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Die Römerstraßen in den Alpen

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Dr. H. Dübi ( Section Bern ).

Die Römerstraßen in den Alpen Von III. Rätische Alpen.

In den rätischen Alpen kannte Polybius nach Strabo, p. 209, nur einen Weg. Augustus legte deren mehrere und verhältnißmäßig bequeme an und sicherte sie vor den Räubereien der Eingebornen. Der westlichste Paß dieser Gegend ist der Lukmanier. Weder auf der Peutinger'schen Karte, noch im Itinerarium Antonini findet er sich. Er hat Spuren einer alten Straße; ob diese aber aus der Römerzeit oder aus dem Mittelalter stamme, wagt Bavier nicht zu entscheiden. In Castro im Val Blegno soll bis in 's XII. Jahrhundert ein römischer Thurm gestanden haben, und bei Malvaglia hat man 1852 einen großartigen Fund von 3000 Stück römischer Münzen des dritten Jahrhunderts gemacht. Dies sind die einzigen Spuren, und sie scheinen mir nicht hinreichend, um einen römischen Weg von Bellinzona nach Dissentis über den Lukmanier oder nach Ilanz über den La Grainapass zu constatiren.

Sicher römisch ist dagegen der Weg über den Bernhardin ( 2063 m ). Von Chur aus ist er eine Zeit lang der gleiche, wie für den Splügen. Ich beschreibe ihn im Folgenden nach Bavier und Meyer. In römischer Zeit ging die Straße von Chur auf dem rechten Ufer des Eheins über Vogelsang nach Räzüns am Hinterrhein; von da über Roncaglia, Foppas und Bolveins nach Präz hinauf; von hier den Heinzenberg entlang, wo die Dörfer in einer Linie liegen, nach Urmeins, über die Nolla, durch den sog. „ Dürren Wald " am Fuß des Piz Beverin, über den Sattel zwischen Matton und Wergestein, um den Piz Vizan herum, über die Alp Annarosa nach Perfils und von da hinunter nach Sufers. Spuren der Via Strata sind namentlich im Dürren Wald. Bavier glaubt nicht, daß die Station Lapidaria der Peutinger'schen Tafel beim Maieusäß Seißa oberhalb Thusis zu suchen sei, obwohl die Bedeutung von Seißa mit Lapidaria überein-kommt und deutliche Spuren einer im Zickzack gebauten, 6 Fuß breiten, besetzten Straße hinaufführen.Diese Station sei vielmehr zwischen Dürren Wald und Lohn zu suchen, und allerdings ist für jene Abweichung von der natürlichen Linie kein rechter Anlaß zu finden. Von Sufers geht die Römerstraße am Fuß des Kalkberges vorbei bis zur Kirche von Splügen. Hier ist ein wohlerhaltenes Stück, 1,5 m breit, noch jetzt zu Holzfuhren verwendet. Von Präz an geht die Straße auf der Sonnseite durch die blühenden Ortschaften des Heinzenberges, wo in den Aeckern oft römische Münzen gefunden werden, und des Schamserberges. Von Splügen ( der Name soll von dem lateinischen specula = Warte kommen ) folgt der Weg stets der linken Seite des Hinterrheins über Medels, Nufenen und Hinterrhein. Breite wechselnd von 1,50 m bis 1,80 m. Bei Hinterrhein über den Fluß. Der Bernhardin hieß im Mittelalter mons avium oder Vogelberg, und sein jetziger Name stammt von der 1444 dem hl. Bernhard von Siena errichteten Kapelle. Die Stücke der Via Strata dienten hier bis vor einigen Decennien als Grundlage für den Winterweg. Sie eignete sich dazu, weil sie die Schneewehen vermeidet, ein Beweis des praktischen Sinnes der römischen Ingenieure. Unter dem kleinen Dorfe Bernardino geht die antike Straße links von der jetzigen, die sie erst bei San Giacomo wieder erreicht, längs der Moësa auf dem westlichen Thalhang. Sie ist 5-6 Fuß breit, gut besetzt, an vielen Stellen von Mauerwerk unterstützt. Vom Dorf Misocco an folgt die Straße immer dem rechten Ufer der Moësa bis zur Vereinigung mit dem Tessin#und erreicht diesem folgend Bellinzona. Dieser Ort heißt Bellitiona bei dem Geographen von Ravenna, p. 251, Bilitione bei Gregor von Tours. Dabei lagen nach dem gleichen Autor die Campi canini, die jedem Wanderer durch ihre Hundstagshitze bekannte Ebene am unteren Tessin. Durch diese Campi canini marschirte nach Ammian. XV, 4, 1, im Jahre 356 der Kaiser Constantius gegen die Alamannen im Linzgau. Er ist also sehr wahrscheinlich über den Bernhardin nach Chur gegangen.

