und Pfeile. 1 Das Archäologiemuseum in Bozen zeigt alle Funde im Original in einer ansprechenden Präsentationsform. a

Bernhard Rudolf Banzhaf, Saas Fee 1 Empfehlenswerte Literatur zum Thema: Fleckinger Angelika, Steiner Hubert: Faszination Jungsteinzeit: Der Mann aus dem Eis. Folio Verlag, Bozen 1999 Der « lebende » Eismann, gekleidet und ausgerüstet, wie er sich vor über 5000 Jahren über das Tisenjoch aufmachte Fo to :ZV G Bo zen /A ug ust in Oc hs en rei te r DIE ALPEN 2/2002

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