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Die Namengebung auf den amtlichen topographischen Karten der Schweiz

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 1 KartenbeilageVon Bernhard Cueni

Einleitung: Diese die Alpinisten sehr interessierenden Aufschlüsse über die Namengebung auf den amtlichen topographischen Karten der Schweiz wurden uns von Seiten der eidgenössischen Landestopographie zur Verfügung gestellt, einschliesslich der wertvollen Kartenbeilage.

Die Erneuerung unseres Siegfriedatlasses soll gleichzeitig auch volkskundlichen Forderungen dienen, weshalb die auf den Kartenblättern vorkommenden Namen der örtlichen Schreib- und Ausdruckweise folgen und nicht mehr die durchgehende Verhochdeutschung erfahren haben, wie dies auf den alten Kartenblättern der Fall war und oft zu ganz irreleitenden Namen führte. So finden wir z.B. auf dem Blatt Wassen der Siegfriedkarte im Gorezmetlental den « Judfad » verzeichnet, was aber richtig « Juzfad » hcissen soll, d.h. die letzte Felsterrasse, von der aus man im Aufstieg zum Zwächtengrat noch den freien Blick ins Kleinalptal werfen kann und fröhlichen Jauchzer ruft, « en Juz », wie der Urner sagt. Oder bei Winterthur meldet ein Kartenblatt von einer « Deutschematt », die aber « Tütschimatt » heissen soll, die Wiese, wo das Stück = Holz, das « Tütschi » gefunden wurde. Das im nachfolgenden Beitrag von Bernhard Cueni besonders gezeigte Kartenblatt des Etzlitales zeigt uns in vielen Namen, wie die Einflüsse des Bündner Oberlandes zur Geltung kommen, sei es in Bergnamen wie Gand und Plangg oder in Alp-bezeichnungen wie Culme ( Culma ) oder Porthisli ( auch Bordhisli, aber irrtümlich ), das Tor, die Porta, den Eingang ins Maderanertal bezeichnend, wenn man über den Chrizlipass ( den Kreuzberg ) vom Bündnerischen hinüber ins Urnerland steigt. Auch bezeichnet das Wort « Porten » in Graubünden « die Stationen an den Alpenstrassen, wo die Waren umgeladen werden mussten » ( Idiotikon ), was auch für Porthisli zutreffen wird. So wird die neue Landeskarte zu einem von unserer engern Heimat erzählenden Kartenbild, das nicht nur topographisch, sondern auch volkskundlich die Landschaft festzuhalten sucht. Wir danken der Direktion unserer eidgenössischen Landestopographie auch hier für ihre Bemühungen für die Förderung und Weiterentwicklung unseres Landkartenwerkes und im besondern für diesen « Alpen»-Beitrag, der bei unsern Lesern auf volles Interesse stossen wird.

M. 0e.

Vom Begriff Raum —Zeit oder dem « Hier— Jetzt » fällt für die Karte und ihren Gebrauch die Zeitangabe in gewissem Sinn weg, da es sich um dargestellte Gegenstände handelt, die grosse und grösste Zeiträume dauern. Die Raumlage, das « Hier », liesse sich einwandfrei durch das Mittel geographischer Koordinatenpaare oder durch Projektionskoordinatenpaare ( Y, X ) oder gar durch beliebige sich nicht wiederholende Zahlen geben. Diese Zahlenwelt ist aber von allzu abstrakter Natur. Sie vermittelt ausser der relativen Lage des Objekts zum Nullpunkt keine rechte Vorstellung. Man griff deshalb zu allen Zeiten auf den gegebenen Ortsnamenschatz eines Volks, den dieses sich im Lauf der Jahrhunderte nach dem Bedürfnis, die Ortslage auszudrücken, schuf. Dieses Bedürfnis war naturgemäss in den Siedelungs-und Wirtschaftsgebieten am grössten; diese wurden namenreich, während unwirtliche Gebiete namenarm blieben. Es wäre unwissenschaftlich, die Karte gleichmässig mit Namen zu bedecken. Sie soll der Wahrheit zulieb das ungefähre Verhältnis der Namendichte einzelner Gebiete zeigen. Das lässt sich in kleinen Maßstäben ( 1: 50 000 und kleiner ) nur unvollkommen erreichen, weil in namenreichen Teilen Häufungen entstehen, die ohne Verdrängung der übrigen Kartenobjekte oder Störung der Lesbarkeit nicht Platz finden, und weil in namenarmen Gebieten zur Ermöglichung einer genügenden Ortsnennung relativ weniger bedeutende Objekte angeschrieben werden. So trägt manche Berghofstatt auf kargem Boden, manche kleine Fluh usw. in der Karte den Namen, während Häuser oder gar Häusergruppen im fetten Mattland ohne Namen sind.

Der Wert einer Karte hängt in hohem Mass von der lagetreuen Einzeichnung dieses Namenguts des Volks ab. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Die Stellung der Namen in der Karte muss ohne Mehrdeutigkeit auf das zugehörige Objekt weisen. Die Folgen fehlender oder ungenügender Übereinstimmung der Benennung oder der Lage führen nicht selten zum Vertrauensschwund. Es mag daher ein Gebot der Stunde sein, den vielen interessierten Kartenbenützern eine Aufklärung über die bei der Erstellung der neuen Landeskarte waltenden Grundsätze der Namengebung zu bieten und die unvermeidlichen Widersprüche zwischen der neuen Karte und der vertrauten Siegfriedkarte und auch diejenigen zwischen dem Namengut der Karte und dem des Volks ihrem Verständnis näher zu bringen.

Dass zwischen altern und Jüngern Karten Widersprüche in der Namengebung bestehen müssen, geht einmal zwingend aus der Tatsache hervor, dass die Ortsnamen ein lebendes Gebilde sind. Namen vergehen, Namen werden aus irgendwelchen Gründen. Wer wüsste noch, dass das Maderanertal früher das Chärstelental war ( davon zeugt noch der Chärstelenbach ), dass Gasen im Mattertal zu St. Niklaus wurde ( davon Gasenried ), dass das Weisshorn früher auf der einen Seite den Namen Wiss Gratl, auf der andern Seite den uralten Namen Gross Wiss Hiri 2 trug? Gelegentlich verraten abgeleitete Namen der Umgebung dem denkenden Kopf etwas davon.

Oft wehren sich die dem Untergang geweihten Namen zäh um ihr Dasein und behaupten sich lange neben den Neuschöpfungen. Wer von den Karten-lesern wüsste, dass die alte Walsersiedelung St. Martin in Calfeisen heute 1 Törbel. Von Randa, Täsch aus wahrscheinlich auch Schallihorn genannt.

2 Siehe Jahrbuch S.A.C. LVIII, 1923, S. 310. Ein kleines Älpli oder ein Alpstafel « zer bösen Muren » im Turtmanntal ist ganz verschwunden und sein Name schlummert nur noch in alten Akten.

noch fast ausschliesslich Chilchli genannt wird, dass die Leute in Murren schlicht vom Mürrenberg, den Fremden zulieb auch vom poetischen « Blumen-täli » reden? Der Ursprung des Dürrbachs in Engelberg ist in der « Hell » ( Hölle ); heute heisst diese Stelle auch « Sieben Quellen»1. Wo es irgendwie angeht, gilt für den Kartenersteller in solchen Fällen aus Pietät der Grundsatz, den alten Namen weiter bestehen zu lassen, und zwar ohne Rücksicht auf die Siegfriedkarte, in der allzuviel « verbessert » wurde. Dieser Grundsatz hat aber keine Geltung in den Fällen, wo das namentragende Objekt eine überragende Bedeutung hat und die alleinige und längere Verwendung des neuen Namens in Literatur und Verkehr jeder Art besteht. Aus diesem triftigen Grund wird die Karte den jüngst beschlossenen Gemeindenamen Schinznach-Bad enthalten und den alten Namen Birrenlauf seinem Schicksal überlassen.

