Wie zuverlässig sind ältere Haken im alpinen Gelände?
Unterstütze den SAC Jetzt spenden

Wie zuverlässig sind ältere Haken im alpinen Gelände?

Ein Festigkeitstest im Berner Oberland1 Das Klettern im Fels in den mittleren und oberen Schwierigkeitsgraden hat sich innert weniger Jahre vom exklusiven Aktivitätsbereich einer kleineren Elite zu einer eigentlichen Boomsportart gewandelt. Im Zuge dieser Entwicklung haben sich auch die Ansprüche an die Absicherung fun- Routen mit altem Hakenmaterial werden heute kaum mehr begangen ( Gertrudspitz-Westwand, Engelhörner ).

Vollständig ausgerüstete Routen mit « Plaisircharakter » liegen vollumfänglich im heutigen Trend ( in der nördlichen Ardèche ( F ).

Ein solcher Test ist im Vorsommer 1997 an zwei Touren im Berner Oberland durchgeführt worden. Seine Resultate weden nun in diesem Beitrag dargestellt und analysiert.

Die Prüfobjekte

Auswahlkriterien Bei der Auswahl von geeigneten Routen standen folgende Gegebenheiten im Vordergrund:

1 Dieser Test wurde durch die finanzielle Unterstützung des Schweizer Alpen-Clubs und der Emil-Huber-Stockar-Stiftung ermöglicht. Ebenso haben die Firmen Arova Mammut und die Vertretung in Bern der Firma Hilti Befestigungstechnik mit ihren Materiallieferungen die Arbeiten unterstützt. Realisierbar wurde das ganze Vorhaben durch die engagierte und kompetente Mitarbeit von Pit Schubert ( Sicherheitsforschung DAV ) und von den Bergführern Martin Stettier, Martin Gerber, Robert Rehnelt, Ueli Kämpf und Markus Zimmermann.

E 5 Wegen des unterschiedlichen Kor-rosionsverhaltens von Metall im basischen Kalkfels beziehungsweise im sauren Granitgestein sollte der Test für beide Gesteinsarten in ähnlicher Höhenlage und Exposition durchgeführt werden.

Die Testrouten sind ( oder waren ) bekannt und weisen einen vergleichbaren Schwierigkeitsgrad auf.

Das Alter des zu prüfenden Materials ist weitgehend bekannt.

Das im nächsten Abschnitt dargestellte Testverfahren erforderte einen erheblichen logistischen und technischen Aufwand, weshalb nur einfach zugängliche Routen in Frage kamen. Aufgrund dieser Voraussetzungen wurden zwei Routen, eine im Kalkfels, die andere im Granit, ausgewählt.

Die ausgewählten Routen Im Kalkfels Hier diente die 1967 von Hannes Grossen und Gottlieb Sträub erstbegangene Route Valgrande am Abendberg als Testobjekt. Bis in die achtziger Jahre war diese Tour ein recht häufig begangener Klassiker im 6. Schwierigkeitsgrad. Durch die zunehmende Konkurrenz von moderneren und schwierigeren Routen in diesem Klettergebiet wurde diese Route jedoch - vermutlich auch wegen des alten Ausrüstungsstandes - in den letzten Jahren kaum noch durchstiegen.

Im Granit Als Testroute wählte man die Fair Hands Line an der Hangholzegg oberhalb der Handegg am Grimselpass. Jürg von Känel und Martin Stettier gaben im Jahr 1978 mit der Eröffnung dieser Kletterei das Startsignal für die Entwicklung des Kletterns in diesem Gebiet. Im Gegensatz zu vielen der später entstandenen Anstiege in dieser Gegend blieb die Fair Hands Line eine sehr beliebte und dementsprechend häufig begangene Route. Sie ist heute der Klassiker der Sportkletterrouten im 6. Schwierigkeitsgrad im Grimselgebiet.

Q.

