Wenn der Strom nicht aus der Steckdose kommt
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Wenn der Strom nicht aus der Steckdose kommt Die SAC-Hütten als Energieinseln

Geschirrspülmaschine und Lampen statt Schmelzwasser und Kerzen: In SAC-Hütten steigt mit ­Komfort- und Servicesteigerungen auch der Energiebedarf. Fernab vom Netz ist die Energiegewinnung aber aufwendig – und teuer.

Wenn die Wolken seit Tagen tief in den Bergen hängen und der Regen um die Konkordiahütte peitscht, huscht Hüttenwart Christoph Sager auffällig häufig in den Keller. Genauer: in den Technikraum. Er wirft einen – manchmal ­sorgenvollen – Blick auf die zwölf Batterien. Die jeweils 80 Zentimeter hohen und 200 Kilo schweren Energiespeicher sind das Herzstück der Stromversorgung auf 2850 Meter Höhe. Gespeist werden sie von den auf den Dächern montierten Fotovoltaikmodulen, die insgesamt eine Fläche von 32 m2 haben. «Wenn die Sonne einige Tage nicht scheint, können sich die Batterien tiefenentladen und dadurch zerstört werden», erklärt Sager. Dies wäre eine kostspielige Angelegenheit: Ein Satz Batterien kostet zwischen 10 000 und 20 000 Franken.

Organisation ist das A und O

Im Notfall wirft Sager für einige Stunden den Dieselgenerator an. Dies kommt aber eher selten vor. «Schliesslich haben wir bei schlechtem Wetter auch wenig Betrieb und brauchen schon deshalb weniger Strom.» Vieles ist in der Höhe eine Frage der Organisation. Die sonnigen und ruhigen Tage in der Nebensaison nutzt Sager für Haushaltsarbeiten. Da hängt die Wäsche draussen zum Trocknen, und drinnen brummt der Staubsauger. «So können wir den Solarstrom direkt brauchen und verlieren keine Energie durch die Zwischenspeicherung», erklärt Sager.

Gekocht wird auf der Hütte mit Gas und Holz. Für die Geschirrspülmaschine und die Warmwasseraufbereitung sind auf dem Dach Sonnenkollektoren angebracht. Ein ausgeklügeltes System – das seinen Preis hat. Die Investitionen in die Solaranlage haben die Sektion Grindelwald rund 300 000 Franken gekostet. Zwar läuft die Anlage einwandfrei, doch die Speicherkapazität der Batterien lässt nach, ihre Lebensdauer ist auf rund fünf bis zehn Jahre begrenzt. «Sie sind nicht mehr so leistungsfähig wie am Anfang», beobachtet Sager.

Hohe Kosten kommen auf den SAC zu

Doch nicht nur bei der Konkordiahütte stehen die Sektionen regelmässig vor hohen Investitionen. Auch bei vielen anderen der 151 Hütten in der Schweiz müssen neue Energiegewinnungsanlagen gebaut oder alte erneuert werden. «Ziel ist, dass der laute und stinkende Generator künftig nur noch im Notfall gestartet werden muss», sagt Elektroingenieur Jürg Nipkow, langjähriger Energieexperte in der SAC-Hüttenkommission: «Die Stromversorgung muss energieautark und möglichst umweltverträglich funktionieren.»

Sonne und Wasser

Heute produzieren die meisten Hütten ihren Strom mit Sonnenenergie – rund 95 Prozent haben Solarzellen auf dem Dach. 20 Hütten betreiben ein eigenes kleines Wasserkraftwerk. Ein Dutzend der tiefer gelegenen Hütten sind in der komfortablen Situation, direkt an das Stromnetz angeschlossen zu sein. Zwar ist der Energiebedarf hoch oben in den Bergen im Vergleich zum Durchschnittshaushalt tief. So rechnet Nipkow in einer mittelgrossen Hütte (50 bis 70 Betten) bei Vollbelegung mit rund fünf Kilowattstunden (kWh) pro Tag. Im Vergleich: Der Tagesdurchschnitt pro Schweizer Haushalt liegt bei rund zehn Kilowattstunden – ist also doppelt so hoch.

