Am Qoroq-Fjord
Photo Alex. v.Wandau, Wien
1 Lager am Qoroq-Fjord AnLakpa hat sich in Khumjung ein neues Haus gebaut. Wir waren zu Gast. Das Erdgeschoss enthält, wie üblich, die Wirtschaftsräume; eine Hühnerstiege führt in den grossen Wohnraum, der das ganze Obergeschoss einnimmt. Auffallend ist das prächtige Kupfer- und Messinggeschirr auf hölzernen Regalen. Die junge Sherpani kredenzte Chang ( Gerstenbier ) in hübschen Schalen. Das offene Herdfeuer dürfte etwas mit dem Luftzug von den Fenstern her zu tun haben; dort sitzen drei gegen Rheuma gefeite Lamas und rezitieren Gebete zur Einweihung des Hauses; ich denke an den vier Monate dauernden Winter... sehr kalt, viel Schnee, viel Zugluft...
Ein Tagesmarsch von Khumjung in nördlicher Richtung brachte uns zum Ngozumpa-Gletscher, mit 24 Kilometern dem längsten des Gebietes. Die Reize seines Tales werden gerühmt, an dessen Westseite zwei « leichte » Fünftausender einladen: Luza Peak ( 5593 m ) und Gokyo Kang ( 5598 m ) oberhalb des gleichnamigen Sees. Weniger Anspruchsvolle werden sich mit einer Wanderung auf dem das Khumjung-Becken westlich abschliessenden Kamm begnügen. Auch hier gibt es schöne Eisberge von fast 7000 Meter im Westen und Norden zu bestaunen, im Pangbuktal ( NW ) einen leichten Aussichtsberg von 5670 Meter, weiter westlich einen weniger leichten Passübergang ( 5756 m ) in den Rolwaling-Himal mit dem stolzen Gaurishankar ( 7145 m ).
In der Rückschau dürften aber doch die Szenerie am Khumbu-Gletscher und Island Peak in der späteren Erinnerung alles überstrahlen.
Der Touristenstrom in den Solo-Khumbu-Himal ist, wie eingangs geschildert, in vollem An-rollen.
Am Qproq-Fjord
Bergfahrten im südlichen Grönland Alex. v. Wandau, Wien Grönland mit einer Längserstreckung von 2650 Kilometer gilt als die grösste Insel der Erde. Sie trägt einen Eispanzer von beachtlicher Stärke: 3000 Meter über und bis 1000 Meter unter das Meeresniveau reichend. Würde er wegschmelzen, blieben die Randgebirge und Küsten-saumplatte, einem riesigen Atoll vergleichbar, übrig. Diese dem Inlandeis vorgelagerten hochalpinen Ketten bieten derzeit fast unerschöpfliche Ziele für Bergsteiger-Expeditionen. Die aus dem arktischen Klima resultierenden Schwierigkeiten solcher Unternehmungen sind oft beschrieben worden. Der Name Grönland ( « Grünes Land » ) will dazu wenig passen. Er wurde vermutlich erstmals von dem Wikinger Erich « dem Roten » gebraucht, als er den heute nach ihm benannten ( Eriks- ) Fjord entdeckte und dort fette grüne Weideplätze für Kühe vorfand. Dies war der Anlass für die um 981/982 erfolgte Besiedelung durch isländische und norwegische Bauern. Heute gibt es keine Kühe mehr auf Grönland! Die Wikinger-siedlung - letzte Nachricht September 1408 - ist um i 1500 erloschen, zweifellos infolge der eingetretenen Verschlechterung des Klimas, dem nur die nachrückenden Eskimos gewachsen waren. Aus Gräberfunden ist zu schliessen, dass bei den germanischen Siedlern Degenerationserscheinungen aufgetreten waren ( als Folge von Inzucht ?).