Das Testverfahren

Testablauf Dieser gliederte sich in folgende Teile:

Aufnahme des Ist-Zustandes mittels Ausmessen der Hakenabstände der vorhandenen Haken und visuelle Einschätzung ihrer Festig-keitInstallation von Verankerungen für den BelastungstestBelastungstest für die Ermittlung der FestigkeitswerteSanierung mittels moderner Klebankerhaken ( auch der nicht getesteten Seillängen ) Vorgehen Für die Ermittlung der Festigkeitswerte konnte die hydraulische Bela-stungsmaschine der DAV-Sicherheits-forschung verwendet werden, mit Nach der gründlichen Vorbereitung erforderte auch die Festigkeitsprüfung ein professionelles Vorgehen.

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen svinaon tteSCnreiiHing in 3. SL 1. Haken V-Profilhaken in Vertikalriss 30 Profilbruch 2. Haken V-Profilhaken in Vertikalriss 30 3. Haken USA Stahlhaken in Vertikalriss ca. 10 bestes Results 4. Haken Messerhaken in Vertikalriss 30 5. Haken Messerhaken in Vertikalriss 30 6. Haken Z-Haken in Vertikalriss 30 7. Haken Cassin-Weichstahlhaken 30 in Vertikalriss 8. Haken Cassin-Weichstahlhaken 30 in Vertikalriss Standhaken Ring-Eisröhre 30 4. SL 1. Haken Messerhaken in Spalte 30 2. Haken Bohrhaken Mammut M10 ca. 15 Laschenbruch 3. Haken Holzkeil mit hinterzogenem 30 Seilstück 4 .Haken Cassin-Weichstahlhaken 30 in Vertikalriss 5 .Haken V-Profilhaken in Vertikalriss 30 6. Haken U-Profilhaken in Vertikalriss 30 7. Haken Messerhaken in Vertikalriss 30 der die Haken in der echten ( wie bei einem Sturz zu erwartenden ) Zugrichtung geprüft werden können. Als Ergebnis wird die notwendige Kraft ausgewertet, bei welcher der Haken bricht oder ausgerissen wird.

Prüfresultate

Anzahl getesteter Zwischensicherungen An der Route Valgrande am Abendberg wurden 2 Seillängen mit 17 und an der Fair Hands Line 5 Seillängen mit 17 Haken getestet. Von diesen insgesamt 34 Haken konnten 32 Einzelresultate ausgewertet werden. Da an der Fair Hands Line alle Standplätze bereits mit Klebankerrin-gen versehen waren, wurden - mit Ausnahme eines alten Standhakens an der Valgrande-Route - ausschliesslich Zwischensicherungen getestet.

Auseinanderklaffen von Schätz-werten und Testergebnissen Bei der näheren Betrachtung der Resultate fällt zunächst auf, dass die Schätzwerte über die Festigkeit zum Teil weit neben den Testergebnissen liegen ( vgl. Fig. 1 und 2, oben ). Damit bestätigt auch diese Prüfung, dass eine zuverlässige visuelle Bewertung der Festigkeit von vorhandenen Haken selbst von sehr erfahrenen Alpinisten kaum möglich ist. Interessanterweise wurde vor allem bei den Normalhaken die Festigkeit im allgemeinen zu tief eingeschätzt. Im Ge- gensatz dazu waren die ergänzenden verbalen Einschätzungen ( bomben-fest, gut, mässig, psycho ) eher zu optimistisch, wenn man die maximal mögliche Belastung ( vgl. weiter unten ) berücksichtigt.

Unterschiede Kalk - Granit Die geringere Aggressivität des basischen Kalkgesteins gegenüber dem sauren Granit widerspiegelt sich sehr deutlich an den Korrosionsschä-den: Obwohl die Haken an der Val-grande-Route am Abendberg gut 11 Jahre länger im Fels waren als diejenigen an der Fair Hands Line, weisen sie, visuell betrachtet, deutlich kleinere Schäden auf. Spitzenreiter aller getesteten Haken war ein « Lost Ar-row»-Stahlhaken an der Valgrande-Route, der nur nach grosser Anstrengung mit einer Kraft von 3100 daN aus dem Fels gezogen werden konnte.