Es würde zu weit führen, hier alle Ursachen für den Namenverlust, der lange nicht immer durch Neuschöpfung aufgewogen wird, aufzuzählen. Man denke beispielsweise an die Ausbreitung der Städte, an Naturkatastrophen, an Kunstbauten, an Besitzwechsel, an Aufforstungen, an Eingang des Bergbaus oder Aufhören der Nutzung und nicht zuletzt an eine gewisse Denkart des einfachen Volks ( Geringschätzung der Mundart u.a. ).

Weitere scheinbare Widersprüche im Verkehr mit den Einheimischen lassen sich leicht durch die Tatsache erklären, dass die Namen bei weitem nicht so eindeutig und übereinstimmend den Objekten zugelegt werden, wie man glauben möchte. In den den Wohnstätten fernen Gebieten können unter den Gewährsmännern Meinungsverschiedenheiten über den Geltungsbereich der Namen auftreten, bei denen nicht etwa das Mehrheitsprinzip den Ausschlag gibt. Weder Alter noch Bildung vermag grösstmögliche Sicherheit zu gehen, wohl aber die Erlebniszeit und die Verbundenheit mit den Gebieten und die treue, von aussen unbeeinflusste Bewahrung des von den Vorfahren überlieferten Namenguts. Oft ist die Klarheit erst durch die Realprobe zu erreichen, wenn der Aufnehmende ein festes Wissen um die Begriffe der Namenwörter sein eigen nennen kann. Eine Litzi wird nie auf der Sonnseite liegen, ein Stand nie eine steile Halde sein. Tschuggen, Nossen, Fluh, in der Ostschweiz auch Stein werden immer, Schupfen ( bzw. Schipfen ) fast immer auf Felsen weisen. Guglen und Nollen, seltener Mutsch(en ), gehören immer den runden Bergformen. Schräa, Schräind Bach ( z.T. auch Fall 2 ) sind ursprünglich immer einem Wasserfall eigen. Freilich sind der Fälle nicht wenige, wo solche Namen auf Nachbarobjekte ausgedehnt oder übertragen 3, auch vom Teil auf das Ganze oder vom Ganzen auf den Teil bezogen sind. Zu den Bodmen, Kehren u.a. zählt oft auch das Umgelände. Schräa ( früher wohl « uf der Schräa » ) in Calfeisen gilt heute für einen Alp teil; Stalden, Fluh 1 In gewissen Fällen ist die eine von zwei Benennungen ein Spottname: Ober Matill in Andermatt heisst auch Lötengaden.

2 Felli, Fellinen sind gewöhnlich Stellen in den Alpweiden, wo das Vieh der Gefahr des Fallens ausgesetzt ist, oder Stellen, wo etwa ein Tier abstürzte: Märenfelli ( Zeneggen ), Hundsfelli ( Calfeisen ). Gelegentlich erscheint der Name auch in Wäldern für gestürzte Bäume: Holzfelli.

3 Die Übertragungen an Ort auf später entstandene Objekte ( Flurnamen, Talnamen u.a. für Siedelungen ) interessieren in diesem Zusammenhang nicht.

( eigentlich « uf, an, bi, under der Flue » ) oft für Wohnstätten. Durch Einwirkung der Natur oder des Menschen verschwundene oder umgestaltete, durch den Wandel des Landbaus, der Nutzung und der Rechtsame ihres ursprünglichen Wesens oder ihrer Bestimmung beraubte Objekte leben lange in ihren Namen weiter ( Häuser, Hütten, Ställe, saftige Triften, Wald, Kehren, Sumpfgelände, Äcker, Matten, Stäfel, Susten, Allmenden ). Die Realprobe ist somit kein Mittel in allen Fällen.

Die Abweichungen sind gelegentlich beträchtlich, und niemand vermöchte zu sagen, wessen Aussagen die grössere Glaubwürdigkeit zukomme Der Name Spähhorn wird im Saastal von der Mehrheit der Kenner dem Grenzgipfel, von der Minderheit einem weit abliegenden Gratstück zugewiesen. Ähnlich verhält es sich mit dem Rothorn hinter der Andermatter Unteralp. Beim Pfaffenhut in Gadmen ist keine Sicherheit über seinen Ort zu gewinnen.

Vor schwerer Entscheidung steht der Kartograph recht oft dann, wenn die Einheimischen ein und demselben Objekt zwei oder mehrere Namen zulegen. Der eine braucht nicht unbedingt geringern Alters zu sein. Die Ansicht lässt sich vertreten, dass die Namengebung durch kleinere Gemeinschaften ( Jäger, Hirten, Sippen ) unabhängig voneinander geschah. Das Faderhorn heisst auch Seewjinenhorn, das Jägihorn Inner Rothorn, der Jochstock Ober Ochsenstöckli, der Chrüzlistock Chrüzliberg, der Wallenburfirn Jochgletscher, Ober Matill in Andermatt auch Lötengaden, die Malanser Alp auch Calfeisen, die Oberalpreuss unten auch Mühlebach, der Engstlenstand auch Titlisjoch. In vielen Fällen ist der eine Name wohl noch bekannt, doch ausser Gebrauch; es vollzieht sich das unerbittliche Gesetz des Lebens: Der Nollen am Titlis heisst heute Klein Titlis. Nur in wenigen Fällen gestattet die Kartenfläche die Schreibung aller Namen.

Gleich arg kann es werden, wenn die Leute verschiedener Gemeinschaften ( Ortschaften, Täler ) die gleichen Objekte verschieden oder verschiedene Objekte gleich benennen. Dem Bietschhorn gehören auch die Namen Gross Nesthorn und früher Lötscherhorn und Baltschiederhorn an. Rossbodenhorn ist auf der einen, Fletschhorn auf der andern Seite die Benennung für den mächtigen Berg zwischen Simplon und Saastal. Die Mittaglücke ( Zwölferlücke ) im Gorwetschgrat ist auch die Zehnerlücke, und der Mittagstock von Gwüest in der Göschener Alp ist der Nünistock der ( Göschener- ) Älpler. Der Trublenstock der ( Leuk-)Badner ist das Rothorn der Varner. Das nördliche der Sustenhörner ist durch seine Lage, die ihm Heimatrecht in drei Tälern gibt, Träger dreier Namen: Vorder Sustenhorn, Hinter Sustenhorn und Sustenhorn heisst es, je nachdem man in Gadmen, Göschenen oder Meien von ihm spricht. Grundsätzlich sollte die Karte als Bild des Gegebenen alle Namen enthalten. Vermag sie aus Raumnot diesem Gebot nicht zu genügen, dann fällt die Wahl auf den allgemein bekanntem Namen. Ist dieser nicht festzustellen, so bleibt wie beim Ringen um letzte Dinge des Lebens, wo die gewohnten Gewichte versagen, nur die Entscheidung. Die gleichlautende Benennung sich nahe liegender, gar verwachsener Objekte mag in gewissen Fällen ursprünglich und aus gleichen Eigenschaften der Objekte und mangelnder Fühlung mit der andern Seite zu erklären sein. Doch kann auch angenommen werden, dass die Übereinstimmung einmal bestand, dass später alte untergeordnete Teilnamen als gleichgeordnet betrachtet oder neue Teilnamen geschaffen wurden, die den Gesamtnamen auf mehrere kleinere Räume zurückdrängten. So versteht man unter den Fünffingerstöcken an der Grenze zwischen Gadmen und Meien auf jeder Seite etwas anderes. Die gleiche Erscheinung des auf einen anliegenden Ort Bezogenseins des selben Namens ist auch bei Siedelungen, Fluren, Wäldern festzustellen, doch haben hier die Bedürfnisse des täglichen Lebens längst die Unterscheidungen ( durch Beifügungen oder jeweilige Umschreibung ) erzwungen, wo und wann sie nötig waren.