Die Römerstraße über den Splügen ( 2117 m ) ist in der Schlucht des Splügenbergbaches in Spuren erhalten. Von der Höhe des Spltigenberges geht sie über den steilen Kegel nach der italienischen Dogana. An dieser Strecke haftet noch jetzt der Name cuneo d' oro, entsprechend der Station Cuneus aureus der Peutinger'schen Karte.Von hier geht der älteste Weg dem Abhang folgend in das Thälchen, wo Madesimo liegt. Hier sucht man die Station Tarvesede der Tab. Peuting. und des Itiner. Anton ., und die Distanz X m. p. stimmt damit. Der Weg ist steil, aber noch für Saumrosse gangbar. Ein anderer Weg führt dem Car-dinel gegenüber von dem Bergrücken steil abwärts nach Isola und durch Wiesengrüude, in denen die Via Strata wohl erhalten ist, nach Campo Doleino. Beide Wege vermeiden den durch Schneestürme übel berüchtigten Cardinel. Zu Anfang des XIX. Jahrhunderts standen bei Campo Doleino noch Reste eines viereckigen Thurmes mit 11km dicken Mauern, Inner-raum 2I;l2 m auf jeder Seite. 400 Schritte davon auf der andern Seite ein Gemäuer, 1 m dick, vielleicht Reste einer Specula. Der gepflasterte Weg in der Thalebene bei Isola war wohl nur für Saumthiere bestimmt; er hat eine geringe Breite und keine Aus-stellplätze. Die Entfernung von Chur nach Chiavenna wird auf 79 römische Meilen = 117km angegeben; auf der Karte sind es nur 105km. Daß Stilicho im Jahr 401 über den Splügen gegangen sei, wie Meyer zu vermuthen scheint, ist mir zweifelhaft. In der schauerlich romantischen Schilderung des Claudian ( de bello getico v. 330 ff. ) ist von Fuhrwerken die Rede, und der Splügen war vielleicht in römischer Zeit nicht fahrbar. Bei der ganz allgemeinen Fassung der topographischen Angabe „ da, wo die Seite Hesperiens mit der rätischen Grenze sich vereinigt " läßt sich nicht entscheiden, welcher der rätischen Pässe gemeint sei; vielleicht der Julier. Die neue Straße durch die Via Mala berührt die alte nur beim Dorf Splügen, bei der Dogana und bei Campo Dolcino.

Von Räzüns konnte man auf kürzerem, aber be-schwerlicherem Wege als über Chur auch über Tamins, Foppa, Kunkelspass, Vättis, Vadura zur Porta Romana bei der Ruine Wartenstein oberhalb Ragaz und nach Sargans gelangen.Den Hauptweg von Bregenz nach Mailand gibt das Itinerar folgendermaßen an: Curia L, Tinnetione XX, Muro XV, Summo Lacu XX, Corno XV, Mediolano XVIII. Da Tinnetione unstreitig Tinzen und Summo Lacu = Samolaco an der Maira ist, so geht dieser Weg über den Septimer oder über Julier und Maloja. Die Distanzen stimmen besser zum Septimer ( 2311 m ), der, im Mittelalter von allen Graubündner Pässen am meisten benutzt, einige Stunden kürzer als der Julier, durchweg sicher und leicht passirbar ist. Den Namen des Passes leitet Campell ( Rhset. Alp. Topogr. Ms ., p. 162, Citat nach Bavier ) von Septimus Mons ab, nämlich: Adlerberg, Fresgun, Fermeunt, Flüela, Albula, Julier, Septimer oder: Kreuzlipaß, Buffalora, Albula, Bernina, Julier, Maloja, Septimer. Nach Andern stammt der Name vom Kaiser Septimius Severus ab, oderDie römischen Ansiedelungen in der Ostschweiz. Mittheil, der Zürcher antiquar. Gesellschaft 1860, p. 336.

