Der Föhn | Club Alpin Suisse CAS
Soutiens le CAS Faire un don

Der Föhn

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Rudolf Streiff.

Nach grauen Nebeltagen grüsst unerwartet ein heller, warmer Morgen die Bewohner des Alpenvorlandes. Die Berge stehen in ungewöhnlicher Klarheit unter einem tiefblauen Himmel, auf dessen Südhälfte scheinbar unbeweglich linsenförmige Wolken ( Lenticularisformen ) auf einem zarten Fächer gefiederter Wolken ( Zirrusformen ) erglänzen. Durch die tieferen Schichten der Luft segeln eilig Wolkenballen, von heftigem Südwestwind getrieben. Die Luft ist warm, feucht, und die fernsten Landschaften leuchten in den sattesten Farben. Das ist der « Föhn », wie ihn das Hügelland kennt. Ganz anders ist dagegen der Alpentalföhn, wie er in gewissen Quertälern vorkommt und meistens einen bis mehrere Tage früher als der oben beschriebene Föhn des Mittellandes auftritt. Fast jedes Alpental hat seinen eigenen Föhn; in ganz typischer Form, die ihn von allen anderen Winden so auffällig macht, kommt er aber nur in wenigen Quertälern der Alpen vor. Versetzen wir uns im Geist in ein solches Tal, nach Glarus z.B., um einen echten Föhn zu erleben:

Ein klarer Herbstmorgen ist nach einer Reihe ähnlicher Tage neuerdings angebrochen. Träge steigen die Rauchfahnen aus den Kaminen in die windstille kalte Luft. Glarus meldet heute eine der tiefsten Morgentemperaturen der Schweiz, das Barometer fällt unheimlich rasch. Der erfahrene Bergler weiss, dass das eine Vorbedeutung für Föhn sein kann, und er richtet seine Blicke nach Süden, wo er nach alter Erfahrung weiss, dass das erste Zeichen, die « Föhnmauer », sich zeigen wird. So nennt man jene walzenförmigen niedrigen Wolken, welche scheinbar unbeweglich fest über dem Gebirgskamm liegen, östlich und westlich des Hausstockes und des Tödi erscheinen und später auch diese Gipfel überziehen. Der Fremde hält dieses Wolkengebilde oft für Gletscher. Die Berge vor dem südlichen Gebirgszuge bleiben frei und überaus klar sichtbar. Starke Schneefahnen an ihren Gipfeln und Gräten zeigen dort heftigen Südwind an. Über den Schilt und Glärnisch treiben bereits kleine Wolkenfetzen mit grosser Schnelligkeit nach Norden. Dort steht eine graue Wolkenwand und Nebel züngeln vom Gasterland gegen Ziegelbrücke hinauf. Ein unbehagliches Gefühl bedrückt sensible Menschen, Kopfschmerzen, Unlust zur Arbeit und Misslaune, selbst bei Tieren, sind weitere untrügliche Zeichen für baldigen Ausbruch des Föhns. Noch herrscht im Talgrund Windstille, aber es rauscht bereits im beidseitigen Bergwald, und dürres Laub fliegt über unseren Köpfen nordwärts. Plötzlich bricht der Föhn in wilden Stössen los. Warme, sehr trockene Luft umbraust uns und fährt heulend durch die Gassen. Es klappert und stöhnt an den Gebäuden und pfeift unheimlich durch alle Ritzen und Kamine. Wo kurz zuvor noch eisiger Frost herrschte, zeigt nun das Thermometer eine Wärme an, um die uns Locarno beneiden könnte, nur das Barometer bleibt tief, sehr tief. Nicht lange wird es dauern, bis die gesetzlich verpflichtete « Föhnwache » aufzieht, Männer, welche von Haus zu Haus die Runde machen, um zu wachen, dass nicht an offenem Feuer gekocht wird. Das Herumtragen offener Lichter sowie das Tabakrauchen sind während der Dauer des Föhns verboten, und die Feuerwehr hält die Löschapparate in Alarmbereitschaft.

Durchwandern wir indessen das Föhnprofil vom Sandalppass bis Zürich hinunter. Auf dem Passe oben ist es ungemütlich. Wir stehen dort im Nebel und eisigen Südsturm. Feiner Schnee oder Sprühregen, je nach der Jahreszeit, wirbelt über den Sandfirn hinunter. Erst in Sandalp-Oberstafel treten wir aus der Föhnwolke in den Sonnenschein hinaus. Der Himmel ist tiefblau, nur vom Bifertenstock über Piz Urlaun, Tödi, Sandgrat nach dem Clariden reicht die walzenförmige « Föhnmauer ». Sie ist aber nicht so unbeweglich, wie sie uns von weitem erscheinen mag. Unaufhörlich überwälzen sich an der Peripherie die Nebelstreifen, als ob sich die Wolken-walze um ihre eigene Achse drehen wollte.

Mit dem Sturm im Rücken steigen wir zutal, wobei wir an Gräsern und Bäumen konstatieren, wie der Luftstrom kontinuierlich abwärts gerichtet ist. Die Wärme nimmt fortschreitend zu, die Luft ist wunderbar klar und trocken. Der Sturm begleitet uns in dieser Weise bis Schwanden, weniger häufig bis Glarus und noch seltener bis etwas unterhalb Ziegelbrücke, wo er plötzlich wie verschwunden ist. Wenige Meter nördlich der Stelle, wo er noch stürmisch weht, herrscht schon Ruhe, oder vielmehr eine kühl-feuchte Nordluftströmung. So kann der Sturm stundenlang, mit kurzen Unterbrüchen auch tagelang wehen, bis sich Zeichen des Umschwunges zeigen: Über den Himmel eilen immer dichter die Wolkenfetzen, die Föhnmauer nimmt wechselnde Formen an, im Norden steigt eine graue Wolkenwand höher und höher. Die Stelle des Talgrundes, bis wohin der Föhnsturm noch reicht, rückt südwärts zurück, die kaltfeuchte Nordluft drängt nach. Noch können ein oder mehrmals die Vorstösse der warmen Föhnluft erfolgen, doch zieht sie sich schliesslich immer mehr bis zum Talhintergrund zurück. Über unseren Köpfen nordwärts eilende Wolken zeigen an, dass der Föhnluftbogen flacher geworden ist. Das Barometer steigt, die Temperatur dagegen fällt. Im Bereich des nachrückenden Nordluftkeiles umfassen düstere Nebel die Berghänge mehr und mehr. Über die Berge des Unterlandes fällt bereits Regen, wogegen im äussersten Süden noch ein blaues Himmelsfenster über der zerzausten Föhnmauer blinkt. Der Föhn « geht heim », er « leert aus », sagt der Glarner.