Wie in der kartographischen Werkstatt diese Missverständnis stiftenden Gegebenheiten zu einer möglichst einwandfreien Lösung geführt werden, soll hier nicht dargetan werden. Es genüge dem Leser das Wissen um das Bestehen dieser Unvollkommenheit des Namenguts in grossem Räumen.

Die Verbreitung der gleichlautenden Namen ist eine Selbstverständlichkeit. Die gleichen Grundwörter ( Gattungswörter ) und ihre Zusammensetzungen mit Bestimmungswörtern ( zur Unterscheidung gleichgearteter Objekte ) hatten einst im Wirtschaftsraum des dauernd oder zeitweise sesshaften Volks keinen Zusammenhang unter sich; sie waren eingebettet in die Namenschicht eines eng begrenzten Gebiets, und dieses Gebiet ( Hofstatt, geschlossene Siedelung, Alp ) war eine wirtschaftliche Einheit. Nur darin hatten diese Namen eine Bedeutung. Jede geschlossene Siedelung ( auch jede Hofstatt ) musste oder konnte einen Bifang oder eine Bunt, einen Esch oder ein Feld, eine Zeig und Ägerten, eine Allmend ( Hofstatt ausgeschlossen ), Rüti, Schwand haben. Ähnlich war es bei der Alp mit dem Stafel oder Säss, Stand usw. Dazu gesellten sich die zahlreichen Allgemeinbezeichnungen für Berg-, Tal- und Geländeformen: Horn, Stock, Berg, Grat, Tal, Kumme, Graben, Egg, Joch, Lücke und viele andere. Die bereits erwähnten Sonder-bezeichnungen gleichgearteter Objekte durch die Erweiterung des Grundworts mit dem irgendwie gearteten Bestimmungswort schufen von Anfang an wieder eine Fülle gleichlautender Namen im Grossraum. Hinter Feld, Ober Zeig, Gross Boden, Rot Horn, Ruch Stock, Stotzig Grat, Almageller Älpji, Luter Seeli sind einige aus der Menge.

Alle diese Namen wurden einst zum Zweck der eindeutigen Ortsnennung geschaffen. Die Eindeutigkeit konnte aber verloren gehen, wenn das Tätigkeitsgebiet des Menschen sich ganz oder teilweise über mehrere selbständige Wirtschaftsgebiete erstreckte. Die Jäger im Gebirg standen wohl schon früh vor der Not, die gleichlautenden Gipfel, Gräte, Lücken durch Beifügungen auseinander zu halten. Der Verkehr brachte durch seine Wege ( Strasse, Bahn ) immer mehr gleichnamige Orte ( Siedelungen ) in Zusammenhang und gebot so ihre Unterscheidung. Wohl die zahlreichsten Eingriffe ins Namengut kamen vom Bergsport her. Bei der Kartenerstellung gilt der der Vernunft gemässe Grundsatz, die Unterscheidung nicht weiter zu treiben, als es die Bedürfnisse des Kartenbenützers verlangen, und diese sind denen der Verwaltung, Eisenbahn, Post nicht gleich. Scheidende ortsbestimmende Angaben bei Namen ohne andere als sprachliche, siedelungs- und wirtschafts- geschichtliche Zusammenhänge wie Oberried am Brienzer See, Oberried ( Freiburg ), Oberried ( St. Gallen ), Abtwil ( Aargau ), Abtwil ( St. Gallen ) sind entbehrlich, denn die Karte gibt die Ortslage im Bild. Stehen aber wichtige benachbarte Objekte des gleichen Namens in irgendeinem neuen Zusammenhang 1 ( z.B. durch neue Verkehrswege, den Bergsport ), dann drängt sich zur Vermeidung von Missverständnissen die Unterscheidung auf. Im übrigen bleibt bei der Unzahl der bedeutungsgeringen Fälle immer noch das mündliche oder schriftliche Wort, die Gedanken zu tragen. Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dass die Beifügungen nie so gewählt werden dürfen, dass sie dem Nennungsbrauch der Einheimischen zuwiderlaufen und Missverständnisse züchten, dass also die vertrauten Bestimmungswörter Inner, Vorder u.a. nicht, wohl aber auf Zugehörigkeit weisende in Betracht fallen: Faldum Rothorn, Ferden Rothorn u.a. Aus dieser für viele Kartenbenützer wohl nützlichen Klarstellung der Verhältnisse soll nun nicht der Schluss gezogen werden, dass bei den Bearbeitern des Namenguts der neuen Landeskarte die Neigung zur ungehemmten Unterscheidung bestehe. Das Bewusstsein der Verantwortung für das althergebrachte Namengut und der beschränkte Kartenraum gebieten im Gegenteil die strengste Zurückhaltung. Von grosser Bedeutung ist indessen, dass der Kartenbenützer um die Mehrdeutigkeit wisse und sich eindeutig auszudrücken bestrebe.

In der kartographischen Werkstatt liegt viel Namengut, das sich mit dem gesammelten Namengut des Volks nicht recht fügen lässt. Es sind die Namen der Neuzeit, die hauptsächlich in den Siedelungsräumen und in den Bergen auftreten. Obwohl die vielen Villen- und Chaletnamen wie Eden, Fortuna, Neue Heimat, Paradies, Soldanella, Erika, Sunnehöckli, Heimelig, Alpenblick sich breitmachen und gelegentlich einen alten ehrwürdigen Namen überschatten, sei ihnen doch keine weitere Betrachtung geschenkt, da schliesslich jeder in den vom Gesetz gezogenen Grenzen mit seinem Eigentum machen kann, was er will. Aber der Berge sei gedacht, denn an ihnen und ihren Namen besteht ein öffentliches Interesse. Es sei vorweg festgestellt, dass es die Aufgabe der Vermessungsfachleute nicht war noch ist, Namen für unbenannte Objekte zu finden und sie in die Vermessungswerke ( Pläne, Karten, Verzeichnisse ) zu schreiben, sondern das gegebene, in der Karte darzustellende Sichtbare und Unsichtbare wahr zu fassen. Es war aber immer bei Geodäten, Topographen, Kartographen, Geometern und Berggängern aller Farben die Lust festzustellen, schöpferisch oder vermeintlich verbessernd in das gegebene Namengut zu greifen. Dass bei der sprachlichen Unzulänglichkeit, der oft unkritischen Einstellung manches Unheil geschah, liegt auf der Hand. So konnten in Literatur und Karte bisher unbenannte Objekte neue Namen erhalten, trotzdem gute alte Namen bei den Einheimischen vorhanden waren. Walserhorn, alt: Eggtalhorn oder Egghorn, Schienhorn statt Tochenhorn, Karrhorn statt Mittaghorn sind Beispiele. Andernorts war die Namengebung, die an und für sich gerechtfertigt sein mag, der Form des Objekts schlecht gemäss: Panärahörner für schwache Graterhebungen, Violenhorn für einen sanften Grat. Wenn weiter die Bergnamen Sunnig- und Schattig- 1 Den hatten sie früher nicht, sonst wären sie im Namen schon ungleich.

