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Der Abstieg vom Morgenhorn nach dem Kanderfirn

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Durch Vermittlung eines Clubgenossen ist es uns gelungen, über diese erst einmal, von Herrn Geometer A. Aegerter, Mitglied der Sektion Blümlisalp-Wildhorn, ausgeführte Tour einige Mitteilungen zu erhalten.

Mit dem Führer Joh. Ogi-Müller war Herr Aegerter am 1. September 1895 bei schönstem Wetter in 21h Stunden vom Hohtürli auf das Morgenhorn gestiegen, auf dessen Gipfel sie bei ausgezogenen Röcken von 7-8V2 Uhr morgens verweilten. Dann besahen sie sich den Abstieg nach Süden. Der Gipfel hatte keine Gwächte. Wenn man gegen den Kandergletscher hinabblickt, sieht man nichts als zerrissene Felsen, eine Runse neben der andern. Es lag in denselben wenig Schnee, mehr jedoch gegen die Weiße Frau zu, und zwar sowohl oben auf dem Grate als in den Felskehlen auf der Südseite. Die zwei Männer wandten sich daher vom Gipfel des Morgenhorns etwas östlich gegen die Gamchilücke, doch war die Abweichung in jener Richtung eine ganz geringe, vielleicht etwa 40 Meter. Einmal im Abstieg begriffen, benützten sie bald den einen Graben, bald den andern, bald rechts, bald links, in der Hauptrichtung immerhin direkt absteigend. Die Neigung ist eine ziemlich gleichmäßige und mag nach Schätzung an Ort und Stelle und nach der Karte 55—65 ° betragen. Einzelne Stellen in den Kehlen fallen viel steiler ab, manchmal bis 70-80 °. Im allgemeinen sind die Touristen nur zu sehr disponiert, die Neigungen zu überschätzen, indem mit kleinen Meßinstrumenten oft nur eine kleine, lokale Partie gemessen wird, während für eine längere Strecke einzig ein Durchschnittsresultat maßgebend ist.

Der Abstieg ging sehr langsam von statten, denn für den Hintermann war es äußerst schwierig, keine Steine loszulösen. Die Felskehlen werden nach unten immer zerrissener und steiler. Man macht sich vom Kandergletscher aus keinen Begriff davon. Man glaubt, eine steile, glatte Wand vor sich zu haben, während sie voll Risse, Kehlen und Ecken ist. Dies gilt namentlich für die obere Hälfte. Nach Überwindung dieses Teils, also etwa der Hälfte von oben herab, folgt eine Partie steiler, abgewaschener Platten; einzelne Couloirs, die noch weiter abwärts gingen, konnten nämlich wegen Abstürzen nicht mehr benützt werden. Diese Plattenpartie, die ziemlich tief reicht, gab den zwei Kletterern viel zu tun, man hatte keinen oder nur wenig Halt und konnte nur äußerst langsam vorrücken — es wurde sogar die Befürchtung laut, wieder umkehren zu müssen. Ogi ging nun auf Rekognoszierung aus, und da er einen „ Ausgang " gefunden zu haben glaubte, traversierten die beiden nach seiner Rückkehr im Absteigen hin und her, bis sie tiefer unten neuerdings ein zerrissenes Gebiet erreichten, wo es wieder besser ging. Etwas rechter Hand erblickten sie dann endlich die Gletscherzunge, die sich bis zur Quote 3030 Meter weit in die Felsen hinaufzieht ( vide Siegfriedkarte ). Sie hatten den Abstieg vom Morgenhorn zum Gletscher ziemlich genau in südöstlicher Richtung gemacht.

Ob man vom Gipfel weg sich etwas weiter westlich oder östlich wendet, um den Abstieg zu beginnen, immer wird das Terrain das nämliche sein: in der oberen Hälfte zerrissene Felskehlen und Wände, hernach eine plattige, glatte Partie und endlich wieder zerrissene Kehlen. Die Plattenpartie hat fatalerweise die Schichtung Nord-Süd, mit Abdachung nach Süden, was den Auf- und Abstieg erschwert.

Merkwürdig ist die 10—30 cm. hohe, fleischfarbige Marmorschicht, die sich durch die ganze Südseite der Doldenhorn-Blümlisalpkette zieht und die Herr Aegerter außer am Morgenhorn auch ob dem Gasterntal „ beir Gabel ", beim „ Doldenkrachen " ( ob Seiden ), und südlich des Frün-denjochs beobachtet hat.

Als die zwei Männer in der Nähe der Schneezunge angelangt waren, mußten sie noch einige böse Kamine bewältigen, zuletzt einen ähnlichen wie der am Tschingellochtighorn. Doch endlich, nach östündiger Kletterei vom Gipfel weg, erreichten sie 600 Meter tiefer den Firn in zirka 3000 Meter Höhe über Meer und hatten nun noch 1k Stunde zu waten, um auf den ebenen Gletscher zu gelangen. Außer zum Zwecke der Umschau hatten sie während des ganzen Abstiegs keinen Halt von Belang gemacht. Wenn man eine ganz glückliche Wahl der Kamine trifft, kann man den Felsabstieg vielleicht in nur 4—4 Va Stunden machen. Die Schwierigkeiten, einzeln genommen, sind keine allzu großen, immerhin sind sowohl Ogi, als auch der Führer Abraham Müller der Ansicht, bei der Weißen Frau und beim Blümlisalphorn seien die Südfelsen leichter, was auch dadurch erwiesen ist, daß dort jeweilen mehr Schnee liegt; man ist dann aber auch von ihm bedroht. Die Partie sollte aus nicht mehr als 2—3 Mann bestehen, und die Schneeverhältnisse sollten derartige sein, daß man nicht von oben durch Gwächten und Steinschlag fortwährend gefährdet ist, denn entrinnen kann man nicht überall.

Die Oberfläche des Kandergletschers war ganz weich und voller Rinnsale, und nach einem langen Halte erreichten Herr Aegerter und sein Führer, der viel Energie und Klettergewandtheit gezeigt hatte, abends 8 Uhr Kandersteg.

Mitgeteilt durch Herrn P. Montandon ( Sektionen Bern und Blümlisalp-Wildhorn ).

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