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Bergfahrten in Schwedisch Lappland

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 2 Bildern ( 91, 92Von Robert Landolt

( Zürich ) Hoch im Norden über den nördlichen Polarkreis hinaus liegen Schwedens Berge in der unermesslichen Wildmark Lapplands. In ungefähr 24 Stunden saust der Narvikexpress von Stockholm durch unendliche Wälder, an stillen, verträumten Seen vorbei, durch karge Wiesen mit kleinen Höfen, nur selten einmal durch eine grössere Ortschaft, 1500 Kilometer weit hinauf nach Lappland, dem Land der Mitternachtsonne, der Lappen und Rentiere — und der schwedischen Bergsteiger. Zur Hauptsache sind es drei grosse Gebirgsgruppen, die den Alpinisten in ihren Bann ziehen: am weitesten südlich das Akka-massiv, dann der schwer zugängliche Sarek und schliesslich die Kebnekaise-gruppe mit Schwedens höchstem Berg, dem Kebnekaise, unserem Reiseziel. Nach einigen herrlichen Ferientagen in Riksgränsen und Abisko fahren meine Frau und ich, vorbei am langen, prachtvoll schönen Torneträsk, dem grössten See Lapplands, zurück nach Kiruna, der Eisengrubenstadt. Hell und warm scheint die Sonne. Es ist Mitte August. Die grösste Mückenplage ist vorüber, und für einige Stunden ist es in der Nacht schon wieder völlig dunkel. Uns gegenüber liegen dunkle, zum Teil schon abgebaute Hügel; es sind die unerschöpflichen Eisenerzlager Nordschwedens, der grosse Reichtum des Landes. Ein Autobus bringt uns über eine holperige Strasse nach dem 30 Kilometer entfernten Holmajärvi, einer kleinen Siedlung am Ende eines langgestreckten Sees. Hier erwartet uns das kleine Motorboot des schwedischen Touristenvereins. 50 Kilometer weit geht nun die Fahrt eine Reihe von Seen hinauf, die zum Teil schmal wie ein Fluss sind, und nicht allzu selten muss das Boot sich den Weg durch Untiefen und Stromschnellen suchen, doch unter der kundigen Führung des Bootsführers kommen wir rasch vorwärts. Unendlich einsam ist die Gegend, nur selten einmal ein Blockhaus oder einige charakteristische Lappenhütten aus Erde und Holz gebaut. Vom spiegelblanken Wasserspiegel schweift der Blick über weite dichte Birkenwälder, die zu sanften Hügeln ansteigen, und in der Ferne zeichnen sich als prächtige Silhouette die Kebnekaiseberge ab. Lockend grüssen weisse Gletscher. Spät abends landen wir am Ende des Sees und übernachten in Nikkaluokta, einem kleinen Lappendorf. Die Lappen haben hier ihr nomadisierendes Leben aufgegeben und sind sesshaft geworden. Im Gegensatz zu den Rentierlappen sind es Fischerlappen, die durch die Touristen schon ziemlich stark mit der Zivilisation in Berührung gekommen sind und viel von ihrer Eigenart eingebüsst haben. Doch tragen alle noch ihre malerischen Trachten, wobei insbesondere die Männer mit ihren langen blauen Blusen, der lustigen Kopfbedeckung mit der grossen roten Kordel und dem typischen gekrümmten Lappenmesser auffallen. Lappländisch ist sehr schwer zu verstehen, es ist eine ganz besondere Sprache ( der finnisch-ugrischen Sprachgruppedoch sprechen sie meist auch etwas Schwedisch. Sie sind äusserst wortkarg, aber freundliche Menschen.