Wichel im Fellital als Schulbeispiele unglücklicher Benennung blosszustellen sind, so soll damit nicht behauptet werden, dass Ortsfremde gefehlt hätten. Sehr wohl können auch Jäger, Strahler die Namengeber gewesen sein. Der störende Umstand ist, dass die beiden Berge den völlig gleichen Namen haben wie die darunterliegenden Talhänge des Wicheis. Diese wurden sicher früher benannt. Kein Sinn für Namengebung waltete bei der Einführung des Namens Sustenlimmi. Dem Gadmer ist Limmi, was dem Urner Joch. Das alte Sustenjoch ist ein Übergang von der Voralp zur Susten, die neue Sustenlimmi ein solcher zwischen dem Stein und den Kehlen der Göschener Alp und steht zur Susten in keiner nähern Beziehung. Die Namensippe mit dem Bestimmungswort Susten wurde einfach bereichert. Wieder andere Neubenennungen waren sprachliche Fremdkörper, die das Sprachgewissen ritzen: Spitze für Spitz, Kuppe, Schulter, Schlucht für bodenständige Lamme, Quelle für Brunn(en ), Gletscher für Firn, Firn für Gletscherteile. Sie hätten sich meistens durch das gebotene Eindringen in das Sprachgut des Volks vermeiden lassen. Man wird einwenden, sie genügten dem Zweck. Gewiss! Das Blechdach der Alphütte auch. Die grösste Verwirrung stifteten willkürliche Namenüber-tragungen auf benachbarte namenlose Objekte: Der Hornfellistock der Touristen ist nicht der Hornfellistock der Hirten, Älpler und Jäger. Gelegentlich wurden auch mehrere Objekte zusammengefasst und unter dem Namen eines Teils gegeben: Die durch die Triste getrennten Schaflägerstöcke und Gallauistöcke erschienen in der Literatur und Karte unter dem letztern Namen. Meist unnötig waren Beifügungen zum Zweck der Unterscheidung: Genügt Eiger — Klein Eiger, so hätte das Schreckhorn ( ohne Gross- ) den Dienst neben Klein Schreckhorn auch getan. Diese einseitigen Unterscheidungen sind in allen Gegenden zu treffen: der Boden — der Ober Boden, der Büel — der Hinder Büel u.a. Reinste Willkür und vom geographischen Gesichtspunkt aus schlecht dazu war die Einführung des Grindelwaldtals. Das ist das Tal der einen Lütschine und hat für den untern Teil den Namen Lütschental ( auch Gemeindename ). So war nach der Siegfriedkarte das Lütschental im Grindelwaldtal; eine unhaltbare Namengebung.

Solch in der Hauptsache von aussen hereingebrachtes Namengut unterliegt selbstverständlich bei der Bearbeitung der neuen Karte der strengsten Beurteilung. Ergibt die eingehende Felderhebung mit den ortskundigen Einheimischen seine Unrichtigkeit oder Überflüssigkeit, so verfällt es ohne Gnade der Ausmerzung, wie bei der Restauration eines alten Gemälds die Übermalungen fallen und das Bild in seiner Ursprünglichkeit wieder ersteht. Das alte und immer noch lebenskräftige ( meist ausschliesslich gebrauchte ) ehrwürdige Namengut der Einheimischen hat das Vorrecht. Sind aber neue Namen in glücklicher oder unglücklicher Fassung für bedeutende bisher namenlose oder neue Objekte geschaffen und bei der ansässigen Bevölkerung in genügendem Grad bekannt, dann gewährt ihnen die Karte selbstverständlich Unterschlupf 1, denn sie ist ja die Dienerin.

1 So den bereits genannten Wichein im Fellital, nicht aber dem Brunegggletscher im Turtmanntal, der ein Teil des Turtmanngletschers ist und der Einsichtslosigkeit sein Auftauchen verdankt.

Der Leser mag sich aus den bisherigen Darlegungen das Urteil darüber bilden, wie weit die Karte mit den Aussagen einzelner Ortsansässiger und mit den Angaben der Literatur übereinzustimmen vermag. Eine absolute Sicherheit des Namenguts anzustreben, hiesse die Stunde festhalten und die ewige Unrast und Not des Menschengeists bannen wollen. War bisher in der Hauptsache die Rede vom Namengut des Lands und von seinem Bild in der Karte, so möge nun noch gezeigt werden, wie Unstimmigkeiten zwischen der neuen Landeskarte und der Siegfriedkarte bestehen müssen. Zwar konnte der Leser aus dem früher Gesagten über das Wesen der Namen und über die bei der Kartenerstellung waltenden Grundsätze bereits bestimmte Folgerungen ziehen. Doch wird es nicht unnütz sein, beim Vergleich der beiden Karten wieder darauf zurückzugreifen.

Das Auftauchen neuer an der Stelle abgestossener alter Namen ist dem grossen Beharrungsvermögen der Namen zufolge eine verhältnismässig seltene Erscheinung. Sie ist für die kurze zeitliche Entfernung zwischen den jüngsten Ausgaben der Siegfriedkarte und der neuen Landeskarte kaum sichtbar, da die Siegfriedkarte die Änderungen für die bedeutendem Objekte ( Siedelungen, Berge u.a. ) beständig zeigte. Immerhin ist festzustellen, dass das Tritthorn am Gotthard als verloren gelten dürfte * und dass der Ancapan in Calfeisen heute ausschliesslich Chilchichopf heisst. Für viele bescheidenere Objekte liesse sich der Nachweis des Namenwechsels leicht erbringen, wenn die Siegfriedkarte in vielen Gebieten nicht so namenarm wäre. Zöge man aber die altern Siegfriedkarten und gar die Aufnahmen zur Dufourkarte zu Rat, dann kämen die am Namengut waltenden Kräfte ans Licht. Es zeigte sich dann, dass die Streusiedelung Neufeld bei Thun auf der frühern Vieh-weid steht und die Aareschlucht im Kirchet die Lamm war.

Weitere Unterschiede zwischen der neuen Landeskarte und der Siegfriedkarte lassen sich leicht aus der vielerorts fehlenden Eindeutigkeit des Namenguts erklären. Stützte sich der alte Topograph nur auf einen oder wenige Gewährsmänner und musste er sich die zeitraubende Abklärung der Widersprüche versagen, dann waren seine Namen zum Teil nicht in genügender Übereinstimmung mit den Objekten, und dann konnte die Wertung der Doppelnamen, wenn diese überhaupt erfasst waren, nicht zum gleichen Ergebnis führen wie bei einer vollständigen und gewissenhaften Sammlung des Namenguts. Man sähe an der Wahrheit vorbei, nähme man an, dass der grosse Teil der Unstimmigkeiten so zu begreifen wäre. Die Erfahrung aus der Beschäftigung mit dem Namengut weist unwiderleglich darauf hin, dass die sorglose Aufnahme die Schuld trägt. Bar des Bewusstseins des Wesens und der Bedeutung dieses Kulturguts, betrachteten es die meisten Topographen als notwendiges raumfüllendes Kartenelement. So weist in der Siegfriedkarte der Name Schwand in Engelberg nur auf eine kleine Gebäudegruppe des Namens Hostet hin, während er tatsächlich gut zwei Dutzend zerstreuter Heimwesen als Sammelname eigen ist. Seltener überschreitet ein Name seinen Geltungsbereich beträchtlich wie für die Rimpfischwäng am Findelengletscher und den Brunniboden im Maderanertal. Aber wider Erwarten zahlreich und 1 Die Einheimischen kennen es nur noch dem Namen nach.