man meint, der Name bedeute Siebnerberg, weil die Alpen deu sieben Gemeinden in Ober-Porta gehören. Ebenso unwahrscheinlich ist die Beziehung auf den Monat September und die Vergleichung mit Mandra d' Agosto und Julier. Septimer und Julier werden von Ende Juni bis Ende September mit Vieh befahren. Die Anwohner heißen den Berg Sett, Sette oder Set-timer, Settmer und Setmerberg, auf Urkunden erscheint er als Mons Septa, uf dem Sepmen ze St. Peter, Mona Setimus und Septimus. Die Bedeutung des Namens verliert sich wohl, wie der Gebrauch des Passes, im Dunkel der Vorzeit.

Eine Beschreibung des Weges hat Prof. Brügger im Anzeiger für Schweiz. Geschichte 1860 geliefert. Der Weg von Chur nach Tiefenkasten vermied das schwierige Terrain im Domleschg und der Albula-schlucht, sondern ging durch das vordere Schanfigg über den Churwaldnerberg und die Jochalp, also Chur-walden-Parpan-Lenz. Im sog. Schwarzwald sind Ueberreste der Via Strata, von Tiefenkasten längs der Julia nach Burwein und Conters. In letzterem Orte wurde 1786 ein Kupferkessel voll goldener und silberner Armspangen und keltischer Münzen gefunden. Von Conters nach Tinzen. Hier verschiedene wohlerhaltene Kehren. Breite = 2,70 m. Zweifelhaft ist, ob diese nicht erst aus dem XIV. Jahrhundert stammen, wo die Straße von Jacob Castelmur neu erstellt wurde. Die alte Straße vermied alle Schluchten und Sümpfe der jetzigen, indem sie unterhalb Molins längs der jetzigen Waldgrenze über die Alpen von Flix bis zur Ruine von Spadlatsch und dann wieder oberhalb Marmorera durch den Wald auf dem rechten Ufer nach Stalvedro ging. In Stalla Trennung für Julier und Septimer, daher der romanische Name Bivio. Die Septimerstraße war wohl nur ein Saumweg. Auf der Höhe war im Mittelalter ein hospitale oder xeno-doehium St. Petri. Nach Casaccia hinunter ist der Weg stellenweise gut besetzt und 4 — 5 Fuß breit. In Casaccia erreicht er wieder die Julierstrasse. Diese geht von Stalla in Kehren auf die Höhe ( 2287 m ) des Berges, wo zwei Säulenstücke von römischem oder noch früherem Alterthum zeugen. Bei denselben sind 1854 viele Münzen gefunden worden. Folgende Namen erscheinen darauf: Caligula, Claudius, Nero, Vespasian, Nerva, Marc Aurei, Gordian, Faustina, Domitian, Julia Pia Septimi Severi uxor, Antoninus Pius, Alexander Severus, Philippus, Gallienus, Gothicus, Probus, Maximianus, Constantius Chlorus, Maximinus, Maxen-tius, Constantinus Magnus, Licinius, Constantius. Die Form der Säulen ist nicht cylindrisch, sondern konisch, die eine liegt links gegen Norden. Sie ist 2,15 m hoch. Die Peripherie der oberen Grundfläche ist 1,57 m, in der Mitte 1,54 m, die andere steht rechts gegen Süden, 2,05 m hoch, Peripherie der oberen Grundfläche 1,57 m, weiter unten 1,63 bis 1,61 m. Jede Säule hat in der Stirnfläche ein Loch zur Aufnahme eines Zapfens. Beide Stücke zusammen bilden einen Kegel von 0,40 m oberem und 0;53 m unterem Durchmesser und 4,20 m Höhe. Die Säule besteht aus Lavezstein, einem Gemisch von Serpentin und Talk. Wir haben schon in den Westalpen solche Cultdenkmale gefunden. Avienus im Gedichte de ora maritima v.