Das ist das Bild eines typischen Alpentalföhns, gewiss recht verschieden vom Bild des Föhnes im Hügelland draussen. Auch beim echten Föhn gibt es viele Variationen in der Längenausdehnung, in der Dauer, in ein und demselben Alpental bedingt durch den jeweiligen Zustand der Atmosphäre, und bedeutende, morphologisch bedingte Unterschiede zwischen den Föhn-winden verschiedener Täler. Hier spielen dann die Richtung, das Gefälle und die Form der Täler die entscheidende Rolle. Der Alpentalföhn hat meistens aufgehört, in typischer Form zu wehen, wenn im Alpenvorland der warme Südwest sich geltend macht; der Talhintergrund erfreut sich dann des natürlichen Windschutzes des Gebirges.

Wir wollen im folgenden versuchen, eine Erklärung über die Entstehung des Föhns und der dabei auftretenden Erscheinungen zu geben.

Dem Föhn geht immer eine Schönwetterperiode oder mindestens eine Aufhellung mit Windstille voraus. Das ist der Fall, wenn ein Hochdruckgebiet über den Alpen lagert, welche Lage besonders in der kälteren Jahreszeit längeren Bestand hat. Infolge der nächtlichen Ausstrahlung lagert sich, begünstigt durch Windstille, kalte Luft in den Niederungen ab. Weite Strecken des Alpenvorlandes bilden dann eigentliche Kaltluftseen, die oft nebelerfüllt sind. In den Alpentälern ist bei dieser Wetterlage Nebelbildung seltener, die nächtliche Ausstrahlung um so stärker. Hat der Talboden genügend Gefälle, so fliesst die Kaltluft langsam ab, gleich einem Zufluss zum Kaltluftsee des Vorlandes. Wo aber die Talböden tief zwischen hohe Berge versenkt sind, wenig Gefälle aufweisen und relativ breit sind, bleibt die kalte Luft als schwere träge Masse liegen. Die tagsüber erwärmte, spezifisch leichtere Luft schwimmt oben auf. Man nennt diesen Zustand Temperaturumkehr ( Inversion ). Ein vom Atlantischen Ozean in der Richtung gegen Westeuropa heranziehender Tiefdruckwirbel drängt den Hochdruck gegen Süden oder Südosten zurück. Es entsteht so zwischen dem Hochdruck über Oberitalien und dem Tiefdruck über Frankreich eine bedeutende Druckdifferenz ( Gradient ), welche einen Südwind auslöst, der heftig den Alpenkamm überweht. In grossen Höhen beginnend, ergreift diese Luftbewegung allmählich tiefere Schichten und berührt fast gleichzeitig und plötzlich die obersten Gebirgskämme und mit der Zeit den Boden des Alpenvorlandes.

Unter normalen Umständen übt jeder heftige Wind, der einen Gebirgs-karam überweht, an dessen Leeseite eine saugende Wirkung aus ( Injektor-wirkung ). Der tiefste hinterste Winkel des Tales bleibt vorläufig im Windschutz. Der Südwind sollte sich im Alpenvorland natürlicherweise stärker bemerkbar machen als im Talhintergrund. Wie wir aus der Beschreibung des Föhnes in Glarus gesehen haben, ist das Gegenteil der Fall. Der Südwind wird unter Umständen ein Fallwind, der mit Ungestüm gerade am häufigsten und immer zuerst in die tiefsteingesenkten Talwinkel stürzt und dabei Eigenschaften annimmt, die ihn von jedem anderen Wind scharf unterscheiden lassen. In den Tälern, deren Sohle hoch oben beginnt und starkes gleichmässiges Gefälle aufweist, wie die meisten Täler der Alpen, fliesst die nächtlich abgekühlte Luft stetig abwärts. Der plötzlich auftretende, von Süden nachdrängende Höhenwind bringt sie daher leicht in beschleunigte Bewegung und fördert sie talauswärts. Ein Bewohner im unteren Teile eines solchen Tales empfindet daher den Föhn zuerst als kalten Wind und erst im späteren Verlauf als warmen und trockenen. Weil aber der Weg durch das Tal relativ lang ist, hat der Südwind Zeit, Feuchtigkeit aufzunehmen. Der Föhn eines solchen Tales wird also nie so übertrieben warm und trocken sein wie der Föhn eines Quertales, dessen Hintergrund nahe und sehr tief hinter dem Gebirgskamm liegt und zudem schwaches Gefälle aufweist; oder wo zwischen Steilstufen flache, mehr oder weniger abgeschlossene, breite Becken sich vorfinden. In einer solchen Schüssel bleibt die Kaltluft völlig ruhig liegen, als Einzelmasse oder gleichsam als Fjord des grossen Kaltluft-meeres des Alpenvorlandes; obenauf schwimmt die wärmere, spezifisch leichtere Luft.

Wenn der heftige Höhenwind beim Herabsinken in tiefere Schichten der Atmosphäre den Gebirgskamm plötzlich berührt, so saugt er zunächst die obere warme Luft der Inversionsschicht ab. Die unten liegende kalte und schwere Föhn im Vorstadium, e = Windstille, I = Inversion, K - Kaltluftsee, FM = Föhnmauer, V - Vakuumschicht.

Föhn in voller Entwicklung.

