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Der schwarze Schnee

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/. Brun, gew. Direktor des botanischen Gartens zu Genf.

Der schwarze Schnee.* ) Protococcus nivalis, forma nigricans. Von Auf unsern Alpen bemerkt man häufig da, wo der Firn in Schnee übergeht und die Tröpfchen des Schmelzwassers auf der Gletscherfläche zu kreisen beginnen, eine schwarze Substanz oberflächlich ausgebreitet, welche den Schnee russig färbt. So sagte uns am 2. August 1875, als wir oberhalb -der Séracs des Taculgletschers eine Höhe von circa 2000™ erreicht hatten, der Führer: « Sehen Sie, meine Herren, sieht es nicht aus, als lägen Pulverkörner auf dem Schnee? » Wirklich war auch die ganze Oberfläche übersäet von einer Menge kleiner schwarzer Häufchen, dem Flintenpulver nicht unähnlich, glänzend und rundlich, aber weich und schleimig anzufühlen. Ich sammelte etwas von diesemAus dem Echo des Alpes, N° 4, 1875, übersetzt.

Die Red, Pulver, legte es in Filtrirpapier und wickelte Leinwand darum; so konnte das Schmelzwasser des Schnees allmälig durchsickern, die schwarze Substanz blieb allein und unversehrt auf dem Papier zurück und wurde zur ruhigen Untersuchung zu Hause aufgehoben.

Was ist die Ursache dieser schwarzen Färbung des Schnee's? Das ist die Frage, deren Lösung ich mir vorgenommen habe. So viel ich weiss, sind darüber noch keine Beobachtungen gemacht, wenigstens keine veröffentlicht worden.

Schon längst hatte ich gewünscht, diese Substanz zu untersuchen; ich hatte sie häufig gefunden, unter Anderem auf dem Buet und Galenstock, am Beichgrat, in ungeheurer Menge und Verbreitung auf dem Otemmagletscher, dann auf dem Sanfleuron, dem Sidelhorn und dem Wildstrubel u. s. w. Dieses Jahr erhielt ich dieselbe vom Furggengletscher am Matterhorn und von den Hochfirnen des Montblanc. Trotz der Verschiedenheit der Fundorte sieht der Schnee immer nahezu gleich aus. Er enthält immer: 1 ) einen sehr feinen Mineralstaub, Detritus- der umgebenden Felsen in äusserst feiner Vertheilung; 2 ) organische Theilchen, Ueberreste der Thalvegetation, durch den Wind in die Höhe geführt und hie und da mit kleinen Fragmenten von Insektenflügeln und Beinen vermischt. 3 ) gewahrt man darin unter dem Mikroskop eine Menge brauner Körner und schwärzlicher, zelliger Massen ( fig. 9 u. 10 ), welche die Ursache der charakteristischen Färbung sind: russig im Schatten, aber glänzend schwarz, wenn der Schnee in der Sonne glänzt. Die Farbe der Mineraltheilchen fällt dabei kaum in Betracht; die Färbung rührt nur von der organischen Substanz her.. Im Ganzen kann man sagen, dieses Gemisch bilde eine dünne Humusschicht der Gletscherregion, im teigartigen Zustande schwarzbraun, mit Wasser verdünnt fahlroth-braun, getrocknet schiefergrau.

Zerstört man die Substanz durch langsames Erwärmen, so zersetzt sich die organische Substanz oft unter Entwicklung eines stechenden Ammoniakgeruches, wobei angefeuchtetes rothes Lackmuspapier schwach gebläut wird. Dann verschwindet die schwarze Färbung und es erscheint die gewöhnliche Farbe der umgebenden Gesteine. Es ist also unzweifelhaft die organische-Substanz, welche die Färbung bedingt. Erhitzt man bis zur Kothgluth, so wird die Asche rostfarbig und stark eisenschüssig.

Fügt man zu dem Staube, wie er trocken vom Gletscher kommt, etwas destillirtes Wasser, so entwickelt sich das Leben darin binnen 1-2 Tagen;, unter dem Mikroskop erblicken wir Vibrionen, Mo-naden und verschiedene Infusorien; und neben diesen Sporenfig. I u. 2 ), und zwar in ungeheurer Menge. Dieselben messen durchschnittlich'20o mm, sind von ovaler, oft schwach cylindrischer Form und grüngelb-lich oder fahlgelb gefärbt.

Man bemerkt in ihnen einen, häufiger zwei etwas excentrisch liegende Kerne von dunklerer Farbe. Alle entsprechen einer einzigen Pflanzenart und müssen an Ort und Stelle entstanden sein; denn wären sie durchRichtiger Brutzellen oder Keimzellen, ( jonidien.

M4Brun.

dünne netzartige Säcke von verschiedener, bald eiförmiger bald sphäro'idaler Gestalt und grünlich gelber, fahlgelber, brauner und schwarzer Farbe.