Gute Resultate für Bohrhaken In beiden Routen gut abgeschnitten haben die getesteten Bohrhaken: Auch die älteren Fabrikate erreichten nach einer Verweildauer im Fels von mehr als 15 Jahren zum Teil sehr gute Werte. Am schwächsten schnitten [daN] ( ca. kp ) 3250 Fig. 1 Messresultate der Route Valgrande am Abendberg / Diemtigtal Gestein: Malmkalk ( sog. Hochgebirgskalk ). Höhenlage 1700 bis 1800 m, südorientiert I1

I1 \

Hakennummer 13 4 | 5 6 7 | 8 | 1»2 3 4 | 5 6 73000 2500 1750 750 3. Seillänge Stand 4. Seillänge Die gemessene Festigkeit Die geschätzte Festigkeit liegt innerhalb der gemessenen Festigkeit Die geschätzte Festigkeit liegt über der gemessenen FestigkeitÜberschätzung der Festigkeit ) hier durchwegs die Ringbohrhaken infolge Ringbruchs ab, der schlechteste erreichte Wert betrug hier 1500 daN ( Fair Hands Line, 2. SL, 4. Haken ). Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass bei keinem Ring der Bruch an der Schweissnaht erfolgt ist.

Bewertung der Resultate

Beim Sturz eines Vorsteigenden Kletterers ist die Zwischensicherung der am stärksten belastete Teil der ganzen Sicherungskette. Ein Versagen dieses Punktes führt zu einer Sturzverlängerung, deren Folgen in den allermeisten Fällen als gefährlich eingestuft werden müssen. Es ist deshalb im Rahmen dieses Festigkeits-tests von besonderem Interesse, die gemessenen Resultate mit der grösstmöglichen Belastung zu vergleichen. Dazu müssen folgende Informationen bekannt sein:

Die grösstmögliche Sturzhöhe Diese wird unmittelbar vor dem möglichen Einhängen der nächsten Zwischensicherung erreicht. Rein optisch gesehen beträgt die Sturzhöhe das Doppelte des Abstands zur letzten Zwischensicherung. Praktische Versuche haben jedoch gezeigt, dass [daN] ( ca. kp ) Fig. 2 Messresultate der Route Fair Hands Line ( Hangholzegg, Handegg / Grimselgebiet ) Gestein: Aaregranit. Höhenlage 1500 bis 1800 m, südwestorientiert 3000 © e ngeknüpfte Schlinge = 900 daN Haken alleine 1800

1

Hakennummern 1 r 2 3 4 5 1 I 2 3 | 4 s [ i 2 1 2 3 1.SL 2. SL 3. SL 4. SL Die gemessene Festigkeit Die geschätzte Festigkeit liegt innerhalb der gemessenen Festigkeit Die geschätzte Festigkeit liegt über der gemessenen FestigkeitÜberschätzung der Festigkeit ) für die Sturzhöhe infolge Lockerseil, Seildehnung und weiterer Faktoren mit der dreifachen Distanz zur letzten Zwischensicherung gerechnet werden muss. Mit der Annahme, dass ein durchschnittlicher Kletterer 1,5 m unter der nächsten Zwischensicherung das Seil sicher in diese einhängen kann, wurde für die maximal mögliche Sturzhöhe mit folgender Formel gerechnet:

dass die Belastung der Zwischensicherung im ungünstigsten Fall 1600 daN nicht übersteigt ( vgl. Fig. 3, S. 39 ).

