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100 Jahre Einschneien und Ausapern in Andermatt (1860/1960)

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

VON ERNST AMBÜHL, LIEBEFELD-BERN

Mit 3 Bildern ( 114-116 )

Einleitung. Die Bewohner der Bergregion unseres Landes wissen, dass bei ihnen sicher in jedem Herbst, früher oder später, der Winter mit Schnee diesen verdrängt und erst wieder im Frühling nach mehrmonatiger Anwesenheit bergwärts zieht. Mag auch der Einzug des gestrengen, weissen Herrn als Abwechslung beurteilt werden, so wird sein Verweilen an den schon länger gewordenen Tagen doch als drückend empfunden.

Der Bergbewohner früherer Zeiten hatte wenig oder gar keine Möglichkeit, aus dem weissen Einerlei zu entfliehen; geduldig musste er warten, bis die Geburt der neuen Jahreszeit vollzogen war, und musste auch dann noch manchmal Rückschläge in den Winter gewärtigen. Ganz sicher ist oder war dies ein Moment, welches wesentlich zur bekannten Indolenz dieser Leute beitrug, welche ihnen half, solche Erschwernisse des Lebens besser zu ertragen. Dank der Entwicklung der Technik und der heute allgemein grösseren Reisemöglichkeit und -notwendigkeit sowie des Aufkommens der Wintersportbewegung wird diese Jahreszeit jetzt besser überbrückt.

Wir wollen einen solchen « Normalwinter » mit all seinen mehr oder weniger interessanten Abweichungen betrachten und in diesem Zusammenhang uns über einige allgemeine Fragen des Themas « Schnee » verbreiten. Als Beispiel wählen wir Andermatt, übrigens einer der schneesichersten, weil schneereichsten Wintersportplätze unseres Landes. Neben der Tatsache, dass Andermatt in einem ganz ebenen Talboden in 1444 m Höhe liegt, ist seit dem 1. Dezember 1863 die meteorologische Beobachtungsstation im dortigen Pfarrhaus untergebracht.

Nun aber hat es neben Andermatt auch in Göschenen ( 1107 m ), Gurtnellen ( 739 m ), Altdorf ( 456 m ), Gotthard-Hospiz ( 2095 m ) und Airolo ( 1143/1170 m ) weitere, seit vielen Jahrzehnten in Betrieb stehende meteorologische Stationen. Der Verfasser wollte sich diese, im ganzen Lande nirgends sich wiederholende Gelegenheit, sechs in einer Linie nördlich und südlich des Alpenkammes auftretende Beobachtungsorte innerhalb 38 km Entfernung mit zu bearbeiten, nicht entgehen lassen. Für sie alle wurden die Schneeverhältnisse je über die erste Hälfte unseres Jahrhunderts untersucht wie für Andermatt über 100 Jahre. Als weitere Vergleichsstationen wurden für die nämliche Zeit Guttannen ( 1055 min 23 km Luftlinie von Göschenen - und Engelberg ( 1018 m ) beigezogen und von den Niederungen Genève ( 405 m ), Bern ( 572 m ), Basel ( 277/311 m ) und Lugano ( 276 m ). Im weitern lassen die hochalpinen Stationen Grosser St. Bernhard ( 2469 m, 1817-1960 ), Jungfraujoch/Jungfraujochfirn ( ca. 3350 m ) sowie Säntis ( 2501 m ) mit den schon genannten Orten interessante Gegenüberstellungen, z.B. gerade über Einschneien und Ausapern, zu.

Es wurde für jeden Tag des Jahres versucht-für die höhern Lagen während des Sommers - die Dauer und die Höhe der Schneedecke zu ermitteln. Sofern tägliche Messungen vorhanden sind, lässt sich durch die Kunst des Addierens und Mitteins die Sache einfach lösen. Liegen aber nur zeitlich mehr oder weniger weit auseinanderliegende Angaben vor, so muss man sich durch Interpolation die dazwischenliegenden Werte beschaffen. Unter Zuhilfenahme der täglichen Wetteraufzeichnungen, 15 Die Alpen - 1961 - Les Alpes225 in welche Originale ich auf der Meteorologischen Zentralanstalt in Zürich Einblick nehmen durfte, konnte dies durchgeführt werden. Selbstredend ist ein solches Vorgehen mit gewissen Fehlern behaftet, da man nur den sogenannten wahrscheinlichen und nicht den wahren Wert ermitteln kann. Ein anderes Mittel, als auf diese Art gewissermassen den Blick in die Vergangenheit zu tun, gibt es meines Erachtens nicht. Der Verfasser glaubt, dass mit der bei dieser Arbeit erworbenen Übung der Unterschied zwischen den vorhin erwähnten wahren und wahrscheinlichen Werten in vernünftig kleinen Grenzen gehalten werden konnte, weshalb die Mittelwerte, auf die es ja hier besonders ankommt, als brauchbare und repräsentable Zahlen veröffentlich werden dürfen.

1. Schnee. Wenn wir zu unserer « Runde » starten wollen, wird es uns zuerst interessieren, wann im Durchschnitt nach der Sommerpause der erste Schnee - nicht als Schneefall, sondern als Schneedecke - in Ursern sich einstellt.

Eine Schneedecke liegt dann vor, wenn die Umgebung der Station zu mehr als der Hälfte mit Schnee bedeckt ist. Während sich beim beginnenden Schneefall der apere Boden meist gleichmässig bedeckt, wird die Schneefläche beim Schmelzen gegen Ende dieses Prozesses in der Regel lückig. Ich habe dabei einige Male feststellen können, dass bei rund hälftiger Schneebedeckung von ebenem Gelände noch gleichzeitig 1 cm mittlere Schneehöhe vorhanden ist.

Der erste Wintereinbruch in Andermatt fällt im 100jährigen Mittel auf den 2. Oktober, die Einzelwerte liegen aber sehr weit auseinander. Am 2. August 1888 fiel nach ergiebigem Gewitterregen und nachheriger Abkühlung Schnee, welcher sich gleich ein dreitägiges Gastrecht herausnahm. In jene Tage fällt übrigens auch der Einsturz der alten Teufelsbrücke. Es wird behauptet, Telephon-arbeiter hätten kurz zuvor einen Scheitelstein des Gewölbes herausgenommen, um eine Stange hineinzustecken, und dies sei der Anfang des Endes gewesen. Viel eher scheint mir, der seit bald 60 Jahren mangelnde Unterhalt an diesem ab 1830 ausser Dienst gestellten Objekt habe den Zerfall beschleunigt, so dass sie jenem sehr nassen Wetter zum Opfer fiel.