Was ich nun bei dieser Untersuchung entdeckte, kam mir durchaus unerwartet. Ich fand nämlich: 1 ) einige Exemplare des Protococcus nivalis, der hübschen Alge des rothen Schnees und 2 ) eine bis dahin unbekannte Varietät oder richtiger Nebenform desselben, die ich Protococcus nigricans nennen will und die, in weit grösserer Menge verbreitet, auf unseren Gletschern eine viel wichtigere Folie spielt. Ich habe alle Entwicklungsstadien dieses eigenthümlichen Organismus zugleich in den Rückständen des gesammelten Schnees beobachten können und bin zu dem Schlüsse-gelangt, die schwarze, gelbe, grüne und rothe Färbung: des Schnees rühre von einer und derselben Alge in. verschiedenen Altersperioden her, allerdings von zwei Varietäten oder Typen derselben, welche vielleicht wohl den, Rang besonderer Arten beanspruchen könnten.* ) Um die Entwicklung dieser Algen beobachten zu können, habe ich nacheinander trockene und noch ganz feuchte Rückstände von verschiedenen Fundorten verwendet. Diese Untersuchung hat nur den Zustand des Pflänzchens zur Zeit der Einsammlung konstatirt. Sobald; dasselbe aus seinem Lebensmedium, dem Schnee, entfernt war, schien mir seine fernere Entwicklung zu kränkeln; die lebhaften Farben verloren ihren Glanz.,Vergl. Darwin. Origin of Species.

Schnetzler. Entretiens botaniques. Chap. V..

ohne dass übrigens dadurch die Beobachtung des Entwicklungsganges gestört worden wäre.

Angenommen alle beobachteten Varietäten bilden zusammen nur eine botanische Species, so hat sich mir für die Entwicklung derselben Folgendes ergeben:

Zuerst schwillt die äussere farblose Hülle der Sporen ungeheuer an ( fig. 4 ), sättigt sich mit Kieselerde, die sie dem Wasser entnimmt, wird rundlich und erhält das Aussehen einer weichen, durchscheinenden Gallerte. Unterdessen schwillt auch der Zellkern stark an und wird schliesslich ebenfalls rund. Er gleicht dann einer blassblauen, grün- oder fahlgelben Kugel, die später orangeroth schillert und endlich prachtvoll blutroth wird. Diese Farben Wandlungen gehen nicht immer regelmässig von innen nach aussen; öfters beginnt die rothe Färbung mit der Bildung mehrerer Kerne im Innern des Kreises, die bis zur vollständigen Ausfüllung des Raumes anwachsen; ich habe sogar in derselben Hülle rothe, gelbe und grüne Kerne zugleich wahrgenommen. Während nun dieses ölige, durchsichtige Centrum seine Farbe wechselt, bemerkt man, wie darin zugleich eine feine Granulation stattfindet und allmälig sich ausdehnt, und damit beginnt die Bildung der späteren Keimkörner oder Sporen. ( Vergl. Anm. pag. 441. ) Die Hülle des Kernes ist doppelt; die innere ist ziemlich dünn, immer farblos und durchsichtig, umgibt beständig den gefärbten Kern und gleicht einem runden häutigen Sack, der sich bei der Reife weit öffnet. Beim Zerreissen entleert derselbe die Gallerte, in welcher die jungen Sporen enthalten sind. Nach der Entleerung schrumpft der Sack zusammen und bleibt zurück als dünne, halb durchsichtige häutige Schale von gelblicher Farbe und eiförmiger Gestalt mit zierlichen netzartigen oder gewellten Zeichnungen an der Oberfläche ( fig. 4 ). Und damit hat das seltsame Wesen seinen kurzen Lebenslauf, den ich auf 8—10 Tage schätze, abgeschlossen.

Die andere Hülle, die äussere Schale zeigt auffallende Veränderungen und scheint eine sehr wichtige Rolle zu spielen. Ihr Ursprung lässt sich auf die grosse Anschwellung zurückführen, welche der farblose Theil der Spore beim Beginn der Lebensthätigkeit derselben erfährt. Ihre anfangs runde Gestalt wird später eiförmig und umgibt manchmal den gefärbten Kern und seine glasartige innere Hülle nicht vollständig, sondern lässt einen freien Raum übrig, der meiner Ansicht nach für die Entwicklung von Flimmerfäden bestimmt ist. Ist das Pflänzchen gesund, so scheint diese ungeheure gallertartige, plastische Hülle bei der Ernährung mitzuwirken. Sie wird gerade in dem Maasse dünner, in dem der Centralkern zunimmt, oder auch theilt sie sich in Abschnitte und verschwindet endlich vollständig. In diesen Fällen erscheint unter. dem Mikroskop die gefärbte Centralkugel in der Mitte einer sehr breiten durchsichtigen Scheibe ( fig. 4 ), oder eines sehr dünnen linealen Ringes ( fig. 5 ), oder endlich, fast wie ein Rubin von Perlen eingefasst, mitten in einem Kranze hübscher weisser Fortsätze, welche die Ueberreste der zerrissenen Scheibe darstellen. Diese verschiedenen Formen machen den rothen Schnee aus. Ist aber das Pflänzchen nicht gesund und wie es häufig vorkommt, in seiner Entwicklung gehemmt, so hört der Zellkern auf sich zu vergrössern und die dicke Hülle verliert ihre Durchsichtigkeit. Sie wird filzig oder körnig, färbt sich nach und nach von aussen nach innen braun oder grimbraun ( fig. 7 ) und wird schliesslich mit dem Absterben des Pflänzchens ganz schwarz ( fig. 10 ). Enthielt das Keimkorn nur einen gefärbten Kern ( fig. 2)T so bleibt sie rund, bei zwei ursprünglichen Kernen dagegen eiförmig, oder auch kann sie faltig und unregelmässig werden und gleicht dann schwarzen oder grünlich schwarzen Florfetzen.