Der Zufall wollte es, dass während des Zweiten Weltkrieges von den USA in der Nähe der beiden Wikingersiedlungen Igaliko und Brattahlid eine grosse meteorologische Station und ein Lazarett für Schwerinvalide samt Flugplatz eingerichtet wurden. Das Lazarett ist heute zu einem Hotel umgebaut, und der Flugplatz dient dem internationalen Verkehr. Dreimal in der Woche werden hier nach einem langen Flug von Kopenhagen Kammverlaufskizze: Qoroq-Fjord Marschskizze Datum: 16. Juli 1973 Temperatur+ 5° 1 Akuliarrulik 1690 m 2 Agdlerfigsaliq 1790 m 3Qoroprulik 1840 m 4Carltima 1870 mMarschroute ( 16Juli 1973 ) her viele Gäste - hauptsächlich Gesellschaftsrei-sende - abgesetzt. Die Manager eines Münchner Unternehmens haben nun im Jahre 1973 das sich in nur 20 Kilometer Luftlinie von Narssarssuaq, dem ehemaligen amerikanischen Stützpunkt, befindende, kaum begangene, fast 2000 Meter hohe Berggebiet mit alpinen Feinheiten, wie scharfen Graten, grossen Gletschern und Granitwänden, als bergsteigerisches Betätigungsfeld für dessen Kunden ausersehen. Es handelt sich um den Raum um den inneren Qoroq-Fjord herum, in welchen man, mit einem kleinen Dampfer der Hotelgesellschaft den Eriks-Fjord querend, südlich um ein Kap herum hineinfahren kann. Ganz Teilnehmerzahl: 11 ungefährlich ist das zwar nicht, denn möglicherweise könnten grosse Eisberge, aus den in den Fjord mündenden Gletschern stammend, die Fahrt blockieren, besonders während der Flut. Für jene, welche die Eisberge noch nicht kannten, war die Fahrt in den Quoroq-Fjord am 14.Juli 1973 ein Erlebnis besonderer Art.
Vorausgegangen war zu Trainingszwecken eine Begehung des in etwa 8 Kilometer Luftlinie nordöstlich von Narssarssuaq befindlichen Inlandeises - hier ein mehrere Quadratkilometer grosses Toteisfeld ( entstanden nach Durchbruch eines Gletscherstausees, wohin auch Hotelgäste, freilich nur zum Hinschauen, geführt wer- den, während wir den ganzen Tag mit « Hinauf und Hinunter » im steilen Blankeis des spaltenreichen Gletschers verbrachten. Es waren ein gutes Dutzend eiserfahrener Leute am Werk, darunter weibliche Senioren aus Österreich und sportliche Italienerinnen unter Leitung eines erfahrenen Grönland-Alpinisten.
Tags darauf hielt der gecharterte Dampfer in respektvoller Entfernung vor einem flachen Teil der Qproq-Bucht, und es begann das Ausbooten unserer Mannschaft und des Gepäcks mittels eines Schlauchbootes, gesteuert von einem flinken Grönländer. Proviant, Koch- und Zeltausrüstung mussten dann mit vereinten Kräften etwa 60 Meter höhergeschafft werden, wo sich ein guter, ebener Zeltplatz anbot mit Blick auf den in der Sonne glitzernden Fjord mit kalbendem Gletscher, vielen Eisbergen und Robben, die aus dem Wasser neugierig zu uns lugten. Uns gegenüber ein auffallend roter, 1600 Meter hoher Berg mit einem riesigen Schuttstrom bis ins Meer hinunter, weiter landeinwärts ein mehrgipfeliger Berg von über 1800 Meter, die Schauseite gegliedert durch drei steile Gletscher. Nicht zu verkennen war leider auch der lange, durch Schluchten unterbrochene Anmarschweg. Zum Lager gehört auch ein « Hüttenberg » mit dem schönen Namen Iganarssuanquaq; daselbst lässt sich in halber Berghöhe eine ehemalige Moräne erkennen. Hier stiegen wir nach eingerichtetem Lager sogleich hoch, um die Gegend auf Tourenmöglichkeiten zu prüfen. Die Berge ringsum erinnerten an die alpine Hochregion; typisch grönländisch ist das Erlen- oder Zwergbirkengeflecht an den Felsen.
