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Biel und der Bielersee

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 1 Bild.Von Werner Bourquin

( Biel ).

« Biel ist eine lustige Stadt, gelegen an einem lustigen See », berichtet uns Johannes Stumpf in seiner eidgenössischen Chronik. Lustig hatte allerdings im 16. Jahrhundert eine etwas andere Bedeutung als heute, verstand man darunter doch abwechslungsreich, vielgestaltig und damit zusammenhängend in seiner weitern Ausdeutung unterhaltend. Diese Vielgestaltigkeit beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Stadt, sondern dehnt sich auf die weitere Umgebung aus, ebenso wie sie nicht nur für das 16f Jahrhundert Gültigkeit hat, sondern auch heute noch auf Schritt und Tritt sich dem aufmerksamen Beobachter darbietet.

Schon das geologisch bedingte Landschaftsbild ist nicht als Einheit zu fassen und äussert sich auf den ersten Blick durch die Verschiedenartigkeit der beiden Seeufer. Auf der nördlichen Seeseite fällt der äusserste Jurahang steil zum schmalen Rebberg ab, der sich zwischen Berg und See ausgleichend einschiebt, während dem südlichen Ufer ein in südwestlicher Richtung nur massig ansteigender Hügelzug folgt, hinter dem sich das bernische Mittelland ausdehnt.

Jahrtausende vor unserer christlichen Zeitrechnung war die Gegend besiedelt. Aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit wurden wertvolle Funde gehoben, die Aufschluss geben über die Pfahlbauer, welche unsere Seeufer bewohnten. Die in ihrer Reichhaltigkeit einzigartige Pfahlbausammlung im Museum Schwab vermittelt uns einen Einblick in die verschiedenen Kulturepochen der Frühgeschichte unseres Landes.

Auch die Römerzeit hat hier bleibende Spuren hinterlassen. Im heutigen Stadtgebiet Biels bestand keine römische Niederlassung, doch geht aus dem Münzfund, der 1849 in der Quelle oberhalb der Stadt gemacht wurde, hervor, dass sich hier eine römische.Kultstätte befand und dass zur gallorömischen Zeit hier eine Quellengottheit verehrt wurde. Diese bis gegen das Ende des letzten Jahrhunderts einzig die Stadt mit Wasser versorgende Quelle heisst noch heute die Römerquelle. Am Ostabhang des Büttenberges beim Dorf e Studen bestand jedoch aus der gallischen Zeit her eine Niederlassung, welche unter den Römern zu einem wichtigen Etappenort an der grossen Strassenverbindung Aventicum-Salodurum ausgebaut wurde. Die in den letzten Jahren neuerdings aufgenommenen Grabungen haben einen grossen Tempelbezirk freigelegt, und bei der nämlichen Gelegenheit wurde die römische Toranlage in ihrem Bestände neu konserviert. Es handelt sich bei dieser Niederlassung, die an der Stelle einer noch ausgedehnteren, den ganzen Büttenberg umfassenden keltischen Siedelung angelegt wurde, um den Strassenstützpunkt Petinesca. Noch heute zieht sich das römische Strassenstück zwischen dem heutigen Kallnach und Unterworben als schnurgerader Die Alpen — 1941 — Les Alpes.29 BIEL UND DER BIELERSEE.

Feldweg durch die Ebene. Kurz nach Petinesca teilte sich die Strasse nach Saloduruni in zwei Arme. Der eine zweigte Richtung Grenchen ab und folgte dem Fusse des Jura, während der andere über den Bucheggberg nach Salo-durum führte. Im Walde oberhalb Leuzigen trägt die Römerstrasse noch heute den Namen Herrenweg. Petinesca war ein wichtiger Knotenpunkt im römischen Strassennetz, zweigte doch hier die Strasse nach Norden ab, um oberhalb des Taubenloches der Schuss folgend ins Tal der Birs zu führen und damit die Verbindung mit dem Rhein herzustellen. Noch zeugt am Felsentor von Pierre Pertuis eine römische Inschrift von diesem Strassenbau, dessen Erstellung in das zweite nachchristliche Jahrhundert zu verlegen ist. Der Bau der Römerstrasse durch das tiefliegende Moos zwischen Murten und Petinesca stellte an die römischen Strassenbauer ganz gewaltige Anforderungen, musste doch erst für eine Entsumpfung des Mooses gesorgt werden. Zu'diesem Zwecke hatten die Römer unmittelbar beim Ausfluss des heutigen Hagneckkanals einen Tunnel errichtet, welcher das Wasser in den Bielersee ableitete.

