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Die Alpenrose

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Von Dr. H. Christ.

Die Alpenrose Smaragd und rosen blüh n Auch auf zertret'ner beide.Ledum foliis glabris flore tubuloso Enum. Helv. p. 417, et Ledum foliis ovatis ciliatis flore tubuloso Enum. Helv. p. 418.

So fügt Albrecht v. Haller, eben so gross als Sänger wie als Erforscher unser heimatlichen Berge, den herrlichen Strauch in sein erhabenes Naturgemälde « die Alpen » ( 1729 ) ein, und gibt uns, falls die dichterische Schilderung uns nicht klar geworden sein sollte, durch die Note in vorlinneischer Terminologie genauen Aufschluss, dass er von beiden Arten unseres Rhododendron, dem rostfarbenen ferrugineum L. und dem behaarten h ir sut um L. sprechen will.

Wir betrachten meist die Alpenrosen als die Charakterpflanze unserer schweizerischen Alpenregion, und mithin als unser eigenstes Wahrzeichen, so dass wir selbst unsere Münzen damit glaubten schmücken zu sollen. Doch wie die Alpen selbst nur zu einem, wenn auch schönsten und reichsten Theil der Schweiz, und wohl in dreifacher Ausdehung unsern westlichen und östlichen Nachbarn angehören, so verbreitet sich wenigstens eine Art, die rostfarbene, über den ganzen Verlauf der Alpenkette hin, ja, sie kommt auch den beiden weitern westlichen und östlichen Gebirgen, die wenigstens in Bezug auf ihre Pflanzenwelt als Nebenketten der Alpen gelten können, den Pyrenäen und Carpathen zu. Nur die behaarte Alpenrose hält sich, wenn auch nicht streng, so doch ihrer Hauptmasse nach innerhalb der Schweizer Alpen, und nichts steht daher entgegen, dass wir sie — ohnehin die zierlichere der beiden — als unser Symbolum und Schiboleth begrüssen.

Betrachten wir zuerst das Vorkommen unserer beiden Arten genauer.

Dass sie der Alpenregion, d.h. der Höhenlage angehören, welche zwischen der Waldregion und der unwirthlichen Decke ewigen Schnees sich einschiebt, ist uns allen bekannt. Ebenso, dass sie eher die untere als die obere Hälfte dieses Gürtels bewohnen. In einer Höhe von 7000 Fuss beginnen sie schon seltener zu werden. Die Gebr. Schlagintweit geben für das Dauphiné die oberste Grenze auf 7400 Fuss, Sendtner für Bayern'die des Khod.h.irsutum auf 7500 Fuss an, während kleinern Alpenpflanzen bis 9000 resp. 8500 Fuss ihre Rasen noch reichlich entfalten. Martins hat durch verschiedene Messungen die mittlere obere Grenze'auf 2120 m bestimmt, de Candolle nimmt dieselbe zu-2500 m an. Die untere Grenze kann man im Mittel auf 1600 m annehmen; oft aber fällt sie schon mit der obersten Grenze des Laubwaldes zusammen, und 3G2Christ.

zwar so, dass die Alpenrosen häufig an den lichtem Stellen des Nadelwaldes das Unterholz bilden, oder die offenen Räume des obern Waldgürtels einnehmen. In den Thalrinneu steigen sie unter Umständen sehr tief herab, ja bis zu den tiefsten Stellen, die überhaupt am Fusse der Alpen möglich sind. Namentlich ist es die rostfarbene Art, die sich solchen abnormen Standorten anbequemt. Sowohl im Süden als im Norden der Alpenkette sind solche Lokalitäten zu beobachten, wo durch das fliessende Wasser und den Lawinenschnee Colonien von Rhododendren aus der Alpenhöhe bis an den Spiegel unserer Seen verpflanzt wurden und sich erhalten. So am Lowerzersee, an der Nase am Thunersee ( 564 m ). Th. Schlatter gibt an, dass sie im Rheinthal bei Berneck bis zu den Weinbergen ( 600—700 m ) herabsteigen; namentlich an der Südseite der Alpen sind ähnliche Vorkommnisse häufig. Ich sah die Alpenrosen bei Porta im Bergell unter mächtigen Kastanien bei circa 700 m; bei Locarno unweit der Pteris eretica und des Diospyros Lotus 195 m, und de Candolle fand sie am untern Comersee im Hain der Villa Serbelloni mit den Oelbäumen bei 199 m.