Ergebnisse eines Seillängen-Sicherheitsprofils Vergleicht man nun die Belastungs-anforderungen für jede Zwischensicherung bei der maximalen Sturzhöhe mit den Werten dergemessenenTest-resultate, lasst sich ein Sicherheits-profil für jede Seillänge ermitteln. Für die Seillängen, in denen Haken die berechneten Festigkeitsanforde-rungen nicht erfüllten, werden diese Profile in grafischer Form dargestellt ( vgl. Fig. 4 bis 7 ). Aus diesen Aufzeichnungen ist deutlich erkennbar, dass die Festigkeitsreserven grossen Schwankungen unterworfen sind: Einige Haken hätten auch noch weitaus grösseren Belastungen standgehalten, bei anderen hingegen hätten jedoch bereits minimale Ausrutscher in die eingehängten Zwischensicherungen zu einem Versagen führen müssen. Für die getesteten Seillängen lassen sich die ermittelten Ergebnisse wie folgt zusammenfassen:

SturzhöheDistanz zum oberen Haken- 1,5 m ) x 3 Belastung der Zwischensicherung Gemäss den Untersuchungen des DAV-Sicherheitskreises beträgt bereits beim kleinstmöglichen Sturz ( wenn das Seil eben in die nächste Zwischensicherung eingehängt ist ) die Belastung der Zwischensicherung immerhin bereits 320 daN, also das Vierfache des gesamten Körpergewichtes mit Ausrüstung eines durchschnittlichen Kletterers. Mit zunehmender Sturzhöhe nimmt die freigewordene Energie zwar zu, der Einfluss von dämpfenden Faktoren ( Seil, Felsberührung usw. ) führt aber dazu, in Jahren 1.SL 1. Haken Ringbohrhaken in Platte ca.

15 Ringbruch 2. SL I. Haken V-Profilhaken in Schrägriss 19 starke Korrosion 2. Haken Spachtelhaken in Schrägriss 19 3. Haken Ringbohrhaken in Platte ca.

15 Ringbruch 4. Haken Spachtelhaken in Vertikalriss 19 Schlinge bei 900 daN 5. Haken Spachtelhaken in Vertikalriss 19 3. SL I. Haken Spachtelhaken in Vertikalriss 19 Bruch, wenig Korrosion 2. Haken Spachtelhaken in Vertikalriss 17 starke Korrosion 3. Haken Ringbohrhaken in Platte 19 Ringbruch 4. Haken Ringbohrhaken in Platte 19 Ringbruch 5. Haken Bohrhaken M 10 in Platte ca.

7 Dübelbruch 4.SL 1. Haken Ringbohrhaken in Platte ca.

15 Ringbruch 2. Haken Bohrhaken in Platte 9 Dübelbruch 5. SL I. Haken Spachtelhaken in Schrägriss 19 Bruch, starke Korrosion 2. Haken Bohrhaken in Platte 19 Dübelbruch 3. Haken Ringbohrhaken in Platte ca.

15 Ringbruch Valgrande 3. Seillänge: Alle getesteten Haken hätten der grösstmöglichen Belastung standgehalten. Dies allerdings z.T. nur wegen der geringen Hakenabstände.

4. Seillänge: Gefährlich wären in dieser Seillänge selbst minimale Ausrutscher in den 5. und 7. Haken gewesen. Der unzuverlässige Zustand des Holzkeils ( Nr. 3 ) hingegen war visuell gut erkennbar, und die Sicherheit an dieser Stelle war mit einer zusätzlichen Sicherung ( Keil, Friend ) problemlos zu erreichen ( vgl. Fig. 4, S. 40 ).

Fair Hands Line 7. Seillänge: Der einzige Haken dieser Seillänge hätte gehalten. Dieser Haken war allerdings zu weit unten gesetzt, und bei einem Sturz hätte der Bodenkontakt nicht vermieden werden können, wenn zwischen diesem Haken und dem nachfolgenden Stand keine zusätzliche Sicherung gelegt worden wäre.