Mit einem Wort: bei der gesunden Pflanze verschwindet diese äussere gallertartige Hüllmembran und lässt den gefärbten Kern und seine Glashülle frei, welch letztere sich endlich in eine dünne biegsame Schale verwandelt. Ist dagegen die Pflanze krank und schwach, so behält die Schale ihre ganze Dicke, wird filzig und endlich schwarz, und in diesem Zustande scheint sie zu bleiben, um das Pflänzchen beschützen und ihm später ein Wiederaufleben ermöglichen zu können. Meiner Ansicht nach sind es diese Umstände, denen die Bildung des schwarzen Schnees zuzuschreiben ist, und es verdankt derselbe seine Farbe den unzählbaren braunen Sporen und der grossen Anzahl dieser Hüllenüberreste, die zwischen den lebenskräftigen Individuen zerstreut liegen.

Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass der sporenführende Schleim bald nur aus dem inneren glasartigen Sacke, bald aus beiden Säcken zugleich entleert werden kann ( fig. 8 ). Man kann nicht selten unter dem Mikroskop diese langsame Entleerung der Säcke in das umgebende Wasser wahrnehmen ( fig. 8 A und 8 ), die Masse scheint dann Bewegung zu besitzen.* ) Im ausgewachsenen Zustande misst das Pflänzchen 6—12 100ram; ein Cubikmillimeter kann daher 4—5000 Individuen enthalten.

Was ist nun die Aufgabe dieser eigenthümlichen Hülle? Rei den grossen Pilzarten steckt bekanntlich die eigentliche Pflanze als Pilzfadengewebe ( Mycelium ) im Boden und was wir an der Oberfläche erblicken, ist so zu sagen die Blüthe des Pilzes. Bei den niederen Pilzen, z.B. bei den Sphäriaceen, bleibt das Gewebe als Filz ( Stroma ) im Inneren des abgestorbenen Holzes oder unter der Oberhaut der Rinde, während der Sporensack hervordringt. Ich bin nun der Ansicht, die äussere Hülle unseres Pflänzchens habe dieselbe Aufgabe zu erfüllen, wie das Stroma der Sphäriaceen, ja gewissermassen wie die grüne Schale der Nuss und das Eiweiss des Vogeleis: sie dient zugleich als erster Lebensunterhalt und als Nahrungsreserve. Sowie die Schneealge zu leben beginnt, muss sie notwendigerweise neben Spuren von Kalk und Eisen Kieselerde aufnehmen, um ihre grosse äussere Schale bilden zu können. Nach und nach gehen diese Substanzen in den gefärbten Mittelkern über und auf ihre Kosten scheinen sich die neuen Sporen und die gallertartige Pflanzen-masse zu bilden; dann schwillt das Pflänzchen an, wird blasenartig, schwimmt auf dem Schmelzwasser und entfaltet sich endlich an der Sonne auf dem Schnee, um hier sich zu vermehren und seine Sporen zu zer- streuen. Manchmal besitzt es zwei Flimmerfäden, die wie Arme aus der Schale heraustreten und mit denen es sich im Wasser wie ein Thier bewegen kann.

Die Sporen bilden sich also mitten in einer öligen durchscheinenden Gallerte; der Sporensack ist rund und öffnet sich zur Entleerung der Sporen; die Gallerte ist bei der Entleerung weich und schleimig; die Sporen fallen bei vollständiger Reife, im trockenen pulver-artigen Zustand auseinander und zerstreuen sich in der Luft; ihre Urform ist glatt, rund; ihr Wachsthum geht rasch durch, grosse Zusammenballungen vor sich; ihre Farben sind lebhaft und veränderlich. All diese Kennzeichen zusammen charakterisiren eben so gut die niederen Schlauchpilze wie die einzelligen Algen und zu diesen letztern zählen wir unser Pfiänzchen.

Die Stellung derselben in der Reihe der organisirten Wesen war lange Zeit ziemlich unbestimmt. Noch 1840 hat Carl Vogt den rothen Schnee als ein Infusor beschrieben; heute nennt man diese niedersten pflanzlichen Organismen Protophyten * ). Es sind dies wahrscheinlich die ersten organisirten Wesen, die unsern Erdball bewohnt haben; heute noch sind sie auf feuchter Erde wie im Wasser die ersten Boten des Pflanzenlebens. Sie stellen das lebende Wesen in seiner einfachsten Form dar; die gallertartige Zelle bildet fast für sich allein das ganze Pflänzchen; dieses ist in seiner Jugend immer mit Wimperfäden als Bewegungsorganen versehen, verliertVergl. Cauvet I, pag. 444-449 und 482.

29 dieselben aber bald, wächst aus und vermehrt sich durch Selbsttheilung oder freie Zellbildung.

Nach genauer Untersuchung kann ich bestimmt behaupten, dass unser Pflänzchen diesen allgemeinen Kennzeichen entspricht und dass es sowohl in den wesentlichen Zügen seines Lebens als seiner Fortpflanzung sich der Klasse der Protophyten anschliesst.* ) Auch unser Pflänzchen besitzt die. Fähigkeit, sich nicht nur durch Sporen, sondern durch einfache Theilung in abgerundete Segmente zu vermehren und man bemerkt deshalb auch nicht selten Schalen, die aus 2 oder gar 4 aneinanderliegenden Lappen bestehen.

