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Die Formen des Hochgebirges

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33Von Hans H. Boesch

Mit 2 Bildern ( 211, 212Zürich ) Wer aufmerksamen Blickes die Alpen durchwandert, dem begegnen immer wieder die gleichen Formentypen und das gleiche Zusammentreten von Formen zu Landschaften. Aus dem tiefen Talgrunde steigen wir früh am Morgen über die schmalen Terrassen der Maiensässe und durch steil bewaldete Hänge empor; wenn sich der Wald lichtet, weitet sich auch der Blick und umfasst die ausgedehnten Verflachungen der Weiden, über denen erst, von Schutthalden oder Moränen umsäumt, die eigentlichen Gipfelpartien mit ihren scharfen Gräten und charakteristischen Hochgebirgsformen sich erheben. So bietet sich uns ganz allgemein betrachtet mit freilich unzähligen individuellen Prägungen das Reliefbild der alpinen Landschaft. Es sind aber gerade diese typischen Züge, welche den Morphologen zuerst interessieren, welche ihn — wenn er sie immer und immer wieder feststellt — auf die Gesetzmässigkeiten der Formengruppierung und damit auf die Deutung der Entwicklungsgeschichte der Formenwelt des alpinen Hochgebirges, mithin ihrer Morphogenese, führt.

Bevor wir jedoch in unserer kurzen Betrachtung auf diese Fragen eintreten, seien einige Probleme gestreift, welche sich beim morphologischen Arbeiten in den Schweizer Alpen ergeben.

Von wenigen Einzelfällen abgesehen, ist die morphologische Untersuchung in den Schweizer Alpen bis in die jüngste Zeit hinein im Vergleiche etwa zu den Ostalpen eher stiefmütterlich behandelt worden. Dies braucht nicht so zu sein, ist aber durchaus verständlich: wie jede Betrachtung alpiner geolo-gisch-tektonischer Quer- oder Längsprofile deutlich zeigt, hat die Intensität des Zusammenschubes und der Hochstauchung in den Westalpen ( zu welchen die Schweizer Alpen gerechnet werden ) ein ungleich grösseres Ausmass als in den Ostalpen erreicht. Dies führte in den Westalpen zu einer stärkeren Betonung der Quertalentwässerung ( vor allem im innern, insubrischen Teil des Westalpenbogens ), zu einer vollständigen Ausräumung eventuell vor- handener inneralpiner junger, d.h. vor allem mittel- bis jungtertiärer Ablagerungen und zu einer weitgehenden Zerstörung jeglicher Altformen. Diese letztern sind aber der direkte Anstoss zu morphologischen Untersuchungen, und ihr Erhaltungszustand ist meist wesentlich für die Zuverlässigkeit der Deutung — die Existenz korrelater Sedimente, worunter wir solche verstehen, die zeitlich und räumlich einem bestimmten Formgebiet ( Erosionsraum ) zugeordnet und mit ihm direkt verknüpft werden können, die unbedingte Voraussetzung zur Überführung der relativen Altersbeziehungen der Formen in die geologische Zeitskala. Dafür erlaubte in den Westalpen der Einblick in die Tiefe des Alpenbaues die Entwicklung der Deckentheorie, welche die vorhandenen wissenschaftlichen Kräfte in einem Ausmasse absorbierte, dass für morphologische Untersuchungen nur mehr geringes Interesse vorhanden war.