Diesem Strauch ist die stete Feuchtigkeit des Bodens, wie den meisten Bergpflanzen überhaupt, ein erstes Lebensbedürfniss. Besonders die rostfarbene Art liebt sogar eigentliches Torfmoor, und nirgends sind ihre Bestände schöner, bis 4 Fuss hoch und von undurchdringlicher Dichtigkeit, als wo sie auf Torf steht. So auf dem sonst so öden Flyschrücken der Schwendi-berge ob Sarnen. Wo also langsam abschmelzender Schnee oder ein Bach genügsame Nässe liefert, da kann Die Alpenrose.3G3 die Alpenrose tief hinabsteigen. Aber noch Eines ist nöthig: Schutz vor Frühlingsfrösten. In den höhern Lagen liefert die Schneedecke diesen Schutz in voll-kommenstem Maasse. Die Ehododendren sind immergrüne Gewächse; ihre starren Lederblätter ertragen die Insolation und die Kälte der Hochregion trefflich. Aber um zu gedeihen, müssen die Blatter in ihrer Entwicklungsepoche, wo sie sich entfalten und nur allmälig aus ihrem weichen Jugendstand zu ihrer widerstandsfähigen Reife übergehen, gegen den Frost absolut geschirmt sein. In der Höbe bedeckt so lange der tiefe Schnee die Sträucher, als die rauhe Jahreszeit und die plötzlichen Sprünge der Temperatur dauern. Ist einmal der Schnee geschmolzen und der Strauch dem Licht ausgesetzt, so ist auch der Alpensommer da, und ungestört kann die Vegetation beginnen. Nicht so in der Tiefe. Hier ist schon längst der Schnee beseitigt, während noch starke Nachtfröste eintreten und den Rhododendren, die bereits in Folge des Licht-reizes und der Tagesinsolation zu treiben beginnen, mit dem Tode drohen. Nur wo tiefe Beschattung, Schutz durch angesammelten Lawinenschnee oder ähnliche lokale günstige Verhältnisse walten, da kann auch bis in die unterste Region die Alpenrose gedeihen, und man wird bei der Untersuchung jener angeführten merkwürdig tiefen Lagen stets finden, dass sie irgend eines solchen Schutzmittels geniessen. Es ist auch erklärlich, wesshalb diese ausnahmsweise tiefen Stationen am Südabhang der Alpen am häufigsten sind. Denn gerade die Südhänge sind die, welche bei weitem die reichlichsten Niederschläge empfangen, und daher feuchte 3tì4Chrht.

Standorte und frischen, stets benetzten Grund selbst in tiefster Lage viel eher ermöglichen, als dies irgendwo sonst der Fall ist. In unsern Gärten verhalten sich unsere Alpenrosen genau wie die exotischen, grossen Rhododendronarten. Sie wollen Laub- oder Heide-grund, wollen geschützt sein gegen die Nachtfröste, und Austrocknung des Grundes bringt sie um.

Das Rhododendron hat, obschon ein immergrüner Strauch, doch als Alpenpflanze eine kurze Vegetationsperiode. Wo das Klima der Tiefe sie zu sehr verlängert, da wird auch die Kultur desselben leiden, und nicht bloss dadurch, dass die Gefahr der Nachtfröste droht, sondern auch durch Erschöpfung der Pflanze, die nun in verlängerter Laubbildung die Kräfte verbraucht, die bei kürzerer Vegetationszeit und rascherem Wechsel von Winter und Sommer, also stärkerem Reiz, sieh auf die Blüthe concentriren. Am besten gelingt die Kultur aus Sämlingen, weil sich diese dem Klima, in dem sie erzogen worden sind, am besten anbequemen. Direkt aus den Alpen nach der Tiefe versetzte Sträucher machen in der Regel wenig Freude.

In dem feuchten Klima und Boden der Niederlande und Englands, wo unsere Alpenrosen zugleich mit den politischen und amerikanischen in Gruppen von Lauberde unter freiem Himmel gehegt werden, gedeihen sie schon entschieden besser, als in unseren Ebenen und warmen Thälern, wo die Austrocknung des Standorts ihnen so häufig ein trauriges Ende bereitet. Nie sah ich einen reichern Gartenflor dieser Alpentöchter, als am Ufer des Meeres in Holland.

Dip obere Grenze des Vorkommens ist dadurch gegeben, dass der Sommer nicht mehr die, für die obschon kurze Vegetationsperiode des Strauches nöthige Dauer besitzt. In Höhen von 9000 Fuss mag die Zeit, während welcher die Erde schneefrei ist und die Insolation die Oberfläche stark erhitzt, wohl noch einer Cherleria, einer Saxifraga genügen, um ihre kleinen Organe zu entfalten und ihre kurzen Internodien zu verlängern; der höhern Organisation des holzigen Rhododendron ist ein früheres Ziel gesteckt.

Ein anderer Werth, als den oben genannten auffallenden Tieflagen, kommt, den isolirten Stationen des Rhododendron zu, die Heer ( auf dem Hörnli, R. hirsutum ) und Fischer ( auf der Höhe bei Hinterfultigen, Schwarz-wassergebiet, circa 800 m, R. ferrugineum ) anführen. Jene trans- und subalpinen Lagen stehen mit dem dai'über an den Berggräten sich ausbreitenden, normalen Hauptareal der Pflanzen in direkter, durch Bachrinnen und Lawinenzüge stets neu vermittelter Verbindung. Diese isolirten, im campestren oder doch kaum montanen Tafelland der mittlern Schweiz eingestreuten Stationen entbehren aber jeder solchen Verbindung, und sind nur als insular erhaltene Reste älterer, ausgedehnterer Areale zu begreifen. Diese Alpenrosen-nester, die sich nach Zeitungsberichten noch anderwärts finden sollen, und die mitten unter den Laub-waldbäumen der niedern Region und im Molassegebiet uns recht vereinsamt anmuthen, gehören noch der alten « Moränenflora > an, d.h. den Resten jener Vegetation, welche zur Zeit der grossen, das schweizerische Plateau bedeckenden Gletscher der Diluvial- und wohl auch der Plioeenperiode die Moränen und Umgebungen dieser 3(56Christ.

Gletscher bedeckte, und welche sich heute nur in der alpinen Höhe in zusammenhängendem Teppich erhalten hat.