Was wird nun aus den Sporen, wenn sie einmal sammt ihrer Gallerte entleert worden sind? Sie werden durch das Wasser, das Eis und den Wind zerstreut. Viele derselben werden vom Schmelzwasser dea Schnee's fortgerissen und eilen entweder dem langsam fliessenden Gletscher voran oder werden von seinem Eise gefangen. Sie finden sich dann in den feinsten Spalten seiner Oberfläche und seines Innern. Einige bleiben an Ort und Stelle, aber sehr viele zeigen sich im Gegentheil in bedeutender Höhe, weit über der Region, wo der schwarze und der rothe Schnee gedeihen. Diese Sporen müssen also zu gewisser Zeit trocken, leicht pulver-artig werden und sich vom Winde leicht forttragen lassen; gewiss ist, dass ich sie in Spalten und RitzenVergl. H. B. de Saussure und Shuttleworth. Vogt und Désor, Séjour dans les glaciers, 1842, pag. 215—221. Kützing I, pag. 67, Taf. 1. Rabenhorst, Flora algarum, 1864, pag. 92—94. Schnetzler, Plantes microscopiques, chap. 1, 1873.

des dichten Eises unten am Bossonsgletscher mit allem andern Gletscherschutt vermischt ebensogut gefunden habe, wie für sich allein, ohne Beimengung anderer organischer Theilchen auf den Hochfirnen des Theodul.

Eigenthümlich ist es, dass während die angeschwollenen Sporen ( Fig. 1 u. 2 ), wahrscheinlich wegen ihres Kieselerdegehaltes, schwerer sind als Wasser und darin untersinken, die entwickelte gesunde Alge, besonders'im rothen Stadium, leichter ist; wenigstens schwimmt sie lange im Wasser von 15—20° C. und steigt bei Wasser von 0 — 4 ° sogar an die Oberfläche. Sowie aber das Leben aufhört oder zufällig gehemmt wird, sinkt die Alge unter. Dieser Umstand erklärt, warum wir auf dem Firn den rothen Schnee frei von erdiger Beimischung finden; die Mineralstäubchen und schweren Pflanzentheilchen nämlich, besonders wenn sie schwarz sind und so die Wärme der Sonnenstrahlen kräftig absorbiren, müssen in dem wässerigen Brei, den der Schnee beim Schmelzen an der Sonne liefert, untersinken, während im Gegentheil unser Pflänzchen, sowie es sich entwickelt und gelb oder roth wird, nach oben strebt und sich der Oberfläche des Schnee's nähert. Dann erscheinen eben diese grossen, rosenrothen oder rothen Flecken, die von zahllos gehäuften Individuen gebildet werden, dann auch kann unser Pflänzchen seine Sporen entleeren, die in Berührung mit der Luft reif und trocken werden und sich zerstreuen.

Dass diese Sporen, die wir im Schnee der Alpen finden, nicht aus den Thälern stammen, ist unzweifelhaft. Ihre Entstehung und Entwicklung und ihre Fortpflanzung müssen in der Gletscherregion stattfinden!

Sie leben im Schnee und theilen sein Geschick. Im feuchten, plastischen Schnee bleiben sie stationär, ist aber der Schnee kalt, trocken, pulverig und wird vom Sturmwinde umhergewirbelt, so begleiten sie ihn auf seinen Luftreisen; sonst liesse es sich wohl nicht leicht erklären, wie solche Sporen sich im Firnschnee des Breithorns bei 3800 m Höhe finden können.

Selbstverständlich überwintern diese Sporen im Schnee; vor allzuheftiger Kälte sind sie hier zwar geschützt, aber trotzdem müssen sie starke Fröste und lange Perioden der Trockenheit durchmachen. Erst im folgenden Sommer werden sie zum Leben erwachen und dies nur da, wo ihre Lebensbedingungen zugleich alle vorhanden sind und dafür ist die gleichzeitige Wirkung von Luft und Wasser durchaus nothwendig. Auch die Gletschererde, die dem schwarzen Schnee immer beigemischt ist, können sie, so wenig derselben auch da ist, nicht entbehren, denn der reine Schnee kann ihnen weder Kieselerde noch Kalk oder Eisen bieten. Der Beginn ihres Wachsthumes hängt von der Wärmemenge und also von der Höhe ab; im Juni findet sich der rothe Schnee bei circa 1500 m, im Juli bei 2000, im August bei 2500—3000 m. An demselben Tage ( 2. Aug. ) habe ich am Géant schwarzen Schnee bei 2500, rothen bei circa 2000 m gefunden; ebenso auf dem Furggengletscher beide Schneearten in einer Höhendifferenz von 600—800 m. Alle Sporen, die ich Ende Juli im schwarzen Schnee gefunden habe, waren von Wasser und Kieselerde bereits aufgebläht und schwer.

Nur in den reinen Hochfirnen des Findelen- und Breithorn-, Trift- und Géantgletschers habe ich die- selben noch im Urzustand und vollständig normal gefunden. Sie messen dann höchstens Y3°omm und 1 Cub.mm könnte demnach etwa 25 Millionen derselben enthalten. Sie sind rund, mit dem Kern gerade in der Mitte; ihre fahlgelbe Farbe und ihre Aehnlichkeit mit anderen Algen- und Pilzsporen ist auffallend; der Schnee, der sie enthielt, war für das Auge vollständig rein und blendend weiss; erst als ich die Reinheit des Schmelzwassers dieser Hochfirnen chemisch feststellen wollte, fand ich darin diese Sporen und einige Podurellen ( Gletscherflöhe ).

