Annuaire de la Société des Touristes du Dauphiné
année, 1908. 2e série. Tome XIV. Grenoble 1909.
Die nur aus etwa 370 Mitgliedern bestehende Gesellschaft der Touristen des Delphinats fährt fort, auf ihrem räumlich beschränkten Arbeitsgebiet eine intensive Tätigkeit zu entwickeln, indem sie sich nicht nur um Unterkunfts- und Verkehrsverbesserungen, Führer- und Trägerkorps u. dgl. im Dauphiné bemüht, sondern auch jährlich ein gut illustriertes und mit Panoramen und Karten versehenes Jahrbuch von 440 und mehr Seiten herausgibt. Dies wäre nicht möglich ohne angestrengte Tätigkeit des Conseil d' administration und einen Stab ausgezeichneter literarischer und artistischer Mitarbeiter. Das Annuaire S. T. D. hat eine ähnliche Organisation wie das Jahrbuch S.A.C.; es ist nicht ohne Wert, die Rubriken quantitativ zu vergleichen. Im offiziellen Teil — er geht im Annuaire allem voran — entfallen 1908 bis 1909 auf Liste des membres und Chronique de la section: 87 Seiten, gegenüber 74 im Jahrbuch. Im Abschnitt Courses et Ascensions — er entspricht unsern Freien Fahrten und einem Teil der Kleineren Mitteilungen — umfaßt die Chronique alpine nur 16 Seiten, gegenüber den 29, welche im Jahrbuch den Neuen Bergfahrten in den Schweizeralpen 1908 gewidmet sind. Die vier Artikel im Annuaire, welche unsern 9 Freien Fahrten entsprechen, nehmen 68 Seiten in Anspruch, gegenüber 170. Abschnitt III ( Articles scientifiques et techniques ) und IV ( Nécrologie ) verlangten zusammen 179 Seiten, gegenüber 135 unserer Abhandlungen. Und endlich entsprechen die 75 Seiten der Bibliographie alpine im Annuaire den 55 Seiten unserer Rezensionen über verschiedene Publikationen ziemlich genau, wenn man berücksichtigt, daß auf eine Seite des Annuaire nur etwa zwei Drittel einer Jahrbuchseite gehen. Man kann also wohl sagen, daß für das Annuaire S. T. D. von den Mitarbeitern ( im ganzen nur sieben Personen ) und dem Redaktor verhältnismäßig ebensoviel Arbeit aufgewendet wird als bei uns in einem zwanzigmal stärkeren Verein. Aber auch qualitativ ist die hier geleistete Arbeit nicht unebenbürtig, was ich versuchen will, an Hand einiger Bemerkungen zu den besprochenen Artikeln zu beweisen. Aus der „ Chronique de la société " ersehen wir, daß die Exkursionen an den Jahresversammlungen der S. T. D. auch von den Damen und Kindern der Mitglieder mitgemacht werden. Bei einem solchen Ausflug ( Signal de Lancey ) bedauert es der Berichterstatter, daß die ländliche Bevölkerung immer mehr auf ihre alten pittoresken Kostüme verzichtet zugunsten solcher aus der „ Belle Jardinière " bezogener. Der nämlichen Chronique entnehmen wir, daß die S. T. D. das von ihr gegründete Hotel in La Bérarde dem bisherigen Pächter, Aug. Tairraz, käuflich abgetreten hat, unter Vorbehalt eines gewissen Aufsichtsrechtes, um ihre Hülfe anderen noch nicht erschlossenen Teilen des Dauphiné zuzuwenden. Der „ Chronique alpine " wird eine Bemerkung vorausgeschickt, daß das Bureau der S. T. D. sich veranlaßt gesehen habe, die untere Limite der in diese Liste aufzunehmenden „ Besteigungen im Dauphiné 1908 " von 2200 auf 3000 m. hinauf zusetzen, immerhin sich vorbehaltend, bei besonderen Fällen auch unter diese Höhe hinabzugehen. In dem hübsch geschriebenen Artikel von M. H. Mettrier ( wir haben diesen Schriftsteller wegen seiner alpin-literarischen und historischen Studien schon wiederholt unsern Lesern vorgestellt ): La Pointe Cézanne hat uns besonders gefallen die Erinnerung an jenen unbenannten jungen Schweizer, mit welchem der Verfasser einst unerwartet und einsam an der Dent du Midi zusammentraf und dessen naiven Bergenthusiasmus er uns so herrlich schildert. Die darauf folgende Beschreibung: L' Aiguille à Bochard, par M. S. Chabert, mit 3 Illustrationen, ist die einzige, welche nicht im Dauphiné spielt. Der Verfasser berichtet mit Humor über die Verlegenheiten, in welche er beim Abstieg auf der ungewohnten Seite nach der Mer de glace geriet. Eine notwendige Monographie mit Panorama über einen französisch-italienischen Grenzgipfel bildet: Le Grand Glaysa et ses alentours, par M. Henri Fernand, und der dazu gehörenden Ergänzung: Punta Mercian-taira, Grand Glaysa ou Cima