Tatsache ist aber, dass ein junger, wagemutiger Andermatter ( Edwin Meyer, 1874-1950 ) sie wohl als Letzter überschritt, bevor sie nach wenigen Tagen in die braunen Wogen der hochgehenden Reuss stürzte. 1948 meldete sich der Winter erst am 16. Dezember zum ersten Male. Damit resultieren ganze 4½ Monate zwischen Minimum und Maximum!

Für die Jahre 1900-1950 ergeben sich für die bereits genannten andern Stationen folgende Daten für die mittlere, erste Schneedecke:

Lugano ( 276 m)24. DezemberBern ( 572 m)22. November Airolo ( 1151 m ) 2. NovemberZürich ( 493 m)23. November Gotthard ( 2095 m)10. SeptemberBasel ( 293 m)4. Dezember Andermatt ( 1444 m ) 5. OktoberGenève ( 405 m)13. Dezember Göschenen(1107 m ) 19. Oktober Gurtnellen ( 739 m ) 6. NovemberGuttannen ( 1055 m ).. .17. Oktober Altdorf ( 456 m ) 7. DezemberEngelberg ( 1018 m )... .20. Oktober Säntis ( 2501 m)13. August Grosser St. Bernhard ( 2469 m29. August Für die beiden letzten Stationen wurde die Grenze Frühlingsschneefälle/Herbstschneefälle für den Termin 31. Juli/1. August definiert.

Um aus diesen Zahlen das Interessante herauszuholen, sei die « Geschwindigkeit » des Vordringens dieser Patrouillen des Winters pro Tag am Beispiel des Gotthardprofiles unter Herbeiziehung vom Grossen St. Bernhard berechnet. Dieses Hinabsteigen in m/Tag ( runde Zahlen ) beziffert sich wie folgt:

GrosserSt.Bernhard/Gotthard ...31 mGurtnellen/Altdorflim Gotthard/Andermatt26 m Andermatt/Göschenen24 mGotthard/Airolo18 m Göschenen/Gurtnellen20 mAirolo/Lugano17 m Andere Kombinationen wie z.B. Guttannen/Bern oder Grosser St. Bernhard/Genève ergeben ähnliche Werte.

Es zeigt sich ein deutliches Verlangsamen der Bewegung im Hinabsteigen des Winters, denn z.B. Ende November sitzen wir in der Regel schon ordentlich tief in der kalten Jahreszeit, weshalb nicht mehr so grosse Geländegewinne erzielt werden können wie im September oder Oktober. Die Bewegung strebt - immer im langjährigen Mittel betrachtet - vorerst der Geschwindigkeit 0 zu, um dann mit umgekehrten Vorzeichen wieder rückläufig zu pendeln.

Zum Wert Gurtnellen/Altdorf ist zu sagen, dass er wohl etwas tief ausgefallen ist, weil das ausserordentlich milde Klima des untern Reusstales mit Erfolg dem Winter längere Zeit den Vormarsch erschwert. Gurtnellen/Zürich z.B. käme bereits auf 15 m im Tag.

Einschneien. In der grossen Regel gelingt es dem Winter nicht, gleich beim ersten Besuch sich auch die « Niederlassungsbewilligung » bis über Ostern zu sichern. Für Andermatt sind hiefür nur neun Jahre ( auf 100 ) bekannt. In Ursern hat es im Mittel indessen 17 Schneetage, bevor das definitive Einschneien erfolgt, 1861/62 dürften es sogar - als Maximum - 57 Tage gewesen sein.

Das mittlere Datum des Einschneiens fällt auf den 21. November. Auch hier müssen wir mit einer grossen Streuung rechnen; immerhin fiel es sechsmal auf den 24. November, fünfmal auf den 17. und je dreimal auf den 15., 16., 18., 20., 25. und 27. November. Das sind schon 29 Fälle in einem Intervall von 13 Kalendertagen.

Von besonderem Interesse Extremwerte! Der Oktober 1905 war der weitaus kälteste Weinmonat in der nun doch schon sehr langen Reihe der meteorologischen Beobachtungen; wobei der am 2. Oktober gefallene Schnee nicht mehr wegschmolz ( Oktober Maximum 1905 in Andermatt = 7,0° C, Mittel2,0° C ).

Nach einem sehr schönen und warmen September schneite es am 4. Oktober 1917 unvermittelt ein. 1917 ist übrigens das einzige Jahr der ganzen Reihe, in welchem der Winter weder irgendwelche « Nachhuten » noch « Vorposten » abordnete. Ein denkwürdiges Datum ist ferner der 15. Oktober 1896. Es schneite damals nicht nur ein, sondern dieser zeitlich reichlich verfrühte Winter wurde mit einem ebenso überflüssig mächtigen Schneefall bedacht, wobei die Schneehöhe am 21. Oktober 115 cm betrug, übrigens das früheste Datum mit 1 m oder mehr Schneehöhe. Auf der Oberalp, wo eine Kp. des Urner Bat. 87 seinen WK mit einem Gefecht absolvierte, musste schleunigst « Übung abgebrochen » durchgegeben werden.

Auf den 16. Oktober fallen die zu frühen Winterbeginne der Jahre 1890,1919 und 1958.

Das späteste Einschneien erfolgte am 6. Januar 1933. Es hatte allerdings auf Allerheiligen im Talboden schon 30 cm Schnee, welcher auf Martini wieder verschwand. Nachher liess es der Winter bei einigen untauglichen Versuchen bewenden. Alt Talamman Franz Meyer trieb am 15. Dezember noch die Kühe aus dem Stall auf die « Äberi » ( apern Boden ) an die milde Dezembersonne hinaus, ein in dieser Höhe wohl noch nie festgestelltes Ereignis. Die Christmette ( am 24. Dezember ) musste man ohne Schnee feiern. Im sehr kurzen Winter 1861/62 lag wohl zu Weihnachten etwas Schnee, welcher wahrscheinlich schon nach einem Tag schmolz, bevor es am 5. Januar 1862 einschneite. 1938 winterte es erst am 21. Dezember ein, 1953 am 20. und zu vier Malen am 19. Dezember.