Etwas verschieden verhält sich die rostfarbige von der behaarten Art. Den Preis der Schönheit wird man, alles wohl erwogen, der letztern zugestehen müssen, obschon sie nicht so hohen, kraftvollen Wuchses ist, als erstere. Die rostfarbene hat den Charakter eines südlichen Strauchs in höherm Maass: sie bildet den Uebergang von der « Myrten- zur Oleanderform », wenn wir Grisebach's Bezeichnung der physiognomischen Erscheinung folgen wollen. Die behaarte hält sich durchaus in den Dimensionen der Myrtenform: sie ist viel niedriger, die Aeste kurz und reichlich verzweigt, aber die Zartheit des kleinern gewimperten Blattes, das freudigere Grün und vor Allem die zartere, offenere, heller und leuchtender gefärbte Corolle trägt den Sieg über die stolzere Schwester davon. Sie ist im Vergleich zur rostfarbenen Art weit mehr Felsenpflanze, weit mehr Bewohnerin trockenerer Stationen und kommt nie im wahren Torfgrund vor. Nur die rostige, nie die behaarte, entfernt sich so weit von ihrer angestammten Zone, wie wir es oben schilderten. Als trockene Felsenpflanze ist die behaarte eine sehr entschiedene Kalkpflanze, denn der Kalkfels ist ja im Gegensatz zum Ur- und Flyschgebiet vorzugsweise zur Bildung trockener Stationen geeignet. Im Urgebirg des Oberengadins, wo die rostfarbene Art so häufig ist, bald-als Unterholz im Lärchenwald, bald ganze Abhänge überziehend, muss man die wenigen Kalkbänder aufsuchen, so die am Eingang des Val Fex, um das E. hirsutum zu grüssen. So kommt es, dass in der Regel die Vorkommnisse beider Arten räumlich ziemlich scharf geschieden sind. Aber absolut ist die Scheidung desshalb nicht. Nach Nägeli's schönen Beobachtungen findet sich, wenn in einem Gebiet nur eine Art auftritt — und dies ist besonders in den Westalpen und den Pyrenäen der Fall, denen hirsutum fehlt — diese eine Art bald auf Kalk, bald auf Granit; ebenso aber auch, wenn in einer Gegend beide Arten nur sparsam vorhanden sind. Wo aber beide Arten benachbart und massenhaft auftreten, so zeigt sich als Resultat der Wettbewerbung um das Terrain, dass sich nach und nach jede Schaar auf das ihr günstigere Gestein zurückgezogen und daselbst die andere total verdrängt hat. Wir erwähnten, dass die Alpenrosen häufig den Alpenwald als Unterholz belebten, und bald den weiss gebärteten Tannen, Lärchen und Arven, bald auch dem seltsam zerbogenen und knorrig umherkriechenden Wald der Sumpfföhren ( Pinus montana Mill ), so auf dem Schwendiberg, Kanton Unterwaiden, mit ihren leuchtenden Blüthenmassen zur wunderbaren Zierde dienen und ihr Dunkel erhellen. Aber noch häufiger überziehen sie alleinherrschend und Alles verdrängend die baumlosen Abhänge der Hochalpen, so dass sie ganze Thalhintergründe in dunkles Braungrün, und zur Blüthezeit in tiefen Purpur kleiden. Namentlich zeichnen sich die waldentblössten Hochthäler Mittelbündens durch diese Decke von Rhododendron aus. Es ist kein Zweifel, dass in früherer Zeit ein grosser Theil dieses freien, nunmehr unserm Strauche ganz anheimgefallenen Areals mit Wald bestanden, dass mithin die Alpen- 3üsChrist.

rose an diesen Stellen Unterholz und nicht ausschliesslicher Bestand war. Ueberall deutet wenigstens die tiefere Hälfte des Alpenrosengürtels den alten Waldboden an. Erst in grösserer Höhe, wo der Humus dem Gestein weicht, und wo die Alpenweiden ( Salix ) Mnd die kümmerliche Arctostaphylos sich einstellen, ist man definitiv über dem möglichen Waldboden, aber hier nimmt auch der normale, hohe Wuchs der Alpenrosen ab. Jene reinen Rhododendronbestände geben, so herrlich der Strauch im Vordergrund und in der Einzel-betrachtung sich ausnimmt, der Gegend im Ganzen einen dunklen, melancholischen Ton. Sie bieten den alpinen Hühnerarten reichliche Unterkunft, vielleicht auch durch die Knospen einige Nahrung, und häufig brechen die Flüge des Schneehuhns, des Steinliuhns aus ihnen hervor. Darum war auch der Name « Hühnerstaude » in der deutschen Schweiz an den meisten Orten verbreitet und hat vor dem ästhetischen der Alpenrosen wohl die Priorität. Merkwürdig ist, dass im romanischen Wallis der Name Reselin ( Frcebel schreibt Rescheleng ), ohne Zweifel mit dem deutschen Röslein verwandt, sich findet. Nach Prof. Favrats freundlicher Mittheilung sind im waadtländischen Patois die Namen Rosalai, Arzelai, Orzalai in Gebrauch, welche alle auf den Stamm Rosa deuten, aber auch der ganz originelle « Antenet », der mich an die Benennungen für die Vacciniumarten: Ambroches, Am-bresailles etc. erinnert. Im Oberengadin, wie auch im Tessin, lautet der Name « Giup ». In Tyrol heisst die Pflanze ursprünglich Rausch, Almrausch. Schon Clusius in seinem Werk über die österreichischen und ungari- sehen Pflanzen ( Ende des 16. Jahrhunderts ) erwähnt Hühnerstaude und Rausch als bekannte Trivialnamen der östlichen Alpen. Dass die alten Meister: Gessner, Clusius, Bauhin bis zu Haller den für den weissen Sumpfporst des Nordens längst gebräuchlichen Namen Ledum auf die Alpenrose übertrugen, zeugt von ihrem feinen Blick für die innere, natürliche Verwandtschaft der Pflanzen: denn keine Form der Ebene kommt den Rhododendren so nahe als jener schöne Strauch der deutschen Moore, der freilich durch'fast nadelartig schmale, weil eingerollte Blättchen einen durchaus nordischen Habitus trägt.