Stammt der schwarze Schnee vom rothen ab? Folgt der eine immer auf den andern und welcher von beiden erscheint dann zuerst? Haben wir es mit verschiedenen Arten oder mit 2-3 Varietäten derselben Art zu thun? Kann der rothe Schnee während desselben Sommers zweimal an derselben Stelle auftretenDas sind Fragen, auf die mir einstweilen die Antwort fehlt. Spätere Untersuchungen mögen sie entscheiden und Mittheilungen darüber werden mir deshalb sehr willkommen sein. Heute muss ich mich damit begnügen, das folgende zu constatiren:

Im schwarzen Schnee ist die Entwickelung des Lebens krankhaft; man gewahrt darin viele Sporen und weit mehr todte als lebende Individuen; fast sieht es aus, als befände er sich in einer Periode des Stillstandes und warte auf bessere Umstände, um wieder sein Leben anfangen zu können. Im rothen Schnee dagegen erblicken wir kaum kranke Pflänzchen; er ist in vollem Leben begriffen, aber eigenthümlicher Weise enthält er fast keine reifen Sporen. Ohne sehr häufig zu sein, sind doch die Fundorte des schwarzen Schnees weit zahlreicher als die des rothen. Ich habe meinen Notizen zufolge an 42 verschiedenen Orten den schwarzen, aber nur an 3 Orten den rothen Schnee gesehen, der im Ganzen ziemlich selten ist. Leider habe ich nicht fesstellen können, ob die beiden Schneearten an derselben Stelle mehrmals aufeinander folgen; es scheint mir dies wegen der unaufhörlichen Bewegung der Gletscher und ihrer Firnfelder nicht sehr wahrscheinlich. Ich habe darüber mehrere sehr erfahrene Führer zu Käthe gezogen, ohne Antwort zu erhalten. Ein einziger, J. Carrel von Val Tournanche, sagte mir: « Ich erinnere mich, an einem Orte, wo sich dieses « schmutzige Zeug, das Sie den schwarzen Schnee nennen, « fand, ein paar Tage später schönen rothen Schnee « gesehen zu haben; frischer Schnee war nur sehr wenig « gefallen und wo man den Fuss darauf setzte, sah es « aus, als gäbe es grosse Blutflecken. » Jedenfalls finden sich beide, roth und schwarz, in den Vertiefungen, wo alter Schnee liegt oder auf geneigten, muldenartigen Firnfeldern, auf denen sich die organischen Ueherreste ansammeln können; nie aber habe ich beide zugleich an derselben Stelle gefunden* ).

Im Ganzen ist der Protococcus mit schwarzer Hülle vielmehr verbreitet, als ich zuerst vermuthet hatte. Er findet sich sogar hie und da in den inneren Wänden der Gletscherspalten, wo er dünne, gestreifte Schichten von schwarzem, weichem Eise bildet, abwechselnd mit dickeren und helleren Schichten schön durchsichtigenVergl. Jahrbuch V, pag. 649: Jahrb. IV, pag. 442.

Eises. Er ist dann gefroren und leblos; die Sporen, sowie die grünen und rothen Kugeln sind selten und neben dem Mineralstaub machen die schwärzlichen Schalen der abgestorbenen Individuen fast die ganze Masse aus. Kurz, der schwarze Schnee findet sich überall in der Gletscherregion, im alten und im neuen Schnee, im körnigen und im festen Eise, auf den Hochfirnen und als getreuer Begleiter im Gletscher. Der schwarze Schnee ist es auch, der durch sein häufiges und reichliches Vorkommen als Lebensgrundlage und Vorrathskammer für den rothen, gelben und grünen Schnee dient, die immer von derselben Grundlage ausgehend, uns nur als gelegentliche Entwicklungsstufen, als augenblickliche Triebe erscheinen.

Würde man schwarzen, rothen, gelben* ) und grünen Schnee, wie er sich in den Polargegenden findet, untereinander mischen und dieses Gemisch aufmerksam unter dem Mikroskop untersuchen, so könnte man leicht glauben, 2 oder 3 verschiedene Arten vor sich zu haben. Nun sind allerdings die einzelnen Individuen in Form und Farbe oft sehr verschieden; die einen sind kuglig, die andern eiförmig, die bleiben lange grüngelb, jene ebenso lange roth; die einen bilden schliesslich einen dünnen rothgrünlichen Sack, die andern einen dicken, schwarzen. Immerhin aber genügen diese Verschiedenheiten nicht zur scharfen Trennung verschiedener Arten. Gerade die Thatsache, dass diese verschiedenen Färbungen an ein und derselben Stelle im Schnee vorkommen, scheint dafür zu sprechen, dass Vergl. Jahrbuch III, pag. 475.

sie nur drei Entwicklungsphasen eines Pflanzenlebens-entsprechen. Uebrigens lassen sich in meinen für das; Mikroskop hergestellten Präparaten alle Zwischenstufen zwischen grün, roth und schwarz beobachten und auch die Uebergänge in den Formen sind vollzählig vorhanden.