Nach einer in einer Lappenhütte schlecht und recht verbrachten Nacht wandern wir schwer bepackt mit grossen Rucksäcken, dem Kennzeichen aller Lapplandwanderer, weiter den Bergen zu. Ein schmaler Weg führt durch den undurchdringlichen, fast dschungelartigen Birkenwald, über grosse Moore, wobei lange Bretter, über die sumpfigsten Strecken gelegt, willkommene Hilfe bieten. Tiefblau liegt der Landjojaure, ein kleiner Bergsee, da. Immer näher rücken die Kebnekaisegipfel. Moosbeeren, massenhaft Pilze und Birken, immer wieder Birken umsäumen den Weg. Die Stunden gehen vorbei, immer schwerer drückt der Sack. Wir nähern uns der Baumgrenze. Ein schäumender Gletscherbach wird auf einer Brücke überschritten, und nach 24 Kilometer langem Marsch haben wir die Kebnekaisetouriststation, eine Art Klubhütte, ein einfacher Berggasthof auf 690 m Höhe, erreicht. Hier sind wir ausgezeichnet aufgehoben, und ohne das berühmte schwedische Frühstück kann man kaum auf eine Tour gehen, was einen sehr späten Abmarsch bedingt, da das Morgenessen erst um 9 Uhr eingenommen werden kann, doch sind die Tage ja lang, und Zeit für die Fahrten ist genügend vorhanden.

Ein strahlender Morgen ist angebrochen. Wir wollen auf den Kebnekaise. Es gibt verschiedene Wege, den Berg zu besteigen. Meistens wird der weite, mühsame und alpinistisch keine Anforderungen stellende Weg über den Rieppovare oder dann der sog. « östra leden », d.h. der Ostweg, gewählt, der kürzer ist, aber einige Anforderungen an die alpine Gewandtheit der Besteiger stellt. Wir entschliessen uns für « östra leden » und sind eine ganze Gruppe von der Touriststation, zusammen mit einem ortskundigen Nordschweden. Steil führt der Weg ein Bachtobel hinauf, dann geht es über rutschige Geröllstücke, bis der flache und nur wenige Spalten aufweisende Björlinggletscher erreicht ist. Weit ist hier schon die Sicht; tief unten liegt die Touriststation, und zum Greifen nah steht die Ostwand des Kebnekaise vor uns. Heiss brennt die Sonne als wir den Gletscher überqueren und schliesslich einen steilen Schneehang zum Einstieg hinaufstapfen. Vorerst führt ein breites Geröllband in die Wand hinaus, und dann geht es nahezu senkrecht, aber in sehr gut gestuftem Gestein, das der vielen losen Steine wegen allerdings Vorsicht erheischt, in leichter Kletterei hinauf. Ein Seil ist kaum nötig; doch habe ich mich gewundert, wie einzelne total bergungewohnte Leute in teilweise ungenügender Ausrüstung diese Tour mitgemacht haben. Nach etwa einstündiger Kletterei ist der breite Geröllkamm erreicht, auf welchem eine primitive Unterkunftshütte steht. Da wird der obligate Kaffee gekocht ( die Schweden sind eines der am meisten Kaffee trinkenden Völker, die es gibt ), und gemütlich wandern wir über den breiten Rücken, der herrliche Ausblicke bietet, zum Gipfel, der über einen Firnhang erreicht wird und ganz aus Schnee und Eis besteht. Nach fünfstündiger genussreicher Wanderung stehen wir auf dem höchsten Gipfel Schwedens, dem Südgipfel des Kebnekaise, 2123 m. Unermesslich weit ist die Aussicht. Bergkette legt sich hinter Bergkette; die wilden Gipfel des Sareks, der stolze Akka und norwegische Berge grüssen herüber. Nur gegen Süden werden die Ketten flacher, einzelne Seen und immer wieder die riesigen Birkenwälder vervollständigen das grossartige Bild. Nach allen Seiten fliessen Gletscher vom Gipfel ins Tal. Soweit der Blick reicht, sieht man nirgends eine Ortschaft, nur ganz weit weg ahnt man die Häuser von Kiruna, 100 Kilometer entfernt, sonst scheint alles unbewohnt, abgesehen von einer Handvoll Lappen, die in ihren Fischersiedelungen wohnen oder mit ihren Rentierherden von Futterstelle zu Futterstelle wandern.

