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Die Clubhütten des SAC und ihre heutige Entwicklungstendenz

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VON i.ESCHENMOSER, ZÜRICH

Betrachtungen über den heutigen Stand im Clubhüttenbau führen zur Erkenntnis, dass der Schweizer Alpenclub noch mitten in zahlreichen Problemen steht. Es ist dies eigentlich eine erstaunliche Tatsache, wenn man bedenkt, dass noch vor nicht allzu langer Zeit die Meinung weit verbreitet war, die Periode des Clubhüttenbaues sei für den SAC abgeschlossen. Wohl trifft es zu, dass in unserem Lande keine abgelegenen, unbekannten Gebiete mehr bestehen, deren touristische Erschliessung durch die Erstellung von Unterkünften erst noch ermöglicht werden müsste. Die heutigen Probleme beruhen im Gegenteil und paradoxerweise auf einer Über-Erschliessung unseres Alpenraumes, und die gebräuchlichsten Begriffe, als welche sie an uns herankommen, sind die Notwendigkeit der Vergrösserung bestehender und die Erneuerung veralteter Hütten. Die Gründe, die zu dieser in ihrem Umfang noch nicht absehbaren Entwicklung führten, sind vielfältiger Art und können in diesem Zusammenhang nur gestreift werden. Vor allem ist es die rapid zunehmende, tatsächliche « Erschliessung » der Alpen durch Strassen ( nicht zuletzt auch zufolge der vielen Kraftwerkbauten ) und Seilbahnen, die eine namhafte Zahl unserer Hütten bedeutend leichter zugänglich machen. Sodann ist nicht zu verkennen, dass ein Grossteil der Touristen ökonomisch in der Lage ist, die angebotenen Verkehrserleichterungen auch effektiv zu benützen. Ob dies nicht auch ein Grund für die Zunahme der Hüttenbesucher ist, möge dahingestellt bleiben. Sicher aber trägt die enorme Breitenentwicklung des Skisportes, in gewissem Masse auch die Tendenz zu Massen- und Sozial-Tourismus dazu bei. Der gehobene Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten mit den daraus erwachsenden Ansprüchen an Komfort, Bequemlichkeit und Hygiene sind, nebst baulicher Überalterung, mitwirkende Gründe für die Erneuerung älterer Hütten.

Mit dieser kurzen Einleitung ist bereits angedeutet, dass mindestens eine wesentliche Gruppe von Hüttenbauproblemen auf den programmatischen Voraussetzungen beruht, von denen sich heute manche zur Diskussion stellen. Jegliche Auseinandersetzung mit ihnen geschieht aber vor dem Hintergrund einer langjährigen, weitgespannten Entwicklung, angefangen bei den ursprünglichen primitiven Unterkünften und reichend bis zu einigen der heutigen grossen. « Hütten » von 100 und mehr Plätzen.

Die erwähnten Probleme, nämlich Bedrängnis durch die fortschreitende « Erschliessung » - Vergrösserung, Erneuerung -, lassen sich jedoch nicht für sich allein lösen, etwa mit der Ablehnung jeglicher Neubauten oder mit der unbedenklichen Vergrösserung oder Zulassung von Komfort, sondern sie müssen mit den Gewichten der spezifischen Eigenheiten einer Clubhütte gewogen werden.

Hüttenbau war und soll nie Selbstzweck sein, es sei denn in einem übertragenen Sinne, wie noch darzulegen sein wird. Er hat dienende Funktion und ist das Ergebnis von Voraussetzungen bzw. Zeiterscheinungen, zu denen in erster Linie der Bauherr, also der SAC, und nur sekundär der Baufachmann Stellung zu beziehen hat. Die wichtigen Entscheidungen in Baufragen, vor die der SAC immer noch - und heute erst recht wieder - gestellt wird, sind von weit grösserer Tragweite als Fragen der formalen Gestaltung und der technischen Ausführung. Unser Augenmerk soll deshalb vor allem diesen grundsätzlichen Erwägungen gelten.