Unsere Alpenrosen halten sehr genau ihren Typus fest: namhafte Varietäten ( besser Formen ) zeigen sich nirgends. Exemplare der Pyrenäen und der Ostalpen sind gar nicht zu unterscheiden, und nur die siebeu-bürgische Form lässt einige schwache Unterschiede bemerken.

Dagegen bilden sich an Standorten, wo beide Arten zusammen wachsen, nicht selten Zwischenformen, die in ihrer Erscheinung die Mitte halten, und zwar so, dass mit dem Wuchs und dem Habitus der rostfarbenen Art die Blattmerkmale der behaarten Art bald stärker, bald schwächer verbunden sind. Diese Formen sind ohne allen Zweifel als Hybride aufzufassen ( R. ferru-gineo-hirsutum, von Tausch als besondere Art: R. intermedium aufgestellt ).

Keine besondere Form, sondern einen blossen zufälligen Dimorphismus in der Farbe bildet die rostfarbene Alpenrose mit rein weisser Blume, die hie und da — immer selten und ganz einzeln mitten unter 24 den rothen — sich findet, und eine wirklich prachtvolle Erscheinung bietet, die einigermassen an das reizende Ledum palustre der nordischen Hochmoore erinnert.

Hie und da kommt sogar eine « gefüllte » Alpenrose vor, indem sich durch Wucherung die Krone entweder ganz oder nur segmentweise verdoppelt. Im Tessin, am Monte Baldo und andern Orten des feuchten Südfusses der Alpen soll dies gar nicht selten sein.

Noch sei erwähnt, dass in den Ostalpen vom Umbrail und Wormser Joch, und von den Alpen des Comersees durch Oesterreich bis in die siebenbürgischen Carpathen, sowie in Ostsibirien ein kleines Sträuchlein vorkommt, das früher zum Geschlecht der Rhododendren gezählt wurde, aber durch eine ganz offene, rad-förmige Corolle stark abweicht, und dermalen zu einem andern Genus gezogen und Rhodothanmus Chamœcistus Rb. genannt wird. Seine Verbreitung fällt mit der vieler nordasiatisch - alpiner Alpenpflanzen, z.B. des Edelweisses, Leontopodium u. s. w. zusammen, und wir berücksichtigen sie in unserer Betrachtung weiter nicht. Endlich wird noch von einigen Botanikern jener der Flora des Pontus angehörige, aber bis Volhynien und Lithauen ausstrahlende Strauch mit gelben, stark duftenden Blumen zu den Rhododendren gezählt, den Linné Azalea Pontica, Reichenbach Anthodendron Ponticum nannte. Es ist eine Pflanze der Waldregion, die sich mit dem späterhin zu nennenden echten Rhododendron Ponticum räumlich häufig berührt. Sie ist durchaus mit den indischen Azaleen verwandt, durch abfallendes Laub und andere Merkmale deutlich von den wahren Alpenrosen geschieden, und auch sie lassen wir hierbei Seite.

Verfolgen wir nun das Vorkommen unserer beiden echten Alpenrosen über ihr Gesammtgebiet hin.

R. ferrugineum L. folgt dem Hauptstamm der Alpenkette mit grösster und consequentester Treue von West nach Ost. Gehen wir von unsern Grenzen nach Osten, so können wir sie durch Tyrol, Oberbayern und die österreichischen Länder bis zu den ausklingenden Ketten Niederösterreichs und der Wiener Gegend verfolgen. In den Westalpen geht sie bis in die Berge ob Nizza, wo ich sie am Col delle Finestre noch in schönster Fülle sah. Aber sie hält sich an den Stamm, in die den Alpenzug flankirenden und von ihm abzweigenden Ketten geht sie, mit einer Ausnahme, nicht. Der Apennin, bis 9000 Fuss ansteigend, bietet eine Anzahl eigentlicher Hochalpenpflanzen; die Vogesen, der Schwarzwald, der Böhmerwald, die Rumelischen Gebirge würden climatisch dem Rhododendron treffliche Unterkunft geben; eigensinnig flieht sie der edle Strauch und bleibt den Alpen im engern Sinne treu. Nur der Jura hat das Privilegium — etwa weil er dem Centralsitz der Alpenerhebung näher sich anschliesstdie rostfarbene Art in seiner südlichen, alpinen Hälfte zu nähren. Von da, wo er sich an die Alpen der Chartreuse anlehnt, über die 1500 m überragenden Gipfel zwischen Frankreich, Genf und Waadt, ziehen sich zum Theil reichliche Bestände hin; so am Réculet, der Dôle, der Faucille, wo sie nach Grenier bis 1200 m hinabsteigt, am Montendre ( 1680 m ) ob dem Jouxthal, ja noch im grossen Circus des Creux-du-van ob dem Neuchâteler See, wo de Candolle sie bei 970™ in feuchtem Felseiischatten beobachtete. Nach Godet ist sie sogar noch am Chasseral von Lamon gesehen worden.