2. Seillänge: Der erste Haken in dieser Seillänge befindet sich unter der ersten Schlüsselstelle dieser Route. In der Regel ist das Versagen der ersten Zwischensicherung einer Seillänge wegen des zu erwartenden Bo-denkontakts als besonders kritisch einzustufen. Durch die zu erwartende Sturzbahn am Standplatz vorbei wären hier die Folgen eines Sturzes bei einem Versagen dieser Zwischensicherung jedoch reduziert worden. In diesen Haken ist höchstwahrscheinlich bereits mehrmals gestürzt worden. Offenbar ist dabei der rechnerische Grenzwert der Belastung Belastung [daN] 1000 Belastung der Zwischensicherung in Abhängigkeit zur Sturzhöhe eines 80 kg schweren Kletterers ( inkl. Bekleidung und Ausrüstung ) ( Quelle: DAV-Sicherheitsforschung ) Auch ein guter Haken nützt nicht viel, wenn wegen einer alten Schlinge kein Karabiner der Zwischensicherung direkt in die Hakenöse eingehängt werden kann ( Fair Hands Line, 2. SL, 5. Haken: Bruch der Schlinge bei 900 daN, der Haken selbst hielt das Doppelte ).

Die Haken aus der Valgrande-Route nach dem Testjhß daN ( ca. 32 Okp ) Q. < 20 Sturzhöhe [m] Korrosion ist von aussen oft kaum erkennbar: Erst nach der Prüfung zeigten sich bei diesem Haken die Schäden, durch welche die Festigkeit stark beeinträchtigt worden ist.

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen c a.

[ml 30 28 26 24 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2j / 7 / V / 6 2900 5i /

7

v 4 i 3

/

1/

2 V1 40 [daN] 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 ( ca. kp ) ummmumnt Sturzbelastung Festigkeit Fig. 4 Festigkeit und mögliche Belastung der Haken in der vierten Seillänge der Route Valgrande Fig. 4 bis 7 Diese Darstellung zeigt die Festigkeit der einzelnen Haken in Relation zu ihrer möglichen Sturzbelastung. Die Sturzbelastung beginnt beim gerade eingehängten Haken mit 320 daN und steigt mit zunehmendem Hakenabstand ( vgl. Abschnitt Bewertung der Resultate und Fig. 3 ). Diese Grösse wird hier vereinfacht dargestellt.

Der maximale Hakenabstand und die maximale Sturzbelastung werden unmittelbar vor dem Einhängen des nächsten Hakens erreicht. In dieser Darstellung zeigen die grünen Flächen die vorhandenen Festigkeitsreserven. Die roten Flächen entsprechen den Schwachstellen, bei denen die Haken der möglichen Sturzbelastung nicht genügt hätten.

nicht überschritten worden, was auf die dämpfende Wirkung des hier sehr plattigen Geländes zurückzuführen sein dürfte. Aufgrund der bereits weit fortgeschrittenen Korrosion hätte aber dieser Haken mit grösster Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit nicht mehr gehalten. Eine nicht selten anzutreffende Situation zeigte sich beim vierten Haken dieser Seillänge: Die eingeknüpfte Schlinge riss bei 900 daN, der Haken selbst hätte den doppelten Wert erreicht ( vgl. Fig. 5, oben ).

3. Seillänge: Eindrückliches Beispiel einer ungenügend abgesicherten Seillänge: Ohne zusätzliche Absicherung mit Keilen oder Friends hätte beim Versagen des 1. und 2. Hakens ( Test: Bruch bei 550 daN und 800 daN ) infolge der Sturzverlängerung und der ungünstigen Sturzbahn mit sehr ernsten Folgen gerechnet werden müssen ( vgl. Fig. 6, oben rechts ).

4. Seillänge: Die Haken dieser Seillänge hätten gehalten.

5. Seillänge: Hier hätte die erste und damit besonders wichtige Zwischensicherung auch der kleinstmög-lichen Belastung nicht standgehalten ( vgl. Fig. 7, oben rechts ).

Schlussfolgerungen

Bestätigung bisheriger Erkenntnisse Die Ergebnisse dieses Tests sind in verschiedener Hinsicht aufschlussreich.

Zum einen haben sich viele Erkenntnisse aus bisherigen Versuchen auch im alpinen Gelände bestätigt: - Die visuelle Beurteilung von bestehenden Haken ist nicht zuverlässig.

