Weniger Unfälle, mehr Tote
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Weniger Unfälle, mehr Tote Bergnotfallstatistik 2013

2013 sind in den Schweizer Alpen und im Jura insgesamt 2558 Menschen in Bergnot geraten, zwölf Personen weniger als im Jahr zuvor. Ungünstiger war die Entwicklung der tödlichen Unfälle beim klassischen Bergsport: Hier haben 109 Berggänger ihr Leben verloren.

Wechselhafte Bedingungen im Winter und im Frühling, gute Verhältnisse im Sommer und eine heikle Lawinensituation zum Jahresende prägten das Bergjahr 2013.

Zu Jahresbeginn waren die Bedingungen für Schnee­sport­aktivitäten unterschiedlich. Im Norden hatte es genug Schnee, im Süden hingegen war es bis in mittlere Berglagen hinauf praktisch aper. In der Folge wechselten sich Tage mit Neuschnee und Tage mit schönem Wetter recht häufig ab. Mitte Februar lagen am Alpennordhang zwei bis drei Meter Schnee, am Alpensüdhang war die Schneedecke mit 80 bis 120 Zentimetern eher unterdurchschnittlich. Die starken Winde, häufig Südföhn, verursachten immer wieder Triebschneeansammlungen und erforderten eine sorgfältige Tourenplanung sowie defensives Handeln unterwegs.

Im Frühling und Vorsommer setzte sich die eher unbeständige Witterung fort, und es schneite häufig bis in tiefere Lagen hinunter. Deshalb war die Lawinensituation vor allem im Hochgebirge bis im Juni immer wieder heikel. Juli und August waren hochdruckbestimmt. Zu Beginn lag jedoch in mittleren Höhenlagen noch überdurchschnittlich viel Schnee, der vor allem auf Bergwanderungen zu beachten war. Günstige Verhältnisse konnte man oft auf Hochtouren antreffen. Der Altschnee der Frühlingsmonate hielt sich gut, und so war die heikle Ausaperung der Firnzonen weitaus weniger ausgeprägt als während einiger Hitzesommer der Vorjahre.

Mehr tödliche Unfälle im klassischen Bergsport

Ab September wurde das Wetter wieder wechselhaft. Es war eher mild, aber ein erster Wintereinbruch mit Schnee bis in tiefere Lagen erfolgte bereits Mitte Oktober. Ende November hielt der Winter mit einer Ladung Neuschnee in den Bergen definitiv Einzug. Damit war die Basis für eine tolle Schneesportsaison vorhanden, zumal der Dezember zunächst mit deutlich überdurchschnittlichen Sonnentagen bei gleichzeitig günstiger Lawinensituation aufwartete. Diese Kombination von Neuschnee und einer darauffolgenden langen Schönwetterperiode hatte aber auch Tücken. Die eher dünne Schneedecke wurde stark aufbauend umgewandelt. Die folgenden Schneefälle über die Weihnachtstage, wiederum begleitet von sehr heftigen Stürmen, sorgten nicht zuletzt wegen der schwachen Altschneedecke verbreitet für eine sehr heikle Lawinensituation.Insgesamt mussten in den Schweizer Alpen und im Jura 2558 Berggänger die Bergrettung in Anspruch nehmen,1 das sind zwölf Personen weniger als im Jahr zuvor. Auch die Zahl der Todesfälle ist mit 151 Betroffenen, davon 26 infolge einer Erkrankung, im Vergleich mit dem Vorjahr praktisch konstant. Bei tödlichen Unfällen beim klassischen Bergsport im engeren Sinne2 war jedoch die Zahl der Opfer mit 109 Betroffenen gut 14% höher als im Jahr zuvor. Sie umfasst – mit Ausnahme der Kategorie Klettern und Variantenabfahren – alle Aktivitäten in diesem Bereich.

Fatale Ereignisse auf anspruchsvollen Hochtouren

Das häufig schöne Wetter während der Hochsommermonate Juli und August sorgte mehrmals für gute Tourenbedingungen, dementsprechend waren die Aktivitäten hoch. Erfreulicherweise war dies nicht mit einer Zunahme des Notfallgeschehens verbunden. 362 Alpinisten mussten aus einer Notlage gerettet oder geborgen werden, rund 5% weniger als im Jahr zuvor. Häufigste Ursache war eine Blockierung, woraus Bergsteiger in einer ausweglosen Lage zumeist unverletzt befreit werden konnten.

