Vom Schutz des Vaterlands zum Schutz der Natur
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Vom Schutz des Vaterlands zum Schutz der Natur Der SAC in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkriegs

Die Zeit von 1918 bis 1945 gilt einigen Historikern als rechts­nationales, dunkles Kapitel in der SAC-Geschichte. Der Militärhistoriker Jürg Stüssi-Lauterburg sieht in der damaligen Haltung des Clubs hingegen ein richtiges und wichtiges politisches Engagement angesichts kommunistischer Umsturzbemühungen.

Wer sich von Osten mit der Eisenbahn der Stadt Bern nähert, blickt vom Lorraineviadukt aus auf Eiger, Mönch und Jungfrau, im Vordergrund auf das Rathaus. Es handelt sich dabei in der heutigen Gestalt nicht um ein mittelalterliches Gebäude, sondern um einen Zeugen der geistigen Landesverteidigung aus dem Jahre 1942. Für den betont demokratischen1 Bau zeichnete der bernische Baudirektor Robert Grimm verantwortlich.

Der Marxist Grimm hatte 1918, ein Jahr nach der Oktoberrevolution und durch sowjetisches Geld unterstützt2, einen Teil der Arbeiterschaft in den Generalstreik geführt. Über dessen Ziele äusserte sich im Vorfeld die Geschäftsleitung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz unmissverständlich: «Schon rötet die nahende Revolution den Himmel über Zentraleuropa; der erlösende Brand wird das ganze morsche Gebäude der kapitalistischen Welt erfassen.»3 Grimm gab jedoch am Entscheidungspunkt der Krise der bundesrätlichen Aufforderung zum Streikabbruch nach und schlug mit seinen Genossen den Weg hin zur demokratischen Reformpartei ein. 1935 strich die SP schliesslich die Diktatur des Proletariats aus dem Programm.

 

Gegen die Revolution

Doch die politischen Gegensätze 1918 bis 1935 blieben hart und waren nicht immer unblutig. Der SAC konnte sich den Entwicklungen nicht entziehen. Im Kriegs- und Streikjahr 1918 fiel die Abgeordnetenversammlung aus. Und im November trat das Central-Comité Genf (1917–1919) verbal und organisatorisch energisch gegen die drohende Revolution an.

Die Revolutionäre von 1918 heute im Rückblick zu reformfreudigen Demokraten zu romantisieren und die ihnen gegenüber aus SAC-Kreisen geübte Zurückhaltung zu «Schattenseiten» des Clubs zu machen4, ist eine Gefahr, welcher etwa der «Beobachter» nicht entgangen ist.5

Das politische Engagement des SAC beschränkte sich weitgehend «auf die Streiktage»6 und flaute nach einem patriotischen Schlusswort von SAC-Centralpräsident Alexandre Bernoud im Amphitheater von Vindonissa am 24. November 1918 anlässlich der Gründung des Schweizerischen Vaterländischen Verbandes, des Dachverbands der Gegenbewegungen gegen den Generalstreik, rasch ab.

 

Keine Kommunisten

Die Spannung dauerte allerdings an. Die Sorge um die verfassungsmässige Ordnung schlug sich beispielsweise in der Aufnahmepraxis der Sektion Uto nieder: «Die vielen Aufnahmegesuche in den Jahren 1919 und 1920 veranlassten den Vorstand der Sektion, den Aufnahmen seine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, galt es doch, dem S.A.C. jene Elemente fern zu halten, die nicht mehr willens waren, auf dem Boden unserer Staatsverfassung zu stehen. Die Sektion Uto, als politisch neutraler Verein, bestimmte damals, dass alle Bewerber um die Mitgliedschaft schriftlich zu erklären hatten, dass sie kommunistischen Bestrebungen fernstehen.»7