Alles, was im nördlichen Jura von Alpenrosen berichtet wird, beruht auf Verwechslung mit der entfernt ähnlichen Daphne Cneorum, die bei uns früher auch « Alpenrösli » hiess. Merkwürdig, dass im Jura, dem ausschliesslichen Kalkgebirge, nur R. ferrugineum vorkommt, die in den Alpen dem Kalk abhold ist. Das erklärt sich aber aus dem Gebiet, aus dem überhaupt nachweislich die alpine Vegetation dem Jura zukam, und dem das R. hirsutum ganz fehlt. Dies Gebiet sind eben jene westlichen Alpen zwischen Isère und Rhone, und nicht die Schweizer Alpen. wie man anzunehmen geneigt sein könnte.

In den zwei mächtigen Flügeln der Alpen, den Pyrenäen und den Carpathen, findet sich unsere Art wieder. Vom Osten der Pyrenäenkette bis über die centralen Theile hinaus ist sie häufig; sie nimmt nach Ramond eine Zone von 1600-2600 m ein, und geht am Canigou bis 1322 m hinab. Aber weder in dem hohen vulkanischen Stock der Auvergne, wo doch mehrere hochalpine Pyrenäenarten vorkommen, noch in den spanischen Sierren hat sie Wurzel gefasst, genau so wenig als in den Apenninen.

In den hohen Centralcarpathen, die bis um 2400 m sich erheben und der Alpenpflanzen genug bieten, hat sie Wahlenberg nicht gefunden. Dagegen findet sie sich in einer etwas kleineren Form ( R. ferrugineum Baumgarten = R. myrtifolium Schott ) in den climatisch mehr begünstigten und pflanzenreichern Ost- carpathen, sowohl in der Kette zwischen der Marmaros und Galizien, als in der von Siebenbürgen und des Banats.

Damit ist ihr Vorkommen abgeschlossen.

K. h i r s ut um L. So häufig und massig wie in der Schweiz scheint diese reizende Art nirgends aufzutreten. Ueber die Gebirge von Hochsavoyen hinaus geht sie nicht, der Westen entbehrt sie durchaus, so dass sie in der französischen Flora von Grenier und Godron ausdrücklich als fehlend bezeichnet wird. Von der Schweiz, wo sie übrigens auch an Zahl der Individuen hinter dem ferrugineum weit zurücksteht, streift sie durch Tyrol, Salzburg in die österreichischen Alpen. Baumgarten citirt sie ( ob mit Recht ?) im Siebenbürgischen Wahlenberg kennt sie in den ungarischen Central-carpathen nicht. Erst in neuester Zeit fand sich an dem Nordabhang des Gebirgs, in den galizischen Cen-tralcarpathen, ganz isolirt eine Pflanze, die für eine kahle Form unserer behaarten Alpenrosen angesehen wird ( R. hirs. f. glabratum Aschers. Kuhn ). Ihr sicheres und geschlossenes Vorkommen beschränkt sich also jedenfalls in der Längenausdehnung auf kaum einen Drittheil des Areals von ferrugineum. Ueberflüssig ist es, zu bemerken, dass sie allen Nebengebirgen fehlt.

Fragen wir nun nach der Verwandtschaft und der Stellung unserer Alpenrosen zu der Alpenflora. Sind sie wirklich, wofür wir sie halten möchten: die Quintessenz der alpinen Flora, in dem Sinn, dass sie so recht wesentlich nach Physiognomie und Verwandtschaft zu dieser Flora gehören? Wir antworten mit entschiedenem Nein. Denn nichts ist sicherer, als dass.

die Rhododendren nichts mit der nordischen Flora zu thun haben, die einen Ilaupttheil der Alpenvegetation ausmacht, und ebenso sicher erscheint es mir, dass sie auch nicht zu der in der Alpenkette entstandenen, mit der Flora der Ebene verwandten Vegetation gehören.

Bekanntlich zeichnet sich die Hochgebirgsflora der gemässigten Länder der nördlichen Halbkugel-aus durch all' die kleinen perennirenden, meist wasserliebenden Kräuter und Ilalbsträucher, die den Gräsern und Cyperaceen, den Ranunculaceen, Caryophylleen, Saxifrageen, Gentianeen, Pedicularen, Compositen, Primulaceen, Leguminosen und Cruciferen vorwiegend angehören. Von holzigen Sträuchern sind es Salices, Alnus, Empetrum, einige Vaccinien, Arctostaphylos und der kleine Wachholder, Juniperus nana. Unter diesen, den allgemeinen alpinen und zugleich subpolaren Charakter deutlich an sich tragenden Formen sticht aber eine kleine Gruppe von privilegirten Gestalten stark ab: es sind immergrüne Sträucher, deren Habitus, deren Verwandtschaft nach einer ganz andern Flora weisen, und zwar nach keiner geringern, als einer weit südlicheren. Dahin zählen in der Schweiz die Erica carnea L., die Polygala Chamaebuxus L. und die Alpenrosen. Niemand, der die Erscheinung und Verbreitung dieser Genera kennt, wird mir die Richtigkeit der Behauptung bestreiten, dass dies Formen sind, die lediglich mit südlichen Analogie haben. Die Erica hat kein Analogon im Norden oder auf Gebirgen; sie ist die nächste Verwandte der mediterranen und atlantischen E. multiflora und E. mediterranea. Die Polygala ist nur mit der P. Munbyana Boiss. des nordafrikanischen Littorals oder dann mit capischen Arten zusammenzustellen.