Im Gegensatz dazu haben sich mit 27 Betroffenen mehr tödliche Unfälle ereignet. Davon sind 23 Alpinisten durch einen Absturz ums Leben gekommen, davon 14 Personen bei sieben Mitreissunfällen. Hier fällt auf, dass sich – anders als in den Vorjahren – solche fatalen Ereignisse auch auf anspruchsvollen Routen wie am Weisshornnordgrat, an der Cresta Rey der Dufourspitze, am Arbengrat des Obergabelhorns und in der Nordwand der Aiguille d’Argentière ereigneten. Weiter verunfallte je eine Person durch eine Lawinenverschüttung beim Zustieg zum Matterhorn im schneereichen Frühling, wegen Blitzschlag beim Biwakieren bei der Mittellegihütte am Eiger und wegen Steinschlag an der Pigne de la Lé. Zu einem weiteren Unfall mit Todesfolge kam es am Hörnligrat des Matterhorns: Zwei Alpinisten befestigten ihr Seil beim Abstieg an einem einzelnen Bohrhaken, um daran abzuseilen. Als der erste diese Verankerung belastete, riss der ganze Felsblock aus, in welchem der Haken befestigt war.

Günstige Bilanz beim Klettern

Beim Klettern im Fels (Klettergärten, Mehrseillängenrouten, alpines Gelände) sind 117 Personen in eine Notlage geraten oder verunfallt (Vorjahr: 128). Im Rahmen von abgesicherten Mehrseillängenrouten im «Plaisirbereich» waren 59 Kletterer betroffen, auf alpinen Touren 22, in Klettergärten 28 und im Extrembereich acht Personen. Wie in den Vorjahren konnte fast die Hälfte der Beteiligten gesund oder nur leicht verletzt gerettet werden. Verklemmte Seile beim Abseilen, einbrechende Dunkelheit, Wetterverschlechterung oder Verirren im Abstieg waren die häufigsten Ursachen. Durch einen Sturz ins Seil verletzten sich 52 Personen. Die meisten davon (33) mussten mit Blessuren zum Arzt oder ins Spital gebracht werden, 19 erlitten schwere Verletzungen.

Die Ursachen der drei Todesfälle beim Klettern waren sehr unterschiedlich: Nach der erfolgreichen Kletterei an einer längeren Mehrseillängenroute geriet der Teilnehmer einer Gruppe beim unangeseilten Fussabstieg plötzlich ins Wanken und stürzte ab. Als Ursache musste hier ein Herz-Kreislauf-Problem festgestellt werden. Zu einem weiteren tödlichen Absturz kam es beim Ablassen in einem Klettergarten. Der Vorsteiger führte beim Umlenkpunkt in 22,4 Metern Höhe das Seil durch den Abseilring und wurde von seinem Partner mit einem Grigri-Sicherungsgerät abgebremst. Auf einer Höhe von acht Metern glitt das freie Seilende durch das Sicherungsgerät, und der Verunfallte stürzte ungebremst bis auf den Boden. Bei der Untersuchung dieses Vorfalls wurde festgestellt, dass das verwendete Seil für diese Route zu kurz war. Beim dritten tödlichen Unfall stürzte ein Alleingänger bei einer langen und anspruchsvollen alpinen Überschreitung tödlich ab.

Unfallserie auf Skitouren

Zumindest von den Schneemengen her war 2013 ein ergiebiges Jahr für Tourenfahrer, denn noch im Juni lag in höheren Lagen eine geschlossene Schneedecke. Auch gegen das Jahresende hin erlaubten die Schneefälle Ende November bereits wieder Skitouren. Allerdings waren die Verhältnisse häufig nicht ideal. Wegen des vielerorts ungünstigen Schneedeckenaufbaus war die Lawinengefahr zeitweise sehr gross. Dies widerspiegelt sich auch im Not- und Unfallgeschehen bei Ski- und Snowboardtouren, bei dem 2013 insgesamt 353 Personen beteiligt waren (Vorjahr: 262). Dies ist vor allem auf Lawinenunfälle zurückzuführen. Insgesamt 82 Personen waren davon betroffen, 48 mehr als im Jahr zuvor. Diese Zunahme zeigt sich – glücklicherweise nicht im gleichen Ausmass – auch bei den Lawinentoten im Skitourenbereich: Hier sind im Berichtsjahr bei 16 Unfällen 16 Tourenfahrer ums Leben gekommen (Vorjahr: 11).