Diese Varietäten mögen wahrscheinlich durch Verschiedenheiten des Luftdrucks, des Bodens, des Lichtes. und der Wärme, der Feuchtigkeit und der Höhe bedingt sein; bekanntlich ist ja gerade in den Hochregionen der Einfluss dieser Factoren ein sehr wechselnder. Auf die Grösse und Farbe der einzelne » Individuen wird auch das schnellere oder langsamere-Wachsthum oder gelegentliche Unterbrechung desselben haben einwirken können. Plötzliche, lang anhaltende Kälte oder ein starker Schneefall im Sommer können wahrscheinlich die Entwicklung unseres Pflänzchens selbst in voller Lebenskraft geradezu zum Stillstand bringen. Das Pflänzchen des rothen Schnees wäre und bliebe also die typische Form der Alge und für diese neue Varietät schlage ich den Namen Protococcus mit schwarzer Hüllmembran, oder Protococcus nivalis, forma nigricans vor.

Ich habe filtrirtes Wasser, welches die schwarze Alge enthielt und vom Paneirossazgletscher, 2800 mr herstammte, chemisch untersucht. Es enthielt im Liter 7 Milligramm kohlensauren Kalk, aber nur 2 Milligramm Kieselerde. Es zeigt dieses Kesultat, dass die Wassermenge, welche durch Endosmose im Innern dieser kleinen Pflänzchen circuliren muss, um deren Hülle zu bilden, verhältnissmässig ungeheuer sein muss, bis alle nothwendige Kieselerde aufgenommen und assimilirt ist. Ich habe berechnet, dass 1 Gramm dieser Schalen ungefähr 25 Centigramm Kieselerde enthält und demnach 125 Liter Wasser zu seiner Bildung bedarf. Diese beständige Bewegung des Wassers um die Millionen kleinster Wesen begünstigt und unterhält das Schmelzen des Schnee's, und auch die Absorption der Sonnenwärme durch die dunkeln Schalen trägt dazu bei. Dazu kommt noch eine eigentliche chemische Wirkung der lebenden Pflanze, so zu sagen eine chemisch wirkende Lebensthätigkeit; im Schnee tritt eine Art Gährung ein und schmilzt denselben: so kann auch das unendlich Kleine mit seiner langsamen, millionenfach wiederholten Wirkung oft zu grossen Resultaten führen. Unser Protococcus wirkt mit bei der Bildung des Wassers, das befruchtend von den Gletschern in unsere Thäler fliesst.

Dass eine lebende Pflanze im Schnee vorkommt, erscheint vielleicht wunderbar; wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Lebensformen sich nach ihrer Umgebung und Lage modifiziren können; übrigens entbehrt der Schnee durchaus nicht aller Bedingungen, die für das Leben nothwendig sind; es fehlt ihm nicht an Wasser und Licht und da er schwammartig ist, auch nicht an Luft. Wenn ein Thier, der Gletscherfloh, darin lebt, so kann auch ein Pflänzchen darin existiren. Erst wenn der Schnee zu festem Eise geworden ist, hört das Pflanzenleben ganz darin auf, so lange er aber noch porös und pulverig ist, kann man ihn als eine eigentliche, frische und feuchte Pflanzenerde ansehen. Die Temperatur des schmelzenden Schnees, 0°, ist nicht weit unter derjenigen yon 4 °, die den Thieren des Meeresgrundes genügt. Auch die Elektrizität der Luft, die bekanntlich für die Pflanzenentwicklung so wichtig ist, fehlt in den Hochregionen nicht, denn gerade hier finden wir ja die grössten Temperaturkontraste und die heftigsten Luftbewegungen, also zwei Hauptursachen der Elektricität. Gewisse Cryptogamen-Sporen können der Glühhitze der Sahara widerstehen, warum sollte es nicht anderen möglich sein, ohne zu Grunde gehen zu müssen, die grössten Kälten unserer Berge aushalten zu können?

Das Wasser löst bei 0° mehr Kohlensäuregas auf, als wenn es wärmer ist. Je frischer und poröser der Schnee ist,desto reichlicher kann diese Absorption stattfinden* ). Dieses gelöste Gas ist nun ein wichtiges Nahrungsmittel für die Pflanzen; sowie das Wasser gefriert, verliert es allerdings das Gas; aber wir wissen, dass der rothe oder schwarze Schnee nur dann gedeihen, wenn der Firn in die Periode des anhaltenden Schmelzens eintritt und die Nächte nicht mehr sehr kalt sind. Dazu sind die Gletscher auch kräftige Condensatoren der athmosphärischen Feuchtigkeit** ). Da wo die Luft sie berührt, setzt sie ihre Wasser ab, wie an einer kalten Glasscheibe, und mit dem Wasser setzt sich auch das Ammoniak ab, welches die Luft hie und da enthält, und welches nunDas ist auch wahrscheinlich der Grund, warum schmelzender Schnee den Kalkstein rascher angreift als Eegen- oder Flusswasser. Die Karrenfelder bilden sich, hauptsächlich da, wo Schnee in Masse schmilzt.

Vergl. Echo des Alpes 1874, pag. 243.

die Rolle eines Düngemittels spielt. Der Schnee der Alpen kann also wohl als Boden gelten, es fehlt ihm weder an Luft und Wasser, noch an Licht und Electricität, selbst nicht an Dünger, und ohne die verderbliche Kälte könnte er noch viele andere Pflanzen ernähren.