£37 erwähnt eine columna solis bei der Quelle der Rhone. Tschudy und Andere bezogen unsern Berg auf Julius Caesar und deuteten die Säule als Siegeszeichen, gewiß mit Unrecht. Aber auch Stumpfs Ableitung von den julischen Alpen ist unmöglich. Auf der Höhe sind die Ueberreste der Via Strata unzweideutig. Im Ausgang des Julierthales geht die Römerstraße rechts durch den Wald hinunter, ohne Silvaplana zu berühren, und dann am Südabhang des Polaschein nach Sils-Basseglia und am linken Ufer des Silsersee's nach Maloja. Campellx ) erzählt von Spuren eiserner Wagenräder in Felsen längs dem Silsersee und auf dem Julier. Breite des Geleises 5—6 Fuß. Darnach war der Julier fährbar wie in den Westalpen die Küstenstraße, der Mont Genèvre und der Kleine St. Bernhard. Der Abstieg nach Casaccia, wo die Septimerstraße einmündete, war sehr steil; die Römerstraße hatte drei langgezogene Curven, die spätere 9, die jetzige deren 22. Von Casaccia geht sie über Castelmur, Castasegna und Plurs nach Chiavenna. Bei Castasegna ist ein Stück Römerstraße, das vor 1859 und der neuen Bergellerstraße sogar befahren wurde, 2,70 "'breit und gepflastert. Aber auch schon weiter oben finden sich Spuren. Die alte Straße ging unterhalb Casaccia auf dem rechten Ufer der Maira. Hier sind römische Straßenreste bei Rotticcio und S. Cassiano ( Vicosoprano ), ebenda sind zwei alte, runde Thürme, angeblich römischen Ursprungs.

Auch oberhalb Coltura ist ein Stück Römerstraße. Am besten constatirt ist sie bei Promontogno. Hier sind uralte Quermauern, die zwischen dem Fluß und der Bergwand die Straße sperren. Hier sucht man die Station Murus des Itinerar und nach alter Tradition soll hier zwischen dem Berg und dem Thurm von Castelmur die Porta Pnegallite gewesen sein, von Römerstraße am Septimer. Aus Bavier: Die Straßen der Schweiz.

der das Bergeil, ital. Bregaglia, seinen " Namen erhalten habe. Da in antiken Zeiten in diesem Thal das Volk der Bergalei bezeugt ist, so ist diese etymologische Deutung wohl müßig, ebenso stammt die alte Brücke über die Maira bei Promontogno nach Ingenieur von Albertini's und Professor Maurizio's Urtheil wahrscheinlich aus dem Mittelalter. Aber constatirt ist die Römerstraße von Promontogno zum Thurm Castelmur und rechts um denselben herum, vielleicht auch die links, die jetzt mit Rasen und Gebüsch verdeckt ,ist. Von einer ehemaligen Brücke unterhalb Profil der Römerstrasse bei Promontogno.

Aus Bavier: Die Strassen der Schweiz.

dem Sastama sind Spuren eines Pfeilers auf dem linken Mairaufer erhalten, vielleicht römisch. Nach Lothmann, Geschichte Tyrolsl, Seite 145, existirte schon zur Zeit des Drusus eine Straße durch das Engadin nach Finstermünz und Meran, eine Behauptung, die sehr zweifelhaft ist.