Totalitarismus fand im Club keinen Anklang. Sechs der fünfundzwanzig zwischen 1922 und 1946 aufgenommenen Ehrenmitglieder hatten ihren Wohnsitz im Ausland, alle in demokratischen Staaten (Grossbritannien, Frankreich, Niederlande). Zumindest ein früherer Clubkamerad kam unter die Räder des – von ihm zunächst begrüssten – deutschen Nationalsozialismus: Emil Nolde, eigentlich Emil Hansen, Sektion St. Gallen, musste erleben, dass seine Bilder 1937 in die Ausstellung «Entartete Kunst» wanderten.8

Abbild der Gesellschaft

Vereinzelt mochten Arbeiter sich in den Hütten ausgegrenzt fühlen.9 Die Zusammensetzung des SAC (11 623 Mitglieder im Jahr 1910, 33 842 im Jahr 1946) war – abgesehen davon, dass er bis 1978 ein reiner Männerclub war – insgesamt jedoch ein Abbild der Gesellschaft.10 So wurde er von Bundesrat Philipp Etter anlässlich des Jubiläums von 1938 in Olten gewürdigt: «Deshalb grüsse ich im Alpenclub, der in seinem Schoss keinen Unterschied der Klassen und der Stände kennt, einen Träger des schweizerischen klassenlosen Gemeinschaftswillens, des schweizerischen Zusammengehörigkeits- und Volksgedankens.»11

Den Gegensatz zwischen totalitären Ideologien und schweizerischer Freiheit beschrieb Henri Guisan, 1946 Ehrenmitglied des SAC, aus dem nahen Rückblick: «… ces idéologies signifiaient pour nous: menace, tyrannie … notre idéal signifiait: résistance, liberté.»12

Es gab allerdings eine Minderheit schweizerischer Sympathisanten von Nationalsozialismus und Faschismus und darüber hinaus ausgesprochene Leisetreter. Einige von ihnen richteten die direkt gegen Grimm und generell gegen die Pressefreiheit polemisierende sogenannte Eingabe der 200 an die Bundesbehörden. Zu den Unterzeichnern gehörte auch Centralpräsident Rudolf Campell aus Pontresina, Spezialist für Lawinenrettung und Erfrierungen.13

 

Das Politische ist Nebensache

Die Sehschärfe des SAC mochte damals auf dem rechten Auge geringer sein als auf dem linken. Das Politische blieb jedoch stets Nebensache.14 Das Unpolitische ist dem Club denn auch neuerdings zum Vorwurf gemacht worden. Der Mitgestalter der jüdischen Museen von Frankfurt und Berlin und Direktor des Jüdischen Museums Hohenems Hanno Loewy15 nimmt von der Kritik an der Passivität gegen die Nazifizierung des Deutschen Alpenvereins (DAV) auch den SAC nicht aus: «Der Schweizer Alpenclub SAC in der sicheren Schweiz sah dabei genauso zu wie andere.»16 Nun, dass die Schweiz sicher blieb, verdankte sie nicht zuletzt ihrer Armee, und dieser die Freiheit schützenden Armee war der SAC eng verbunden.

Blind wurde der Club darob nicht. Mitten im Krieg, 1944, wehrte sich der SAC gegen einen Schiessplatz auf der Rieder­alp.17 Das allein wäre kein geringer Grund, in diesem Jubi­läumsjahr in Dankbarkeit zurückzublicken auf eine Generation, die dem damaligen Zweckartikel treu blieb: «… Gebirgswanderungen zu erleichtern, die Kenntnis der Schweizer Alpen zu erweitern, der Erhaltung ihrer Schönheit zu dienen und dadurch die Liebe zur Heimat zu wecken und zu pflegen».

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Jürg Stüssi-Lauterburg

Jürg Stüssi-Lauterburg ist ein Militärhistoriker und leitet die Bibliothek am Guisanplatz (früher: Eidgenössische Militär­bibliothek). Seit 2003 vertritt der Oberst im Generalstab die SVP im Grossen Rat des Kantons Aargau. Er ist Mitglied des SAC Brugg.

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