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Der Steinmann

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Kurt Wolf.

Einsam steht auf hohem, firnbedecktem Gipfel der Steinmann.

Harte Hände formten ihn nach schwerer Bergfahrt liebevoll aus rauhen Platten des Gipfelgesteins. Ein Gruss für alle jenen, die die Höhensehnsucht oder der Ehrgeiz auf diesen Berg führen.

Mit Gleichmut erfüllt der Steinmann seine Bestimmung, Wächter zu sein hoch über dieser wirren Welt. Hüter der Ideale der wenigen Höhenmenschen, die ehrfürchtig den schmalen Grat betreten. Zärtlich wird er von ihnen begrüsst, und mit Rührung nehmen sie von ihm Abschied. Lange noch wird er in ihrer Erinnerung fortleben als starker Eindruck einer erhabenen Stunde des Gipfelglücks.

Dann ist er wieder allein.

Allein mit dem Firn, der noch frische Spuren trägt. Schon sind die Elemente dabei, sie auszulöschen. Allein mit der erhabenen Gipfelschau in der Runde — Bergriesen, von gewaltigen Gletschern umsäumt. Nur von weither winken grüne Täler. Festlich grüssen ihn der erste Schein des Tages und das Alpenglühen. Allein mit den kleinen weissen Wölkchen, die feierlich über den weiten Himmel schweben, mit den mächtig sich auftürmenden Cumuli. Manchmal verdecken sie die Sonne. Dann huschen Wolkenschatten über den Steinmann, als wollten sie ein neckisches Spiel mit dem Einsamen treiben. Oft umbrandet ihn sein grauer Freund, der Nebel.

Vertraut ist ihm das Lied des Windes in allen seinen Akkorden. Ihn umspielt der säuselnde Gipfelwind am schönen Sommertag, und des Sturmes Brausen ist ihm gewohnte Melodie.

Ihn stört nicht das Toben des Gewitters. Gelassen schaut er zu, wie der Blitz die dunklen Wolken spaltet und die Nacht auf einen Augenblick gespenstisch erhellt. Nicht erschüttert ihn des Donners Schlag, so wenig wie der polternde Steinschlag ihn schreckt oder das dumpfe Dröhnen der Lawinen.

Seht, wie er ruhig gegen den unwirklichen Föhnhimmel steht oder in der Klarheit der kalten Nacht. Wie ferne Brüder grüssen ihn die Sterne. In heller Mondnacht schenkt ihm der liebenswürdige Planet in seinem Schatten einen stummen Gefährten, der ihn feierlich umkreist. Halten die beiden nicht stumme Zwiesprache?

Sanft rieselt der Schnee vom Himmel und hüllt den Steinmann in ein weisses Kleid. Und der Wind weht ihm einen feinen Grat an oder baut ihm eine mächtige Wächte. Eines Tages wird dann die Sonne wieder auf das rauhe Gestein strahlen und die weisse Kruste schmelzen.

Selten wird der Samen einer Bergblume in seine Höhe getragen. Manchmal vollbringt die Natur aber auch dieses Wunder. Dann spriesst in den wenigen Tagen des Gipfelsommers ein beherzter Gletscherhahnenfuss im Schutt zu Füssen des Steinmanns. Eine Zeitlang mag dieses zarte Glück dauern. Dann geht das tapfere Pflänzlein ein, das Geschenk des Windes, das hoch über den einsamen Gefilden der Gletscher blühte und den Steinmann erfreute.

Nun steht er wieder allein — allein mit der Ewigkeit der Gipfelflur. Einsam hält er Wacht auf erdentrückter Höhe, ein Sinnbild bergsteigerischer Tugenden: Härte und Treue, Schönheit und Freiheit. Ich grüsse dich, lieber Steinmann!

Ein Blatt aus dem Führerbuch des Christian Almer.

Der Tod des Führerveterans Ulrich Almer lenkt auch den Blick zurück auf die ganze Führerfamilie Almer und auf den mit ihr eng verbundenen Dr. Andreas Fischer. Dem Führerbuch Nr. 3 des Vaters Ulrichs, Christians, sei das auf Seite 440 stehende Gedicht Andreas Fischers entnommen, das ebenso gut auch auf den Sohn passen würde. Es war jene Fahrt des 28jährigen, in voller Bergsteigertätigkeit stehenden damaligen Lehrers von Grindelwald, auf der er die folgende reizende Episode mit dem alten Führer erlebt und später in seinem Vortrag: Gefahren und Technik des Bergsteigens ( s. A. Fischer, Hochgebirgswanderungen, herausgegeben von Dr. E. Jenny, S. 284 ) geschildert hat:

« Zeitlebens werde ich mich dabei der heilsamen Lektion erinnern, die mir vor bald zwanzig Jahren der alte Christian Almer am Eiger gab. Es war die Erstbesteigung des Jahres, früh im Juni, und der Berg bis weit herunter vereist. Wir waren allein. Da Almer sich nicht völlig wohl fühlte, ging ich voran bis zu dem wohlbekannten Eiskamm, eine halbe Stunde unterhalb des Gipfels. Mein Gefährte hatte sich inzwischen erholt, doch wollte ich nun gerne die Arbeit bis zu Ende tun und fing an, den Kamm zu bearbeiten. Aber noch war ich keine halbe Seillänge vorwärts gekommen, da sagte Almer: „ Hör ', du machst mir die Stufen zu klein hier müssen wir auch wieder herunter; lass mich jetzt auch ein wenig schaffenSprach 's und trat an die Spitze. „ Lueg, so hei mir alben ghacked. " Und ich wollte, Sie alle wären Zeugen des Schauspiels gewesen, denn ein Schauspiel, und ein ausserordentliches, war es, wie der nahezu siebzigjährige Veteran seinen Eiskamm, den er einst als Erster betreten, nun zum letzten Male behandelte. Es ging ein schneidend kalter Wind, und in des Alten ohnehin schon reichlich verwildertem Barte hingen wunderbar pittoreske Eiszapfen; die Zipfel eines grossen roten Taschentuches, womit er den Hut festgebunden, flatterten munter im Nordwest. Und wie er nun, gleichsam wie ein Künstler seinen Marmorblock, den Kamm bearbeitete, scheinbar ohne bedeutenden Kraftaufwand und doch mit jedem Hieb wirksam und sicher treffend, und eine Treppe herstellte, in deren Stufen sich 's so völlig bequem und sicher stehen und gehen liess; ja das lässt sich eben nur so ungefähr andeuten. Es war das sauberste Stück Eisarbeit, das ich je gesehen, und etwas Ähnliches selbst und gerade so fertig zu bringen, blieb fortan einer meiner ehrgeizigsten Bergsteigerwünsche. »

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