Und nun die Rhododendren? Die Entwicklung des Stammes als eines strauchigen Zwergbaumes, die des immergrünen, myrten- oder oleanderförmigen Laubes, die der mächtigen Blumendolde contrastirt scharf mit der kümmerlichen, nur in der Corolle relativ bedeutenden Entfaltung der Alpenpflanzen. Und wenn wir nun sehen, dass der Typus des Rhododendronge-schlechts, wo es sich in seiner reichsten Entfaltung und im freiesten Fluss seiner Gestaltung findet, ein Typus der südlichen Waldregion, allerdings der südlichen Bergwaldung ist, so werden wir auch nicht anstehen, unsere Alpenrosen als Vertreter einer südlichen Flora inmitten unserer Alpenflora zu betrachten.

1 ) Als Bildungsheerd und Ausgangspunkt der Rhododendren ist die Waldzone auf dem Südabhang des indischen Himalaya anzusehen. Hier finden sich, zum Theil ausschliessliche Waldbestände bildend, Arten bis zu der Höhe unserer Waldbäume in reicher Zahl. R. arboreum ist die dominirende Art; sie kommt, mit Magnolien, Eichen und langnadeligen Coniferen vermischt, als eigentlicher Alpenrosenwald schon bei 6500 Fuss Höhe vor, und strahlt auch bis in die Gebirge des Dekan aus, wo sie in den Nilagiris bei 8000 Fuss in Strauchform weite Höhen überzieht; Aber neben dieser Art zählen andere, Bäume und hohe Sträucher nach Dutzenden. R. argenteum blüht schon im April bei 8000 Fuss, während eine Menge anderer Arten den verschiedenen, weitern Höhenlagen angepasst sind, bis endlich R. nivale auf den hochalpinen Hängen von 11,000—17,000 Fuss erst im Juli blüht. Erst diese letzte Art, mit einer Vegetationsperiode von nur 3 Monaten, entspricht dem Gürtel unserer Alpenrosen der Schweiz, die ebenfalls vom Juli bjs September ihre Phase vollenden. Alle die zahlreichen Arten der untern Lagen sind Waldbäume oder Wald-sträucher, die mit tropischen Formen: Bambusen, Magnolien, Scitamineen, Baumfarnen, Lorbeeren zusammenwachsen.

Ich theile einige Stellen aus J. D. Hookers Himalayan Journals mit, welche diese Rhododendronbestände näher beschreiben:

Am 11. Juni 1849 befand sich der Reisende im obern Zemuthal, in Sikkim, im östlichen Himalaya, bei einer Temperatur von 70 ° Fahrenheit um 1 Uhr Mittags und einer Höhe von 11,993 englischen Fuss. Rhododendren bedeckten alle hervorragenden Punkte, die Bergabhänge mit einem tiefgrünen Mantel einhüllend, der von den glänzenden Blüthengarben schillerte; von den acht oder zehn Arten, die hier wuchsen, war jeder Busch mit einer so grossen Verschwendung von Blumen beladen, wie die verwandten Arten in misera englischen Gärten.

Anfangs November 1849 sah Hooker auf dem Chola-pass, bei strengem Nordostwind, dickem Reif und einer nächtlichen Temperatur von 27 " Fahrenheit, zwischen 10,000 und 13,000 Fuss, die breiten Blätter der Alpenrosen gekräuselt von der Ausdehnung der gefrorenen Säfte in den Zellen an der Oberfläche der Blätter, welche der grössten Kälte infolge der Strah- lung ausgesetzt ist. Die Sonne stellte sie wieder etwas her, aber beim Herannahen des Winters schrumpften sie unwiderruflich zusammen und hiengen an den Enden der Zweige nieder.

( Diese Frostwirkung kommt bei unsern klein- und hartblättrigen zwei Arten wohl nur selten vor; ich habe sie nie beobachtet. ) Im April und Mai 1848 hielt sich dagegen Hooker in dem niedrigem Theil des Gebirgs von Sikkim, bei Dorjiling auf, in der Höhe von 7000 bis 8000 Fuss, gerade zur Blüthezeit des hier in schönster Blüthe prangenden Rhododendronwaldes.

Dominirend war eine weisse Magnolia ( M. excelsa ), die so reich blühte, dass die Wälder an den breiten Abhängen der Berge wie mit Schnee gesprenkelt aussahen. Daneben trat eine rothe Magnolia ( M. Camp-bellii ) auf, ein ungeheurer Baum, blattlos blühend, und an den Enden der Zweige mit hellpurpurnen, grossen becherförmigen Blumen, deren fleischige Pe-talen den Boden bestreuten. Auf ihren Aesten, und auf denen der Eichen und Lorbeeren, wächst als Epi-phyt Rhododendron Dalhousiae, ein schlanker Strauch, von 3 zu 6 weisse citronenduftende Glocken, 4'72 Zoll lang und eben so breit, am Ende jedes Zweiges tragend. In diesen Wäldern ist R. arboreum, mit Scharlach-blumen, sehr selten, und wird ersetzt durch das grosse R. argenteum, einen Baum von 40 Fuss Höhe, mit herrlichen Blättern, die 12 bis 15 Zoll lang sind, tief grün, oben glänzend, unten silbern, während die Blüthen so gross sind als die des R. Dalhousiae, aber mehr in Dolden vereinigt. Ich kenne, fährt Hooker fort, keine Art, die an Schönheit einen blühenden Zweig des R. argenteum übertrifft, mit seinem weit ausgebreiteten Laub und seiner glorreichen Blumenfülle.