Wenden wir uns der Frage der Grössenordnung unserer Hütten zu, dann stehen wir wohl dem aktuellsten und heikelsten Problem gegenüber. Bis heute ist in fast allen Fällen, in denen sich auf Grund der Besucherfrequenz eine Vergrösserung aufdrängte, zugunsten der Expansion entschieden worden. Es ist dies der naheliegendste und einfachste Weg. Ist es aber der richtige?

Es ist bestimmt mehr als eine spekulative Vermutung, wenn angenommen wird, dass dem Alpinisten die grossen Hütten ( darunter verstehen wir solche von mehr als etwa 60 Plätzen ) nicht sympathisch sind. Er nimmt sie in gewissen Gegenden als zwangsläufiges Übel in Kauf, aber als Individualist ermisst er die Diskrepanz zwischen den Idealen, die den ursprünglichen Unterkünften zugrunde lagen, und dem Betrieb, dem er sich heute fügen muss, wenn er nicht auf bestimmte Besteigungen überhaupt verzichten will.

Ausser solchen gefühlsmässigen, aber nicht zu unterschätzenden Gründen sprechen auch praktische Argumente gegen die Gross-Hütten. So sollte der Grössenentwicklung vor allem eine Grenze gesetzt sein durch Einhaltung einer vernünftigen Wirtschaftseinheit. Wird diese übermarcht, so wächst die Beanspruchung des Hüttenwartes, und er braucht entsprechende Hilfskräfte, für welche wiederum Unterkunft geschaffen werden muss. Ganz abgesehen von der zeitbedingten Schwierigkeit, solche Hilfskräfte überhaupt zu finden, führt ein grosser Betrieb zu Konsequenzen, die uns die Hütten immer mehr entfremden. Wir kennen bereits zur Genüge jene Hütten, in denen der Tourist in der Küche nichts mehr zu suchen hat oder dann so komplizierte Einrichtungen antrifft, dass er entweder mit ihnen nichts anzufangen weiss oder im Handumdrehen viel daran verderben kann. Folgerung: Die Küchen- und die Vorratsräume - und ein Grossteil der Hütte überhaupt ( wegen der grossen Reinigungsarbeitwerden bei Abwesenheit des Hüttenwartes abgeschlossen, und der Tourist denkt mit Grausen an jene abstossend nüchternen « Winterräume », in denen ihm knapp das Notwendigste zur Verfügung gelassen wird. Aber auch für den Fall, dass die Bewartungs-frage ausser Betracht gelassen würde - etwa in der Annahme, dass die Hüttenbesucher selbst für das Nötigste sorgen -, ist die Grössenfrage sorgfältig abzuwägen. Es sollte weder so sein, dass sich eine kleine Touristengruppe in der Hütte verloren vorkommt, noch, dass für die relativ kurze Dauer des Aufenthaltes allzu viele Einrichtungen zwangsläufig in Gebrauch genommen werden müssen. Für den Hüttenbauer liegt die Hauptaufgabe vordringlich in der Auseinandersetzung mit diesen Forderungen.

Der Umstand, dass eine zunehmende Zahl von Touristen gern eine gute und reichhaltige Verpflegung erwartet und annimmt, dürfte als Zeiterscheinung zu werten sein. Jedenfalls und ganz besonders mit Rücksicht auf die Jungen dürfen Annehmlichkeiten genannter Art nicht zum Grundsatz erhoben werden. Es wird nicht angehen, die Jungen zum vornherein von den eigentlichen SAC-Hütten weg und in die ( grösstenteils erst noch zu schaffenden ) hochgelegenen Unterkünfte zu weisen.