Luft kann nicht sofort nach oben folgen; ihre Trägheit hindert sie oder ihr Zusammenhang mit der grösseren trägen Masse des Alpenvorlandes ( Fig. 2 ). Es entsteht also im Lee des Steilhanges rasch ein luftverdünnter Raum, der selbstverständlich nicht lange als solcher bestehen kann. Der Atmosphäre über dieser « Vakuumzwischenschicht » wird gleichsam der Boden entzogen, sie muss einsinken. Der heftige Südluftstrom biegt also in scharfem Bogen nach unten, den luftverdünnten Raum vorweg ausfüllend, und stösst in der Tiefe auf den Widerstand der Kaltluft. Durch den Niedersturz wird die Luft erwärmt und steigt, am Tal- boden umbiegend, als warme, leichtere und bewegte Luft längs einer Gleitfläche an der Kaltluft wieder empor. Der Impuls der heftig bewegten Luft vermag die Kaltluft aus dem relativ schmalen Quertal auszuräumen, oft bis zum Talausgang, vermag aber hier bei der plötzlichen Erweiterung des Querschnittes die Grossmasse der Kaltluft im Vorland nicht in Bewegung zu versetzen. Der Föhn findet hier in über 90 % der Fälle sein Ende, d.h. er geht hier definitiv in die Höhe, in flachem Bogen über den Kaltluftschild hinaus, den abzubauen ihm nur nach mehrtägigem Wehen gelingt.

-WSW3- Föhn im Endstadium.

Nimmt der Höhenwind an Stärke ab oder dreht er allmählich, entsprechend dem Abwandern der Depression nach Nordosten, nach Westen ab, dann wird der Föhnluftbogen flacher, die Kaltluft drängt unten keilförmig nach, der Föhn « geht heim ». Wechselt der Höhenwind seine Stärke, d.h. kommt er stossweise, wellenförmig über das Gebirge, dann schwingt der Föhnluftbogen auf und ab, er wird flacher oder greift tiefer, wobei der Kalt-luftkeil entsprechend nachdrängt oder zurückgetrieben wird. So wechselt der Fuss der Aufgleitfläche seinen Standort im Tale; wir haben die « Föhnpausen » vor uns.

Ausser der Trägheit der Kaltluft, dem Auftrieb infolge der Wärme, begünstigen auch orographische Verhältnisse das Aufgleiten des Föhns. Beidseitig vorspringende, gegen Norden ansteigende Bergrücken, Talriegel, grosse Bachschutt- oder Bergsturzkegel und dergleichen bestimmen oft das Ende der Sturmbahn. Die Richtung des Alpentales spielt auch eine bedeutende Rolle. Hat der Höhenwind südöstliche Richtung, bei Lage des Hochdruckzentrums im Südosten Europas, dann entwickelt sich Föhn zuerst im Appenzellerland, im Rheintalstück von Chur abwärts, welcher Luftstrom am Gonzen sich in den Rheintalföhn und Wallenstadterföhn spaltet. Im Glarnerland weht dann der Kleintalföhn, indessen das Grosstal ( Linthtal ) noch in Ruhe verharrt. Beim Abdrehen des Höhenwindes in die Süd- und Südwestrichtung kommt auch das Grosstal von Glarus, Uri, Engelberg, das Haslital und untere Rhonetal an die Reihe, sofern der Wind dort die günstigen Bedingungen zur Ansaugung eines luftverdünnten Raumes vorfindet.

Zur Entstehung des typischen Alpentalföhnes ist also nicht nur ein Südwind, der den Alpenkamm überweht, Grundbedingung, sondern es müssen auch besondere orographische Verhältnisse am Nordfuss des Gebirgskammes vorliegen. Nur diese ermöglichen das Stagnieren kalter, träger Luftmassen und die rasche Bildung eines luftverdünnten Raumes, in welchen zu stürzen der Höhenwind gezwungen wird. Entsprechend den Variationen in den orographischen Verhältnissen haben wir Variationen in den Föhnerscheinungen, und wir sprechen daher mit vollem Recht von einem « Glarnerföhn », « Urnerföhn », « Innsbruckerföhn » usw.

Eine seltene Abart des Glarnerföhnes ist der « Dimmerföhn ». Die Bezeichnung stammt wahrscheinlich vom Dialektwort « Dimmer » gleich Dämmerung ab. Während nämlich beim gewöhnlichen Föhn die Berge des Glarner Hinterlandes meistens klar sichtbar sind, mit Ausnahme der Stellen mit der Föhnmauer, sind sie beim Dimmerföhn nur im Unterland oder noch im Mittelland klar, im Hinterland dagegen durch dichten Schneestaub oder Sprühregen verschleiert, und der tiefe Talhintergrund erscheint vom hellbeleuchteten Unterland aus gesehen wie in unheimlichem « Dimmer » gefangen. Es ist der Effekt der ins Riesenhafte vergrösserten Föhnmauer. An den innerhalb dieser Wolke von Sprühregen liegenden Orten empfindet man diesen Föhn als relativ kühl, im Hintergrund herrscht Dämmerung, im vorderen Teil der Wolke, infolge des von der Aufhellungszone herein-fallenden Sonnenlichtes eine fahle, geisterhafte Beleuchtung. Weil der Dimmerföhn so selten auftritt, ist seine Erforschung erschwert, obschon sein Auftreten viel mehr Aufsehen erregt, schon wegen seiner weitausgreifenden Wirkung. Während er im Glarnerland den soeben beschriebenen Charakter hat, tritt er gleichzeitig im Alpenvorland als echter Föhn in voller Stärke zerstörend auf. Bekannt sind die schweren Sturmschäden der Dimmer-föhne vom 5. Januar 1919 und 15. Februar 1925. Die in letzter Zeit gemachten Beobachtungen erlauben dem Verfasser folgende vorläufige Deutung des Phänomens:

Dem Dimmerföhn scheint stets gewöhnlicher Föhn vorauszugehen. Das Vorbeiziehen einer Zyklonenfamilie im Norden der Alpen kann tagelanges Andauern von Föhn mit kurzen Unterbrechungen im Alpental verursachen. Der jeweilige Druckanstieg zwischen den Depressionen bringt Windstille in die Täler, schafft somit neue Bedingung für Entstehung von Föhn, der sofort auflebt, sowie die nächste Depression heraufzieht. Der Föhn hat die Kaltluft bald wieder zum Tal herausgeschafft, die grosse Kaltluftmasse des Vorlandes aber noch nicht. Verursacht nun eine besonders tiefe Depression in ihrem Vorbeizug einen orkanartigen Höhenwind nach einer Pause, welche zu kurz ist, um neue Kaltluft im Talhintergrund sich bilden zu lassen, so ist bei dem vorhandenen unruhigen Gemisch warmer Föhnluft und herein-strömender Kaltluft vom Unterland her die Bildung eines luftverdünnten Raumes nicht möglich. Der Höhenwind saugt nur, ohne zum Fallen gezwungen zu werden, die unruhige Luft ab. Es muss beim Aufstieg Abkühlung und Sprühregen im Talhintergrund eintreten; am Steilrand der Voralpen jedoch, wo noch die Grosskaltluftmasse lagert, ist die Bedingung für rasche Vakuumbildung vorhanden, und erst dort bricht nun der Höhenwind verheerend in die Tiefe. Die wogende Oberfläche des nicht mehr sehr hohen Kaltluftschildes gibt Angriffspunkte genug, so dass dieser bald weggeräumt ist und der Sturm als echter Föhn, warm, wild und trocken bis über Zürich hinaus fahren kann. In den Wäldern und Kulturen, die auf so seltene Beanspruchung nicht eingestellt sind, haust er dann fürchterlich. Die Gipfelstationen melden bei Dimmerföhn die höchsten Windgeschwindigkeiten.

Wir wollen nun noch die Erscheinungen besprechen, welche infolge des jähen Absturzes des Höhenwindes auftreten. Da ist zunächst die Föhnmauer.

Der Luftstrom des Höhenwindes schmiegt sich dem Terrain des Gebirges nur dort glatt, konvex, an, wo der Gebirgsabfall nicht allzu steil ist. Wo jedoch der Kamm in steilen Wänden plötzlich abfällt, muss hinter den scharfen Kanten, entsprechend den Gesetzen über Flüssigkeitsströmungen, eine Rückwirbelung eintreten. Innerhalb dieses Wirbels ist die adiabatische Erwärmung der Luft verhindert, es tritt Kondensation, Wolkenbildung, d.h. die bekannte « Föhnmauer », auf. Je kürzer, stärker der Fall des Höhenwindes in das Tal ist, um so schärfer umrissen, typischer erscheint die Föhnmauer und ist an ganz bestimmte Stellen des Gebirgskammes gebunden. Solche bevorzugte Stellen sind im Glarnerland die Tschingeln, die Wände ob Martinsmaad, der Ruchwichlengrat östlich, die Felswände von Hintersulz westlich des Hausstockes, der Grat des Urlaun östlich und der Sandgrat westlich des Tödi. Gigantische Form nimmt die Föhnmauer bei Dimmerföhn an. Sie ergreift dann nicht nur die genannten Stellen, sondern den Gebirgskamm des Talabschlusses in seiner ganzen Breite und greift auf vorgelagerte Bergzüge über, reicht in extremen Fällen ( 5. Januar 1919 und 15. Februar 1925 ) sogar bis zum Alpenrand.

Unsere Bilder veranschaulichen verschiedene Stadien der Föhnmauer im Tödigebiet. Fig. 9 zeigt das erste schwache Erscheinen der Föhnmauer östlich vom Piz Urlaun, am Sandgrat und am Claridenstock. In Fig. 10 ist die Föhnmauer nicht sehr typisch entwickelt, dagegen ganz ausgesprochen in den beiden Fig. 13 und 11 gleichartig, obwohl zu verschiedenen Zeiten aufgenommen. In letzterem Bilde ist noch die Kaltluft im Talgrund nebelerfüllt und über ihr lagert die sonnenwarme Luft der Inversionsschicht. Im nächsten Augenblick wird sie der Höhenwind abgesaugt haben und dieser in den entstehenden luftverdünnten Raum stürzen, wie das die Föhnmauer am Tödi bereits voraussehen lässt. Dimmerföhnartige Stärke hatte der Föhn vom Nachmittag des 5. Oktober 1929. Der tiefe Kessel des Bifertengletschers ist bereits in « Dimmer » gehüllt.

Es ist eine bekannte Erscheinung, dass bei einem Höhenzug, über welchen quer zu dessen Streichen ein starker Wind weht, im Lee Wolkenbildung, dann aber eine Zone der Aufhellung aufzutreten pflegt. Das ist beim Föhn auch der Fall, was bei der Zunahme der Wärme und Erniedrigung der relativen Feuchtigkeit beim Fallen der Luft leicht erklärlich ist. Einem Beobachter vorn im Tal scheint infolge der Perspektive oft der ganze Himmel bedeckt zu sein, während ein Beobachter im Talhintergrund Helligkeitsstreifen quer zur Windrichtung wahrnehmen könnte. Bei zunehmender Entwicklung des Föhns vergrössert sich die Aufhellungszone, und in ihrem Bereich ist die Luft überaus klar und durchsichtig.

Für den Laien ist die hohe Wärme des Föhnes im Talgrund die auffallendste Erscheinung. Die häufige Begehung des Hochgebirges auch zur Winterszeit hat schon längst die Erkenntnis gebracht, dass der Föhn auf dem Gebirgskamm oben recht kalt sein kann, während unten im Tal hohe Wärme registriert wird. Die ganze Differenz wird also während des Fallens gewonnen.