38 36 34 32 30 28 26 24 22 20 18 16 14 12

I

|

I / I I / I / I I /

I

1 / 1 | Schi nge H aken 11 1 1 I /

/ 1 1/ [daNJ 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 ( ca. kp ) Sturzbelastung Festigkeit Fig. 5 Festigkeit und mögliche Belastung der Haken in der zweiten Seillänge der Route Fair Hands LineDie mögliche Sturzhöhe und die daraus resultierenden Belastungs-kräfte werden unterschätzt.

Die Korrosion hat einen wesentlichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit des Hakenmaterials. Haken im Granit korrodieren wesentlich rascher als im Kalk.

Überraschende ResultateDer Zustand der gut 30jährigen Haken an der Valgrande-Route am Abendberg war gesamthaft gesehen besser, als man dies als bereits « bohrhakenverwöhnter » Kletterer noch erwartet hatte.

Die vielbegangene Fair Hands Line im Grimselgebiet hatte, trotz respektabler Hakenabstände, nicht den Ruf einer ungenügend abgesicherten Route. Die nun im Rahmen dieses Testes zutage getretenen Schwachstellen weisen mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass [m] 46 44 42 40 38 36 34 32 30 28 26 2 24 rc c 22.

rc 1 20 18 16 14 12 10 8 6 4 - M—G

T

J f—

I 1/

/ f- M > r 1 ii1

7

1 i / i.

Ir 1 f 1 1

/

1 /

/

1 1

/

1

/

1 I

/

1 1 / l

[m] 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 ( ca. kp ) Sturzbelastung Festigkeit das Thema « Routensanierung » auch weiterhin sehr aktuell bleiben wird.

Bohrhaken: Gute Solidität, aber schwierige Beurteilung Die guten Resultate der geprüften Bohrhaken zeigen, dass man sich mit deren Verwendung auf dem richtigen Weg befindet, zumal mit der heutigen Technik ( korrosionsresisten-teres Material, Klebanker ) noch wesentlich bessere und dauerhaftere Einrichtungen möglich geworden sind. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, von nun an jedem Bohrhaken im Gelände blindlings zu vertrauen: Bei der Mehrzahl der heute verwendeten Typen sind die meisten der festigkeitsrelevanten Teile durch Lasche oder Piattii abgedeckt und damit nicht einsehbar. Dadurch sind fehlerhafte Einrichtungen oder Beschädigungen kaum erkennbar, wodurch die visuelle Erkennbarkeit von ungenügenden Haken noch weniger zuverlässig ist als bei Normalhaken.

Dies gilt, unter etwas anderen Voraussetzungen, auch bei den an sich sehr zuverlässigen Klebankerhaken: Unsorgfältige Anbringung - wie zum Beispiel nicht von Bohrstaub sauber gereinigte Bohrlöcher, improvisierte Mischung von oder unvollständiges Auffüllen mit Klebmasse -kann die Festigkeit in erheblichem Masse beeinträchtigen.

Im weiteren gilt es zu berücksichtigen, dass bei vielen modernen Routen, die häufig durch sehr kompakte Felsstrukturen führen, eine zusätzliche Redundanz mittels Klemmgeräten nicht mehr möglich ist. Da man einen einmal gesetzten Haken mit den heutigen Möglichkeiten nur testen kann, wenn man ihn wieder herausreisst, ist eine praktikable Qualitätssicherung zur Zeit nicht gegeben.

/

/ \j wmms /

I

I i / I I / f

f 2. I [daN] 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 ( ca. kp ) IHBB Sturzbelastung ~~WFestigkeit Fig. 7 Festigkeit und mögliche Belastung der Haken in der fünften Seillänge der Route Fair Hands Line Fig. 6 Festigkeit und mögliche Belastung der Haken in der dritten Seillänge der Route Fair Hands Line Anspruchsvolles Einrichten und Sanieren Diese Gesichtspunkte zeigen deutlich, dass das Einrichten oder Sanieren von Kletterrouten eine sehr anspruchsvolle Arbeit ist, die professionelles Vorgehen verlangt. Wird hier unsachgemäss vorgegangen, entsteht nicht nur eine gefährliche Route, sondern es wird auch unwiederbringlich ein Stück Natur verbraucht. Denn unsachgemäss gesetzte Bohrhaken, ob zuverlässig oder nicht, lassen sich nur noch mit sehr grossem Aufwand entfernen.