Diese erhielt deshalb in der Schweiz, wo sie hauptsächlich von Geographen getragen war und in geringer Verbindung mit der Geologie stand, während Jahrzehnten eine ausgesprochen landschaftskundliche Note; die Morpho-graphie, die Deutung der Individualgenese, die oft unfruchtbare Diskussion über Einzelfragen wie die Glazialerosion verdrängten die Behandlung grundlegender Probleme. Erst die Erkenntnis des Zusammenhanges von Formbildung und Ablagerung in quantitativer und qualitativer Hinsicht führte neuestens die geologische Forschung auf die Bedeutung des Studiums der Formenwelt. Da aber nördlich der Alpen — worunter hier und im folgenden der Sektor der Schweizer Alpen verstanden sei — seit dem oberen Tertiär ( Sarmat-Torton ), im Süden seit dem altern Pliozän eine Ablagerungslücke bis zum Beginn der Quartärzeit klafft, konnte vom geologischen Gesichtspunkte aus in erster Linie nur die Formwerdung während der älteren und mittleren Tertiärzeit gedeutet werden, d.h. Formen, welche in unserem Gebiete nicht mehr wirklich vorhanden, sondern längst zerstört sind und sich lediglich in jüngeren Niveaus, vor allem im Verlauf der Talzüge abbilden ( R. Staub ). Für die in den Schweizer Alpen wirklich vorhandenen Altformen, die jünger und in das Pliozän zu datieren sind, fehlen folglich die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Betrachtungsweise fast vollständig. Von den französischen Westalpen her dürfte kaum der Weg zur Lösung gefunden werden, zeigen sie doch die genannten westalpinen Charakteristika noch ausgeprägter als die Schweizer Alpen. Eher dürfte es möglich sein, in direktem Anschluss an die Ostalpen den Schlüssel zu finden; diesen Weg hat J. Cadisch für die Silvrettagruppe und F. Machatschek für das Unterengadin beschritten. Beide Verbindungen sind heute jedoch noch nicht als ganz gesichert zu betrachten. Im weitern ist jede Verbindung ausser- und subalpiner Formen und Ablagerungen, selbst noch der altquartären über den Alpennordrand hinweg mit alpinen Formen durch jüngere Bewegungen und eine starke Störung der Zusammenhänge entscheidend beeinträchtigt. Die grösste Aussicht für eine einigermassen sichere Datierung besteht in durchgehenden Untersuchungen alpiner Formelemente mit korrelaten Formen und Ablagerungen im südalpinen Sektor, wie solche neuerdings beispielsweise im Tessin von H. Annaheim durchgeführt und publiziert worden sind.

Aus den genannten Gründen hat sich früher, wie auch noch in neuerer Zeit die Altersdatierung der Formen im schweizerischen alpinen Gebiet hauptsächlich auf die internen Altersrelationen ( im Sinne von älter oder jünger ) beschränkt, was vor allem bei der unterschiedlichen Beurteilung der Glazialerosion, d.h. des Anteiles des Gletschers an der Talbildung nicht nur zu falschen absoluten Altersdatierungen, sondern auch zu weittragenden Fehlschlüssen über die Bedeutung der Glazialerosion selbst führen musste. Aus allen diesen Gründen ergibt sich ohne weiteres die Forderung, dass die reine inneralpine Formrelation ergänzt werden muss durch jede nur mögliche Form-Ablagerungsrelation. Damit ist zugleich auch gesagt, dass an eine sich nur auf das alpine Gebiet beschränkende morphologische Untersuchung gar nie zu denken ist; auf jeden Fall muss der zugehörige Vorlandssektor mit in die Betrachtung einbezogen werden.

Diese Untersuchungen haben in den letzten Jahren die Ansichten von der Morphogenese der Schweizer Alpen nicht unwesentlich zu modifizieren vermocht und vor allem neuere Gesichtspunkte zur Beurteilung des Problèmes der Glazialerosion geschaffen. Im folgenden wird versucht — nachdem bisher die allgemeinen Probleme skizziert worden sind — einen kurzen zusammenfassenden Abriss der genetischen Deutung der alpinen Landschaft auf Grund dieser neueren Forschungen zu geben. Dabei ist zu beachten, dass es sich lediglich um eine Darstellung der allgemeinen Zusammenhänge und der typischen Verhältnisse handelt. Eine regionale Beschreibung ist heute in Anbetracht der Rückständigkeit geschlossener morphologischer Aufnahme-gebiete — im Vergleich mit der geologischen Kartierung — kaum möglich. Wir vernachlässigen deshalb auch vollständig die regionale Differenzierung, wie sie sich aus der Lage in verschiedenen Gebirgsteüen mit Bezug etwa zur Wasserscheide, zum Alpenrand, zu den petrographischen und strukturellen Provinzen usw. ergibt. Auch das Talsystem wird nicht als solches berührt. Dies alles sind Fragen, die einer umfassenderen Untersuchung und Darstellung rufen, als sie hier überhaupt beabsichtigt sind.