In der Zeit der Völkerwanderung wurden das Seeland und der Südjura von zwei verschiedenen Volksstämmen besiedelt, von den Alemannen und den Burgundern. Dieser Doppelbesiedelung, voneinander getrennt durch das weite Moosgebiet, das als Ödland erst später und nur schrittweise bewohnt und bebaut wurde, ist es zuzuschreiben, dass unser Gebiet direkt an der Sprachgrenze liegt, die, der Schüßschlucht folgend, ein Stück den See hinaufführt, um dann weiter nach dem Freiburgischen zu verlaufen. Noch heute, nach anderthalb Jahrtausenden, ist die Zweisprachigkeit ein Charakteristikum unserer Gegend. Eine geringfügige und deshalb nicht uninteressante Verschiebung der Sprachgrenze ist nur für das Dorf Ligerz ( Gieresse ) zu verzeichnen, das noch bis ins 17. Jahrhundert ausschliesslich dem französischen Sprachgebiete angehörte. Die aus jener Zeit stammende Tafel der 10 Gebote in der hoch am Rebhang gelegenen Dorfkirche ist in französischer Sprache abgefasst, und erst in etwas späterer Zeit wurde der Pfarrer von Ligerz verpflichtet, abwechslungsweise in deutscher und französischer Sprache zu predigen.

Die Stadt Biel war ausschliesslich deutsch. Nur der Umstand, dass die Stadt das Mannschaftsrecht über das französischsprechende St. Immertal ausübte, brachte es mit sich, dass die militärischen Erlasse für jenes Gebiet in französischer Sprache abgefasst werden mussten, was zur Folge hatte, dass das Amt eines Stadtschreibers nur solchen Anwärtern zugesprochen werden konnte, welche beider Sprachen mächtig waren. Die Zweisprachigkeit Biels ist viel jüngeren Datums. Sie reicht nur wenig vor die Mitte des vergangenen Jahrhunderts zurück und wurde bedingt durch die Verpflanzung der Uhrenindustrie, indem besonders die Bevölkerung aus dem neuen-burgischen und bernischen Jura sich nun in Biel niederliess. Heute gehören von der 42 000 Seelen zählenden Bevölkerung der Stadt zwei Drittel der deutschen und ein Drittel der französischen Sprache an.

Auch in der Architektur des Wohnhauses kommt die verschiedene Stammesangehörigkeit zur Sprache. Bei den Dörfern am See handelt es sich um die burgundische Bauweise, während die Dörfer des Seelandes am gegenüberliegenden Seeufer alamannische Bauweise verraten. In Biel stehen sich beide Bautypen an der Obergasse sogar in unter sich gleichen Häuserreihen gegenüber, indem die Bergseite der Gasse den von neuenburgischer Bauart beeinflussten, die gegenüberliegende Gassenseite jedoch bernischen Bautyp und dessen Einflüsse aufweisen.

Aber nicht nur die Bauformen, sondern auch das Baumaterial der alten Bielerhäuser weist im Verlaufe der Jahrhunderte Veränderungen auf. Während die ältesten Bauten bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts ausschliesslich aus ortseigenem Gestein erstellt sind, wird seit dem 16. Jahrhundert mit Vorliebe der warme, ockergelbe Hauterivestein verwendet. Das Zunfthaus zu Waldleuten, das heutige Vereinshaus des Bieler Kunstvereins, die alte Krone an der Obergasse, das Rathaus, das Zeughaus und eine Reihe weiterer bemerkenswerter Gebäude legen Zeugnis davon ab. Diese Umstellung hatte zur Folge, dass mit der Zeit auch die Baumeister und Steinmetzen nicht mehr wie früher aus dem fürstbischöflichen Jura herwanderten, sondern aus dem Neuenburgischen. Michel Voumard, der das Haus der Waldleute und die Brunnen im Ring und an der Obergasse erstellte, stammte noch aus der Umgebung von Bellelay, während Laurence Perrot, der Erbauer der alten Krone und einer Reihe anderer Häuser, aus seiner neuenburgischen Heimat gekommen war, wo er als Erbauer der « Maison des Halles » bekannt ist. Im 18. Jahrhundert können wir, obschon damals nur wenige Neubauten erstellt wurden, einen Einfluss stadtbernischer Baumeister feststellen. So geht beispielsweise das Moserhaus an der Schmiedengasse, das später in den Besitz der Familie Heilmann überging, auf den bernischen Architekten Imhof, Sohn, zurück.