Wir übersehen auch nicht jene Kategorie von Hüttenbesuchern - wir möchten sie Materialisten nennen -, denen alle Belange des Hüttenbaues solange egal sind, als sie ein Dach über dem Kopf und einen gedeckten Tisch finden. Soweit sie damit den Grundsatz vertreten, dass die Unterkünfte auf Zweckmässigkeit ausgerichtet sein sollen, unter Vermeidung überflüssigen Komfortes, ist ihnen durchaus beizupflichten. Verantwortungsbewusste Bauherren und Bauleute aber werden nicht dabei stehenbleiben, sondern das Werk so zu gestalten suchen, dass es in seiner Atmosphäre den Besucher bewusst oder unbewusst angenehm anspricht; und dies ist weit weniger eine Frage des Aufwandes als des Einsatzes der ohnehin aufzuwendenden Mittel! In diesem einen Punkt, und auch hier nicht zum Selbstzweck, aber um dem nackten Materialismus zu begegnen, muss der Hüttenbauer auf der Priorität der Baukunst beharren.

Gelangen wir nun auf Grund der vorangegangenen Überlegungen zur Einsicht, dass die Entwicklungstendenz zu grossen Hütten hin unbefriedigende Zustände schafft, dann stellt sich zwangsläufig die Frage nach der zweckmässigsten Abhilfe.

Die eingangs erwähnten Ursachen der gesteigerten Frequenzen sind an sich zwar nicht unabänderlich, aber praktisch wohl kaum ganz zu vermeiden. Es könnte ihnen nur damit begegnet werden, dass der SAC seine Hütten dem Massen-Tourismus vollständig oder weitgehend verschliesst. Selbst ohne diese rigorose Massnahme wird er sich genötigt sehen, dieser seinem Wesen und seiner Zielsetzung fremden Zeiterscheinung gegenüber sich zu wehren.

In einigen Alpinistenkreisen wird schon seit längerer Zeit - und heute wieder mit besonderem Nachdruck - die Meinung vertreten, die Lösung des Hüttenproblems liege zukünftig in der Erstellung zahlreicher, hochgelegener Unterkünfte, sogenannter « fester Biwaks ». Die Forderung nach solchen Unterkünften hat sicher ihre Berechtigung, heute um so mehr, als uns einerseits die Hochlagen gleicherweise wie die Hütten nähergerückt sind und die Biwaks andererseits dem unverkennbar angestiegenen Leistungsniveau einer « oberen » Bergsteigergruppe angemessen sind.

Gibt man sich aber Rechenschaft über die Beherbergungsfunktion der Biwaks, die effektiv genau das sind, was die ersten Clubhütten waren ( nur eben mit einer räumlichen Phasenverschiebung nach oben ) und die im Grunde genommen nicht mehr bedeuten, als dass sie dem Hochtouristen die Mitnahme und das Aufstellen eines Zeltes ersparen, wird man sich wohl sagen müssen, dass sie unsere heutigen Hütten nie, jedenfalls nicht entscheidend, ersetzen werden. Sie sind eine wertvolle Hilfe für eine relativ kleine Gruppe von Alpinisten, nicht aber für den weitaus überwiegenden Teil unserer Hüttenbesucher, selbst wenn man von clubfremden Besuchern absieht. Es dürfte für den SAC wohl kaum in Frage kommen, seine angestammten Hüttenregionen preiszugeben und kampflos die Flucht nach oben anzutreten, eine Flucht übrigens, der sowohl räumlich als klimatisch sehr bestimmte Grenzen gesetzt sind.

Bleibt als weiterer Ausweg die Erstellung neuer Hütten. Mögen diese in bereits versehene Gebiete zur Entlastung überlaufener Hütten ( unter Umständen sogar in unmittelbarer Nachbarschaft sol- cher, im Sinne einer Aufgliederung in Einheiten ) oder in neue, möglichst vor Strassen, Bahnen und dergleichen sicheren Gegenden gestellt werden; jedenfalls würden sie erlauben, jene Aspekte des Maßstabes, der Atmosphäre und der Sinngebung, die wir als wertvoll erachten, aufrecht und rein zu erhalten.