[daN]

Weiterführende Betrachtungen

In diesem Beitrag wird die Sicherheit von alpinen Kletterrouten vor allem aus der Optik von Festigkeitswerten betrachtet. Gesamthaft gesehen lässt sich jedoch die Frage der Sicherheit nicht allein auf die Menge des verwendeten Materials reduzieren: Vollständig mit Bohrhaken ausgerüstete Routen nehmen, ob gewollt oder nicht, jedem Wiederholer einen Teil seiner Eigenverantwortung ab. Bei vielen modernen Routen, die durch sehr kompaktes Gelände führen, ist dies unumgänglich und damit vernünftigerweise kaum diskutabel.

Sicherheit, Medizin, Rettungswesen a Auf Touren jedoch, die noch entlang der natürlichen Felsstrukturen erschlossen wurden, ist eine differenzierte Betrachtungsweise durchaus gegeben.

Selbstverständlich ist es auch hier einfacher und bequemer, wenn man die Ausrüstung auf die Zahl der im Topo angegebenen Expressschlingen reduzieren kann. Was aber, wenn die Angaben im Topo den Erwartungen nicht entsprechen oder das Wetter nicht mitspielt und die Topographie einen raschen Rückzug zum sicheren Boden mit ein paar wenigen Abseilmanövern nicht mehr zulässt? Solche Situationen sind in der freien Natur jederzeit möglich, und es kann dann rasch sehr wichtig werden, dass man dafür die notwendige Ausrüstung hat und deren Handhabung beherrscht. Wer aber in seinen Lehrjahren keine Gelegenheit mehr hatte oder sah, individuelle Sicherungsmittel einzusetzen, wird dies in solchen Notsituationen nicht einfach hervorzaubern können. Solche Argumente müssen keineswegs im Widerspruch zu einer vernünftigen Sanierung von klassischen Routen stehen: Sichere Standplätze und der Ersatz von altem Schrott durch zuverlässiges Material sind auch hier durchaus sinnvoll. Wenn in solchen Touren hier und dort noch ein Keil oder Friend gelegt Ringbohrhaken sind noch häufig im Gelände anzutreffen. Die im Test geprüften Haken dieses Typs erreichten zwar die erforderliche Festigkeit am entsprechenden Standort; den noch erwies sich der unter-dimensionierte Ring bei allen Prüflingen als massgebende Schwachstelle.

Die beiden ersten Haken in der 3. Seillänge der Fair Hands Line hätten der hier möglichen Sturzbelastung nicht standgehalten.

werden muss und sich die Frage des Weiterwegs nicht auf die Sichtweite des nächsten Bohrhakens reduziert, bleibt auch die unvergleichlich ganzheitliche Faszination des alpinen Kletterns erhalten. Derart betrachtet, werden letztlich auch ethische Fragen aufgeworfen, die in diesem Bericht weder gestellt werden sollen noch beantwortet werden können. Im Umfeld des aktuellen Erschlies-sungs- und Sanierungsbooms wird man kaum darum herumkommen, sich auch mit den Konsequenzen einer ungezügelten Entwicklung auseinanderzusetzen: Wer oder welche Institution übernimmt die früher oder später entstehenden Altlasten, wenn die letzten lohnenden Felsen verbohrt sein sollten und deren Erschliesser ihre Routen nicht mehr unterhalten wollen oder können? Ueli Mosimann, Utzigen ( BE ) Drei Hakengene-rationen auf kleinsten Raum: unten ein selbst-gefertigter Kro-nenbohrdübel, in der Mitte ein bei der Sanierung nach dem Test verwendeter Klebankerhaken, oben einer der zur Zeit sehr weitverbreiteten Segmentan-kerhaken.

Feedback