Sicherlich die auffälligsten Erscheinungen im Formenbild der Alpen sind die eingangs beschriebenen Verflachungen, die meist etwa auf der Höhe der Waldgrenze oder etwas darüber einsetzen und den steilen Anstieg vom Talgrunde zur Gipfelregion unterbrechen. Sie sind im grossen betrachtet nicht strukturell oder durch das Gestein bestimmt, schneiden sie doch als morphologische Grosseinheit die genannten Elemente. Dass diese im einzelnen die Ausbildung und — hauptsächlich in Kalkgebieten durch Verkarstung — die Erhaltung beeinflussen, ist selbstverständlich; ebenfalls sei ausdrücklich hervorgehoben, dass morphographisch aber nicht morphogenetisch idente Formen durch diese Faktoren in lokalem oder regionalem Rahmen auch geradezu bedingt sein können. Als allgemeines morphologisches Phänomen ist diese « Zone der Verflachungen », wie wir sie vorerst neutral nennen wollen, durch den ganzen Bereich der Schweizer Alpen jedoch mehr oder weniger unabhängig von diesen Einflüssen zu verfolgen, von ca. 1000 m und mehr am Alpenrand auf 2400 m und darüber im Alpeninnern ansteigend. Sie trennt die unter sie eingetieften Täler von den sie überragenden Gebirgsstöcken; wo sie lokal bedingt fehlt, gehen beide Regionen direkt ineinander über und bilden die unmittelbarsten und eindrücklichsten Gehänge innerhalb der Alpen.

Diese « Zone der Verflachungen » ist nach dem Gesagten eine Erosionsform hohen Alters und repräsentiert zusammen mit den sie überragenden Höhenregionen — die freilich seither intensiv umgestaltet worden sind — ein Altrelief der Alpen; die Talgründe dagegen sind jüngeren Datums. Dieses Altrelief besass eine beträchtliche Reliefenergie, mindestens entsprechend dem heutigen Höhenunterschied zwischen Verflachung oder ursprünglichem Talniveau und der heutigen Gipfelung. Wenn wir beispielsweise im Wallis heute noch auf kurze Distanzen solche Höhendifferenzen von 1000—1500 m und mehr feststellen, ist sofort klar, dass man unter Bezug auf dieses Altrelief nicht etwa von einer Einebnungsfläche ( oder peneplain ) sprechen darf, sondern richtigerweise feststellt, dass damals die Alpen wohl in weiten Teilen den Charakter eines Mittelgebirges, in andern Teilen aber eines wirklichen Gebirgs-systemes, von freilich durchaus anderem Aspekt als heute, trugen.

Das Alter dieses Altreliefs kann durch die früher erwähnten Korrelations-verfahren als jüngeres Pliozän ( aber sicher älter als unmittelbar präglazial ) festgelegt werden, wobei mit Bezug auf die genaue Datierung freilich noch verschiedene Wünsche offen bleiben müssen. Sofern wir von der von verschiedenen Autoren geforderten Möglichkeit einer tertiären alpinen Eiszeit, die sehr unsicher erscheint, absehen, bedeutet dies, dass der Formenschatz faziell als fluviatil denudativ charakterisiert werden kann, wobei die Hang-bildung entsprechend der offenbar « absteigenden Entwicklung » ( um einen Ausdruck von Walter Penck zu gebrauchen ) konkave Formen annahm. Dies ist ungefähr das Bild, welches wir uns von den damaligen Alpen in grossen Zügen machen müssen — durchaus verschieden vom heutigen. Die korrelaten Sedimente, soweit sie in ihrer Lückenhaftigkeit und weiten Entfernung überhaupt Schlüsse zulassen, bestätigen qualitativ das gewonnene Ergebnis in allen Punkten.

Nachfolgende differenzierte Hebung, offenbar mit grossräumigen Verbiegungen verbunden, führte zu einer entscheidenden Steigerung der Erosions-intensität der damaligen alpinen Flüsse, wodurch ein neuer Zyklus und die Angliederung eines neuen Formenkreises begann. Paul Beck betrachtet diesen Einschnitt mit Recht als derart einschneidend, dass er damit eine neue geologische Epoche, das Quartär ( d.h. Eiszeit und Nacheiszeit ), beginnen lässt, ungeachtet der heute gesicherten Tatsache, dass dem ersten Vorstoss der eiszeitlichen Gletscher noch eine kräftige Durchtalung bis weit unter das Niveau des Altreliefs voranging. So zeigen, als die ersten Gletscher sich durch die Alpentäler vorschoben, diese schon ein gänzlich verändertes Bild. Das Altrelief bestand in seinen grossen Teilen noch; die weiten flachen Täler aber waren ersetzt durch junge tiefe Talgründe im Abschnitt des Talweges, während Terrassen und Verflachungen als Überreste der früheren Zeit sie in der Höhe begleiteten. In den grossen Zügen ist dieses Bild bis heute erhalten geblieben, wenn es auch im einzelnen bezeichnende Umgestaltung und vor allem in die Tiefe eine beträchtliche Erweiterung erfuhr.