Résumé der 100 Jahre: Es schneite ein: im Oktober zwölfmal; im November fünfundfünfzigmal; im Dezember einunddreissigmal; im Januar zweimal. Erich Müller, Hotelier auf Furkablick ( 2431 m ), fuhr noch am 19. Dezember 1953 per Auto auf die Furka. Tags darauf meldete sich der Winter auf dem Säntisgipfel erst definitiv an ( absolutes Maximum ).

Entsprechende Extreme sind auf dem Gotthard-Hospiz: 9. Dezember 1948 ( ab 1864 ) bzw. B. Dezember 1899 auf Hospice du Grand St. Bernard ( ab 1815 ). Der erwähnte Vorsprung des sonst in klimatischer Hinsicht zweifelsohne benachteiligten Alpsteingipfels gegenüber den genannten Alpenpässen dürfte weniger zufälliger Natur, als durch eine allgemein andere Niederschlagsverteilung begründet sein. Auf dem Säntis nehmen nämlichdie Monatssummen nach dem Juli wieder ab, im mediterranen Niederschlagsgebiet, in welchem die beiden andern Örtlichkeiten liegen, sind neben dem Mai besonders Oktober ( Maximum ) und November nass. Da um diese späte Jahreszeit die Niederschläge dort vorwiegend als Schnee fallen, vermögen nur ganz wenige Jahre diese « Hürden » erfolgreich zu nehmen. Ein solches Jahr war 1899: Am Sonntag, 26. November 1899, gaben sich einige Offiziere aus Andermatt und Airolo bei mildem, sonnigem Wetter Rendez-vous mit Schlittschuhen auf den spiegelglatt gefrorenen Gotthardseen. An- und Abmarsch auf staubiger Strasse!

Das nachherige Einschneien erfolgte bei Windstille und ziemlicher Kälte, so dass es der gleichmässig verteilte Pulverschnee zwei Andermattern mit einer Dame ohne weiteres erlaubte, am 12. Dezember eine Schlittenpartie per Pferd nach Disentis und zurück auszuführen.

Mutter Natur ist indessen nur ganz ausnahmsweise bei so ausgefallener Laune. Wir können ruhig behaupten: Schneefreie Pässe von 2000 und mehr Meter Höhe sind um Weihnachten etwas höchst Unwahrscheinliches.

Ausapern. Das meist mehr willkommen geheissene Ausapern tritt in Andermatt im Durchschnitt am 30. April in Erscheinung. Dabei waren am meisten bevorzugt die Tage:

23. April sechsmal; 2.Mai fünfmal; 3. Mai viermal; je dreimal aperte es aus: am 26., 29. und 30. April, am 1. und 4. Mai.

Somit zog der Frühling zu 30 Malen an 8 Kalendertagen, welche ein Intervall von 10 Tagen belegen, ins Urserntal ein.

Das allerfrüheste Schneefreiwerden dürfte auf den 75. März 1862 fallen. Diese Angabe wird vielleicht einen im Flachland Wohnenden weiter nicht verwundern. Sie muss aber als ganz ausserordentliches Ereignis gewertet werden; schon aus dem Grunde, weil im Urserntalboden erst auf Anfang/ Mitte März die maximale Schneehöhe erwartet werden darf. 1930 konnten zwar am 10. März nur noch 10 cm Schneehöhe festgestellt werden, als rauhere Tage mit Niederschlag folgten, welche den Frühlingsbeginn auf Anfang April verschoben. Es ist möglich, dass im ausserordentlich warmen März 1822 ein ähnlich frühes Ausapern stattfand; jedoch haben wir hiefür keine weitern Unterlagen. Mit Ausnahme eines halbwöchigen Gastspieles Mitte April 1862 zeigte sich der Winter mehr als ein halbes Jahr lang nicht mehr. Dieses extreme Frühjahr setzte seinen Zug bergwärts fort und lässt sich auch noch auf den Höhen des Gotthards feststellen durch Einbhcknehmen in die Rechenbücher der bekannten damaligen Postpferdehalterfamilie Meyer in Andermatt. ( Angabe ob per Rad oder Schlitten über den Pass gefahren wurde. ) Der sehr warme März 1957 ( und das sehr initiative Baudepartement des Kantons Tessinliessen den Gotthardpass auf den 17. März für kurze Zeit für Autoverkehr öffnen. Im gleichen Jahre stand am 25. April bereits das erste Auto auf dem Furkapass. Das allerfrüheste Ausapern des Geländes auf dem Gotthard erfolgte am 20. April 1949. Das waren übrigens die ersten und einzigen Ostertage seit Bestehen der Strasse ( 1830 ), an denen der Pass per Rad passiert werden konnte.

Der früheste Winterabschied auf dem Säntis, seit 1883, darf dem 11. Mai 1934 zugeschrieben werden, und so zeitig wie am 6. Juni 1921 ging der Schnee auf dem Grossen St. Bernhard seit Bestehen der dortigen Beobachtungstsation, 1817, noch nie weg. Der Vorsprung des Säntis war nur seiner Gipfellage wegen ( starkes Verwehen ) möglich.

Das Jahr 1882 war für das Urserntal ein besonders unglückliches. Ab Neujahr fuhr die Gotthardpost nicht mehr über den Pass, sondern die Passagiere wurden durch den neuen, grossen Tunnel befördert ( Eröffnung der ganzen Gotthardstrecke: 22. Mai 1882 ). Damit legte man nicht nur den für damalige Verhältnisse bedeutenden Verkehr lahm, sondern auch den meist ohnehin nicht grossen Verdienst vieler Talleute. Am 18. März 1882 aperte der Talboden bei Andermatt aus, jedoch kehrte der Winter schon am 22. März wieder zurück, um erst am 16. April dem Frühling das Feld zu räumen. Ein schlechter Sommer liess hierauf den Winter auf dem Gotthard-Hospiz schon am 13. September wieder Fuss fassen ( und einen Tag vorher auf dem Grossen St. Bernhard ). Der am Rhonegletscher ( auf 2425 m stationierte ) damals bekannte Topograph Held konnte am 16. September, morgens schon eine Totalschneehöhe von 190 cm messen, bevor er endgültig zu Tale zog. Bei dieser enormen Eroberungslust des Winters wurde Ursern nicht übergangen. Mit 60 cm Schnee im Talboden am 16. September 1882 konnte der früheste Fall einer Schneehöhe von über ½ m registriert werden.