Lässt man die wässerige Masse, die der schwarze Schnee beim Schmelzen gibt, an der Luft liegen, so zeigt sich oft sehr bald der stinkende Geruch ver-wesender, stickstoffhaltiger Körper; trocknet man aber diese Substanz ganz allmälig, so stirbt der Protococcus nicht ab, sondern bewahrt so getrocknet merkwürdiger Weise die Fähigkeit, selbst nach mehreren Monaten wieder aufzuleben. Ja sogar der schwarze Schnee, den ich 1865 am oberen Bossonsgletscher gesammelt, sorgfältig getrocknet und 10 Jahre im Fläschchen aufbewahrt hatte, erwachte unter der Einwirkung des Eiswassers wieder zum Leben.

Ich hatte dieses schwarze Pulver in das Filtrum eines G-lastrichters gelegt und von Zeit zu Zeit ein Stück Eis zugegeben. Das Wasser sickerte tropfenweise durch und die Algen blieben auf dem Papier zurück. Mit Ausnahme der allzu alten Individuen mit bereits offener Hülle liessen sie deutlich allmälige Färbung und Anschwellung wahrnehmen. Es lässt sich somit leicht begreifen, wie unser Pflänzchen dem rauhen Klima der Schneeregion Trotz bieten und ohne Lebensgefahr bessere Tage abwarten kann. Erfahrungsgemäss werden im Schnee zurückgelassene Seile, Stöcke etc. ziemlich rasch gebleicht und Pflanzen-überreste müssen dasselbe Schicksal theilen. Man könnte nun glauben, das Schwarzwerden der Hülle unserer Alge im Schnee sei eine Art Verkohlung durch den Einfluss der Sonnenstrahlen, deren chemische Wirkung mitten im blendenden Schnee eine bedeutende sein muss. Ich habe aber solche Hüllen von im Allgemeinen brauner Farbe in den Keller gebracht, wo sie mit Luft und Wasser in Berührung und vollständig im Dunkeln waren. Nach 20 Tagen waren sie alle schwarz geworden. Es ist also vielmehr der Sauerstoff der Luft, der sie schwärzt, als das Licht. Ein anderer Beweis dafür liegt darin, dass die Präparate, die unmittelbar in Glycerin getaucht worden waren, bis heute, also während 10 Monaten, ihre Farben unversehrt behalten haben, während diejenigen, welche dem Wasser und der Luft ausgesetzt waren, ganz schwarz geworden sind.

Die erwähnten Farben, grün, gelb ., roth etc. besitzen grosse Widerstandsfähigkeit, denn sie sind weder durch Kochen im Wasser, noch durch Alkalien oder Salzsäure selbst nach mehrstündigem Contact wesentlich verändert worden. Allerdings mag sie der beträchtliche Kieselgehalt der Hüllen gegen die Wirkung dieser Stoffe schützen, denn dieselben haben ebensowenig die Form der Algen merklich zu verändern vermocht.

Die chemische Zusammensetzung der Hülle der Algen und niederen Pilze ist nicht immer dieselbe. Nach meinen Untersuchungen enthält dieselbe bei den auf Kalkboden vorkommenden Arten hauptsächlich kohlensauren Kalk, bei denjenigen dagegen, die auf Rinden, abgestorbenem Holz oder im Wasser leben, ist sie eher kieselerdehaltig. Andere geben vor dem Löthrohr eine hübsche, durchsichtige Perle von kiesel- saurem Kali. Alle, den Protococcus mit inbegriffen, geben eine mehr oder weniger alkalische Asche, die Kieselerde, Eisen und Kalk enthält.

Behandelt man den Protococcus mit Aetzkali, so dehnen sich die Hüllmembranen stark aus und werden braun, dann auf Zusatz einer Säure wieder gebleicht und das Mikroskop zeigt uns dann hübsche zweilappige, durchsichtige Schalen, deren zierliche Zeichnung uns mit Bewunderung für die vollkommene Organisation dieser kleinsten Wesen erfüllt.

Im Porzellantiegel bis zur Rothgluth erhitzt, gab mir die Form nigricans einen rostfarbenen Rückstand. Die Hüllen waren in demselben stark zusammengeschrumpft, röthlich, halbdurchsichtig und in Säuren nicht löslich. Sie enthalten Eisen und Kieselerde und gleichen in ihrer Gestalt dem Blüthenstaub der Tanne. Die Kieselerde bildet aber nicht eine zusammenhängende Hülle, sondern eher ein poröses, plastisches Netz. Sogar eine langsam steigende Calcination lässt nur unförmliche, schwammige Massen zurück, nicht etwa Panzer von bestimmter, scharf umschriebener Gestalt, wie sie die Diatomaceen oder Stückel -Algen aufweisen. Ich habe auf diese Schalen in der Kälte nacheinander Königswasser und gelbes Blutlaugensalz einwirken lassen; sie wurden dadurch grünblau gefärbt. Dabei lassen sich die Hüllen des Pr. nivalis leicht von denjenigen des Pr. nigricans unterscheiden; die ersteren, die wenig Eisensilicat enthalten, werden nur schwach gebläut und bleiben durchscheinend; die letzteren, reicher an Eisen, werden stärker gebläut und undurchsichtig. Uebrigens ist bei dem typischen Pr. nivalis die Hülle zuletzt grau, leicht, an der Oberfläche körnig und lässt deutlich eine kreisrunde Mittelfurche erkennen. ( Fig. 11. ) Bei Nigricans dagegen ist die Hülle am Schluss dick, weniger durchsichtig, stark filzig und ohne deutliche Furche. ( Fig. 10. ) Herr Tarry, Sekretär der franz. meteorologischen Gesellschaft hat ( in den Sitzungen vom 9. Mai und 20. Juni 1870 ) zu beweisen gesucht, der rothe Schnee stamme aus der Sahara und werde von dort durch den Wind hergeführt. Dieselbe Ansicht ist auf pag. 395 des ersten Jahrbuches des franz. Alpenclubs ausgesprochen. Diese Herleitung ist aber durchaus unhaltbar. Ich habe den Saharasand untersucht; er enthält Kalkstein und viel Alabaster ( schwefelsauren Kalk ), selten aber Glimmer. Die chemische Analyse des schwarzen Schnees vom Géant- und Furggengletscher und des rothen vom Géantgletscher hat mir aber keine Spur von Gyps ergeben und der Schnee vom Furggengletscher enthielt sehr wenig Kalk; dagegen erkennt man in demselben leicht Theilchen des für diese Gegend charakteristischen Pennin, dessen dichroidische Blättchen auf den Flächen grün, auf den Kanten roth erscheinen.