Um auf die Grössenordnung zurückzukommen: Wie gross sollen denn die Hütten sein? Ein allgemein gültiges Rezept gibt es so wenig wie eine Ideallösung, wenigstens solange man sich nicht auf ausgesprochen kleine Hütten beschränken kann und darf. Im übrigen hat es sich erwiesen, dass Hütten von etwa 40 Plätzen sehr vorteilhafte Einheiten darstellen. Sie bilden einen von einem Hüttenwart noch anstandslos zu bewältigenden « Haushalt », der auch für den Touristen in mass-stäblich erfassbaren Grenzen hegt. Er wird sich darin auch bei Anwesenheit bloss weniger Personen nicht verloren vorkommen. Andererseits liegt die Kapazität zur Bewältigung von Besuchs-spitzen bemerkenswert hoch, vorausgesetzt, dass der Zahl der Schlafplätze auch die Aufenthalts-und Nebenräume adäquat sind. Wo es sich nur darum handelt, einzelne Spitzen-Besuchstage zu bewältigen, wird die Möglichkeit zur Bereitstellung von Notplätzen schon eine nützliche Hilfe sein, ohne dass das Bauvolumen auf die Spitzen ausgerichtet wird.

Soviel zur heutigen programmatischen Situation im Hüttenbau. Im Rahmen dieser kurzen Abhandlung würde es zu weit führen, alle Aspekte aufzugreifen, geschweige denn sie erschöpfend behandeln zu wollen. In den vorangegangenen Ausführungen sind die augenfälligsten Entwick-lungstendenzen erwähnt, und es dürfte zur Genüge daraus hervorgehen, dass die « Baupolitik » der eigentlich entscheidende Faktor ist.

Rückblick auf die bisherige Entwicklung Auch für die unvoreingenommene Bewältigung der zukünftigen Aufgaben werden die grossen Erfahrungen, die dem Alpenclub aus seiner hundertjährigen Bautätigkeit resultieren, nicht ausser acht zu lassen sein. Es ist deshalb nicht uninteressant, einen Blick zurück zu tun, wobei es sich natürlich nicht darum handeln kann, einen vollständigen Abriss der Baugeschichte zu geben.

Im ganzen gesehen weist die Entwicklung einen bemerkenswert geradlinigen Verlauf auf, der sehr wenig von Experimenten - nicht einmal im Formalenbeeinflusst erscheint.

Die frühesten Hütten aus den Anfängen des SAC existieren nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form, und wir kennen sie nur noch aus den Archiven. Sie müssten heute allein schon zu Ehren des Jubiläums erwähnt werden. Von zwei der ältesten clubeigenen Hütten des SAC, nämlich der Grünhornhütte ( Sektion Tödi ) und Trifthütte ( Sektion Bern ) sind bereits in der Festschrift zum 50-Jahr-Jubiläum Bilder erschienen. Wir greifen deshalb heute zu einem weniger bekannten Beispiel, nämlich der Ender lin-Hütte ( Sektion Pizol ). Zwar nicht vom SAC erbaut und vor wenigen Jahren durch einen Neubau ersetzt, vermag sie trefflich den Charakter jener frühen Unterkünfte zu illustrieren ( Abb. 10 ). Wenn wir überhaupt auf die alten Beispiele zurückgreifen, dann nicht allein, um die geschichtliche Spanne abzustecken, sondern weil schon jene Anfänge Leitmotive aufweisen, die in mancher Hinsicht bis in die Gegenwart ihre Gültigkeit bewahrt und die ganze Entwicklung im Hüttenbau wesentlich und nachhaltig beeinflusst haben. Eines dieser Motive war zum Beispiel die Beschränkung auf die relativ kleine Unterkunft mit 8-12 Schlafplätzen in einem Einheitsraum. Nur die allernotwendigsten Einrichtungen, wie: Pritschenlager ( Stroh ), ein Tisch und eine Kochgelegenheit sollten vorhanden und in einem einzigen Raum vereinigt sein. Von Bewartung und dauernder Brennholzversorgung war selbstverständlich nicht die Rede. Dieses kostenmässig billige, 3 Die Alpen - 1963 - Les Alpes33 wärmeökonomisch günstige und der Psychologie der Bergsteiger-Gruppen ( Seilschaften ) adäquate Hüttenideal war natürlich mit dem Zuwachs der Besucher nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dass es aber nie ganz aus den Augen gelassen wurde, wird später noch zu erwähnen sein, und heute erfährt es seine sinnfälligste Wiederholung in der Form des « festen Biwaks ». Letztere, wenn auch mit neuen Methoden und Mitteln entwickelt, entsprechen programmatisch genau den vor nahezu 100 Jahren erstellten ersten Unterkünften.