Clausi, par M. Chiaverò, traduit par M. H. Fernand. Wenn man auf pag. 174-175 den Wirrwarr von Namen, Höhenquoten und Besteigungsnotizen durchgeht, welcher sich an diese Gipfel knüpft, so begreift man, daß schon 1894 die Anregung gemacht wurde, der C.A.F. und der C.A.I. möchten sich zusammentun, um die Nomenklatur und Altimetrie der gemeinsamen Grenzkette zu bereinigen, ein Wunsch, der von der Redaktion der „ Rivista Mensile " auf die ganze Alpenkette ausgedehnt wurde. Daß es damit trotz der entente cordiale noch eine gute Weile dauern wird, beweißt eben die Monographie Fernands. Eine grundlegende oder abschließende Arbeit, wie man es nehmen will, ist der mit 3 Profilen und Karten ausgerüstete Aperçu sommaire de la Geologie, de l' Orographie et de l' Hydrographie des Alpes Dauphinoises, par M. Wilfrid Kilian. Die Leser von A. Ludwigs Artikel ( siehe oben pag. 225 ff. ) möchte ich auf die Stelle, pag. 253, aufmerksam machen, wonach ein aus der Gegend von Turin kommender Druck eine Reihe von Schichten verschiedener Facies auf die, schon vorher gefalteten, hercynischen Massive der delphino-savoyischen Zone hinaufgeschoben hätte. Der reich illustrierte Artikel von M. Louis Léger: Poissons et Pisciculture dans le Dauphiné scheint mir zu beweisen, daß volkswirtschaftlich diese Vorkehren bessere Aussichten haben als die Aufforstung des waldarmen Dauphiné. Sehr artig ist ( pag. 332 ) die offensichtlich aus dem ebendort abgebildeten Türsturz ( mit Fisch und Menschenkopf ) des Schlosses von Viziile enstandene Geschichte — M. Léger scheint sie für wahr zu halten — von dem Herzog von Lesdiguières, der einen Bauer dafür Köpfen ließ, daß dieser in einem herzoglichen Teich gefischt und die Forelle der Herzogin präsentiert hatte. Beinahe fröhlich liest sich auch, obschon es ein Nekrolog ist, die Erinnerung von W. Kilian an François Arnaud, 1843-1908. Denn der wackere Notaire de Barcelonnette, dessen Bildnis im Bergkostüm beigegeben ist, war nach allem, was wir über ihn erfahren, eine rechte Frohnatur, ein Kind des sonnigen Südens, voll Enthusiasmus für Kunst und Wissenschaft, ein feuriger Patriot, ein enzyklopädisch veranlagter Dilettant, ein „ eminent alpin " und — ein Landsmann des Helden von Tarascon. In allen Ehren, wohlverstanden, und durchaus sympathisch. Aber erinnert es nicht an Daudet, wenn wir bei Kilian lesen, wie der „ Chef de la lre légion des mobiles des Basses Alpes ", der Lieutenant-Colonel Arnaud, die Zuneigung seiner Milizen bald einbüßt, weil er sie beim Exerzieren im Lager von Satonay auch gar so kriegsmäßig rauh anfaßt. Und gehört es nicht in das gleiche Kapitel, wenn wir anderswo lesen, daß Arnaud bei dem Gouvernement de la Défense nationale trotz Reise nach Bordeaux keine Generalstabskarten für die Bedürfnisse seines Dienstes auftreiben konnte und sich mit deutschen! Karten im Maßstab von 1: 850,000 begnügen mußte. Aber die Sache hat auch ihre ernste Seite. Der Notar Arnaud hat nach 1870 sein Leben daran gesetzt, seinen Landsleuten das beizubringen, dessen Mangel er so schmerzlich empfinden mußte, Verständnis für die Heimat und bessere Karten. Er ist gestorben, während er damit beschäftigt war, durch eine lebhafte Preßkampagne die Behörden, denen er auch sonst am Zeug zu flicken liebte, zur beförderlichen Publikation einer Karte der französischen Alpen in großem Maßstab zu bewegen und er hinterläßt außer einer Reihe von topographischen, geologischen und linguistischen Studien ein unvollendetes Glossaire über die Sprache des Tals von Barcelonnette. Man begreift, daß die S. T. D. ein solches Mitglied gerade jetzt schmerzlich vermißt und auch die alpine Sache im allgemeinen hätte von einem längeren Leben Arnauds nur Vorteil gehabt. In der Bibliographie alpine bespricht M. Jules Ronjat in sehr freundlicher und eingehender Weise das Jahrbuch XLIII S.A.C. Auf einige der Illustrationen habe ich schon hingewiesen; unter den andern sei besonders hervorgehoben das große Panorama de la Chaîne du glacier Blanc, wo, wie auch sonst im Text, Escrins geschrieben wird. Die Autoren der S. T. D. schreiben Meidje. Ob sich diese linguistisch berechtigten Formen werden festhalten lassen, weiß ich nicht.Redaktion.