Bevor wir jedoch darauf eintreten, sei als kleiner Abstecher auf eine zufällige, aber geographisch bedeutsame Koinzidenz zweier Erscheinungen hin- gewiesen. Die « Zone der Verflachungen » zeigt in ihrem Verlauf ein ganz ähnliches Verhalten wie die klimatisch bedingte heutige Baumgrenze; dass beide Niveaus heute im grossen ganzen nicht nur gleichsinnig verlaufen, sondern auch absolut gesehen mehr oder weniger zusammenfallen, ist natürlich von ausschlaggebender Wichtigkeit für die alpwirtschaftliche Nutzung. Dies wird besonders dort augenfällig, wo sich die beiden Grenzen verschieben, besonders wenn die Baumgrenze weit unter die « Zone der Verflachungen » zurückfällt, wie das verschiedenen Ortes in den Alpen der Fall ist.

Während den Eiszeiten ( vier nach A. Penck und Alb. Heim ) wurden die Täler vom fliessenden Eise erfüllt, während in den Interglazialzeiten ein Rückschmelzen des Eises bis auf, ja über die heutige Grenze wahrscheinlich, für einzelne Fälle sogar gesichert ist, und damit immer wieder erneut fluviatile und denudative Umgestaltung einzusetzen vermochte. Quantitative Beobachtungen an rezenten Gletschern ( de Quervain, H. Carol ) und Schlüsse aus Formenstudien ehemals vergletscherter Zonen lassen heute übereinstimmend die Formen des alpinen Tales als gemischt fluvial-glazialen Ursprunges beschreiben. Dabei geht die Eintiefung auf Rechnung der prä-, inter- und postglazialen Flussarbeit, die Umgestaltung vor allem der Talwände durch Unter-schneidung, die Bildung von Detailformen ( Schliffe, Rundhöcker usw. ) und die Umbildung von noch zu erwähnenden Unregelmässigkeiten im Tallängs-profil ( Steilen, Stuten ) zu Lasten des Gletschereinflusses. Dass der Gletscher direkt erodieren kann — sei es durch Abschleifen oder Ausbrechen —, wird heute nicht mehr ernsthaft bestritten, wenn auch den sub- und randglazialen Wassern eine Mitwirkung zugebilligt werden muss ( R. Streiff-Becker ). Am entscheidendsten erscheint derart umrissene Glazialerosion im Falle der Bildung von Zungenbecken bei langdauernden, unveränderten Gletscherständen und wahrscheinlich an den Konfluenzstellen ( Neben- und Hauptgletscher ) im Zusammenhang mit der Umbildung von Mündungsstufen und den sog. « Vorbauten » ( O. Flückiger ). Gerade die ersteren sind aber durchaus noch nicht überzeugend und eindeutig auf rein glazialen Ursprung zurückgeführt, kommen doch ganz ähnliche Stufenmündungen auch in rein fluviatil gestalteten Gebirgen vor. So bestehen wohl noch in einigen Detailfragen Auffassungs-differenzen, im grossen darf aber das gezeichnete Bild als wissenschaftlich gesichert und allgemein akzeptiert betrachtet werden.