Die wichtigern Ortsnamen von Gurtnellen und Ober Gurtnellen Schreibung nach der lokalen Aussprache Die ausgewählten Ortsnamen der Siegfriedkarte Die ausgewählten Ortsnamen der Landeskarte *.Jr .''Nù^. ili Hinder Holz«Vorder Buhiçn #6 « Obermatt / o/T'ÖW^q '.

1 :25 000 von 1: 50 000 vergrößert auf 1:25 000 von 1: 50 000 vergrößert auf 1 :25 000 Alle Rechte vorbehalten NÏ 9090 BRB 3.I0.1939 o.e. Eidg. Landestopographie 1943 beweiskräftig für die Annahme der schlechten Felderhebung sind die Namen an völlig falschen Kartenorten. Die gefürchtete Bristlaui zwischen Amsteg und Ried z.B. heisst in der Karte Breitlaui, und das Turbhorn im Binnatal liegt weit fern der Stelle, die die Karte angibt. Gleiche Irrtümer liegen vor beim Festihorn im Mattertal und bei der Bösen Trift gleichen Orts. Bei den kleinern Objekten mehren sich natürlich die Fälle schlechter Lagebestimmung. Für das Blatt Amsteg, deutschen Teil, sind 27 solcher Namen festzustellen.

Über die gleichlautenden Namen wurde das Wesentliche bereits gesagt. Die Wissbegier des Kartenbenützers mag sich wohl auch auf ihre Häufigkeit in einem nicht zu engen Raum grosser Spracheinheit erstrecken. Solcher Art ist das deutsche Oberwallis. Aus seinem Namenreichtum bringt die Karte nur einen durch den verfügbaren Platz begrenzten Auszug, und in diesem erscheinen die gleichen Namen für bedeutungsarme Objekte, am bestehenden Namengut gemessen, seltener als jene der bedeutendem. Es lassen sich in der neuen Landeskarte die Namen Bödmen und Egge(n ) je 17 mal nachweisen. 10- bis 13 mal treten auf die Namen Blatten, Gain, Ried, Rothorn. Aus der grossen Zahl der weniger oft sich wiederholenden Namen seien erwähnt die 5- bis 9 mal erscheinenden: Alpja(en ), Alpji, Augstkumme, Biel, Bielen, Bifig, Breithorn, Brunnen, Gibidem, Kumme(n ), Lauinen, Moos, Stafel, Stock, Schwarzhorn, Tälli, Trift, Wäng. Zieht man die Siegfriedkarte zum Vergleich heran, dann stellt man fest, dass die neue Landeskarte keine weitern Unterscheidungen gleichlautender Namen enthält. Die Kenntnis des mehrfachen Auf-« tretens gleicher Namen wird den Kartenbenützer sicher veranlassen, sich der eindeutigen Ortsnennung zu befleissigen. Versenkt man sich tiefer in das Namengut der beiden Karten, so lässt sich in seltenen Fällen feststellen, dass die neue Karte bestimmte unterscheidende Beifügungen der Siegfriedkarte weglässt, weil sie unnötig oder unglücklich gewählt waren und im Namengut des Volks nie Heimatrecht erwarben. So ist im Saastal ein Rothorn, das der Topograph einst aus übertriebenem und nutzlosem Unterscheidungsdrang vom Innern Rothorn, dem heutigen Jägihorn, unterscheiden zu müssen glaubte. Rothorn — Inner Rothorn war ihm zu wenig: Er erweiterte den ersten Namen zum Äussern Rothorn. Unnötig war das; eingelebt hat sich der Name nie; sein Gastspiel geht mit der Siegfriedkarte zu Ende.

Deutlicher als mit den bisher beschriebenen Ursachen lässt sich die Ungleichheit der beiden Karten mit dem verschiedenen Aufbau des Namenguts erklären. Der vorbestimmte Zweck der Karte, der als bekannt vorausgesetzt wird, verlangt auch die Zweckmässigkeit der Namengebung, da die Karte aus Raumnot nur mit einem Teil des gegebenen Namenguts belegt werden kann. Den vielen wissenschaftlichen Ansprüchen wie denen der einzeln oder verbunden tätigen Sprachforschung, Namenforschung ( Siedelung, Leben, Kultur ), Geschichtsforschung, Landeskunde u.a. kann die Karte unter den gegebenen verschiedenen Voraussetzungen nur leidlich entsprechen. Den Historiker z.B. werden häufige Flurnamen wie Chastel, Bürgel, Bürglen, Burgstall ( Burgstel ) mehr anziehen als eine abgelegene notdürftige Unterkunft oder ein kleiner Bergübergang. Diesen aber wenden der Militär und der Wan- derer ihr Interesse zu und kümmern sich wenig um Namen grösserer Häusergruppen an Dorfrändern, die wieder für die Verwaltung von grösserer Bedeutung sind.

Des aufbauenden Kartographen heikelste und zeitraubendste Arbeit ist die sorgfältig wägende Wertung des gesammelten Namenguts und die auf sie abstellende Auswahl. Die Vernunft gebietet ihm, dass die Wahl auf die Namen der wich tigern Objekte falle. Dies sind im allgemeinen und unbedingt, die grossen die kleinen beherrschend, die Siedelungen, die Verkehrswege1 und Verkehrsorte aller Art, die grossem körperlichen Formen der Erdoberfläche ( Berge, Täler, Gewässer u.a. ). Im Zusammenhang betrachtet kann aber leicht durch besondere Eigenschaften oder durch irgendwelche Einwirkung eine Gewichtsverlagerung unter gleichartigen oder ungleichartigen Objekten auf das unbedingt mindere eintreten, so das Gleichgewicht oder Übergewicht herstellend. Die Bedeutung ist bei weitem nicht immer der Grosse des Objekts gleich. So kann eine Häusergruppe einem nahen einzelnen Haus an der Strassengabelung unterlegen, eine auffallende kleine Bergform oder eine kleine Flur, wo wichtige Wege sich trennen, den weit grossem anliegenden Objekten überlegen sein. Wenn auch für den Grossteil der Objekte das Gewicht auf den ersten Blick entschieden ist, so wird doch in den vielen Fällen des Gleichgewichts für den gewissenhaften Bearbeiter die Wahl zur Qual. Es wird deshalb wohl niemanden befremden, wenn zwei Kartographen bei gleichen Voraussetzungen nicht immer im einzelnen zum gleichen Ergebnis gelangen.

