Zupò-Bellavista-Palü
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Zupò-Bellavista-Palü

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Jos. L. Schmid

( Basel ) Addio, piccola capanna! Unser letzter Gruss gilt der trauten Bergsteigerklause, die uns während 48 Stunden Schutz vor Sturm und Schneefall geboten hat, dem Rifugio Marco e Rosa ( 3600 m ).

Schweigend schreiten wir über den Gletscher. Es ist noch dunkle Nacht. Ein kalter Wind lässt uns bald richtig wach werden. Unruhig flackert der Kerzenstummel in meiner verrussten Glimmerlampe. Einige Seillängen zur Rechten ahnen wir die aufstrebende Steilflanke der Crast'Aguzza Nebelfahnen eilen, vom Ostwind getrieben, nach Westen.

Der in den letzten Tagen gefallene Schnee ist fest. Mühelos erreichen wir deshalb die Fuorcla dal Zupò. Mit unwiderstehlicher Gewalt fegt der Sturmwind über die Gratkante. Wir verzichten auf die übliche Route, auf der man dem Grat entlang unschwer zum Piz Zupò hinauf gelangt. Die Westflanke behagt uns besser!

Bald sind wir am Fuss der Firnwand. In direkter Linie zum höchsten Punkt legen wir -jeder für sich - unsere Spuren an. Mit den Steigeisen kommen wir gut vorwärts. Weiter oben, wo es steiler wird, müssen wir Stufen schlagen. Wir tun es mit Freude, gibt uns diese Betätigung doch etwas Wärme.

Um 5 Uhr stehen wir neben dem mit Eis überzogenen Signal. Wieder überfällt uns der Wind mit eisiger Kälte. Ein eigenartiger Kauz, dieser Zupò! Schon viele Male erreichten wir ihn auf irgendeiner Route, doch jedesmal empfing er uns in denkbar schlechter Laune.

Das Absteigen zum Pass dal Zupò, der Gratsenke zwischen Zupò und Bellavista, ist ein behutsames Schreiten auf scharfer Firnschneide. Während sich der linke Schuh vorbildlich auf Heimatboden stellt, kümmert sich sein Nachbar zur Rechten herzlich wenig um Grenzvorschriften. Unangenehm ist der Wind, der stossweise, einmal von Süden, dann wieder von Norden kommend, unser Gleichgewicht zu stören versucht.

In der Einsattelung versorgen wir Steigeisen und Pickel in die Rucksäcke, begrüssen freudig die ersten Sonnenstrahlen und klettern über den schönen Blockgrat zum ersten Bellavistagipfel empor. Uns zieht es weiter! Ein herrliches Wandern über den Grat, auf luftigen Höhen! Manchmal stehen wir still und blicken hinüber zum Piz Bernina. Golden glänzt der Biancograt in der Morgensonne, und weit unten, in der Spaltenzone « Über da Buuch », sehen wir eine Seilschaft aufwärtssteigen.

Nach kurzer Zeit stehen wir auf dem letzten der vier Bellavistagipfel. Im weichen Schnee stapfen wir hinunter zur Fuorcla Bellavista. Hier stossen wir auf eine Gemsspur.

Vor uns der Piz Palü! Der Spinasgrat bietet hübsche Kletterei. Wie haben sich gerade hier die Verhältnisse geändert! Erforderte doch vor zwanzig und mehr Jahren die Überschreitung der drei Palügipfel von uns einiges alpinistisches Können. Besonders der Spinasgrat verlangte wegen seiner Vereisung grösste Vorsicht. Heute aber zeigen sich granitene Treppenstufen, über die wir leicht zur westlichen Spitze gelangen. Dieser Höhenweg wird mit seinen imposanten Tief blicken dem Bergsteiger immer eine bleibende Erinnerung bieten.

Wir überschreiten die Mittelspitze und erreichen, dem Firngrat folgend, den Ostgipfel der Palügruppe. Drei Stunden sind verflossen, seit wir den unfreundlichen Piz Zupò verlassen haben.

Wir rasten neben dem Gipfelsignal und blicken in die weite, weite Gipfelwelt. Im Süden das Gletschermeer, über das sich der breite Gipfel des Piz Verona erhebt. Ganz rechts die wilden Zacken der Cime di Müsella, in deren Nähe das Rifugio Marinelli liegt. Einzigartig ist der Blick ostwärts, zur Ortlergruppe: ein Kranz von Gipfeln, soweit das Auge reicht.

Während wir uns für den Abstieg bereitmachen, erreicht eben eine Dreierpartie, von Boval kommend, den Gipfel. Mit Freude schütteln wir dem Führer und Lehrer Chasper Grass die Hand. Schon oft sind wir dem braven und tüchtigen Bergler in seinen heimatlichen Höhen begegnet.

Noch einmal schreiten wir über einen scharfen Firngrat. Dann torkeln wir in knietiefem Neuschnee zum Persgletscher hinunter und schauen immer wieder zur Bovalhütte hinüber und sehnen uns nach deren gastlichen Stube.

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