Wir wissen, dass Luftmassen, welche aufsteigen, sich ausdehnen und dabei abkühlen, und umgekehrt Luftmassen, welche niedersinken, also in Höhenschichten stärkeren atmosphärischen Druckes geraten, auf ein kleineres Volumen zusammengepresst werden und sich dabei erwärmen. Die Temperaturänderung erfolgt in trockenen Gasen nach ganz bestimmten Gesetzen und wird adiabatische genannt. Sie beträgt für Luft 1 Grad Celsius pro 100 m Höhe. Nun ist Luft ein Gasgemenge, das u.a. auch Wasserdampf enthält. Im allgemeinen, d.h. ausserhalb der Föhnluftströmung, findet in einer Luftmasse ein mehr oder weniger lebhafter Austausch in der Temperatur und im Wasserdampfgehalt statt, entweder in ruhig nebeneinander niedersinkenden und aufsteigenden Stromfäden oder in wirbelnder Durchmischung, wobei es bei aufsteigenden Luftteilen zur Abkühlung, Kondensation und Wolkenbildung kommt. Die Temperaturabnahme beträgt in solchen Fällen im Gebirgsland, je nach der Jahreszeit, durchschnittlich 0,55 bis 0,6 Grad pro 100 m Erhebung ( weniger im Winter, mehr im Sommer ). Beim Föhn dagegen ist nur fallende Luft vorhanden, welche als geschlossener Strom zwischen den einschliessenden Talwänden in die Tiefe stürzt. Diese Luft hat wegen der Kürze des Weges und der Zeit wenig Gelegenheit, Feuchtigkeit aufzunehmen, sie bleibt trocken und muss sich deshalb beim Erreichen der Schichten stärkeren atmosphärischen Druckes adiabatisch erwärmen, d.h. ein Grad Celsius pro 100 m Fallhöhe. Luft z.B., welche aus Tödihöhe, 3600 m, mit einer Anfangstemperatur von —10° C bis zum Talboden von Diesbach, 600 m, stürzt, würde dort mit nahezu + 20° C Wärme ankommen. Es mag als Widerspruch erscheinen, dass die Erwärmung durch Druck stattfindet, wo doch bei Föhn gerade ein ausserordentlich tiefer Luftdruck herrscht. Der Widerspruch ist nur scheinbar: Die Druckdifferenz zwischen den Höhen von 3600 m und 600 m besteht immer, ob der Druck der Gesamtatmosphäre relativ klein oder gross sei. Im Tale der Linth, wo der Fall des Luftstromes jäh und hoch ist, ist auch die Erwärmung besonders gross. Es kommt oft vor, dass Glarus bei starkem Föhn die höchsten Temperaturen der ganzen Schweiz meldet. Es sei als Beispiel der 27. Januar 1930 erwähnt, da zum gleichen Termin, 7 1/2 Uhr morgens, der Säntis —4° meldete, Zürich —1° bei Nordwest, Lugano + 2°, Glarus aber + 14bei starkem Föhn.

Hand in Hand mit der starken Erwärmung geht die grosse Trockenheit der Föhnluft einher. Jeder Temperaturhöhe der Luft entspricht ein gewisser Sättigungsgrad mit Wasserdampf. Je tiefer die Temperatur der Luft ist, um so weniger Wasserdampf kann sie enthalten, umgekehrt kann sie bei Temperaturerhöhung mehr aufnehmen, bis der Sättigungsgrad erreicht ist. Es sind z.B. in 1 m3 gesättigter Luft von 0 Grad 4,9 Massenteilchen und in 1 m3 gesättigter Luft von + 15° 12,74 Massenteilchen Wasserdampf enthalten. Ein Südwind, welcher beim Überwehen des Gebirgskammes eine Temperatur von 0 Grad besitzt und mit 4,9 Teilen Wasserdampf gesättigt ist, sodann als Föhn in das Tal stürzt, dabei auf +15° erwärmt wird, kommt unten relativ viel zu trocken an. Er könnte noch 7,84 Teile Wasserdampf aufnehmen, um seinen Sättigungsgrad zu erreichen. Daher also die auffallende Trockenheit des typischen Föhnes. Streicht der fallende Höhenwind durch ein langes Quertal mit gleichmässig starkem Gefälle, so hat er mehr Gelegenheit, auf seinem Wege neue Feuchtigkeit aufzunehmen als ein Föhn, der jäh, auf kürzestem Wege in die Tiefe gezwungen wird. Es macht sich also auch hierin der Einfluss der orographischen Verhältnisse geltend. Während bei Nebelregen z.B. die relative Feuchtigkeit 100 % ist, sinkt sie in den typischen Föhntälern bei Föhn unter 30 %, ja bis zu 25 % und weniger. In Höhen über 3000 m fällt uns Alpinisten oft auf, wie der Schnee pulvrig bleibt, selbst wenn die Lufttemperatur über Null ist. Im Tiefland wird der Schnee schon beim geringsten Überschreiten des Nullpunktes klebrig, nass und schmilzt zu Wasser. Der Verfasser hat während eines Föhnsturmes noch bei + 6° den Schnee in Pulverform auffliegen sehen. Er sieht darin auch einen Beweis der Trockenheit der Höhenluft, der Föhnluft im besonderen. Die obersten Schneekristalle der Schicht schmelzen gewiss bei + 6° auch, aber das dabei sich bildende Wasser wird schon im mikroskopisch feinen Zustand von der trockenen Luft aufgesogen, ehe es zur von blossem Auge sichtbaren Tropfenbildung kommt. So bleibt der Schnee trotz der Wärme pulverförmig, er verdunstet direkt. Das erklärt auch, weshalb beim typischen Föhn im Alpental trotz raschester Schneeschmelze kein Hochwasser entsteht, ganz im Gegensatz zu jenen Fällen, wo es trotz Südwind nicht zur Ausbildung des typischen Föhnes kommt, sondern nur zum Tauwetterwind.

Der moderne Alpinist hat sich schon längst angewöhnt, die Wetterkarten zu Rate zu ziehen, wie sie auch in unserem Lande von der Zentralanstalt in Zürich täglich publiziert werden. Man wird bei Föhn stets einen eigentümlichen Verlauf der Isobaren feststellen können. Die Linien gleichen Luftdruckes zeigen im Gebiete der westlichen Zentralalpen eine deutliche, oft scharfe Ausbuchtung gegen Westen, die Isobaren der Depression dagegen eine solche nach Südosten. Die vom Atlantik heraufströmenden Luftmassen stauen sich am Winkel, wo die Zentralalpen nach Süden umbiegen. Sie haben hier die Tendenz zur Teilung, wie Eisschollen, welche an einen Brückenpfeiler prallen. Es kommt in der Tat in vielen Fällen zur Bildung eines Teilminimums über Südfrankreich, wogegen der Hochdruck im Schutze des Alpenbogens über Oberitalien als schmaler Rücken zwischen den Min. bestehen bleibt.