Die erwähnten Steilen, d.h. die Treppung des Längsprofiles, welche das alpine Tal in die charakteristischen einzelnen Talabschnitte zerlegen, können durchaus verschiedenen Ursprunges sein. In vielen, rein statistisch gesehen vielleicht den meisten Fällen handelt es sich um lokale Ursachen, indem die geologische Struktur dafür verantwortlich zu machen ist. In anderen Fällen handelt es sich jedoch um das Ineinanderschachteln von ( interglazialen ) Eintiefungssystemen, wobei das jüngere und tiefere System den Übergang zum älteren höheren in einer ständig rückwärts wandernden Flußsteile fand. ( Siehe die Arbeiten von P. Beck, F. Nussbaum, W. Staub, F. Machatschek, H. Annaheim u.a. m. ) Während der Eiszeit wurden diese Flußsteilen gewissermassen eingefroren und glazial umgestaltet ( Riegel und Stufe ) und blieben nach dem Wiederfreiwerden infolge gänzlich veränderter Bedingungen in vielen Fällen passiv, erstarrt, während sie in andern Fällen zu neuem Leben erwachten. Damit im Zusammenhang stehen die sich den Talhängen entlang ziehenden Terrassenleisten, welche sich mehrheitlich in solche Systeme einordnen und talaufwärts schliesslich in einen Talboden überführen lassen. Eine durchgehende Kartierung und statistische Erfassung aller dieser Erscheinungen in den veischiedenen Teilen der Schweizer Alpen wird erst den Überblick, sowie den Entscheid in vielen, heute noch unklaren Einzelfällen gestatten. In diesem Sinne ist die Koordination der Arbeiten, wie sie der « Arbeitsgemeinschaft zur morphologischen Erforschung der Schweizer Alpen » ( Präsident: H. Annaheim ) vorschwebt, auf das wärmste zu begrüssen.

Durchaus verschieden verlief die Entwicklung in den Bergen des Altreliefs. Die entscheidende Umwandlung muss dort vor allem in den Interglazialzeiten und der Nacheiszeit erfolgt sein, als sich die Gletscher ähnlich wie heute in zahllose Einzelgletscher und Gletscherchen auflösten, welche die fluviatil vorgezeichneten Mulden als Kargletscher einnahmen. Dadurch wurde der Bereich, in welchem die Eis-, Gesteins- und Luftkörper zusammentreffen und in welchem die Frostverwitterung besonders aktiv ist, bedeutend erweitert. Die Kargletscher frassen sich gewissermassen in die Bergkuppen hinein, die Gehänge wurden übersteil, und es bildeten sich dadurch in einem schon häufig dargestellten und leicht verständlichen Entwicklungsgang die charakteristischen Hochgebirgsformen überhaupt erst heraus. Es wurde vielleicht bisher zu wenig beachtet, dass diese Formen morphogenetisch und klimatisch bedingt auf die Zone über den Verflachungen beschränkt sein müssen und in dieser Beziehung sich charakteristisch von diesen selbst, wie auch von den Tälern unterscheiden.

Die Tatsache, dass die Karverwitterung kaum in die Tiefe, dafür um so mehr nach den Seiten und gegen das Zentrum des Berges wirkt, kann bei weiterem Rückschmelzen und gänzlichem Verschwinden der Gletscher auf das beste beobachtet werden. Der Karboden, oft auch eine ganze Rosette von Karböden, getrennt durch steil sich verschneidende Karwände, liegt der zentralen Pyramide vorgelagert; dabei kann es selbstverständlich durch Zerstörung auch dieser letzten trennenden Wände zur Ausbildung einer eigentlichen « glazialen Abrasionsplatte » ( O. Flückiger ) kommen, die aber auf keinen Fall mit der « Zone der Verflachungen » verwechselt weiden darf. Nach Ursache und Alter, meist auch durch ihre höhere Lage, sind so entstandene Flächen deutlich zu unterscheiden.

In dieser Weise kann das Werden der alpinen Gebirgsformen skizziert, die Probleme der Untersuchung umrissen werden. In vielen Punkten hat diese selbst die Erkenntnis schon bedeutend weitergebracht, das Bild detaillierter gestaltet, als dies hier dargestellt wurde. Es sei dies ausdrücklich betont und auf die Literatur hingewiesen. Die Absicht bestand lediglich darin, dem Alpenwanderer eine Deutung dessen zu geben, was sich einer aufmerksamen Beobachtung nicht zu entziehen vermag. Dass die Alpen, so wie wir uns heute an ihrem Anblicke erfreuen, aber nicht einfach als « Ruinen eines stolzen früheren Gebäudes » beschrieben werden dürfen, wie dies vor allem in der geologischen Literatur vor dem Hintergrunde tektonischer Rekonstruktionen noch häufig geschieht, ist klar; genau so wenig kann eine schöne Skulptur als Ruine bezeichnet werden! Die äusseren Kräfte im Vereine mit Bewegungsvorgängen schufen in der Quartärzeit erst das vielgestaltige Hochgebirgsielief, indem sie wie der feingeführte Meissel des Bildhauers von der Natur differenziert, aber nicht wähl- und gesetzlos angesetzt wurden.

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