Ein zweites Leitmotiv war die sehr einfache, geradezu primitive Ausführungsart. Es ist nicht anzunehmen, dass bewusste Überlegung zu der denkbar schlichtesten Gestaltung geführt hat. Vielmehr dürften das Vorbild einfacher Hirtenhütten oder allenfalls Jagdunterkünften vor Augen gestanden haben, abgesehen von ( scheinbar zu allen Zeiten ) knappen Geldmitteln und vor allem dem Skizze 5: Spannort-Hütte nach dem Erweiterungsbau 1961 ( der neue Anbau enthält einen weiteren Schlafraum im Untergeschoss ) Transportproblem. Die Frühzeit ( etwa 1870-1900 ) scheint überhaupt der bewussten baulichen Gestaltung keine Aufmerksamkeit geschenkt zu haben, und es ist denn auch auffallend, dass in dieser Periode fast ausschliesslich Baumeister oder Ingenieure am Werk waren. Zum Teil mag dies dem für jenen Zeitabschnitt typischen Tiefstand der Baukultur zuzuschreiben sein. Vielleicht ist es auch eine Mutmassung, wenn angenommen wird, die spätere Entwicklung in der architektonischen Gestaltung habe ihren Impuls von jenen durch Ingenieure, nach absolut zweckgerichteten, nüchternen Gesichtspunkten, ohne den leisesten Anflug von Romantik errichteten Bauten erhalten. Jedenfalls haben die schweizerischen Hütten ihr typisches, unverwechselbares Gepräge bekommen, trotzdem zeitlich und regional sehr verschiedene gestaltende Kräfte am Werke waren.

Die Ausrichtung auf ein im Durchschnitt nicht stark variierendes Raumprogramm, gleiche Konstruktionen ( Steinbau ) und einige gleichbleibende räumliche Gestaltungselemente ( wie insbesondere die Ausnützung der abgeschrägten Dachräume ) haben zu einem fast standardmässigen Hüttentypus geführt, der auch in seinem formalen Perfektionismus kaum mehr abwandlungsfähig schien.

Als Beispiel eines solchen Typs erwähnen wir die Tresch-Hütte ( Sektion am Albis, erbaut 1947 durch Arch. O. Pfleghard, s. Abb. 11 ).

Einen bemerkenswerten Versuch zu einer neuen Formensprache bildete die Planura-Hütte ( Sektion Tödi, erbaut 1930, Arch. H. Leuzinger, s. Abb. 12 ). Die Abweichung von der herkömmlichen Dachform erinnert aber bei diesem Beispiel bereits an eine der Grenzen, die der Gestaltung gesetzt sind. Bei Hütten nämlich, zu denen eine Aufstiegsroute oder ein Weg nicht zwangsläufig heranführen, sollten der Erfahrung gemässe Konturen ein Erkennen auch bei Nebel ermöglichen.