Dennoch: Auch in den Bergen steigt der Stromverbrauch. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. «Die Ansprüche der Gäste sind gestiegen», erklärt Nipkow. Vorbei sind die Zeiten wilder Hüttenromantik mit Kerzenlicht, Eisblumen an den Fenstern, Plumpsklo vor der Hütte und Päcklisuppen zum Nachtessen. Mehrgängige Menüs, nach Geschlechtern getrennte Sanitäranlagen und beheizte Trocknungsräume sind auch auf 3000 Meter Höhe gern gesehen. Und auch die Hüttenwarte wollen nicht mehr hausen wie vor 100 Jahren.

Dazu kommen die gesetzlichen Vorschriften, die in den letzten Jahren markant zugenommen haben. So werden bei ­einem Küchenumbau oft stromfressende Geräte wie Kühlschrank und Dampfabzug verlangt.

Menüs ohne Tiefkühlprodukte

Davon kann man in der Baltschiederklause ein Lied singen. Wegen des Gletscherschwunds hat sich die Erosion in der Umgebung der Hütte verstärkt. Murgänge wurden dem eigenen Kleinwasserkraftwerk mehr als einmal zum Verhängnis. Erst vor drei Jahren baute die Sektion Blümlisalp eine neue Wasserfassung. Im folgenden Jahr wurde diese bereits wieder zerstört. Statt mit sauberer Wasserkraft gewann die Hütte den Strom mit dem Dieselgenerator – nicht zum Gefallen von Hüttenwartin Jolanda Stettler. «Wir planten unseren Menüplan so, dass wir keine tiefgekühlten Waren brauchten», erinnert sich Stettler. Damit wollte sie vermeiden, dass der Generator ständig laufen musste. Für alle war klar: So konnte es nicht weitergehen. Deshalb entschied sich die Sektion vor zwei Jahren, die kleine Hütte mit ihren rund 1100 jährlichen Übernachtungen auf Solarstrom umzustellen. Kosten: 150 000 Franken.

Jahrelange Erfahrung

«In den Bergen gelten andere Gesetze. Da können wir nicht nach 08/15-Schema bauen», erklärt Walter Brog von der auf Installationen in Berghütten spezialisierten Firma Esotec. Wenn der Wind mit 270 km/h um die Hütte fegt, müssen Solarpanels anders befestigt sein als in einer geschützten Siedlung. Vom tonnenschweren Schnee im Winter nicht zu reden. «In dieser Höhe ist alles eine Frage der möglichst effizienten Nutzung», sagt Brog.

Deshalb verbringt er viel Zeit damit, die Umgebung der Hütte zu analysieren: Wo bringt man die Panels am besten an? Hat es womöglich Wasserkraft, die man nutzen könnte? Alles will bedacht sein. Schliesslich können während der Arbeiten nicht einfach Lastwagen vorfahren und ein Baugerüst anliefern. Alles muss mit dem Heli hochgeflogen werden. «Ein vergessenes Werkzeug ist verheerend», sagt Brog lachend. Wenig verwunderlich, dauern die Vorbereitungen meist länger als der Einsatz selbst.

Diese intensiven Arbeiten haben ihren Preis. Brog geht davon aus, dass in den Bergen eine Kilowattstunde Strom rund fünf Franken kostet – mehr als 20 Mal so viel wie zu Hause aus der Steckdose.

Welchen Wert Strom weitab vom Netz haben kann, will auch Hüttenwart Sager seinen Gästen in der Konkordiahütte aufzeigen: Wenn die Sonne scheint, laden die Berggänger ihre Handys und GPS-Geräte gratis auf. Regnet es oder verdecken dicke Wolken den Himmel, verlangt er drei Franken. Sager: «Das hat schon zu sehr interessanten Gesprächen geführt. Heute sind sich viele nicht mehr bewusst, dass Strom nicht etwas Selbstverständliches ist.»

Spenden für SAC-Hütten

Zwar sind Sonne, Wasser und Wind kostenlos verfügbar. Doch der Bau der Anlagen im Gebirge ist zeitaufwendig und teuer. Deshalb bittet der SAC seine Mitglieder in diesem Jahr, für die Sanierung und den Ausbau der Energieversorgung der Hütten zu spenden – und damit einen Beitrag an die natur- und umweltverträgliche Nutzung der Berge zu leisten. Das Geld kommt vollumfänglich den Hütten zugute. Dazu hat der Verband einen Leporello zum Thema Energie erstellt, der allen Mitgliedern gratis zugestellt wird. Darin sind konkrete Spartipps und interessante Informationen zu Energiefragen in SAC-Hütten zu finden. Mehr Informationen unter: www.sac-cas.ch.

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