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Der Bergsturz in Goldau

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Von M. Oe.

Es war am 2. September 1806, als abends 5 Uhr der Spitzenbühl ( der heutige Rossberg ) mit unheimlichem Donnern und Krachen zu Tal stürzte und den fruchtbaren Boden von Goldau mit Felsblöcken und Trümmern vollständig überdeckte, die Wiesen und Weiden, die Obstgärten und Äcker, die Häuser und Ställe mit Tieren und Menschen, soweit sie nicht rechtzeitig zu flüchten vermochten. « Am zweiten des Herbstmonates 1806, nachdem es zwei Tage, besonders auf den Höhen, geregnet hatte, hörten die Bergbewohner vom Morgen an den Tag hindurch abwechselnd ein ungewöhnliches Geräusch, so dass einige einfältige Leute glaubten, es treibe da etwas Unnatürliches sein Wesen. » So schrieb ein Chronist dieses unheilvollen Jahres.

Pfarrer Th. Schmidt, in Niesky O. L., fand letztes Jahr in seinem Kirchenarchiv eine Aufzeichnung ( Archiv der Brüdergemeine Niesky, P. A. II. R. 7. Nr. 32 ) vom nachmaligen General von Rudioff ( 1782-1871 ), der den russischen Feldzug unter Napoleon 1812 mitgemacht hatte und als preussischer Edelmann in preussischen Diensten bis zum Armee-general aufrückte, sich später mit philosophisch-religiösen und militärischen Schriften 1 Man vergegenwärtige sich bei dieser Aussage über das « ärmlich gekleidete Volk » die Verelendung der ganzen Talschaft zur Franzosenzeit, infolge Ausplünderung und Brandschatzung durch die fremden Kriegsheere, wenige Jahre vor dem Besuche Schlegels. Der Zürcher Hans Rudolf Schinz konnte 1783, nach mehreren Reisen durch Ursern, den hauptsächlich durch Passverkehr bedingten Wohlstand des Tales feststellen.

2 Wallfahrtskirche Maria Hilf oberhalb Andermatt. Über die dem Reisenden als fast einzige Zierde des Tales aufgefallenen Kirchen vgl. « Baugeschichtliches aus dem Urserntal » in « Borromäer Stimmen » und Sonderdruck 1946, Altdorf.

.'Kette der Spitzberge mit Mütterlishorn und Mittagstock.

einen Namen machte und als Mitglied der Herrnhuter Brüdergemeine Niesky starb und in deren Gottesacker beerdigt wurde.

Er hinterliess über sein bewegtes Leben zahlreiche Niederschriften, so auch die nachfolgende Aufzeichnung vom miterlebten Bergsturz in Goldau:

« Wir ( ein etwas älterer Verwandter und ich ) hatten in den letzten Tagen des August in Zürich einen Führer genommen, um die Berner Alpen zu durchwandern. Über den Zuger See fahrend, beschlossen wir und eine andere Gesellschaft, der wir. uns angeschlossen hatten, von Arth durch das Goldauer Thal nach Schwyz zu gehen, um am folgenden Morgen den Rigi zu besteigen. So wanderten wir bis gegen das Dorf Goldau, als wir durch ein donnerähnliches Geräusch zu unsrer Rechten veranlasst wurden, stehen zu bleiben und uns umzusehen. Da sahen wir am Gipfel des Rossberges einzelne grosse Felsblöcke einen Abhang heruntergleiten, die uns aber keine Besorgnisse einflössten, da sie am Fuss des Abhanges, einige Stunden entfernt, liegen blieben. Da auf einmal bemerkten wir, wie die ganze, uns zugewandte Seite des Berggipfels sich mit furchtbarem Krachen den Berg herab nach der Richtung unsres Standpunktes, und, vielleicht eine Sekunde später, die ganze Vorderseite des Berges ( mit Wäldern, Viehherden, Sennhütten etc. ) in das Thal herabwälzten. Schrecken ergriff uns. Wir sind verloren! wo retten wir uns? riefen wir uns zu, und eilten den Weg, den wir gekommen waren, zurück. Aber auch diese Flucht wurde gehemmt durch einen gewaltigen Staub, der die Augen zu schliessen nötigte und das Athmen erschwerte. Als derselbe sich verzogen und das Getöse aufgehört hatte, sah ich nahe bei mir meinen Reisegefährten und noch vier Personen der andern Gesellschaft, wie auch unsern Führer. Von den übrigen 10 Personen war nichts zu erblicken, sie waren vom Sturz verschlungen mit den circa 800 Menschen, die den Fuss des Rossberges bis dahin bewohnt hatten; denn in jenen zwei Minuten war das ungefähr 34 Stunden breite Thal bis zum Fuss des Rigiberges mit jener Schuttmasse bedeckt und ausser Goldau waren noch 3 Ortschaften unter demselben begraben. Der Punkt, auf den wir uns gerettet hatten, lag wie eine Halbinsel in dem Felsen- und Erdschutte des Berges. Schon etwa 20 Schritte von uns lagen häuser-grosse Felsblöcke.

Und ich? Stürzte ich nicht auf meine Knie, um mit gerührtem Herzen dem zu danken, der in dieser Gefahr mit den Flügeln seines Erbarmens mich Elenden bedeckt hatte? Ach nein! leider nein! Mein Gefühl war in dieser Beziehung, wie ich selbst frevelnder Weise zu äussern wagte, kein anderes als das „ eines Menschen, den ein anderer ins Wasser stürzt, und ihn dann, damit er nicht ertrinke, mit derselben Hand wieder herauszieht ". So sah es damals und noch viele Jahre später mit meinem „ guten Herzen " aus; und wie konnte es anders sein? Wenn ich auch den verkehrten Neigungen desselben nicht mehr mit solcher Ausgelassenheit, wie früher, fröhnte, so stand es in meinem Herzensgrund auch jetzt nicht um ein Haar besser als ehemals. Das Wort vom Kreuz war mir zwar weder ein Ärgernis noch eine Thorheit, sondern, was vielleicht noch schlimmer war, ziemlich gleichgültig, wenn auch im Herzen sich gelegentlich augenblickliche Rührungen, einzelne Anklänge an die heiligen Wahrheiten des Evangeliums regten. » In der eingangs erwähnten Chronik des Schwyzers ist auch von diesen Leuten zu lesen, die mit General von Rudioff auf der Wanderung waren: « Dies ist das grässliche Werk fünf unseliger, jedem Schwyzer unvergesslicher MinutenSo schnell ward ein schönes, fruchtbares, bevölkertes Thal in eine Wüste verwandelt; so augenblicklich fanden über tausend Menschen unvermuthet den schaudervollsten Tod oder das Grab; selbst eine Reisegesellschaft von Bern musste gerade in diesem unseligen Moment auf den Unglücks Pfad gerathen, und das jammervolle Schicksal der Einwohner theilen. Kein Mensch konnte dem Blitz schnellen Unglücke entfliehen. » - Von dieser Reisegesellschaft, die 17 Personen zählte, kamen nach Rudioffs Aufzeichnung sein Verwandter, der Führer und er, sowie vier der übrigen Teilnehmer mit dem Schrecken davon. Der Standort der Gesellschaft scheint bei der kleinen Kapelle mit dem Spitzhelm, an der Strasse von Oberarth nach Steinerberg, unterhalb der Tennmatt ( P. 504 NL, Blatt 235 ) gewesen zu sein.

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