Im Mai 1848, ungefähr auf gleicher Höhe, fand Hooker am Tonglo, zwischen Sikkim und Nepal, den Wald hauptsächlich aus dem R. arboreum und dem R. barbatum bestehend, breiten, buschigen, üppigen Bäumen, mit ihren schönen Blüthen überladen, und aus R. Falconeri, in Bezug auf das Laubwerk die schönste aller Himalaya-Arten, mit 30 Fuss hohem Stamm, und Zweigen, die nur am Ende mit Blattern von 18 Zoll Länge versehen sind, tiefgrün oben, und unten mit einem reichen braunen Flaum überzogen.

2 ) Von diesem grossen Bildungsheerd des Himalaya, diesem, obschon geographisch äussertropischen, doch klimatisch hochtropischen Vegetationscentrum, strahlt nun das Genus in mannigfaltigen Arten weithin aus. Die ganze östliche Welt bietet in den Wäldern Rhododendren genug; nicht nur China und Japan, auch die äquatorialen Sundainseln. In Borneo und Sumatra beginnen sie schon bei 3000 Fuss über Meer, in Java gehen sie von 2000 bis 10,000 Fuss, wo von einer alpinen Region in unserm Sinn keine Rede ist, sondern wo die Rhododendren häufig epiphytisch, d.h. auf der vermoderten Rinde auf den Stämmen anderer Bäume hoch über dem Boden leben. Und gerade eine der javanisch-sumatranischen Arten, die Blume in der Rumphia abbildet, gleicht unsern alpinen Arten ganz auffallend, mehr als irgend eine der Himalayaformen ( R. retusum ).

3 ) Eine den Emodischen Arten ähnliche Pracht- form, ein hoher Strauch, kommt in unserer nähern Nachbarschaft, in der Waldzone am Pontus und östlichen Mittelmeer vor, das auch bei uns in Gärten gepflegte K. Ponticum. Am westlichen Abhang des Caucasus wächst es von 1000 bis 5700 Fuss häufig, ebenso längs der Abhänge des Gebirgs am Südrand des schwarzen Meeres bis zum Bithynischen Olymp und in Syrien ob Beyrut bis in den Libanon, überall als Unterholz im Wald von Buchen, orientalischen Tannen und andern Beständen. Dieselbe Art, in einer etwas abweichenden Lokalform ( R. Baeticum Webb .) kehrt, mit seltsamer Ueberspringung der ganzen, in neuern geologischen Zeiten so vielfach zerrütteten Mittelmeerzone, an der Südspitze Spaniens wieder, und verbindet so das alte orientalische Iberien mit der westlichen celtisch-iberischen Halbinsel. Hier wächst sie in den Wäldern der Gebirge oberhalb der Meerenge von Gibraltar, in der portugiesischen Serra Monchique von 3000 bis 4000 Fuss, und in der Sierra Morena.

3 ) Hier fügen sich nun unsere Alpenrosen in die Eeihe ein. Es sind Ausstrahlungen des Emodischen Schöpfungscentrums, ganz so, wie die Weymouthsfichte des Himalaya ( P. excelsa Wallich ) in derselben Art, blos in einer etwas verkleinerten Form ( P. Peuce Griseb. ), von Simlah bis in die europäische Türkei ( Pe-risteri ) ausgestrahlt ist, ganz so, wie die mächtige Ceder des Himalaya ( Cedrus Deodara Eoxb .) noch weiter nach Westen, über Taurus und Libanon bis zum marokkanischen Atlas gezogen ist, in gleicher Art, nur in graduell verkümmerten Formen ( Cedrus Libani Tourn., Cedrus Atlantica Mor. ).

5 ) Es folgt nun nach dieser südlichen und mittleren die nördliche Abzweigung. Auch dem Norden, der Waldzone des nördlichen Asiens, sind eine Anzahl von Rhododendren zugekommen; eine Art davon, R. chrysanthum, ist ausgezeichnet durch hochgelbe Blüthen; eine andere, rothe, R. parvifolium, ist sogar im östlichen Altai bei 50° nördlicher Breite ein ächter Alpenstrauch, der von 6850 bis 8250 Fuss vorkommt, ganz wie das weisse R. caucasicum, das den Caucasus von 5700 bis 8000 Fuss bewohnt.

6 ) Eine einzige Art, also die letzte Spur der verschwindenden Ausstrahlung, ist endlich dem arctischen. Gebiet eigen: Rh. Lapponicum, das die circumpolaren Gebiete des nördlichen Asiens, Lapplands, Grönlands und Labradors bewohnt; eine reizende Miniaturform mit ganz kleinen, unten rostfarbigen Blättchen und tiefrothen Corollen, aus denen die Staubfäden lang hervorstehen.