Hie und da habe ich in der Nähe des schwarzen Schnees die Podurella B. v. Saussure's, den Gletscherfloh ( Desoria glacialis ), in unzählbarer Menge gefunden.. Nährt sich dieses mikroskopische Thierchen nicht vielleicht von den im Schnee und Eis enthaltenen Sporen? Die unaufhörliche Bewegung und Thätigkeit dieser Podurellen ist auffallend; offenbar sind sie im Suchen ihrer Nahrung begriffen, denn sie sind sehr gefrässig und mit vorzüglichen Verdauungsorganen versehen. Von Luft und Wasser der Schneeregion allein können sie aber nicht leben und doch habe ich sie am kleinen Matterhorn bis zu 3400 m Höhe gefunden. Leider sind diese Gletscherflöhe so tief schwarz, dass man selbst bei starker Vergrösserung im durchfallenden Lichte ihren Mageninhalt nicht sehen kann; da ich aber neben den unter dem Deckgläschen verdrückten Gletscherflöhen Sporen gefunden habe und der mit ihnen zugleich gesammelte Schnee ebenfalls zahlreiche Proto-coccussporen auch in der Umgebung des unversehrten Thieres wahrnehmen liess, so liegt der Schluss nahe, dass diese Sporen der Desoria in ähnlicher Weise zur Nahrung dienen, wie die Lamellen und Sporen der Blätterschwämme der dem Gletscherfloh nahe verwandten Podura armata ( Nicolet ). Ein seltsames Wesen, dieser Protococcus des schwarzen Schnees! Er widersteht der Kälte, der Hitze und dem Druck; den Alkalien und den Säuren, der Trockenheit und der Ueberschwemmung.

Die ungeheure Masse des Gletschers bewegt sich im beständigen Vorrücken, die härtesten Felsen zerreibt oder polirt sie auf ihrem Wege durch ihre ungeheure Wucht, aber dieses winzige Pflänzchen, dieses mikroskopische Bläschen, bietet ihr Widerstand dank seiner Kleinheit und seiner elastischen Hülle. Weder der donnernde Eissturz, noch die Alles verheerende Lawine vermögen es zu zerstören. Im Eis eingeschlossen macht es die Wanderung desselben mit; fehlen ihm Luft und Wasser, wurde es vom Sturme auf kahle Felsen gejagt und ist dort vertrocknet, so kann es Monate, ja Jahre 4 64Brun.

lang wie schlafend ausharren, ohne zu Grunde zu geheni und sowie ein Sonnenblick, ein paar Tröpfchen Schmelzwasser kommen, gedeiht es rasch und vermehrt sich mit merkwürdiger Fruchtbarkeit. Milliardenweise glänzen die schwarzen Körnchen auf dem blendendweissen Schnee; dann überschwemmen die Sporen, von Luft und Wasser fortgetragen, die Alpen vom Fusse bis zum Gipfel.

In allen ihren Werken ist die Natur vollkommen: wie viel Widerstandsfähigkeit, wie viel passive Kraft zeigt dieses unendlich kleine Wesen in seinem Kampfe « m'a Dasein!

Ich habe über der Untersuchung dieses schwarzen Schnees glückliche Stunden verbracht und dieselbe Freude wird derjenige finden, der die Beobachtung fortsetzen und vollenden wird. Seine Mühe wird nicht vergeblich sein, denn es gibt bei diesen wunderbaren mikroskopischen Schneebewohnern noch genug zu untersuchen. Je weiter der Naturforscher seine Forschungen ausdehnt, um so mehr bewundert er die wahrhaft ungeheure Zahl der lebenden Wesen, welche die Natur schmücken, um so mehr neue Arten entdeckt er. Wie vor dem Seefahrer, der die Welt umsegelt, der Horizont je weiter er fährt desto weiter zurückweicht, bis in 's Unendliche, so ist auch der Horizont der Wissenschaft unbegrenzt. Jede gewissenhafte Beobachtung ist nur ein Ring einer endlosen Kette und nie wird es dem Menschen gelingen, Alles zu ergründen.

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