Nach drei Jahren wurde die verfrühte Auflage noch « verbessert ». Am 29. September 1885 liessen sich sogar 80 cm Schnee feststellen. Diesmal reichte der weisse Segen sogar bis ins Mittelland ( erste Schneedecke in Bern seit 1864: 28.September 1885 ). In den 100 Jahren aperte die Talsohle von Ursern nur noch 1942 ( am 29. ) sowie 1890 und 1921 ( am 31. ) im März aus, also insgesamt fünfmal.Lange hielt das wenig rühmliche 1896 den Rekord des spätesten Frühlingseinzuges mit dem 28. Mai. Das Lawinenjahr 1951 verschob diesen Termin auf den 29. Mai. Reichlich « übermarchende » Winter waren ferner: 1879 und 1935 je der 23.Mai und 22.Mai 1888.

Zusammenfassend halten wir fest: fünfmal aperte es im März aus, zu 40 % im April und zu 55 % im Mai.

Letzter Schnee. Im langjährigen Durchschnitt kommt es in Andermatt am 27. Mai zur Bildung der letzten Schneedecke. Damit kommt auch dieses Ereignis wie dasjenige des ersten Schneetages zeitlich auffallend nahe den Rekordwerten über Einschneien und Ausapern. Zufall? Nach dem 7. April 1893 ( extrem trockenes Frühjahr ) zeigte sich kein Schnee mehr bis in den Herbst. Kehrseite: 1 cm Schnee am 18. Juli 1908.

Wir wollen dieses eine Frühlingsdatum mit dem entsprechenden anderer Stationen für den Zeitraum 1901/1950 vergleichen.

Lugano ( 276 m)21.FebruarGesehenen ( 1107 m ) 12.Mai Airolo ( 1151 m)29. AprilGurtnellen ( 739 m)22. April Gotthard ( 2095 m)30. JuniAltdorf ( 456 m)29. März Andermatt ( 1444 m ) 30.Mai Säntis ( 2501 m)13. AugustBasel ( 293 m ) 9. März Grosser St. Bernhard ( 2469 m ) 29. AugustGenève ( 405 m ) 3. März Bern ( 572 m)27. MärzGuttannen ( 1055 m )... 12. Mai Zürich ( 493 m)30. MärzEngelberg ( 1018 m ).... 7. Mai Auch hier wurde für die beiden höchsten Stationen für die Grenze Frühjahrsschneefälle/Herbst-schneefälle der Termin 31. Juli/1. August definiert.

Messen wir die Wanderfreudigkeit des Frühlings in m-Höhendifferenz/Tag am Gotthardprofil ( mit Herbeiziehung vom Grossen St. Bernhard ), so erhalten wir in runden Zahlen:

Altdorf/Gurtnellen12 mGotthard/Grosser St. Bernhard ...27 m Gurtnellen/Göschenen18 m Göschenen/Andermatt19 mLugano/Airolo13 m Andermatt/Gotthard21 mAirolo/Gotthard15 m ( Hier führen mögliche Kombinationen anderer Stationen ebenfalls zu ähnlichen Werten. ) Gewissermassen als Spiegelbild zum Herbst stellen wir eine Geschwindigkeitssteigerung ( von 0 m ausgehend ) fest. Aus den Botanikvorlesungen von Prof. Schröter ist mir ein Wert von 22 m/Tag Höhengewinn des Frühlings in Erinnerung. Trotzdem diese Zahl aus Beobachtungen über das organische Leben stammt, stimmt sie recht gut mit unsern Werten in der alpinen Region überein.

Also: der Bergmarsch des Frühlings mit 1 m/Stunde ( im langjährigen Mittelmag uns recht langsam erscheinen. Äusserste Daten des Ausaperns sind: Gotthard: 29. Juli 1879, Grosser St. Bernhard: 27. August 1879und Säntis: 2. September 1914.

Der « Urschner Langsi » wartet nicht wie anderswo mit prächtig blühenden Bäumen, Heeren von zwitschernden Vögeln und Tausenden von Bienen auf. Wenn aber eine Amsel nach einem föhndurch-zogenen Tage am Abend ihr Lied im Bannwald über einer etwas aufgelöcherten und nicht mehr ganz weissen Schneedecke ertönen lässt, dann hört man diesen Künder der wärmeren Zeiten nach der langen weissen Herrschaft mit beglückendem Gefühl. Vollends freut man sich, wenn die Schwalben wieder um den Kirchturm fliegen, der fliehende Winter gewissermassen nur noch mit der Ferse irgendwo den Talboden berührt und ihn das Weiss der « Chäsblüemli » ( Krokus ) abgelöst hat.

Goethe würde hier an seinem in den Frühling schreitenden Dr. Faust seine besondere Freude gehabt haben:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, Von des Frühlings belebendem, holden Blick Im Tale grünet Hoffnungsglück.

Der alte Winter in seiner Schwäche Zog sich in rauhe Berge zurück.

Von dort her sendet er, fliehend nur, Ohn'mächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die blühende Flur.

Im Durchschnitt folgen nach dem Ausapern nur noch sechs Schneetage. Der energische Frühling löst sich damit bemerkenswert rascher vom Winter, als dieser den Herbst attackiert. Haben da nicht die Worte von Dove ( deutscher Meteorologe ): « Fieberhaft erwacht im Frühling die Natur, ruhig schläft sie im Herbst wieder ein », eine besonders zu beachtende Parallele gefunden?

In 21 Jahren folgte nach dem Ausapern keine Schneedecke mehr bis in den Herbst. Als langwei-ligstes Frühjahr brauchte das von 1882 44 Tage, um mit dem Winter endgültig fertig zu werden.