Wenn hier vom schlechten Aufbau des Namenguts der Siegfriedkarte die Rede sei, so sei damit nicht behauptet, dass er allein die Schuld an den auffallenden Mängeln trage. Es ist Tatsache, dass ihm die schlechte Namen-aufnahme beizustehen pflegt. Die Wirkungen beider sind aber ganz gleichartig. Das geschriebene Wort entbehrt des tiefen Eindrucks des vergleichenden Betrachtens der beiden Karten. Deshalb mögen die Kartenausschnitte des Anhangs die nähere Besprechung eines kleinen Gebiets des Blattes Amsteg begleiten und ergänzen. In der Gemeinde Gurtnellen liegen halbwegs zwischen dem Wiler und dem Dörfchen auf der Höhe vier Hofstätten des alten Namens Stalden. Dieser fehlt auf der Siegfriedkarte. Ganz in der Nähe ist dagegen ein einzelnes Haus, das Müseli, angeschrieben. Bei der Kirche bilden die vier Häuser von Heimigen, die drei von Bitzi und das eine von Feld eine geschlossene Siedelung mit Schulhaus, Kirche und Gasthäusern. Auch hier sind Namen weggelassen. Dass man in dem von hier nach Norden sich weitenden Gebiet der zerstreuten Wohnstätten die Fluren Ried, Rüti und den kleinen Felsklotz Bürglen zur Namengebung heranzog, beweist wie die schlechte Namensetzung ( Bürglen an der Statt von Flätzgen ), dass man sich der ragenden Bedeutung der Wohnstätten über die Fluren nicht bewusst war. Der Name der Häusergruppe Richligen mit der auffallenden Kapelle und der Sammelname Ober Gurtnellen sind in der Karte nicht zu finden. Dafür steht 1 Die Verkehrsadern jedoch scheiden meist aus bei der Namengebung, obwohl sie vielfach auch Namen tragen.

wohl als Ersatz der Name der Kapelle. Man ging im Blick auf das zeitraubende Ineinanderfügen der Schrift- und Situationszeichnung den Weg der geringsten Mühe, der im rein privaten Lebensraum jedem gegönnt sei. Wandert man von Richligen über Schipfenberg und Holz weiter, so trifft man auf das Berggut Schwanden. Dessen Namen sucht man vergeblich in der Karte, wohl aber sieht man die entbehrlichen abgeleiteten Namen Schwandenegge und Schwandental. Die sorglose Auswahl der Namen lässt sich nicht nur bei den Wohnstätten, sondern auch bei allen andern Kartenobjekten nachweisen. Betrachtet man beispielsweise auf dem gleichen Kartenblatt die Namen des Etzlitals 1, so sieht man wohl alle Alpstäfel benannt, aber es fehlen die wichtigern übergeordneten Alpnamen Vorder Etzli und Hinter Etzli. Über den Felsen östlich der Etzliböden ragen stotzig der untere und der obere Etzliberg zum Etzlibergstock hinauf. Als schwache Andeutung des Urahns dieser Namensippe liest man in der Karte den Etzliberggaden.

So ist das Namengut gewisser — nicht aller — Blätter der Siegfriedkarte ungleicher Güte und oft fraglichen Nutzens für die Orientierung. Wichtigstes ist ausgelassen oder gelegentlich am unrichtigen Ort, Unbedeutendes und Wenigbekanntes eingestreut. Ansätze einer durchdachten Gestaltung sind selten erkennbar. Es brauchte hier eigentlich nicht gesagt zu werden, dass die Bearbeiter der neuen Landeskarte bei aller menschlichen und in der Sache begründeten Unzulänglichkeit Besseres erstreben.

Einige der beim Aufbau des Namenguts der neuen Karte waltenden vernunftgerechten Überlegungen und Grundsätze sollen hier kurz dargelegt werden. Ein Ziel des mit der Namenüberfülle ringenden Kartographen ist stets, die Namenauswahl dem Zufall zu entziehen und sie möglichst allgemein gültigen Richtlinien zu unterstellen.

Eine erste Klärung des Gewichts bei artgleichen Objekten bringt ihre Grosse; die grossem sind im Vorrecht bei der Auswahl. Steht jedoch das kleinere Objekt in der Gunst bestimmter wertsteigernder Umstände, die früher schon gestreift wurden, dann kann der Vorsprung aufgewogen oder überwogen sein. Nichts wäre unsinniger, als die Auswahl auf die Statistik allein zu gründen, also sich nach der Einwohnerzahl, Häuserzahl oder Fläche zu richten. Enger wird die Wahl, wenn Objekte verschiedener Art im Widerstreit stehen, denn da erliegen im Blickwinkel des Kartenbenützers einzelne Arten der Macht anderer ( grössere Verständlichkeit, grösserer Orientierungswert u.a. ), freilich nur dann, wenn sie so geringer Ausdehnung sind, dass die Karte eines Namens entraten muss. Unbestreitbar ist einmal die überlegene Bedeutung der Wohnstätten unter allen Kartenobjekten, und zwar ist es gleichgültig, ob es sich um dauernd oder vorübergehend bewohnte handle. Anliegende Fluren, Wälder, Felsen, kleine Gestalten des Geländs treten zurück. Des weitern ist einleuchtend, dass ständig genütztes Land allgemein dem unwirtlichen und dem wenig genützten ( Wald ) vorzuziehen ist, weil seine Namen zufolge der breitern Verwurzelung im Volk zur Orientierung vorzüglich sich 1 Den Kartennamen Etzlital kennen die Einheimischen nicht; die Alp und damit das Tal heisst einfach Etzli.

eignen. Bei der weitern Gegenüberstellung artverschiedener Objekte erzwingen sich recht selten die Bauwerke und die ausgezeichneten Teile der Verkehrsadern den Vorrang, unter Umständen selbst die Wohnstätten an Bedeutung übertreffend. Allbekannte Brücken- und Wegnamen vermögen treffliche Orientierungsdienste zu leisten. Klärend wirkt endlich der Grundsatz, bei den Namensippen ( auch Namenfamilien genannt ) dem Stammnamen den Vorzug zu geben. Bekanntlich sind oft mehrere Objekte nach einem nahen Objekt benannt. Sie führen alle in ihren Namen ( Wortzusammensetzungen ) das gleiche vorangesetzte Bestimmungswort, eben den Namen des erstbenannten Objekts. So sind der First, die Firstplangge, das Firststäfeli enge Nachbarn, und so ist der bereits früher erwähnte Etzliberggaden im, der Etzlibergstock über dem Etzliberg. Lässt man nun in der Karte in kleinem Raum ( nur dieser steht in Frage ) die abgeleiteten Namen ausfallen, so vertritt der Stammname sie ortsbestimmend genügend und allgemein besser, als einzelne unter ihnen die Umkehrung erfüllen 1. Doch gilt das nur so lang, als die Objekte klein und einander beigeordnet, nicht etwa die nachbenannten dem erstbenannten eingeordnet sind; denn in diesem Fall lässt sich vom Teil wohl auf das Ganze, nicht aber vom Ganzen auf die Lage des Teils schliessen. Zudem steht der übergeordnete Name nicht zur Wahl. Für den Stammnamen spricht auch, dass das forschende, die Zusammenhänge ergründende Auge stets ihn sucht. Es ist nun natürlich, dass der abgeleitete Name bei späterm Bedeutungszuwachs unentbehrlich werden kann und sich in der Karte behauptet. Die Siegfriedkarte lässt als sondernde Kraft an diesen Namensippen meistens nur die des Zufalls erkennen.