Sieben Unfälle ereigneten sich bei der Gefahrenstufe «mäs­sig», acht Unfälle bei «erheblich» und ein Unfall bei der Stufe «gross». Bemerkenswert ist das Geschehen in den fünf Tagen vom 26. bis 30. Dezember: Nach einer langen und sehr milden Wetterphase mit einer günstigen Lawinensituation fiel über die Weihnachtstage mit stürmischen Winden viel Neuschnee auf eine schwache Schneeoberfläche. Allein während dieser fünf Tage fanden fünf Tourenfahrer als Folge einer Lawinenverschüttung den Tod.

Besonders wegen der Unfallserie in der letzten Woche des Jahres stand einmal mehr die Unfallursache Lawinenverschüttung im Fokus. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass auf Skitouren Unfälle durch Sturz oder Absturz deutlich zahlreicher sind. So verletzten sich 2013 insgesamt 140 Tourenfahrer. 130 davon mussten mit leichteren bis mittleren Verletzungen einen Arzt aufsuchen oder hospitalisiert werden, acht Personen erlitten schwere Verletzungen und zwei fanden durch einen Absturz den Tod.

Abstürze beim Freeriden

Beim Variantenfahren haben die Not- und Unfälle mit 222 Betroffenen abgenommen (Vorjahr: 255). Auf den ersten Blick ist dies im Vergleich zu den Skitouren überraschend, bewegen sich doch die Akteure beider Tätigkeitsgruppen im Schnee. Das Freeriden erlaubte aber keine so aussergewöhnlich lange Saison bis in den Vorsommer hinein, weil die meisten Transportanlagen der Skigebiete nach Ostern den Betrieb einstellten. Ein Blick auf den zeitlichen Verlauf bestätigt diese Vermutung: Im Tourenbereich entfiel mit 117 Beteiligten rund ein Drittel aller Notfälle auf die Monate April bis Juli. Beim Variantenfahren hingegen waren es, über den gleichen Zeitraum betrachtet, mit 15 Personen lediglich knapp 7%.

Wie in den Jahren zuvor war beim Freeriden mit 104 Personen ein Sturz oder Absturz die häufigste Unfallursache. Davon betroffen waren 88 Skifahrer und 16 Snowboarder, tödlich verunfallt ist ein Snowboarder. Durch Lawinenverschüttung sind 27 Skifahrer und ein Snowboarder verunfallt, alle sieben tödlich Verunfallten waren Skifahrer.

Erkrankte Bergwanderer

Die Bedingungen für Bergwanderungen waren, ähnlich wie im Jahr zuvor, vor allem im Frühling und Vorsommer sowie im Herbst nicht ideal: Bis weit in den Juni hinein erschwerte oder verunmöglichte der hartnäckige Schnee vielerorts Exkursionen oberhalb der Waldgrenze. Nach dem mehrheitlich schönen Hochsommer waren ab Mitte September die «goldenen Herbsttage» zum Bergwandern eher rar. Die eingeschränkten Wanderaktivitäten haben sich auch im Notfallgeschehen niedergeschlagen. 996 Personen gerieten in eine Notlage, gut 2% weniger als im Vorjahr. Die häufigsten Unfallursachen waren Sturz oder Absturz mit 408 Beteiligten (Vorjahr: 428). Von diesen konnten 88 Personen ambulant behandelt werden, 229 mussten mit mittelschweren und 54 mit schweren Verletzungen hospitalisiert werden. Tödlich abgestürzt sind 37 Wandernde, deutlich mehr als im Jahr zuvor.

Gerade beim Bergwandern stehen oft nur sehr rudimentäre Angaben über die Ursachen von fatalen Stürzen zur Verfügung. Oft auch deshalb, weil die Betroffenen allein unterwegs waren (im Berichtsjahr: 22 Personen). Einige dieser Unfälle sind darauf zurückzuführen, dass im Frühling und Vorsommer viele Pfade noch von Altschneefeldern überdeckt waren, auf denen die Opfer ausrutschten.

