Wie viel Integration braucht die Jugend?
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Wie viel Integration braucht die Jugend?

Im Januar 2000 fand in Magglingen ein SAC-Jugendleitertreffen zum Thema «Sportbiografien im Wandel» statt.1 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten während zweier Tage intensiv über die Veränderung der Jugend. Für die Jugendkommission war es gleichzeitig eine Standortbestimmung: Wo steht der SAC vier Jahre nach der Integration der Jugend in den Gesamtverband?

Blicken wir kurz zurück: Der SAC erklärte 1996 zum «Jahr der Jugend». Zentrales Element war die Aufnahme der JOIer und KiBeler als vollwertige und ab 16 Jahren auch stimmberechtigte SAC-Mitglieder. Jugend und Sektion sollten einander näher kommen, die Lücke zwischen 22- und ca. 30-jährigen Mitgliedern geschlossen werden. Der so genannte « Übertritt » von der JO in den SAC wurde faktisch abgeschafft und durch eine generelle Sektionsmitgliedschaft ersetzt.

Der Zentralverband unterscheidet noch zwischen Jugendmitgliedern (bis 22 Jahre) und Vollmitgliedern (ab 23 Jahre). Bestehen blieben auch die Altersstrukturen in den Sektionen und deren Bezeichnungen: Kinderbergsteigen (KiBe) für die 10- bis ca. 14-Jährigen, Jugendorganisation (JO) für die ca. 14- bis 22-Jährigen, und wer das 22. Altersjahr überschritten hat, gehört zu den Erwachsenen.

Für die Jugendkommission stellt sich heute die Frage, ob die Integration der Jugend in den SAC den gewünschten Effekt gebracht hat. Die Diskussion an den Regionaltagungen der Jugendchefs im Herbst 1999 zeigte ein ernüchterndes Bild: In vielen Sektionen scheint sich die Situation kaum verändert zu haben, nach wie vor sind kaum Mitglieder im Alter zwischen 23 und 30 an den Anlässen der Sektionen anzutreffen. Warum nehmen denn 23-Jährige nicht an den Aktivitäten der Erwachsenen teil, wo sie doch jetzt eigentlich erwachsen wären? Mit dieser Frage sind wir beim Thema des nationalen Jugend-leitertreffens. In den letzten Jahrzehnten haben sich nämlich nicht nur die Sportbiografien der Jugendlichen, sondern auch ihre Lebensstile grundsätzlich verändert. Max Stierlin, Soziologe und sozialwissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Sport in Magglingen, machte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Magglingen in seinem Referat diesen Sachverhalt mit vielen praxisbezogenen Beispielen deutlich.

Ein wichtiges Beispiel ist die Veränderung der Altersstrukturen. Früher bedeutete das Alter um 22 Jahre für viele das Ende der Jugendzeit und den Beginn des Erwachse-nenalters.2 Die Lehre war abgeschlossen, die jungen Männer hatten die RS absolviert, und man versuchte, möglichst rasch im Berufsleben Fuss zu fassen. Dieser Schnitt findet heute nicht mehr statt. Im Gegenteil: Viele Jugendliche sind in diesem Alter so fest in einer gesellschaftlichen Gruppe (Clique) verankert wie nie zuvor. «Der Lebensabschnitt zwischen 19 und 26 Jahren -je nach Definition spricht man auch von «jungen Erwachsene» - ist geprägt von Weiterund Zusatzausbiidung und Experimenten mit Lebensstilen und Beziehungen, bis man - in der Regel später <jungen></jungen>als früher - eine Familie gründet», sagt Stierlin. In vielen SAC-Sektionen wird noch immer von den Jugendlichen erwartet, dass sie sich mitten in dieser Zeit aus ihrem gewohnten Umfeld verabschieden und sich einer neuen Gruppe anschliessen, mit der sie sich höchstens vom sportlichen Standpunkt her identifizieren können.

Ungünstige Altersstrukturen sind natürlich nicht der einzige Grund, weshalb die Altersgruppe von 18 bis 26 Jahren im SAC eher schwach vertreten ist. In diesem Alter haben die Mitglieder den SAC auch schlicht am wenigsten nötig. Dieser Sachverhalt ist auch durchaus positiv zu sehen, ist es doch das Ziel der Jugendleiter, die Jugendlichen zu selbstständigen, verantwortungsbewussten Alpinisten auszubilden. Dazu kommt, dass alpinistische Unternehmungen, die früher für viele nur mit dem SAC oder mit Bergführern realisiert werden konnten, heute dank besserer Ausbildung und Ausrüstung und einfacherer Informationsbeschaffung auch für Individualisten machbar sind. Von Bedeutung ist auch der Trend weg vom Verein und hin zur Individualität. Diese Umstände führen dazu, dass sich die jungen Erwachsenen der JO « verzetteln ». In diesem Zusammenhang scheint es fast paradox, dass just in dem Moment, in dem die Mitglieder den SAC offensichtlich am wenigsten brauchen, sich der Jahresbeitrag auf das Drei- bis Vierfache erhöht.

Braucht der SAC überhaupt noch Altersstrukturen? Sicher! In einem 12 Verband, in dem Mitglieder zwischen 10 und 90 Jahren aktiv sind, wird es immer sinnvolle Altersgruppierungen brauchen und geben. Entscheidend ist, dass diese flexibel und offen sind. Jedes SAC-Mitglied sollte in derjenigen Gruppe aktiv sein können, in der es sich wohl fühlt und in der es Aktivitäten findet, die seinem Können entsprechen und die es genügend fordern: starke KiBeler können an Aktivitäten der JO teilnehmen, 26-jährige Mitglieder machen weiterhin bei der JO mit, 18-jährige JOIer nehmen an einem Eiskletter-Weekend der Sektion teil. Klar, dass dabei nicht alles möglich und sinnvoll ist. Die Disziplin Sportklettern hingegen eignet sich bestens für generationenübergreifende Anlässe.

SAC-Mitglieder haben grundsätzlich das Bedürfnis, mit Gleichgesinnten und ungefähr Gleichaltrigen in die Berge zu gehen, seien sie nun Jugendliche oder Senioren und Seniorinnen. Tatsache ist, dass die momentan in vielen Sektionen noch herrschenden Altersstrukturen mit dem krassen Schnitt bei 22 Jahren veraltet sind und nicht mehr funktionieren. Sinnvoller wäre eine Altersgruppe für etwa 18- bis 26-Jährige («junge Erwachsene»). Die Einführung einer weiteren Jugend-Kategorie ist aber eher fraglich und vor allem für kleinere Jugendgruppen nicht realistisch. Sicher ist aber eine grosse Flexibilität bei den Verantwortlichen der Jugendgruppen und bei den Leitern gefragt.

Übrigens: Die Angebote Work& Climb und Internationale Jugendlager, die auf den Jugendseiten dieser ALPEN-Ausgabe ausgeschrieben sind, richten sich an Jugendliche im Alter von ca. 15 bis 25 Jahre!

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