Von seltener Vielgestaltigkeit sind nicht in letzter Linie die staatsrechtlichen Verhältnisse Biels. Vor der Erbauung der Stadt, welche in das Jahrzehnt 1220—30 festzusetzen ist, gehörte das Territorium den Freiherren von Biel, welche ihre Burg am letzten schwachen Ausläufer der vordersten Jurakette zwischen der Römerquelle und der Schüss errichtet hatten. Sie verloren jedoch schon frühe ihre Selbständigkeit und wurden Ministeriale der Fürst-bischöfe von Basel, welche ihr weltliches Gebiet bis an den Bielersee und an die Zihl auszudehnen wussten. Biel ist als Stadt eine Gründung der Basler Bischöfe und wurde aus rein strategischen Gründen, als Antwort auf die Erbauung des Schlosses Nidau durch die Neuenburger Grafen, erbaut. Auf die jahrhundertelange Fehde zwischen den Bischöfen von Basel und den Grafen von Neuenburg gehen auch die Erbauung der Schlösser und Städte von Erlach, Landeron und Neuenstadt zurück. So war Biel bis zur Erbauung Neuenstadts die vorderste Grenzbefestigung des fürstbischöflichen Gebiets von Basel, und der Bischof war gleichzeitig Landesherr von Biel. Seine amtlichen Befugnisse liess er in Biel durch einen Meier, dem er später noch einen Schaffner zur Verwaltung seiner Besitzungen beigab, ausüben. Das Meieramt wurde ursprünglich nur bischöflichem Dienstadel, später ausschliesslich Angehörigen des Kleinen Rates der Stadt Biel verliehen. Biel war seit der frühesten Zeit mit Bern, Freiburg und Solothurn zuerst durch zeitlich begrenzte, dann aber durch ewige Bündnisse verbündet, wobei zu betonen ist, dass die Bischöfe für diese Bündnisse mit eidgenössischen Orten wenig Verständnis an den Tag legten und es dadurch selbst zu einem Kriege kam, in welchem die Bischöflichen die Stadt 1367 verbrannten. Die bischöfliche Burg, die von den mittlerweile ausgestorbenen Freiherren von Biel an die Bischöfe übergegangen war, wurde in diesem Kriege mit Hilfe der verbündeten Berner zerstört und nicht wieder aufgebaut. Ihre Türme wurden später von den Bürgern wieder errichtet und in die städtische Wehrmauer einbezogen. Der Name Burg ist noch heute erhalten und bezeichnet den Platz der Altstadt, an welchem sich die Burg befand.

Um aber die Verhältnisse noch vielgestaltiger zu machen, gehörte die Stadt Biel, die wir als bischöfliche Untertanenstadt und als Verbündete der Städte Bern, Freiburg und Solothurn haben kennen lernen, und die nach ihrer Teilnahme an den Burgunderkriegen als zugewandter Ort in den eidgenössischen Bund aufgenommen worden war, kirchlich nicht etwa zur Diözese Basel, sondern zum Bistum Lausanne.

Nachdem die alte Fehde zwischen den Grafen von Neuenburg und dem Bischof von Basel aufgehört hatte und vollends nach dem Aussterben der letzten Grafen von Neuenburg und ihrer Seitenlinien, war die strategische Bedeutung der in der Zeit der Spannung gegründeten Städte Erlach, Landeron, Biel, Neuenstadt, Büren, Aarberg und Nidau vorbei. Sie blieben in der Folge kleine Landstädte, die teilweise nur noch durch ihre Lage an einer mehr oder weniger stark begangenen Handelsstrasse einige Bedeutung zu behaupten vermochten. War Biel auch die grösste unter ihnen, so sollte es trotzdem die schon vor der Mitte des 14. Jahrhunderts durch die Stadtmauern festgelegte Ausdehnung noch während vollen 500 Jahren beibehalten, bis dann unter dem Einfluss der Uhrenindustrie die sprunghafte Entwicklung folgte, die es einer neuen Zukunft entgegenführte, welche allerdings, wie jede Entwicklung, nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich brachte.