Eine häufige Notallursache beim Bergwandern ist auch eine Erkrankung. Davon betroffen waren 213 Wanderer (Vorjahr: 211). Die Ursachen waren auch 2013 sehr unterschiedlich. Wegen Beinkrämpfen, Übelkeit oder allgemeinen Unwohlseins wurde die Bergrettung häufig alarmiert. Für 19 Personen kam jede Hilfe zu spät – sie verstarben, meist an den Folgen eines Herz-Kreislauf-Problems. Interessant ist ein Blick auf die Unfallursache «Tiereinwirkung», eine Gefahr, der vor allem Wanderer ausgesetzt sind. 2013 waren dies 13 Personen, die mit zum Teil schweren Verletzungen in ein Spital geflogen werden mussten. Die Ursachen waren acht Schlangenbisse, drei allergische Schocks nach einem Insektenstich, ein Hundebiss sowie ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Wasserbüffelangriff.

Zahlreiche Unfälle beim Mouintainbiken

Die Statistik erfasst auch andere Tätigkeiten im Gebirge. Beim Gleitschirm- und Deltafliegen sowie beim Mountainbiken sind die Ereignisse in dieser Kategorie seit Jahren am zahlreichsten. Bei beiden Tätigkeiten waren die Notfallzahlen 2013 gegenüber dem Vorjahr annähernd konstant. Beim Gleitschirm- oder Deltafliegen waren es 151 Beteiligte; wiederum konnte rund ein Drittel davon, meistens nach einer unglücklichen Landung in einem Baum oder beim Touchieren eines anderen Hindernisses, gesund oder nur leicht verletzt gerettet werden. Vier Gleitschirm- und drei Deltaflieger sind jedoch tödlich abgestürzt. Beim Mountainbiken mussten 155 Personen von den Rettungskräften gerettet oder geborgen werden. Von diesen hatten sich zehn Biker verirrt oder waren im schwierigen Gelände blockiert. 134 Akteure hatten sich wegen eines Sturzes verletzt, 111 davon mussten in ein Spital gebracht werden und zwei erlitten tödliche Verletzungen. Neun Biker erlitten einen medizinischen Notfall, zwei davon sind an den Folgen eines Herz-Kreislaufs-Problems verstorben. Je eine Person verletzte sich wegen einer Kollision und eines Blitzschlags.

Weiter fallen unter diese Rubrik Personen, die beim Canyoning (20), Basejumping (23), Schneeschuhlaufen (45), Klettersteigbegehen (47), Jagen (22), Pilzsuchen (13) und Verschiedenem (32) verunfallten.

Witterungsbedingungen entscheidend

Bergsteigen mit all seinen vielseitigen Facetten erfährt nach wie vor eine steigende Popularität. Das zeigen auch die steigenden Mitgliederzahlen des SAC. So gesehen ist es positiv zu werten, dass die Notfallzahlen trotz hohen Tourenaktivitäten in den letzten zwei aufeinanderfolgenden Jahren leicht zurückgegangen sind.

Dass es dennoch mehr tödliche Unfälle beim Bergsport im engeren Sinne gab, liegt zur Hauptsache an den Verhältnissen: Wiederholt heikle Lawinensituationen im Winter sowie die hohe Anzahl anspruchsvoller Touren im Hochsommer führten dazu, dass leider mehr Berggänger ihr Leben verloren haben.

Datenquellen

Die Zusammenstellungen und Auswertungen dieses Berichtes stützen sich auf die Angaben und die Mitarbeit folgender Personen und Institutionen: Elisabeth Müller und Andres Bardill, Alpine Rettung Schweiz; François Hochstrasser, Daniel Breitenmoser, Marc Lieberherr und Mario Tissi, REGA; Pierre-Alain Magnin, KWRO; Bruno Jelk, Bergrettung Zermatt; Giannina Bianchi und Monique Walter, bfu; Marco Salis, Bergrettung Südbünden; Theo Maurer, Bergrettung Oberhasli; Toni von Allmen und Urs Schäfer, Bergrettung Lauterbrunnen; Bruno Durrer, Bergrettung Air Glaciers Lauterbrunnen und Gesellschaft für Gebirgsmedizin; Adrian Deuschle, Rettungsstation Interlaken; Felix Mauerhofer, Rettungsstation Thun; Ruedi Huber, Kapo Uri; Daniel Zinsli, Kapo Graubünden.

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