Im Laufe der Zeit sind jedoch, wie eingangs erwähnt, ab und zu wieder Versuche gemacht worden, zum ursprünglichen Ideal der Raumeinheit, aber innerhalb grösserer Kapazität, sich zurückzufinden. Ein Experiment dieser Art bildete die im Jahre 1910 erstellte, 1933 durch einen Steinbau ersetzte Medelser-Hütte ( Skizze 1 ). Zwei annähernd gleiche, zusammengebaute, in der Höhe gestaffelte Einheiten boten je einer kleinen Besuchergruppe Unterkunft. Vermutlich war die wenig widerstandsfähige Holzbauweise die Ursache für die relativ kurze Lebensdauer der Hütte. Es wäre aber nicht ausgeschlossen, dass in einer modifizierten Form die Liebenswürdigkeit, die in der Idee enthalten war, wieder einmal verwirklicht würde.

Einem ähnlichen Gedankengang entsprang das Projekt für die Cadlimo-Hütte ( Skizze 2 ). Unter einem Dach vereinigt, beherbergte sie ursprünglich zwei genau gleiche Abteile. Diese waren als Einheiten zu je 20 Schlafplätzen, zugleich mit Aufenthaltsraum und Kochnische, vorgesehen. ( Inzwischen ist in einem Abteil ein Zwischenboden eingezogen worden. ) Dieser Versuch erwies sich als lehrreich, aber untauglich. Ein 20plätziger Universalraum ist zu gross, zu betriebsam und entspricht nicht mehr dem einstigen Ideal.

Zum Abschluss unserer Betrachtungen erwähnen wir schliesslich noch die Spannort-Hütte als eine der jüngsten unter den namhaften Bauaufgaben des Alpenclubs ( Um- und Erweiterungsbau 1961, s. Abb. 13 ). Diese Hütte weist einige typische entwicklungsgeschichtliche Merkmale auf und erlaubt zugleich die Darlegung einiger die Gestaltung betreffenden Gedanken.

In Skizze 3 ist die im Jahre 1880 erstellte erste Hütte dargestellt. Sie weist die nun wiederholt erwähnte « Einheit » von 8 Schlafplätzen, einem Tisch und einem Kochofen auf.

Bemerkenswert ist die für die damalige Zeit fortschrittliche Bauart als Massivbau. Dann aber fällt vor allem die nüchterne, um nicht zu sagen trostlose Art der Gestaltung auf.

Schon 20 Jahre später, 1900/1901, musste die Hütte um einen Anbau von gleicher Grösse erweitert werden ( Skizze 4 ). Er übernahm im wesentlichen die Funktion des Aufenthaltsraumes, während der alte Raum vollständig für Schlafplätze zur Verfügung stand. Dadurch aber, dass im neuen Raum von Anfang an ebenfalls wieder einige Schlafplätze eingebaut wurden, war bereits der Kern für die spätem Übelstände gelegt. Unter dem zunehmenden Druck der Nachfrage wurden in verschiedenen Etappen immer wieder neue Schlafplätze geschaffen, wozu die übergrosse Raumhöhe geradezu provozierte. Das Missverhältnis zwischen Schlafplätzen und verfügbarem Aufenthaltsraum wurde so immer grösser und bestätigte aufs Eindringlichste die Richtigkeit des heute geltenden Grundsatzes, dass der Zahl der Schlafplätze eine ungefähr gleich grosse Zahl an Tischplätzen gegenüberstehen sollte. Nicht allein, aber mitbestimmend waren es diese Übelstände, die 1961 zu einem Umbau und zur Erweiterung der Hütte führten ( Skizze 5 ). In einem Anbau auf der Westseite wurden zwei neue Schlafräume, eine Küche und ein Raum für den Hüttenwart geschaffen. Aus dem bisherigen Aufenthaltsraum ( dem Anbau von 1900 ) wurden alle Schlafplätze und die Kochnische entfernt.