Am nächsten Tag wölbt sich wieder der blaue Himmel über der Kebne-kaisegruppe. Und wieder ziehen wir fröhlich hinein in die unbekannte Bergwelt. Heute ist das Ziel aber nur bescheiden. Auf einem kleinen Weg bummeln wir bei glühend heisser Sonne, die einem an warme Walliser Hüttenaufstiege erinnert, ins wilde Tarfalatal. Schäumend rauscht der Gletscherbach zu unserer Linken, und nach Überwindung einer steilen Talstufe geht es flacher über Geröll und wenig bewachsenes Gelände. Der Storgletscher reicht bis nahezu an unseren Weg, und in der Ferne sieht man eben noch die beiden Kebnekaisegipfel. Nach dreistündigem heissem Marsch ist das Ende des Tales erreicht, und überrascht bleiben wir stehen. Vor uns liegt ein kleiner Bergsee, umrahmt von den dunklen Wänden des Kebnepakte und des Kaskasapakte. In gleichmässigem Gefälle senkt sich der Kebnepaktegletscher in den See und bricht mit einer etwa 30 m hohen Eiswand direkt ins Wasser ab. Wie kleine Segelschiffchen schwimmen Eisstücke auf dem grünblauen Wasser. Kein Laut stört die grossartige Stille. Wir wandern dem See entlang bis zum Gletscherabbruch und können uns an dem prächtigen Bild fast nicht satt sehen. Eine Reihe von Graten und Wänden lockt zu kühnen Kletterfahrten, doch ist unsere Zeit beschränkt — aber vielleicht ein anderes Mal. Langsam ziehen wir wieder heimwärts, vorbei an einer im Stil der Lappenhäuser angelegten Unterkunftshütte, und bald ist auch die Touriststation wieder erreicht, wo Fröken Göranson ein leckeres Nachtessen, herrliche Lachse aus dem benachbarten See, bereithält.

Trüb ist der nächste Morgen, und eine schwarze Wolkenschlange schiebt sich von Norden immer näher gegen unsere Berge. Wir unternehmen aber trotzdem eine kleine Fahrt. Vorerst geht es bis zum Björlinggletscher auf der Kebnekaiseroute, dann steigen wir aber über eintönige steile Geröllhalden auf den Kebnetjâkko ( 1783 m ). Das Wetter ist mittlerweile ganz schlecht geworden, es stürmt, schneit und regnet, aber alle umliegenden Berge sind dennoch zu sehen, und noch einmal steht die schöne Ostwand des Kebnekaise vor uns. Diese Berge machen alle einen durchaus hochalpinen Eindruck, obgleich sie nicht die Wildheit und Grossartigkeit unserer Walliser Alpen aufweisen. Am ehesten haben sie mich an gewisse Gebiete der Bündner Alpen, z.B. Piz d' Err oder Piz Piatta, erinnert. Was aber die Besteigungen in Lappland so reizvoll macht, das sind der weite, fast expeditionsmässige Anmarsch, die Abgeschiedenheit und Einsamkeit und das touristisch noch nicht Er-schlossensein dieser weiten Gegend. Das schlechte Wetter und die Kälte treiben uns rasch vom Gipfel, und im Eiltempo steigen wir zur Touriststation zurück.

In der Nacht hat es tüchtig geregnet. Aber am Morgen zerreisst die Wolkendecke, und mit etwas leichterem Gepäck marschieren wir durch die Birkenwildnis zurück nach Nikkaluokta. Diesmal übernachten wir in der sauberen kleinen Unterkunftshütte des schwedischen Touristenvereins, und am anderen Morgen fahren wir bei schönstem Wetter mit dem Motorboot und Autobus nach Kiruna. Und wieder sitzen wir im Schnellzug, der uns von Lappland nach Süden führt. Im Dahindösen denken wir, wie wir im Boot den Pittasjärvi hinunterfuhren und durch die einsame, wunderbar schöne Wildmark auf die Höhen stiegen. Wir enteilen der Einsamkeit und tragen in uns dieses unerschöpfliche Erinnern an Schwedens Hochland mit.

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