Im östlichen Theil der rätischen Alpen sind zwei römische Hauptwege zu verzeichnen, die Via Claudia aus dem Etschthal in das des Inn über die Reschenscheideck ( 1493ln ) und von diesem in das Rheinthal bei Feldkirch über den Arlberg. Die Hauptpunkte dieser Route sind: Pons Drusi bei Bozen, Meran, Mäls, Landeck, Bludenz, Clunia = Feldkirch, Brigantium = Bregenz. Der Name der Straße erhält die Erinnerung an den kühnen römischen Feldherrn, der in einem blutigen Sommerfeldzug diese Gegenden der Herrschaft seines Stiefvaters und des römischen Volkes unterwarf und durch diesen genialen Straßenzug die Vereinigung erzielte mit den west-rätischen Gebieten, welche unter die Hand seines Bruders Tiberius gefallen waren. 350 Millien lang, sollte die Via Claudia Po und Donau mit einander in Verbindung setzen. Später durch die directere Brennerroute verdrängt, figurirt sie nicht im Reisehandbuch, und wir verdanken die Kunde von ihrer Existenz einzig drei Meilensteinen, von denen der eine 6—7 Millien von Feltre nach Belluno zu, die anderen bei Rabland oberhalb Meran und bei Toll im Tirol gefunden worden sind. Die beiden letztern stehen nicht auf der Brennerstraße, sondern im Vinstgau, und daß sie nicht hieher verschleppt sind, beweist das Material: Vinst-gauerkalk. Diese Steine bezeugen, daß der Kaiser Claudius im Jahre 40/47 nach Christo die einst von seinem Vater quer durch die Alpen angelegte Straße von Altiimm ausgehend neu hergestellt, mit Mauern gestützt und gegen das Wasser gesichert, also, wie wir sagen, cliaussirt hat. Die Strecke Oderzo-Trient figurirt im Itinerar mit den Stationen Ad Cepasias, Feltria = Feltre im Val de Mel, Ausugo im Val Sugana. Von Tridentum stieg die Straße das Etschthal hinauf über Endidie = Neuniarkt nach Pons Drusi, dem jetzigen Bozen, das auch Praesidium Tiberii hieß. Die Via Claudia Augusta blieb im Etschthal. Römische Inschriften auf der Reschenscheideck bezeugen das Dasein einer römischen Straßenverbindung aus der Vallis Venusta, dem Vinstgau, in 's Innthal. Der weitere Straßenzug ist nicht bezeugt, kann aber nur über den Arlberg in den Wallgau, die Vallis Drusiana des Mittelalters gegangen sein.

Im Itinerar findet sich statt dieser nordwestlichen eine directere Verbindung von Süd nach Nord über den Brenner ( 1367 m ). Die Stationen sind von Verona aus: Palatium = Palazzo, Tridentum = Trient, EndidNeuniarkt, Sublavione — Kloster Seven oder Klausen unterhalb Brisen, Vipitenum = Sterzing^ zuoberst an der Eisack im Wippthal, Veldidena = Kloster Wüten bei Innsbruck, ParthanumParthon- kirchen an der Loisach. Von da ging die Römerstraße durch den Ammergau nach Abodiacum = Epfach am Lech und nach Augsburg. Die Länge der Route wird auf 272 Millien angegeben. Die Peutinger'sche Karte hat ein paar Stationen mehr, die aber nicht alle bestimmt werden können. Ich nenne nur die wichtigen: Pons Drusi = Bozen, Matreium = Matrei, welchem Ort gegenüber bei Lueg ein Meilenstein gefunden wurde, ebenso bei Ziri oberhalb Innsbruck, wo die Straße das Innthal verläßt. Scarbia scheint Scharnitz r zu sein, bei Mittenwald und Parthenkirchen sind Meilensteine gefunden worden. Aus Inschriften wissen wir, daß die Kaiser Septimius Severus und M. Aurelius Antoninus Pius ( bekannter unter dem Namen Caracalla ), wie dessen Bruder Septimius Geta Antoninus, 201/202 p. Chr. die Straßen und Brücken dieser Gegend wieder hergestellt haben. Auch die späteren Kaiser seit Diocletian betheiligten sich eifrig an ihrer Ausbesserung. Aber auch aufwärts können wir die Existenz der Brennerstraße weit verfolgen. Es ist fast zweifellos, daß der von Polybius bei Strabo durch das Gebiet der Räter bezeichnete Paß der Brenner ist. Die Sage von der Entstehung des Bernsteins an der Mündung des Eridanus, d. i. des Po, weist auf uralte Verbindung etruskischer Händler von der Adria zur Ostsee hin, und eine zusammenhängende Reihe von etruskischen Funden in der Val di Cembra bei Trient, zu Caldaro im Etschthal bei Brixen, zu Greifenstein bei Bozen an der Eisack, zu Pfatten an der Etsch bei Bozen, zu Kronburg im Oberinnthalevkreis, zu Matrei und Sonnenberg am nördlichen Abhang des Brenner leiten uns zuverläßig über diesen Paß, der also von den Römern nur verbessert worden ist.Diese äußerst wichtige Straße, die an vier Stellen, bei Trient, Bozen, Innsbruck und Epfach, Kreuzungen hat, war sicherlich befestigt. Unter König Theodorich existirte bei Trient eine Burg Verruca, deren Name römisch scheint ( Cassiodor variar. Ili, ep. 48 ). Bozen hat in alten Urkunden den Namen Turris Drusi oder Praesidium Tiberii; bei Innsbruck lag die römische Burg nachweisbar auf dem Lorenzenberg. Auch Burg Teriolis bei Meran und Martiola bei Chur, wo vier Pässe zusammenkommen, scheinen römischen Ursprungs zu sein.