Der Wandel der Grundsätze ist besonders auffällig bei der Gestalt der Namen in beiden Karten. Nicht die von wissenschaftlich interessierter Seite angestrebte der Mundart gemässe schriftliche Form, die Schreibweise, ist hier gemeint, wohl aber sind es die unverzeihlichen und mit plumper Hand geschehenen Eingriffe in das Namengut des Volks. Statt der vornehmsten Aufgabe zu leben, dieses feingegliederte und fast immer sinnvolle Gebilde sorgfältig und unverändert in die Karte einzubauen, widmeten sich die Baumeister der Siegfriedkarte, die Grenzen ihres Wissens und Könnens ver-kennend, dessen Ausbau durch die Anfügung der überflüssigen Gattungsnamen ( -alp,tal,bach,grat,stock u.a. ) und gingen so unbewusst, an der Hand den Unverstand, den Weg, der ins Reich des Unsinns führt. Und sie gingen ihn zu Ende, den Nachfahren die unverwischbaren Spuren ihres Geists hinterlassend. Die Namen Hirlihorn ( Hörnlihorn ), Seelegggrat, Firnalpeligletscher, Triftalp zeugen wie vieles andere, von dem noch die Rede sein wird, nicht für das Erfassen der meistens klaren, eingängigen bodenständigen Ortsbenennung und für das Eindringen in die Wortbedeutung 2.

Die dem örtlichen Benennungsbrauch zuwiderlaufenden kennzeichnenden Beifügungen des Gattungsnamens -alp sind zahlreich. Sefinen erscheint in der Siegfriedkarte als Sefinenalp, Bund als Bundalp, Gummen als Gummen- 1 In der neuen Karte fiel die Wahl z.B. auf den First und den Etzliberg. 1 In Muesplanggenstock ist der Sinn des gesprochenen Miesplanggenstoc.ks vollkommen entstellt.

alp. Für die Bewohner weiter Gebiete ist der « Berg » begrifflich dasselbe was Alp. Das scheint man einst nicht immer erfasst zu haben und fügte im Übereifer -alp hinzu. Der Spicherberg wurde so zur Spicherbergalp. Gleiches geschah mit der Trift, den Bedeutungsgehalt ( u.a. Weide ) missachtend. Die aufdringliche Charakterisierungslust machte nicht etwa Halt bei den eigentlichen Alpen, sondern tobte sich auch aus an Alpteilen und Stäfeln. So sind im Meiental Seewen und Laucheren als Alpen bezeichnet, obgleich sie neben Börtli und Wielesch Stäfel der Bergalp sind. Die Portgerenalp, Gafallenalp und Lolenalp der Andermatter sind Usstäfel der Unteralp. Die gleiche Erscheinung ist im Gebiet der Alp Etzli viermal festzustellen. Der Leser wird aus dem Gesagten bereits erkannt haben, dass die Bearbeiter der neuen Karte das im Volk lebende Namengut nicht antasten. Die sachgemässe Lösung im Fall einer nötigen Erläuterung ist die, das Wort Alp dem Namen voranzustellen. Solcher Unterscheidung bedurfte es, die Heugüter Rossboden * von der Alp gleichen Namens auseinander zu halten.

Eine Merkwürdigkeit ist im Land Uri eine bestimmte Schwunderscheinung an den Bergnamen. Gewöhnlich ist der Ortsname ein Grundwort allein ( Horn, Stock, Bach, Dorf, Hof u.a. ) oder die Zusammensetzung von Grundwort und vorangestelltem Bestimmungswort ( Gross-, Hoh-, Rot-, Alt-, Erz-, Tier- u.a. ). Bei den in Sicht genommenen Bergnamen fehlt das Grundwort: der Gwasmet ( Stock ), der Sunnig, der Brichlig, im Wissen, neben Schilt-planggenstock auch Schiltplänggler, der Gemsplänggler, der Oberälpler. Die zweite Merkwürdigkeit ist, dass die alten Kartographen sich des aus-bauenden Zugriffs enthielten und das Grundwort -stock nicht zusetzten, soviel aus der heute üblichen Benennung festgestellt werden kann. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die ergänzten Kartennamen sich im Volk wieder eingelebt haben: Schiltplänggler und Schiltplanggenstock. Die Aufmerksamkeit des Lesers sei auf die einzige Abweichung im bisher bearbeiteten Gebiet gelenkt: Die neue Karte bringt den Namen Bristen für den Bristenstock, nicht weil ein Missgriff zu tilgen gewesen wäre, sondern weil triftige sachliche Gründe den Ausschlag gaben. Da ist einmal die übliche Benennungsweise der Einheimischen, die mehrheitlich Bristen lautet. Dem alten Kartennamen steht weiter die Tatsache entgegen, dass zwei kleine Stöcke am grossen Massiv der Chli Bristen und der Rot Bristen heissen. Den stärksten Beweis für die Richtigkeit des neuen Namens bieten aber die abgeleiteten Namen Bristlaui, Bristenstäfeli, Bristenberg ( Berggüter ), Bristenlimi, deren Namenträger nur zum Berg, nicht zum Dorf Bristen in engerer Lagebeziehung stehen und deren Bestimmungswörter eindeutig für Bristen zeugen.

Wenn einzelne Zweige der wissenschaftlichen Forschung die Karte als Dokument für bestimmte Erscheinungen benützen, so sollte die Karte wahr sein. Das gilt für die Erfassung der Ortsnamen nicht minder als für die der sichtbaren Objekte. Man beobachtet im gleichen Sprachgebiet das Auftreten verschiedener Allgemeinbezeichnungen ( Grundwörter ) des selben Begriffs-inhalts nicht nur bei den Siedelungsnamen Ein lehrreiches Beispiel sind die 1 Andermatt.

i Bezeichnungen der Eisströme in den Hochalpen. Die landschaftlich scharf abgegrenzte Verbreitung der Gleiches bedeutenden Wörter Firn ( Innerschweiz ) und Gletscher ( Berner Oberland und Wallis ) erscheint wohl in der Siegfriedkarte, ist aber in einigen Fällen durch Willkür gestört. Der Name Brunnigletscher nimmt sich in der Umgebung der elf -firn-Namen des Blattes Amsteg wie ein frecher Eindringling aus. Den muss ein kalter Wind aus der Stube der hohen Gelehrsamkeit herübergeweht haben. Es gab eben immer Leute, die die Erscheinungen des Lebens an der Begriffswelt ihres Schulwissens massen. Die sesshaften Talleute reden immer noch vom Brunnifire(n ) und den Fremden zulieb vom Brunnigletscher; sie gehen auch « über den Firen ». Dort, wo die stossende Eiszunge einst an einem starken Geländevorsprung sich staute und abgelenkt wurde, lebt heute noch der Name Fire(n)band. Der Name Brunnifirn soll deshalb in Ehren in der neuen Karte weiterbestehen. Die Eigenart ist besonders rein erhalten im Meiental, in dem kein einziger -gletscher-Name vorkommt In der Göschener Alp dagegen sind die beiden grossen -gletscher-Namen, ganz offenbar durch die geographische Erschliessung und den Fremdenverkehr gefördert, bei den Einheimischen schon seit langem eingelebt. Zwar belegen die abgeleiteten Namen ( in Lehrbüchern übertragene Namen genannt ) Fire(n)gand, Firenplangg, Firenplanggnossen zweifelsfrei die alten -firn-Namen, doch wird die neue Karte hier die Wirklichkeit festhalten. Eine Spitzenleistung unsinniger Namengebung erblickt man im Namen des Firns über dem Firnalpeli in Engelberg. Früher sicher « der Firn » geheissen, lieh er seinen Namen dem Alpeli, um später wieder nach diesem benannt zu werden: Firnalpeligletscher. Das gleiche Streben, auf der Siegfriedkarte die alteingesessenen Namen mit den wissenschaftlichen Fachausdrücken zu bereichern, ist in den Blättern der Berner Alpen festzustellen. Hier musste vereinzelt das Wort Gletscher weichen. Aber in grosser Fülle wurden die fremden -firn-Namen eingestreut. Ihrer 33 sind zu zählen. Das Auge vermisst hier wie in der Innerschweiz die Folgerichtigkeit und die Vollständigkeit; man begnügte sich mit Halbem. Aber Halbes und Halbes wird nicht Ganzes. Die neue Landeskarte bleibt auch da tatsachengetreu, behält Eingelebtes und stösst Wurzelloses aus.