Schnee und kirchliche Feste. Setzen wir noch die wichtigsten kirchlichen Feste unsern Betrachtungen gegenüber und fangen wir mit der Kilbi ( Kirchweihe ) an ( früher an Ursula = 21. Oktober oder Sonntag nachher; seit ca. zehn Jahren der zweitletzte Oktobersonntag ), so ist festzustellen, dass sie im allgemeinen in eine klimatologisch recht ungünstige Zeit fällt. Im langjährigen Mittel macht der Winter in diesen Tagen gern grosse Geländegewinne, und zur Seltenheit vermag er sich sogar bis ins Mittelland auszubreiten.

Dieses lokale Kirchenfest musste zu 38 Malen unter dem weissen Zepter gefeiert werden, wobei dann bereits sechsmal das Tal schon definitiv eingeschneit war: am 25.Oktober 1896 mit dem Maximum von 115 cm Schnee.

Grüne Weihnachten gab es nur 1932. Es lag damals allerdings 1 cm Schnee, welcher aber im Laufe des Tages wegschmolz.

Einzig der Neujahrstag 1933 kann aperen Boden verzeichnen. Grüne Ostern ( vom 22. März bis 25. April möglich ) hatte es anno 1862, 1886, 1890,1933,1942,1943 und 1957, also siebenmal. Am Ostersonntag, 1. April 1888, dürfte es anderseits - als Maximalwert - 335 cm Schnee gehabt haben, so dass ohne grosse Übertreibung behauptet werden darf, damals habe man das einzige Grün im Tale auf dem Urserner Wappen am Rathaus in Andermatt gesehen.

Auch Pfingsten, das liebliche Fest, ist hierzulande nicht immer lieblich. Schon zu 15 % hatte es noch Schnee, wobei zu vier Malen der Winter zudem noch nicht ausgezogen war. Am 13. Mai 1951 liess sich noch eine Schneehöhe von 91 cm ( Höchstwert für Pfingsten ) feststellen.

Rechnerische Fixierung der äussersten wahrscheinlichen Werte des Winterbeginnes bzw.endes: Nachdem wir über den Winter mit hinreichend viel Daten, vorwiegend qualitativer Art, orientiert haben, zitieren wir nochmal die Extremwerte des Einschneiens und Ausaperns:

2. Oktober 1905/6. Januar 1933 bzw. 15.März 1862/29.Mai 1951.

Wir fragen uns nun: Hat es ausserhalb unseres Säkulums schon Jahre gegeben, welche diese Rekordwerte übertroffen haben?

Versuchen wir zunächst die Frage auf theoretischem Wege zu beantworten unter Zuhilfenahme einiger Mathematik, nämlich des Gaußschen Fehlergesetzes, welches sich, wenn auch nicht frei von jeglicher Kritik, anwenden lässt. Es ist wahrscheinlich, dass es innert rund 400 Jahren nur einmal vor dem 28. September und nach dem 15. Januar einschneit bzw. dass es vor dem 14. März oder nach dem 13. Juni ausapert. Die Chancen für das « Übermarchen » dieser Daten sollten also alle gleich klein sein.

Diese Aussagen setzen indessen voraus, dass die Grundlagen, hier die Mittelwerte über Winterbeginn und Winterende, sowie das Ausmass der Schwankungen unverändert bleiben. Diese Zahlen sind aber keineswegs als unveränderliche Grossen gesichert, wissen wir doch, dass ungefähr nach 1550 ein schwerer klimatischer Rückschlag erfolgte, welcher den Gletschern unter einigen Malen Gelegenheit gab, sehr bemerkenswerte Vorstösse bis nach 1850 zu unternehmen. Es wäre denkbar, dass es damals z.B. später ausaperte und früher einschneite. Sollte aber allgemein weniger Niederschlag gefallen sein, so wäre es anderseits möglich, dass keine Änderung zu den heutigen Verhältnissen eintrat.

Extreme Schneeverhältnisse ab 1600 nach Chroniken. Nun finden sich sowohl im « alten Talbuch » im Archiv auf dem Rathaus Ursern als auch im alten Stiftsbuch im Pfarrarchiv zu Andermatt verschiedene Aufzeichnungen über extreme Witterungserscheinungen notiert. Ich verdanke die Hinweise Pater Dr. Eduard Regli, Dr. Johannes Gisler, beide in Appenzell, und Dr. Leo Muheim, in Bern. Die Notizen reichen bis auf 1600 zurück. Gerne würde man Berichte über Naturereignisse über noch frühere Jahrhunderte und in ausführlicherer Form Kenntnis nehmen; jedoch hatten die damaligen Talleute noch andere als meteorologische Sorgen.

Es scheint wenig wahrscheinlich zu sein, dass es einmal schon vor dem 28. September einschneite, denn mit diesem Tag beginnt alle Jahre seit der « Einung der Talleute vom 7. Februar 1363 » bis auf den heutigen Tag der allgemeine Weidgang. Der Frühbeginn des Winters vor dem Anfang dieser allgemein verbindlichen Einschränkung des Eigentums hätte sicher Eingang in die Chronik gefunden, wenn man dieses Recht überhaupt nicht einmal hätte stattfinden lassen können. Der 2. Oktober 1905 ist aber nahe diesem Termin aufgetreten.

Zu Weihnachten 1727 « war schier gar kein Schnee ». Der Rekord von 1933 ( Einschneien am 6. Januar ) scheint wohl zu Recht zu bestehen.

Der Winter 1619 war so mild, « dass man im Homer die Rinder hat lassen usliegen, und im Homer 100 Burdi Faxenstrey gemeht zu Realp ». Ausgeapert im Februar? Nur an den Hängen oder auch im TalbodenFaxen = Brüsch: Erika, Alpenrosen usw. ) 1686: Aperer Boden bei der Kirche Andermatt im März, « und hat im Merzen schon lahme Ross auf der Brunnen ( Allmeind zwischen Dorf und Wald auf ca. 1475 m, schattenhalb ) geweidet und sind neue Blackli usen gesyn. » Man sagte mir einmal in Andermatt, offenbar im Zusammenhang mit diesem Ereignis, das hätte sich an Maria Verkündigung ( 25. März ) zugetragen. Wenn aber schattseits an jenem Tage schon Tiere auf die Weide gebracht wurden, dürfte der Schnee im Boden vielleicht schon vor dem 10. März weggeschmolzen sein.