Der Aufgabe dieser zweiten Erweiterung stand die in Skizze 6 dargestellte, problematische Situation gegenüber. Aus Erfahrung war bekannt, dass der Hüttenplatz im Winter gelegentlich von AUSSICHT — ZU G E ( LAWINENWEGE ) im F FELSEN Skizze 6: Spannort-Hütte; Situation und schematischer Schnitt leichten Staublawinen überfahren wird. Die bestehende Hütte war durch grosse Felsblöcke einigermassen geschützt; mit einer Vergrösserung musste aber diese Schutzzone verlassen werden. Eine Fortsetzung nach « a » wäre auf Grund der Gegebenheiten wohl das Naheliegendste gewesen, und auch technisch hätten sich keine unlösbaren Probleme ergeben. Trotzdem schien es nicht opportun, sich einer möglichen Gefahr mit zusätzlichem Aufwand entgegenstemmen zu wollen. Zudem konnte eine Verlängerung des ohnehin schon langgestreckten, schmalen Baukörpers ästhetisch nicht befriedigen.

Die Hangsituation auferlegte der Gestaltung noch ein weiteres Servitut. Es wäre verlockend gewesen, den Aufenthaltsraum an die schönste Aussichtslage bei « b » zu placieren. Bei einem Berghotel hätte man dies allem erforderlichen Mehraufwand zum Trotz tun müssen. In einer Clubhütte ist jedoch der Aufenthaltsraum - wenigstens bei schönem Wetter - nicht der am meisten frequentierte Raum, und in unserm Fall hiess es deshalb, sich den klimatischen Gegebenheiten zu fügen und den Wohnraum dort einzugliedern, wo er auch organisatorisch richtigerweise liegen musste. Die polygonale Grundrissform bedeutet eine weitere Konzession, u.a. an die Windbeanspruchung ( Vermeidung scharfer Ecken und einspringender Winkel ), und der im Zusammenhang damit stehende, trapezförmige Zuschnitt der Schlafplätze hat seine Bewährungsprobe bereits bei der im Jahre 1957 erbauten Domhütte bestanden.

Aus dem angeführten Beispiel mag deutlich herauszulesen sein, dass sich Hüttenbaufragen von Fall zu Fall wieder neu stellen und dass es kein allgemein gültiges Rezept gibt. In vielen Fällen lassen sich Vergrösserungen nicht durch direkte Anbauten erzielen, wenn eine bestimmte Raumkonzeption nicht empfindlich gestört werden soll.

Neuzeitliche Gesichtspunkte sind es zweifellos, wenn der Mensch wieder mehr als bisher zum « Mass aller Dinge » genommen wird, wenn Funktion und Formausdruck in Übereinstimmung gebracht werden und wenn schliesslich alles, was nur modisches Getue ist, gemieden wird.

Wir glauben auch, dass die alpinen Unterkünfte mehr bieten sollen als nur die Befriedigung der materialistischen Ansprüche, wobei dieses « Mehr » nicht gleichzusetzen ist mit Komfort. Der Alpinist erwartet in der Hütte nicht den Komfort des Alltages und vor allem nicht Technik. Man wird dies bedenken müssen, wenn sich in Zukunft Fragen nach neuen Baumethoden und Materialien stellen. Im Clubhüttenbau wird die Verwendung standardisierter Elemente kaum je in Betracht kommen, eher vielleicht Vorfabrikation. Anders bei den « festen Biwaks ».

Der Schweizer Alpenclub kann mit berechtigtem Stolz auf eine hundertjährige Bauperiode als dem sinnfälligsten Teil seiner Tätigkeit zurückblicken. Er wird nicht bei diesem Rückblick stillstehen, sondern sich, aufgeschlossen wie bisher, den noch harrenden neuen Problemen zuwenden. Die reichen Erfahrungen werden ihm dabei zu Gebote stehen und ihm ein verlässlicher Kompass sein in den noch Ungewissen Fährnissen der Zukunft.

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