7Aber auch das waldige Nordamerika hat bis hinab zu den südlichen Staaten einige stattliche Rhododendren empfangen; sie bilden ein die Wälder herrlich mit ihren Blüthen erhellendes Unterholz bis 20 Fuss Höhe, so R. maximum, das bis Canada geht. Bios das südliche Amerika hat keine Alpenrosen, was mit der hohen Selbstständigkeit seiner Vegetation überhaupt zusammenhängt und auch wieder für den asiatischen Ursprung des Geschlechts spricht. Dass Livingstone in Afrika ( Wayau-Land, zwischen 3000 und 4000 Fuss, 30. Juli 1866; Zalanyama, w. vom Nyassa-see, 22. Oktober 1866 ) Rhododendren angibt, kann uns nicht zu sehr wundern, da dieser Welttheil, mit Ausnahme seiner südlichsten Theile, dem tropischen Indien eine Menge seiner Pflanzenformen verdankt.

Mithin ist das Geschlecht der Alpenrosen ein entschiedenes Waldbaum- oder Waldstrauchgeschlecht der südlicheren Gebirge Asiens, und nur in einzelnen reduzirten Formen steigt es ausnahmsweise in die Alpenhöhe über dem Wald und in den hohen Norden.

Ich glaube, damit dargethan zu haben, dass die Alpenrosen in unserer Alpenvegetation eine Ausnahme, ein wunderbar assimilirtes Glied einer wärmeren, südlicheren Vegetation sind.

Sobald wir aber diesen Begriff feststellen, so sprechen wir für die meisten unserer Schweizer Geologen auch aus, dass diese Form als eine paläophytische, als eine relativ ältere zu bezeichnen sei. Denn wenn die Stufenfolge richtig ist, dass auf die Moränen- und Alpenflora bei uns die triviale europäisch-nordasiatische Wald- und Ebenenflora folgte, und dass jener Alpenflora eine wärmere, der mediterranen, ja zum Theil der indischen analoge, die tertiäre Flora vorausging, nun, so muss konsequent angenommen werden, dass der Alpenflora nur aus dieser letztern, der tertiären, die Rhododendren erhalten werden konnten, denn die triviale nordasiatische Wald- und Wiesenflora hat keine Rhododendren zu verschenken, sie konnten uns nicht erst mit dieser Flora neu zugekommen, sie müssen uns vielmehr von der tertiären Flora her als ein Vermächtniss hinterlassen worden sein.

Ob nun diese Folgerung richtig ist, werden vielleicht die Geologen eines schönen Tages dadurch beweisen, dass sie uns Reste der Rhododendren aus den jüngsten tertiären Schichten vorlegen. Vorläufig spricht dafür die Thatsache, dass unsere Rhododendren überall so äusserst constant den Typus bewahren und nennenswerthe abweichende Formen nicht aufweisen. Wenn die Geschlechter, deren Arten in fast unendlicher Mannigfaltigkeit variiren und ineinander verfliessen ( Hieracium, Rosa, Rubus etc. ), relativ neu und noch nicht zu ihrer definitiven Anpassung gelangt zu sein scheinen, so machen so starr fixirte Formen, wie die Rhododendren, den Eindruck des längst Eingelebteil. und Alten.

Gegen die Annahme dor palaeophytischen Natur der Alpenrose spricht hinwieder die merkwürdig geschlossene Form der Areale, und deutet eher auf eine neue Verbreitung, als auf den Rest eines uralten Vorkommens. So viele Alpenpflanzen, die wir auf die glaciale, also die quaternäre oder gar pliocene Periode zurückführen, zeigen uns durch merkwürdige Zerstückelung und Isolirung ihrer Standorte, dass sie heute nur noch in Trümmern früherer Areale vorhanden sind. Diese Isolirung geht so weit, dass nur noch einzelne Individuen die frühere Existenz der Art bezeugen oder dass auch diese schon ausgerottet sind, und nur historisch das Dasein in ganzen weiten Gebieten bezeugt werden kann. Ganz anders bei unsern Alpenrosen. Wo sie vorkommen, sind sie massenhaft verbreitet, und der Umriss des Areals ist ein so schön abgerundeter, dass selbst sehr benachbarte Gebirge durch die Grenzlinie vom Areal getrennt werden. Aehnlich scheint es, so weit man weiss, mit den meisten andern Arten des Geschlechts sich zu verhalten; eine feste Geschlossen- heit des Areals, der Vorkommnisse wie das K. Ponticum nur als Ausnahme gegenüberstehen. Dies ist aber der Charakter eines Typus, der sich rasch, energisch, mit einem Ueberschuss vitaler Kraft des Terrains bemächtigt, nicht der eines aus alten Perioden hinüber-geretteten Greises.

Auch die merkwürdige Harmonie, mit der fast jedem grössern Gebirg der alten Welt seine besonders ausgeprägten Arten zugetheilt sind, deutet nicht auf einen alten Zustand der Dinge, den die Zeit und die Mitbewerbung schon lange benagt.

Doch ich widerstehe hier dem Fluss der Gedanken, die so gern an die Thatsachen sich anknüpfen und uns nur zu leicht weit über sie hinaus, in die Wolken-regionen entführen, wo ja die Alpenrose am schönsten blüht. Einst wird auch in die Geschichte der Pflanzenverbreitung Licht fallen, und die Alpenflora wird — das ist schon jetzt zu sagen — der Docht sein, an. welchem es sich entzündet.

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