1698/99: « Einige Tage vor Allerheiligen fiehl ein grosser Schnee, der darauf beständig zunahm und im Boden bis ungefähr Mitte Juni anhielt. » Hier dürfte das Ereignis auf die andere Seite um möglicherweise gleich viel « übermarcht » haben, also über den 13. Juni hinaus.

26.Mai 1817 « noch über halb mann hochen Schnee gehabt ». Ich versuchte, so gut man dies überhaupt machen kann, nach den meteorologischen Aufzeichnungen von Genève und Bern zu berechnen, dass es auf Grund der obigen Aussage vielleicht erst am B. Juni ausaperte.

Wir sehen schon aus diesen vereinzelten Beispielen, dass es wohl möglich ist, gewisse an sich unsichtbare Grenzen einer statistischen Gesetzmässigkeit zu überschreiten; aber eben, es ist nur wenig wahrscheinlich.

Sommer. Mit statistischen Angaben und Einzelbeobachtungen war es möglich, das Weichen des Winters aufzudecken. Wie der Winter aber versucht, dem Sommer ins Gehege zu kommen, sollen uns die nachfolgenden Betrachtungen zeigen.

Sein vorläufiger Auszug aus Ursern ist Ende Mai/Anfangs Juni so gründlich, dass der 2. Juni innert unserer 100 Jahre sich nie eine Schneedecke notieren lassen musste. Gewiss, diese 0 auf « weiter Flur » mag Zufall sein; es könnte auch eine 1 oder mehr sein. Aber so zufällig ist der dann offenbar in der Regel günstige Witterungscharakter auch wieder nicht; denn man darf in diesem Zusammenhang erwähnen, dass in grossen Teilen von Deutschland der 31. Mai im Durchschnitt als der relativ wärmste Tag der Vegetationsperiode gelten kann. Seine Tagestemperaturmittel weichen am meisten vom Sollbetrag nach oben ab. Übrigens sind die Überschüsse der Tagesmittel ( über der theoretischen Sinuskurve der Temperatur ) des 31. Mai von Säntis von 1901-1950 die dritthöchsten nach dem 28./29. August und nach dem 9. September im Verlauf der Vegetationsperiode.

Dieses « Aufdrehen » des Vorsommers macht sich bis zum Alpenkamm bemerkbar, lässt sich aber in Lugano nicht mehr feststellen, da dort der 31. Mai ( für die gleiche halbhundertjahre lange Periode ) bereits ein geringes Wärmedefizit zeigt, weil in Oberitalien und im Tessin der Mai sehr niederschlagsreich und deshalb relativ kühl ist.

Für Andermatt gilt: Die in der Regel nach dem ersten Junidrittel sich durchsetzenden Monsunregen mit den rückläufigen Temperaturen ( Minima der zwei Wellen: 15. und 26. Juni, und manchmal « macht » auch noch der Juli im Nachahmen !) treten hier in eher abgeschwächter Form auf. Wir erhalten: B. Juni mit sechs Schneetagen ( auf 100als Maximum, während der 7. Juni 1881 als Höchstwert 35 cm Schnee aufwies. Erst der 29. und 30. Juni sind wieder völlig schneefrei. Der Juli weist mit seinen total 31 X 100 Tagen nur 11 « weisse Schafe » auf. Diese 3,5°/00 sind wahrlich nicht dazu angetan, den Sommerschnee zu dramatisieren. 1891 und 1948 lagen am 5. bzw. 6. Juli allerdings als Höchstwert je ca. 10 cm Schnee. 22 Kalendertage können vom Winter « unbeschriebene Blätter » vorweisen ( Juni=3 ).

Am 28. August 1914 fielen nach heftigem Gewitter über Nacht 30 cm Schnee ( Gotthard=32 cm ). Viele « 14er Veteranen », welche damals schon vier Wochen in Andermatt Aktivdienst leisteten, werden sich jener massiven Abgabe der Wintervisitenkarte noch erinnern. Von den ebenfalls 31 X 100 Augusttagen sind erst 16, oder 5,2°/00 mit Schnee « belastet ». Der 27. ist der letzte der total 17 ganz schneelosen Kalendertage.

Im September zeigt sich, wie nicht anders zu erwarten, eine deutliche Wendung winterwärts: 85 cm am 29. September 1885 als Rekord. Der Höchstwert von 12 Schneedeckentagen ( innert 100 Jahren ) fällt auf den 22. ( Kälteeinbruch nach dem Bettagschönwetter !).

Am wenigsten Schneedecken liessen sich bis anhin der 7., B. und 9. September registrieren ( je 1 ). In Analogie hiezu sei vermerkt, dass sich diesbezüglich der 9. September auf dem Säntis durchaus mit denjenigen Tagen messen kann, welche die geringste Chance haben, Schnee aufzuweisen im abgelaufenen 1. Halbjahrhundert. Es sind dies Tage von Ende Juli, um den 10. und Ende August.

Erst dann, wenn jeweils am späten Nachmittag die Bise ( der Talwind ) ihre Nebelfracht beim Urnerloch wieder ins Tal hineinzuschicken versucht, die Kühe vom Tage « vor St. Michael » ( 28. September ) wieder in den Genuss des allgemeinen Weidganges kommen und die Berge meist ihre mehr oder weniger dicke weisse Winterschlafmütze ins Gesicht gezogen haben, dann weiss man: Es geht wieder winterwärts.

Damit haben wir unsere « Runde » beendigt und fassen die gewonnenen Ergebnisse über den Winter und den Sommer zusammen. Vom Einschneien ( 21. November ) bis zum Ausapern ( 30. April ) verstreichen im Mittel 161 Tage ( immer ohne 29.Februar gerechnet ) oder 44,1 % des Jahres; 17 Schneedeckentage vor dem Einwintern und 6 im Frühling=23 Tage im Durchschnitt ( Extreme 0 Tage 1917, 74 Tage 1882 ) summieren sich auf 184 Tage mit Schnee bedeckte Fläche in Andermatt, d.h. 50,4% des Jahres.