Als erstes Ergebnis dieser Umschau erfolgte eine Tour am nächsten Tag; aber wegen des unsicheren, geradezu stürmischen Wetters durften nur wenige mit, darunter eine Salzburgerin, die schon zwei « Siebentausender » hinter sich hatte. Zu unserem mit 1757 Meter kotierten Gipfel namens Jgdlerfigsalik führte nach Überwindung einer steilen Schlucht ein vergletschertes Kar, dessen Gletscherbruch man links umgehen musste, um auf ein spaltenreiches Eisplateau und durch eine Firnrinne zu einer Felsrippe zu gelangen. Hier begannen, schwieriger als erwartet, drei Seillängen in plattigem Granit, zuletzt über steiles Eis zum Kamm des Berges, der von Süden aus über Schrofen und Blockwerk bedeutend leichter zu besteigen ist. ( Angeblich hatten die Wikinger hier- über ihrer Siedlung Igaliko - eine Eisbeobachtungsstation eingerichtet. ) Eine andere Gruppe unserer Leute erforschte die Passgegend im Osten des Berges. Wie auch im norwegischen Hochgebirge, wo die Trogtäler zu einer Hochfläche führen, aus der sich ganz flach die Wasser zum Abfluss sammeln, so findet sich auch hier eine breite, rundgebuckelte Senke, die nun mit Seen geschmückt ist. Bei dem westlich aufragenden Gipfel mit einladendem Blockgrat stellte sich heraus, dass der Grat nur zu einem niedrigen Vorgipfel führt und die Fortsetzung der Tour erhebliche Ansprüche an die Kletterfertigkeit stellen dürfte.
Die empfehlenswerteste Tagestour im Lager-bereich ist der erwähnte grosse Gletscherberg, 1870 Meter, im Osten, zugleich die Haupterhebung. Bis in fast 300 Meter Meereshöhe wurden wir von Blumen begleitet— ein Botaniker schickte sich sogar an, « Schwammerln » zu suchen—, dann trat nackter, aber gutartiger Granodiorit ( ein Tiefengestein ) zutage, und auch der alsdann aufsteilende Firn — vom Blankeis zuoberst abgesehen - war leicht zu begehen; am schieferigen Kamm öffnete sich nach sechsstündigem Marsch in i 600 Meter Höhe ein überraschender Blick auf viele trapezförmige Berge oder doch solche mit deutlichen Schulterflächen, die steil in die Trogtäler abfallen. Eine zweite Überraschung bildete der grosse Eisdom Carltima, die eigentliche Haupterhebung jenseits eines tiefeingebetteten grünschillernden Gletschers. Ein teils zackiger, teils über-firnter Grat am Nordrand leitet ziemlich leicht zum Gipfel mit grossartiger Ansicht des aus der Gegend des berühmten « Stauings-Alpen » s-för-mig strömenden Gletschers. Wem die Gratwanderung zuviel war, der musste leider am ersten Vorgipfel ( 1690 m ) zurückbleiben und warten, denn der Expeditionsleiter wollte sich die Gelegenheit zu einer Erstbesteigung in einem so schönen Gebiet nicht entgehen lassen. Ich sage « leider », denn das Wetter verschlechterte sich rasch, und ein ungesicherter Abstieg verbot sich schon wegen der schwer passierbaren Sturzbäche in den Schluchten. Zu guter Letzt blieb ich im feucht-durchdringenden Nebel mit einem Kameraden etwas zurück: Zweimal war es uns unmöglich, Furten in den durch Regen angeschwollenen Bächen zu finden. Zweimal hiess es eine ruhigere Stelle suchen - und blossfüssig hinein ins eisige Wasser! Erst um 23 Uhr, bei einbrechender Dunkelheit, waren wir wieder im Lager.
Um dessen Tourenbereich besser auszunützen, wäre eine Spezialausrüstung nötig gewesen. Ohne eine solche liessen sich die Gletscherbäche, die uns vom nördlichen Teil des Fjords und den dortigen interessanten Bergen abschnitten, nicht passieren.
Abschliessend wäre zu sagen, dass « Hochtouristen » im südlichen Grönland weniger mit jener Wettergunst rechnen können, die im viel trockeneren nördlichen Teil überwiegt. Vom Südkap Grönlands herauf- Treffpunkt verschieden temperierter Meeresströmungen — kommt leider öfters nebeliges und regnerisches Wetter bis auf die Höhe des Inlandeises.
Es war aber ein schöner Tag, als der Dampfer wieder in den Qproq-Sund einfuhr, um uns nach Narssarssuaq zurückzuholen.