Abgelegen von grossen Handelsstrassen, zudem Grenzstadt zwischen dem Bistum und den benachbarten bernischen Landvogteien, erschöpfte sich das politische Leben der Stadt in ewigen kleinlichen Kompetenzstreitig-keiten mit dem bischöflichen Landesherrn. Wirtschaftlich war die Stadt bis auf die Einfuhr von Getreide und Salz ein ihren Ansprüchen selbst genügender Organismus. Handwerk und Gewerbe vermochten den eigenen Bedürfnissen in weitem Masse gerecht zu werden, und auf den auswärtigen Märkten und Messen waren nur die Erzeugnisse der Bieler Gerber und später auch der Goldschmiede bekannt. Neben seinem Handwerk war der Bieler Rebbesitzer, lag doch die Stadt unterhalb eines grossen Rebhangs, der sich bis nach Bözingen erstreckte.

Wenn der Landbesitz am Bielersee durch die Jahrhunderte hindurch sich stets einer grossen Nachfrage zu erfreuen hatte, dann verdankt er diesen Umstand dem Weinbau. Als älteste Rebbesitzer treffen wir in der bergseitigen Seegegend den alten Ortsadel, die Herren von Ligerz, von Twann, von Tess und von Biel. Durch kirchliche Stiftungen und Verkäufe ging ein Grossteil des Rebbesitzes vom aussterbenden Adel auf die Klöster der nähern und weitern Umgebung über. So finden wir am See begütert die Klöster Bellelay, Münster-Granfelden, Gottstatt, Fraubrunnen, Engelberg ( Obwalden ), St. Johannsen, Tedlingen, St. Urban, Frienisberg, Rüeggisberg, St. Immer, die Johanniter zu Münchenbuchsee und Thunstetten und die Karthause von Thorberg. Weitaus die meisten dieser Klöster besassen in den Städten und Dörfern am See eigene Rebhäuser, die von ihren Schaffnern bewohnt waren. Noch heute spricht man in Landeron vom St. Johannsen-haus, in Neuenstadt und Biel vom Bellelayhaus, in Ligerz vom Thorberghaus, in Twann vom Fraubrunnenhaus, in Vingelz vom St. Urbanhaus. Mit letzterem ging 1848 nach der Aufhebung des Klosters St. Urban der letzte klösterliche Besitz am See ein.

Nach der Reformation gelangten die Besitzungen der bernischen Klöster an den Staat Bern, einzelne an bernische Familien. Mit der Zeit veräusserte auch das bernische Patriziat seinen Rebbesitz an hiesige Rebbauern, und heute ist das Thormannhaus in Wingreis das letzte Rebgut, das sich noch in alt-bernischem Familienbesitz zu erhalten vermochte. Wenn sich die schöne Bielerseelandschaft, die durch den Anblick der malerischen Dörfer noch gesteigert wird, bis zum heutigen Tage so unverfälscht erhalten konnte, dann danken wir dies in erster Linie der alteingesessenen Rebbevölkerung, die unverdrossen und allen Schicksalsschlägen zum Trotz die heimatliche Scholle bebaut und keinen andern Stolz kennt als das unwandelbare Verlangen, Haus und Rebe einer spätem Generation so hinterlassen zu können, wie sie es angetreten hat. Diese Bestrebungen finden in Biel volles Verständnis, und der von alt Regierungsrat Dr. W. Bösiger ins Leben gerufene Verein Bielerseeschutz sorgt dafür, dass sie mit den Mitteln der Seva unterstützt werden, wo die notwendigen Mittel von den Privaten und Gemeinden nicht selbst aufgebracht werden können.

An die Bergsteiger.

Was unsere Zeit braucht, ist Besinnung auf die einfachsten Begriffe der Rechtlichkeit, der Anständigkeit und Ehrlichkeit.

Samuel Plietz, in « Vom Montblanc zum Wilden Kaiser ».

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