Auch hier sollen die Aussenwerte bekanntgegeben werden. Bezeichnet man als Winter die Zeit zwischen Einschneien und Ausapern, so finden wir: 70 Tage 1861/62=43,5 % eines Normalwinters, oder 19,2 % des Jahres, und 86 Tage 1932/33.

Dagegen: 220 Tage 1905/06=136,5 % eines Normalwinters, oder 60,3 % des Jahres, und 208 Tage 1878/79.

Schreiben wir anderseits jeden Schneedeckentag dem Winter zu, so ändert sich das Zahlenbild der Extreme wie folgt:

133 Tage 1861/62=72,3 % eines Normalwinters ( nunmehr 184 Tage ), oder 36,7 % des Jahres, und 134 Tage 1932/33 sowie 232 Tage 1887/88=126,0% eines Normalwinters, oder 63,6 % des Jahres, und 226 Tage 1905/06.

Lassen wir auch noch den Sommer in gleicher Weise zu Worte kommen, so erhalten wir: Seine Normaldauer ( 1. Mai bis 20. November ) beträgt 204 Tage oder 55,9 % des Jahres.

Die nach dieser Auffassung definierten kürzesten Sommer waren: 140Tage 1896=68,7 % eines Normalsommers, oder 38,3 % des Jahres, und 143 Tage 1905.

Erfreulicher sind die Resultate der Gegenseite: 264 Tage 1942=129,4 % eines Normalsommers, oder 72,3 % des Jahres, und 253 Tage 1861 und1862.

Streichen wir anderseits auch hier jeden Schneedeckentag nach dem Ausapern und vor dem Einschneien weg, so bleiben normalerweise noch 181 Tage oder 49,6 % für den apern Boden.

Hiezu die Rekordzahlen für die schneefreie Zeit:

134 Tage 1887=74,1 %von 181, oder 36,7 % des Jahres, und 137 Tage 1896 sowie 234 Tage 1948 = 129,2 % von 181, oder 64,2 % des Jahres, und 233 Tage 1862.

Der kalte Sommer 1909 machte nur vom 13. Juli bis 21. August richtige Winterpause.

1947. Der grosse Sommer liess zwischen dem 15. April und dem 10. November dem Winter überhaupt keine Chance, auch nur einmal Fuss zu fassen. Das sind 208 Tage=57 % des Jahres. Die nächst besseren Vertreter fallen schon unter die 50 %-Grenze.

Nehmen wir folgendes Fazit aus diesen vielen Zahlen zur Kenntnis:

In Anbetracht der für das Urserntal typischen, starken Winterniederschläge hätten unsere Resultate allgemein für eine etwas grössere Meereshöhe Gültigkeit: Fast 5½ Monate Dauer zwischen Einschneien und Ausapern und ½ Jahr mit Schnee bedeckter Boden in neutraler Lage. Die Extremwerte, auf die Schneebedeckung bezogen, schwanken ungefähr zwischen der Hälfte und 4/3 des Normalfalles.

Schneefreie Zeit im Hochgebirge und Flachland; Schneegrenze. Ziehen wir noch unsere alpinen Stationen zu einem kurzen Vergleich herbei. Es betragen für diese die apere Zeit im Durchschnitt 1901-1950 für:

Gotthard ( 2095 m120 Tage Grosser St. Bernhard ( 2469 m89 Tage Säntis ( 2501 m80 Tage und die Grenzwerte:

Gotthard77 Tage 1903 bzw. 172 Tage 1920 Grosser St. Bernhard. .41 Tage 1936 bzw. 132 Tage 1921 Säntis ( Gipfe112 Tage 1914 bzw. 152 Tage 1947 Stellt sich nach einem einigermassen schneereichen Winter ein schlechter Sommer ein, wie etwa 1914 ( oder 1910 und vor allem 1912 ), so strebt die apere Zeit auf dem Alpstein bedenklich gegen « den limes 0 » zu.

Möglicherweise waren im wohl kältesten Sommer seit über 200 Jahren, anno 1816, doch Bedingungen vorhanden, welche den Schnee in neutralen Lagen um 2500 m Höhe nicht mehr wegzuschmelzen vermochten, während auf 2000 m im besten Falle mit etwas über ½ Jahr aperem Boden gerechnet werden darf. Um auch hier auf den Mittelfall zu kommen, stellt sich die Frage, in welcher Höhe man in der alpinen Region in neutralen Lagen ( horizontale Stellen, kein starkes Verwehen ) erwarten darf, dass die schneelose Zeit auf 0 Tage zurückgeht?

Aus einer graphischen Darstellung der vorhin zitierten Werte Gotthard, Säntis und Grosser St. Bernhard mit Andermatt ( 182 Tage schneefrei für 1901/50 ) ergibt sich, dass eine Gerade durch die Punkte von Andermatt, Gotthard und Säntis geht, erhalten aus Meereshöhe und Anzahl schneefreier Tage, welche für 3350 m angibt, dass hier durchschnittlich 0 schneefreie Tage zu erwarten sind. Das ist ganz bestimmt nicht richtig, denn durch die Wirkung der Winde profitieren Gipfel und Passlagen hinsichtlich aperer Zeit.

Konsultieren wir nochmals das Gotthardprofil, wenigstens den untern Teil für 1901/50, so weisen die einzelnen Stationen folgende Summen schneeloser Tage pro Jahr auf:

Lugano ( 276 m ) 347 Tage Göschenen(1107 m)231 Tage Altdorf ( 456 m)317 Tage Airolo ( 1151 m)228 Tage Gurtnellen ( 739 m)283 Tage Andermatt ( 1444 m ) 182 Tage Diese Tage, in graphische Abhängigkeit zu ihrer Meereshöhe gebracht, zeigen, dass die entsprechenden Punkte sich ebenfalls ganz in der Nähe einer Geraden scharen, für welche aber auf Kote 2800 m 0 schneefreie Tage resultieren. Dieser Wert, identisch mit der Schneegrenze, dürfte nun wesentlich besser den Tatsachen entsprechen. A propos Schneegrenze: Meines Erachtens eine nicht sehr gut gewählte Bezeichnung, da diese Grenze noch von niemandem wirklich gesehen worden ist -besonders nicht im Herbstund sie meist als Durchschnittswert auftritt.