Nach der Wetterkarte der Schweiz. Met. Zentralanstalt Zürich.

Wie ein Kap gegen das Meer hinaus, so schiebt sich dieser Hochdruckrücken zwischen die Minima, und durch den grossen Druckgradienten wird der Südwind ausgelöst. Das Isobarenbild zeigt stets mehr oder weniger deutlich das « Föhnknie », wenn Föhn in Aussicht steht. Mit der Änderung der Lage der Depression ändert auch das Föhnknie seine Form und Richtung, wobei in den meisten Fällen die Drehung des Südwindes über dem Alpenkamm aus südöstlicher Richtung in südwestliche übergeht und der Föhn erlöscht oder « heimgeht », wie der Glarner sagt. Wie aus einer Düse bläst der Luftstrom aus dem Föhnknie über die Alpen hinweg, und wo im Talgrund im Lee die oben beschriebenen Bedingungen vorhanden sind, stürzt ein Teilstrom als Föhn in scharfem Bogen in dieses Tal.

Es hat sich gezeigt, dass der Föhn im Laufe grösserer Zeiträume in verschiedener Häufigkeit auftritt und innerhalb eines Jahres eine deutliche Periodizität aufweist. So zeigt sich ein ausgesprochenes Maximum im Frühling, ein zweites im Herbst, ein kurzes Minimum im Januar, ein längeres, ausgesprochenes im Sommer. Diese Erscheinung rührt wohl davon her, dass im Frühling und Herbst häufigere Ansammlungen ruhender Kaltluft, verbunden mit Inversion, vorkommen, wodurch der Höhenwind leichter luft-verdünnte Räume ansaugen kann und gezwungen wird, seinen Weg durch diese zu nehmen. Die folgende Tabelle, aus Aufzeichnungen der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt zusammengestellt, lässt deutlich das Frühjahrsmaximum und Sommerminimum erkennen und ist gleichzeitig ein Beleg für die viel grössere Häufigkeit der Föhnvorkommen im Talhintergrund als in der Talmitte.

Föhntage der Jahre 1907 bis 1928 StationJan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.T.otal Glarus11 20 40 49 39 20 G 8 9 26 19 22 269 Auen-Linthal.. 22 35 68 76 67 27 19 20 29 50 45 45 502 Von 60 Föhntagen, welche der Verfasser vom Dezember 1924 bis Dezember 1928 besonders genau beobachtet hat, entfallen:

60 Tage oder 100 % auf die Station Auen-Linthal, 42 » » 70 % » » » Glarus, und nur 5 » » 8,3 % » » » Zürich.

Von diesen 5 Fällen in Zürich war nur ein einziger, derjenige vom 15. Februar 1925, ein Föhn, der als typischer Alpentalföhn angesprochen werden konnte. Die vier übrigen Fälle waren nur die äussersten Ausläufer weitausgreifender Glarnerföhne. Solche Fälle kommen zur wärmeren Jahreszeit vor, wenn im Zürichseetal wohl eine windstille, aber warme Luftmasse liegt, keine schwere Kaltluft, so dass das Aufgleiten der Föhnluft des Glarnerlandes unterbleibt und diese, sukzessive an Energie einbüssend, gerade gegen Norden zu ausstreicht.

Die oben zitierten 60 Föhntage gehörten zu 33 kräftigen Talföhnen, welche sich für die Station Glarus auf die Jahre und Monate wie folgt verteilen:

Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

1924. ..3 1925... 5— 2 1— 1— 12 1926... 3 1— 14 6 — 1927... 3 233 — 1928... 2 — 5 6— 13 2 —

2 11 88241017 11 5

In den Alpen kommt noch ein anderer föhnähnlicher Wind vor, der in gewissen Tälern erhebliche Kraft erreicht, so dass er vom Laien oft mit dem echten Föhn verwechselt wird. Es ist das der Hochdruck- oder Antizyklonalföhn, der so genannt wird, weil er, im Gegensatz zum eigentlichen Tiefdruckföhn, bei hohem Barometerstand auftritt, also dann, wenn eine Antizyklone über dem Alpenland lagert. Der Hochdruckföhn unterscheidet sich in gar vielen Punkten vom Tiefdruckföhn; auch der bodenständige Älpler nennt nur den letzteren kurzweg « Föhn », bezeichnet jedoch die anderen, nur ähnlichen Windverhältnisse als « föhnig ».

Während der « Talwind » seine Entstehung dem Auftrieb warmer Luft verdankt, der « Bergwind » umgekehrt dem Absinken kalter, also spezifisch schwerer Luft, entsteht der Hochdruckföhn aus dem einfachen Druckgefälle vom Scheitel eines Hochdruckgebietes zu den Flanken mit abfallendem Luftdruck. Der so entstehende sanfte Luftstrom kann gleichzeitig auf beiden Seiten der Alpen als leichter Nord- resp. Südföhn auftreten, wenn der Scheitel des Hochdruckes direkt über den Alpen liegt. Die Luft ist dann über dem Gebirgskamm völlig ruhig ( ideales Bergwetter !) und nimmt erst im Tallauf und besonders im schmalen Ausgang der Alpentäler, wo der gesammelte Luftstrom durch einen engen Querschnitt in das Alpenvorland hinausströmen muss, bedeutendere Geschwindigkeit an. In der kalten Jahreshälfte sind die tiefen Talschüsseln mit träger Kaltluft gefüllt. Der von oben kommende, im Fallen warm gewordene Luftstrom fährt sanft über die Kaltluft hinweg, nimmt dabei föhnigen Charakter an, erreicht aber nur an orographisch bedingten Stellen bedeutende Windstärke, hat also niemals zerstörende Wirkung. Letzterer Fall kann erst eintreten, wenn durch das Herannahen einer barometrischen Depression ein bedeutender Gradient entsteht und bei Vorliegen weiter oben beschriebener Bedingungen typischer Föhn, der Gradientföhn, losbricht, wobei bemerkenswert ist, dass nicht ein allmählicher Übergang aus dem Hochdruckföhn in den Tiefdruckföhn stattfindet. Der Hochdruckföhn wird durch die Saugwirkung des einsetzenden Höhenwindes im Gegenteil unterbrochen, und der Tiefdruckföhn setzt im Talgrund plötzlich ein.