Wir gehen nun zu den Julischen Alpen über. Schon den Alten ist es aufgefallen, daß von der Grenze von Rätien und Noricum weg, die mit dem 30. Meridian ungefähr zusammenfällt, der Bau der Alpen sich vollständig ändert, indem die Gebirgsmasse sich fächerförmig nach dem Osten und dem pannonischen Tiefland zu öffnet. Dem entsprechend ist auch die Richtung der Pässe auf die Längsthäler angewiesen, und wiederholte Steigungen sind nöthig, um den Kamm des Gebirges zu überwinden. Der Austritt aus Italien ist bestimmt durch den Lauf des Tagliamento und Isonzo, und es ergeben sich daraus drei Straßen.

Die westlichste ist im Itinerarium, p. 279 W., verzeichnet als kürzester Weg von Aquileja nach Veldi--dena mit einer Länge von 215 Millien. Von Julium Oarnicum = Zuglio aus am oberen Tagliamento erH. Gentile: Ueber den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden. Frankfurt 1874.

stieg der Paß die Alpis Julia im Monte Croce ( 1371 m ) und führte über die Pleckenalp ( 1257 m ) hinab nach Loncium = Mauthen im Thal der Gail, und von da wieder aufwärts über den Kötschachpaß ( 1014 m ) nach Ober-Drauburg an der Drau. Durch das Pusterthal setzte sie sich über Aguontum = Lienz, Littamum —Jnnichen, die Wasserscheide bei Toblach ( 1204 m ) Sabatum = St. Lorenzen an der Rienz fort, um bei der jetzigen Franzensfeste zwischen Brixen und Sterzing in die Brennerroute zu münden. Einige auf der Jochhöhe in den Felsen gehauene Inschriften melden von Wegebauten aus dem Jahr 373 p. Chr., und ebendort ist eine etruskische Inschrift gefunden worden, welche von dem hohen Alter des Verkehrs Zeugniß ablegt.Aus dem Thal des gleichen Tiliaventus = Tagliamento zweigt östlich eine zweite Straße ab, folgt dem Lauf des Fella durch Pontebba und Pontafel und erreicht bei dem Dorfe Saifnitz die Wasserscheide ( 783 m ) zwischen dem Adriatischen und Schwarzen Meer. Dann senkt sie sich nach Tarvis an einem Zufluß des Licus— Gail und erreicht von da Santi-cum = Villach an der Drau und Virunum, dessen Ruinen nördlich von Klagenfurt gefunden werden. Dieser Weg scheint in der Peutinger'schen Tafel und im Itinerar verzeichnet, aber mit so verschiedenen Stationen — in der einen: Ad Silanos, Tasinemetum, Saloca, im andern: Viam Beloio, Larix, Santicum — und Distanzangaben, daß Spruner-Menke im Atlas Antiquus Nr. XXII zwei Straßenzüge angenommen hat, » ) C. I. L. III, p. 590, V, p. 176. Vgl. auch Nissen: Italische Landeskunde, p. 165.