Man könnte rechten darüber, ob es gut wäre, bislang namenlosen Tälern Namen zu geben. Tatsache ist, dass man den vielgepriesenen Grundsatz der Gegenwartstreue der Karte und die Auffassung vom Volk als dem « souveränen Träger des Ortsnamenschatzes » weit von sich warf und Talnamen schuf. Zeugen dieser Eigenmächtigkeit sind das Grindelwaldtal, das Vättisertal, das Davosertal u.a., denen mehr als akademischer Wert nicht eigen ist, denn ein irgendwie geartetes praktisches Bedürfnis fehlt. Sprachliche Sauberkeit bei der Wortzusammensetzung wog nicht schwer. Waren schon die Bestimmungswörter Grindelwald-, Vättiser-, Davoser- ungleich ( die letztern sind Ableitungen ), so ist die Ableitung Vättiser auch noch bodenfremd. Vättner- sollte sie lauten und mit den heimischen Namen Vättnerberg, Vättnerälpli, Vättnerkopf in Einklang sein. Ausser diesen neuen Talnamen lassen sich in der Siegfriedkarte solche nachweisen, die durch die willkürliche Beifügung des Grundworts -tal an alte bodenständige, das gleiche Gebiet fassende Namen gebildet wurden. Auch sie entsprangen nicht einem Bedürfnis, sondern einer das volkstümliche Namengut missachtenden Denkart. Sie haben zum Teil Wurzel geschlagen, und es wäre deshalb eine vergebliche Mühe, dem ursprünglichen Benennungsbrauch nachzuspüren. Die Karte soll nicht Gutes und Schlechtes scheiden, sondern die Gegebenheiten festhalten. Die Freude an der Namengebung muss so gross oder die Urteilsfähigkeit so gering gewesen sein, dass man darob gelegentlich vergass, die ursprünglichen Namen in der Karte auch leben zu lassen. So besteht das Unteralptal bei Andermatt nur in der Karte. Der Name Unteralp, alt und heute noch ausschliesslich gebraucht und völlig den Notwendigkeiten genügend, fehlt, und kein Kartenleser wüsste zu sagen, wo und welcher Ausdehnung die Alp wäre. Auffallend ist nun, dass man aus der benachbarten Oberalp nicht auch ein Oberalptal schuf, obwohl das gleich schlecht begründet werden könnte. Die Stärke der alten Kartographen lag bestimmt nicht in der beharrlichen Verwirklichung einer Idee, zum Glück, möchte man sagen, und so bleibt uns heute die Auseinandersetzung mit dem Stückwerk. Der gleichen unkritischen Namengebung verdankt man das Göscheneralptal und das Gornerental, dem der Name Gorneren geopfert wurde. Schlimm und unhaltbar ist endlich der Name Wicheltal, der dem Wichel ( im Fellital ), wie die Talleute jenes abgelegene kleine Alptal ausnahmslos nennen, zugelegt wurde. Das Namenwort WichelWinkel ) hat im Alpendeutschen den gleichen Begriffsinhalt wie Tal und ist fast immer einem kurzen Tälchen oder Talende eigen.

Es bedarf keiner weitern Beispiele zum zwingenden Beweis, dass die Meister der Siegfriedkarte das Wesen des Namenguts verkannten, sorglos und unkritisch im Aufbau waren und weit und blind die der Karte innewohnenden Gesetze übertraten. Das Gesagte liesse sich leicht an den Namen der Pässe, Gräte und Gewässer erhärten.

Die Wehmut senkt sich aufs Herz, wenn man die Schäden erkennt, die das so imponierend geschlossene, sprach- und kulturgeschichtlich so wertvolle Namengut durch die geographische, kartographische und touristische Erschliessung des Lands erlitt, und Bitternis gesellt sich bei, wenn man weiss, welch grosse Schuld die Karte trägt. Diese Schuld belastet die Bearbeiter der neuen Karte mit der Verpflichtung, das Namengut so darzustellen, wie es landschaftlich verhaftet ist, und die bodenfremden Zuschüsse zu beseitigen, wenn sie überflüssig sind und der Verfestigung mit der bodenständigen Namenschicht entbehren. Diese Wahrung bringt Namen ans Licht, die, alt und fest im Namenschatz des Volks heimisch, dem ortsfremden Kartenbenützer bisher unbekannt waren. So zeigt die neue Karte den Namen Rotten ( Rhone ) für den wilden, heute im Unterlauf gezähmten Hauptfluss des Oberwallis. Das einst goldfieberige Gondo an der Simplonstrasse ist mit dem alten Namen Rüden genannt. Und der Name Tochenhorn hat den Namen Schienhorn von dem westlich des Simplonpasses gelegenen Berg verdrängt. Gleiches Schicksal wird dem Namen Ywerberhorn in den Witenwasseren ( Realp ) beschieden sein. Er sollte nach den Siwerben zwar Siwcrberhorn lauten. Wäre seine Form auch richtig, er müsste dennoch dem Namen Stegenhorn weichen. Sollte der Wissensdurst des geneigten Lesers weiter ungestillt sein, dann wirkten die neue Karte und die Siegfriedkarte in der vergleichenden Sicht viel eindruckskräftiger als das geschriebene Wort.

Das Namengut der neuen Karte ist das Ergebnis sorgfältigster, systematischer und mühevoller Arbeit und kein Geschenk des Zufalls. Wer dessen inne wird, den werden die vielen Unterschiede gegen die Siegfriedkarte nicht stören.

Die bisherige Schau galt vor allem den Kartennamen als reinen Orien-tierungshelfern. Die Ortsnamen sind aber auch Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung, sei es, dass sie sprachgeschichtlich von Bedeutung sind, oder sei es, dass sie über frühgeschichtliche Vorgänge des Lebens, der Siedelung, der Kultur oder über Naturvorgänge Kunde geben. Bis zu einem gewissen Grad wird sich die Wissenschaft mit dem dem gewöhnlichen Zweck dienenden Namengut der Karte abfinden können, wiewohl für die einzel-fachlichen Forschungsgebiete Ansprüche gestellt werden könnten, die anderer Auswahl und anderer Schreibung riefen. Ihr Interesse gilt immer der vom Volksmund gebotenen und gar nicht der oft arg entstellenden schriftlichen Gestalt der Namen. Das erklärt die Forderung nach der sprachlich säubern Fassung der Kartennamen.

Diese Abhandlung ist der bescheidene Versuch, die kartographische Namengebung in ihren Grundzügen zu zeichnen. Es konnte natürlich in den selbstgezogenen engen Grenzen bei der grossen Vielfalt der Erscheinungen viel Geringscheinendes, aber nicht Bedeutungsloses nicht Berücksichtigung finden. Der Leser wird zweifellos dennoch zu seinem Nutzen das Verständnis für das Wesen und den Aufbau des Namenguts in der Karte zu gewinnen vermögen. Das wäre der schönste Lohn für unser Streben.

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