Der Hochdruckföhn kommt im Reusstal zu besonders häufiger Entwicklung wegen dessen orographischen Verhältnissen. Der Abfluss der Luft aus der breiten Schüssel des Urserentales durch die schmale Schöllenenschlucht nach dem 300 m tiefer liegenden Göschenen muss hier zeitweise eine sehr merkliche Stärke erreichen, so dass der Hochdruckföhn hier nicht sehr viel hinter dem Gradientföhn zurücksteht. Im Kanton Glarus dagegen ist der Hochdruckföhn nur schwach ausgebildet, nicht viel stärker als der sanfte Bergwind. Bemerkenswert wird er nur etwa bei Ziegelbrücke. Der typische Tiefdruckföhn wird dagegen in Glarus mindestens ebenso häufig und so stark wehen wie in Uri.

Die wichtigsten Föhntäler der Schweiz sind, von Osten nach Westen gezählt: das Rheintal von Chur abwärts, das Linthtal, das Reusstal, Engelbergertal, Haslital und untere Rhonetal. In anderen Tälern, auch ausserhalb der Schweizeralpen und in den Gebirgen der ganzen Welt, können auch die Bedingungen für föhnähnliche Winde vorhanden sein. So erweckte das Auftreten von Föhn in Grönland zuerst den Zweifel an der Richtigkeit der sogenannten « Saharatheorie ». Der Verfasser hat auch im tropischen Brasilien am Abhang des Orgelgebirges und der Serra do Mar bei Santos in der kühlen Jahreszeit föhnähnliche Winde beobachtet.

Da das Glarnerland zu den Quertälern der Alpen gehört, wo der Föhn in besonders typischer Form vorkommt, sollen die verschiedenen Föhne und föhnähnlichen Winde des Linthtales zum Vergleich in der folgenden Tabelle zusammengestellt werden:

Südseite Alpen- Nordseite Hügelland Tessin gebirgskamm A. Linthal Ziegelbrücke Zürich-Basel sanftes Scheitel des sanftes Druckgefälle nach Norden Druckgefälle Hochdruckes, So Antizyklonal- nach Süden hell warm S1 bis S2 S1 bis S0 oder Hoch- Barometer hell, warm hell, warm druckföhn Nordföhn, windstill, hell,, hoch Im Winter: Kältesee auf dem Boden, Nebel Hochdruck starkes Druckgefälle zur Depression hin Gradient- od. Südsturm, ( rückläufig ) Überschiebung auf Kaltluft Tiefdruck- Föhnmauer, Föhnsturm, bed. Nebel föhn Regen Sprühregen Aufhellung, bewölkt oder Regen oder Schnee Barometer tieft und Nordwind Hochdruck starkes Druckgefälle zur ozeanischen Depression hin « Dimmer- Südsturm, kühler verheerende föhn » Regen Regen oder Südsturm, Föhnwirbel Föhnsturm Schnee Sprühregen und fahle'Föhnmauer-« Dimmer » Beleuchtung Druckverhältnisse wie beim Gradientföhn, „...,.. jedoch Turbulenz im Talgrund Gewohnlicher. Südwest leichter starker Süd-oder Südsturm, in der Höhe Südwind mit wind mit Tauwetter- bewölkt. Wolken, Föhnstösse Regen und Regen und wind bis hell 3edoch keine mit Aufhellg ., durchsich. durchsich- 4 Maue ", in der Tiefe tiger Luft tiger Luft Niederschlag Luftruhe Tauwetter, Hochwasser Als Beispiel für den letzteren Typus, den gewöhnlichen Südwest- oder Tauwetterwind, sei der 17. November 1928 aus vielen ähnlichen Fällen herausgegriffen. An diesem Tage war ein starker Gradient vorhanden, über 30 mm Druckabfall von den Alpen zur Nordsee. Dieser bewirkte einen sehr heftigen Südsturm über dem Alpenkamm. Trotzdem hatte Glarus keinen Föhn, weil eine andere Bedingung, die ruhige, träge Luft im Tale, fehlte. Anstatt jäh ins Tal zu fallen, ging der Höhensturm, allmählich sich senkend, direkt gegen die Depression hin. So blieb diesmal der Talhintergrund im natürlichen Windschutz, und der Wind wurde erst mit zunehmender Entfernung von der schützenden Gebirgsmauer stärker verspürt. Die Luft war warm, aber feucht, die Alpen auch von Zürich aus überaus klar sichtbar, während sonst bei echtem Föhn in Glarus die Berge von Zürich aus selten sichtbar sind, weil Zürich im Dunst oder Nebel des Kaltluftschildes steckt.

Der Volksmund sagt: « Der Föhn leert aus. » Dieser Ausspruch ging aus der Erfahrung hervor, dass dem Föhn gewöhnlich schlechtes Wetter auf dem Fusse folgt. Es ist das jedoch nicht stets der Fall, was leicht zu erklären ist.

Der Föhn verdankt ja seine Entstehung dem Vorüberzug der barometrischen Depression, und es hängt der Eintritt und Grad des Schlechtwetters davon ab, wie das Föhntal in den Bereich der Böenlinie des Zyklons kommt. Zieht die Depression sehr nahe an den Alpen vorbei, dann wird der Druckgradient gross und damit der Föhn heftig sein, und die nachfolgende Schlechtwetter-seite des Zyklons wird die Alpen in voller Stärke treffen. Entfernt sich aber das Tief rasch gegen Norden, dann kann es mit blossem Auftreten stärkerer Bewölkung sein Bewenden haben. Der Hochdruck rückt von Süden her über die Alpen nach und erhält das schöne Wetter in den Alpentälern, während vielleicht die Nordwestschweiz noch im Bereich der Begenzone der abziehenden Zyklone ist und Schlechtwetter verzeichnet.