Jungfraujoch. Machen wir am Schlüsse unserer Betrachtungen noch den Sprung aufs Jungfraujoch, d.h. auf den gleichnamigen Firn auf rund 3350 m, direkt unter und südlich der Gebäulichkeiten. Aus der 35jährigen Beobachtungsperiode halten wir für diesen Ort folgendes fest:

Die durchschnittliche, maximale Schneehöhe wird erst am 26. Juni - wenn man bei uns den Winter schon längst vergessen hat - erreicht, praktisch gibt es aber während des ganzen Monats keine Veränderung. Das Minimum stellt sich bereits am 31. August ein. Noch jedes Jahr, wenigstens während derjenigen, die überarbeitet wurden, hat sich eine Ablation feststellen lassen, manchmal sogar eine bedeutende. Aber noch niemals wurde der gesamte Winterschnee vollständig weggeschmolzen. Die kleinsten Restbeträge beziffern sich auf 35 cm/1921, 85 cm/1944 und 55 cm/1947. Höchstens 1911 hätte womöglich ein noch besseres Resultat erzielen können. Im Mittel aber stellt man am 1. Oktober eine Schneehöhe von 392 cm fest, wenn der 1. Oktober des Vorjahres mit 0 bezeichnet wird. Die Örtlichkeit dürfte sich wohl mit dem Gotthardgebiet vergleichen lassen.

Diese Betrachtung zeigt deutlich, dass wir auf Jungfraujoch bereits in jene Zone hinaufgestiegen sind, wo es nicht nur kein Ausapern mehr gibt, sondern schon dem beginnenden Herbst ein höchst bemerkenswertes Quantum Schnee als « Übertrag » gutgeschrieben werden kann. Mit einiger Übertreibung lässt sich behaupten, dass jeder Meter Höhe im Gebirge äquivalent einer Nordverschiebung um 1 km ist.

Stellen wir zum Schluss fest, dass aus dem umfangreichen Kapitel Schnee hier lediglich einige Angaben eher qualitativer Natur vorgelegt wurden. Um das Bild weiter zu vervollständigen, müssten in ähnlicher Weise noch die Schneehöhen behandelt werden, mit den in diesem Zusammenhang stehenden Fragen mannigfaltiger Natur. Das würde aber den Rahmen dieses Aufsatzes bei weitem überschreiten, so dass vielleicht ein anderes Mal darauf eingetreten werden kann.

Textergänzungen zu den Bildern Aufnahme 1 vom B. Mai 1956 nachmittags. Blick über den Boden bei Andermatt ( letztes Haus links aussen ) zum Gurschen und Kastelhorn ( Spitze rechts oben ).

Mit dem heutigen Tage verabschiedet sich der Winter. Am Morgen lagen noch rund 15 cm Schnee; der recht warme Maientag mit gegen 17 Grad am Nachmittag liess aber diese Menge über Nacht vollständig verschwinden. Das flache Terrain zeigt sich im Moment scheckig. Neben dem eben verschwundenen Schnee erscheinen schon die Krokusse als erste Boten der Vegetationsperiode. An der beginnenden Nordflanke gibt der noch immer deutlich vorherrschende Winter auch zuunterst nur widerwillig Boden frei.

Bild 2 vom 20. November 1955, vormittags unterhalb vom Fort Stöckli in der Gegend des Gütsch mit Blick gegen den Bätzberg, die Urner- Walliser-Grenze von der weissen Pyramide des Muttenhorns über die Furka bis zur Eishaube des Rhonestockes.

Der erste, deutliche Wintereinbruch erfolgte im Talboden am 22. Oktober. Die 40 cm Schneehöhe ging auf den 4. November unten und sonnseits bis auf rund 2000 m wieder weg. Am 18. November fiel bei ziemlicher Kälte neuerdings Schnee, aber überall nur 1 cm hoch; immerhin genügend, um dem Talboden und den Schattenhängen der Landschaft gerade winterliches Gepräge zu verleihen. An den Sonnenhängen aperte es wieder aus; jedoch vermochte die doch bescheidene Wärme nicht auch noch die horizontalen Lagen in Angriff zu nehmen. So wurde die wohl höchst seltene Situation festgehalten, dass durch die geringe Schneehöhe die Rossmettlenstrasse in der apern Umgebung deutlich markiert wurde. In der Gegend des Urnerloches bis hinauf zu den Gebäulichkeiten auf Bäzberg ( rund 1800 m ) lauert, wie an jedem schönen Herbsttag, die Bise. Der um diese Zeit - im Gegensatz zum Sommer - schon stark abgeflaute Talwind vermag in der Regel erst gegen Abend auf kurze Zeit dem Nebel zur « Invasion » zu verhelfen. Bei stetiger Kälte konnte der beginnende Winter seine wirklich geringe Schneemächtigkeit erfolgreich verteidigen, bis der 25. November diese Höhe auf 15 cm wachsen liess. So vermittelt dieses Bild einen Kampfausschnitt zwischen einem schwachen Herbst und dem immer stärker werdenden Winter.

Aufnahme 3 vom Karfreitag, 15. April 1949, nachmittags. Blick von der Oberalpstrasse gegen Andermatt und die Furka.

Beim Dorf liegen noch 35 cm Schnee, welcher auf Osterdienstag verschwindet. Am Bäzberg markieren die horizontalen, hinsichtlich Schneefreiwerden etwas benachteiligten Partien die Terrassen besonders gut. Seit dem 13. April ist der Gotthardpass für den durchgehenden Verkehr geöffnet. Seit Bestehen der Strasse 1830 sind dies bis auf den heutigen Tag die einzigen Ostertage geblieben, an denen der Gotthard fürs Rad offen war. Auf dem Pass aperte es - als absolutes Minimum seit mindestens 100 Jahren - am 20. April aus, d.h. nur 2 Tage nach Andermatt. Der Regelwert beträgt sonst 41 Tage Verzögerung. Ursache: Extrem spätes Einschneien am 10.Dezember, sehr schneearmer Winter und ungewöhnlich grosse Aprilwärme.

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