Der Name Föhn ist nach Billwiller die Verdeutschung eines in den rätoromanischen Dialekten in verschiedenen Formen auftretenden Wortes fa-voign, fuogn, fuin etc., vom lateinischen favonius = warmer Westwind.

Ursprünglich wurde der Name Föhn nur für den Fallwind des Alpentales gebraucht, später auch auf den warmen Südwestwind des Alpenvorlandes angewendet. Diesen beiden Winden, weil sie dem gemeinsamen Süd-Nord-höhenwind entstammen, wurde bis vor kurzem die gleiche Ursache als Entstehung zugeschrieben; nämlich:

« Aspiration der Luft aus den Tälern durch die nördlich vorbeiziehende Depression und Nachfluss von Ersatzluft über den Alpenkamm als Föhn. » Für den Föhn, wie ihn der Bewohner des Alpenvorlandes kennt, ist diese generelle Erklärung ausreichend; sie steht jedoch, wie wir gesehen haben, in starkem Widerspruch zu vielen Erscheinungen des Alpentalföhnes. Wir müssen zwei Dinge auseinander halten: die objektiven, durch Messinstrumente nachweisbaren Erscheinungen und die subjektiven Erklärungen über die Entstehung dieser Erscheinungen. Dass der Glarnerföhn so ist, wie er eingangs beschrieben wurde, wird wohl niemand bestreiten können, dagegen kann eine gute, subjektive Erklärung von heute durch eine bessere von morgen ersetzt werden, dessen ist sich der Verfasser bewusst, sicherlich aber nur durch einen, der die objektiven Erscheinungen an Ort und Stelle gründlich kennt. Es genügt nicht, nur den Föhn des Alpenvorlandes zu kennen, um Schlüsse auf den Alpentalföhn zu ziehen, oder gelegentlich eine der Phasen des echten Föhnes erlebt zu haben. Man muss diesen Wind vom Vorland bis zum Talabschluss, in der Talmitte und zu oberst im Gebirge, von der ersten bis zur letzten Phase beobachtet haben, um zur Überzeugung zu kommen, dass wir im Alpentalföhn und dem Föhn des Alpenvorlandes zwei verschiedene Winde vor uns haben, zwei Söhne des gemeinsamen Vaters, des Höhensüdwindes. Es sollte daher Klarheit in die Nomenklatur gebracht werden.

Die Meteorologen unterscheiden in jüngster Zeit zwei Hauptwinde. Sie sagen:

Bei Existenz einer Antizyklone ( Hochdruck ) über den Alpen entsteht Antizyklonalföhn oder Hochdruckföhn.

Bei Existenz eines Tiefdruckes, vor oder hinter den Alpen, entsteht Gradientföhn oder Tiefdruckföhn.

Dieser Tiefdruckföhn ist wieder unterzuteilen, denn er tritt in zwei, in ihren Eigenschaften verschiedenen Formen auf, je nach Umständen zu verschiedenen Zeiten, einzeln oder auch gleichzeitig, als:

1. Alpentalföhn oder kurz Talföhn, in Quertälern, lokal, physikalisch und orographisch bedingt; 2. Alpenvorlandföhn oder kurz Vorlandföhn, im Alpenvorland in breiter Front auftretend.

Der Föhn ist uns Alpinisten nun kein Unbekannter mehr, dennoch wird er seiner rauhen Manieren wegen niemals unser Freund sein. Von ferne bewundern wir respektvoll seine unheimliche Grösse und Kraft. Verlockend, aber trügerisch ist sein Glanz und die farbige Pracht, die er über die Berge ausbreitet, abweisend und hart greift er den Verwegenen an, der sich verleiten lässt, ihm zu nahe zu kommen.

Literaturverzeichnis.

1. Billwiller, R., sen.: Erklärung des Herabsteigens des Föhns in den Alpentälern. Met. Zeitschrift. Wien 1878.

2. Billwiller, R., jun.: Neue Untersuchungen über die Dynamik des Föhns. Verhandl. S. N. G. Altdorf 1912.

Der Glarner Dimmerföhn. Actes S.H.S.N. Fribourg 1926.

3. Brockmann-Jerosch, H.: Die Vegetation der Schweiz.B.ern 1912. Abschnitt C « Föhn und Bora ». Seite 404 u. ff.

4. Ficker, H. von: Innsbrucker Föhnstudien. IV. Denkschrift d. math. naturw. Klasse d. k. Akademie der Wissensch. Wien 1910.

5. Frey, Hans: Die lokalen Winde am Zürichsee. Neujahrsblatt der Natf. Ges. in Zürich 1926.

6. Hann, J.: Zur Frage über den Ursprung des Föhn. Met. Z. Wien 1866.

Einige Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Ansichten über den Ursprung des Föhn. Met. Z. Berlin 1885.

7. Heer und Blumer: In « Gemälde der Schweiz », St. Gallen und Bern 1846.

Der Kanton Glarus, III. Abschnitt, Klima des Landes.

8. Herzog, J.: Der Föhn. Auftreten, Erklärung und Einfluss des Föhns auf Klima und Organismen. Jahresbericht der st. gallischen naturw. Ges. 1889/90.

9. Huber, B.: Luftelektrische Beobachtungen und Messungen bei Föhn. Verhandl.

S. N. G. Bern 1914.

10. Maurer, J.: Aus langjährigen Aufzeichnungen des Schweizerföhns. Met. Z. Braun- schweig 1909.

11. Peppler, W.: Zur Aerologie des Föhns. München-Leipzig 1926.

12. Schröter, C: Das Pflanzenleben der Alpen. Zürich 1926. Abschnitt: Das Alpenklima, S. 99.

13. Streif {-Becker, R.: Über den Glarnerföhn. Vierteljahrsschr. d. Natf. Ges. Zürich 1925.

Contribution à l' étude du fœhn. Archives d. Sc. phys. et nat. Genève 1925. Altes und Neues über den Glarnerföhn. Mitteilungen d. Natf. Ges. des Kantons Glarus. 1930.

14. Wild, H.: Über den Föhn und Vorschlag zur Beschränkung seines Begriffes. Denkschr.

S. N. G. Zürich 1901.

Feedback