22 den einen nördlich, den andern südlich vom Terglu, dieser sich über die Karwanken fortsetzend. Aber die Inscliriftenfunde bezeugen einstweilen nur eine Straße, die oben dargestellte, von Pontafel nach Tarvis führende. v ) Die dem Mommsen'schen Inschriftenweg beigegebene Karte, verkleinert in der „ Anleitung zu anthropologisch-vorgeschichtlichen Beobachtungen im Gebiet der deutschen und österreichischen Alpen " 2 ), zeigt die Fortsetzungen und Verzweigungen dieser und der andern Straßen in den Ostalpen. Von Santicum = Villach geht ein solcher Römerweg längs der Drau über das Lurnfeld und dann aus dem Thal der Moll über die Korntauern, sog. Heidenweg, an die Salzach und längs derselben hinaus nach Juvavum — Salzburg. Von Virunum bei Klagenfurt aus geht eine große, in der Peutinger'schen Tafel und im Itinerar verzeichnete Straße über Noreia = Neumarkt nach Norden, die zwischen Linz und Lorch die Donau erreicht. Von Noreia aus steht diese Straße durch einen Zweigweg über die Radstattertauern mit der eben beschriebenen in Verbindung. Bei Twerg und bei Untertauern hat man auf demselben römische Meilensteine gefunden. Von dem gleichen Virunum geht eine Straße nach Süden, die bei St. Leonhard am Loibl die Wasserscheide zwischen Drau und Sau überschreitet. Bei Emona = Laibach stößt sie auf die letzte der von uns zu beschreibenden Straßen, die über denC. I. L. III, p. 589, V, p. 169, 930. Nissen: Ita !. Landeskunde, p. KÎ6.

3 ) Von Dr. J. Ranke. Beilage zur Zeitschrift des D. u. Oe. A. V. 1881.

Ocra oder Birnbaumerwald führende. Aus Strabo IV, 207, wissen wir, daß diese Straße eine der ältesten ist und daß ein starker Wagen- und Frachtverkehr zwischen Aquileja und Nauportus — Ober-Laibach stattfand. Von hier wurden die Waaren auf der Sau verschifft; in späterer Zeit führte eine bedeutende Straße von Aemona = Laibach nach Celeja = Cilli und Poetovio = Pettau im Drauthal oder über Siscia = Sissek und Sirmium = Mitrovitz im Sauthal an die Donau hinaus, welche sie zwischen Semlin und Belgrad erreichte. Die Straße überschritt von Aquileja ausgehend den Sontius ( Isonzo ), folgte dem Lauf des Fluvius frigidus ( der Wippach ), trat bei der Station Ad Pirum in den Birnbaumerwald, überstieg diesen, der bei den Alten Ocra oder Alpis Julia heißt, in einer Höhe von 520 m und langte jenseits bei der Station Longaticum = Loitsch an. Die Entfernung von Nauportus bis Emona wird auf 76 Millien angegeben. Wenn wir nun die in so langer Untersuchung gewonnenen Resultate übersichtlich zusammenstellen wollen, so haben wir in den Westalpen 5, in den Centralalpen 7 und in den Ostalpen wieder 5 römische Pässe gefunden. Davon waren im Westen drei fahrbare: die Küstenstraße, der Mont Genèvre und der Kleine St. Bernhard; in den Centralalpen nur einer, der Julier, in den Ostalpen zwei, der Brenner und der Birnbaumerpaß. Wenn wir uns ferner fragen: wer benutzte diese so zahlreich und zum Theil so mühsam und kunstreich angelegten Wege, die oft mitten in 's Herz des Hochgebirges und zu den erhabensten Scenerien führen, so wird die Antwort lauten: aus- nahmslos nur der Soldat, der Kaufmann und der Beamte des römischen Staates, selten ein Privatmann in eigenen Geschäften, Keiner je zu seinem Vergnügen. Nicht als ob dem antiken Menschen und speciell dem Eömer der Stoff zum Touristen gefehlt hätte.Vom atlantischen Ocean, wo die am Mittelmeer kaum merkbare Erscheinung von Ebbe und Fluth die bewundernden Blicke auf sich zog, bis zu der im Morgenglühen wunderbar tönenden Memnonssäule der ägyptischen Wüste wurden alle durch Naturphänomene, historische Erinnerung oder religiöse Verehrung merkwürdigen Orte von wissensdurstigen oder auch blos neugierigen Reisenden aufgesucht, aber für die physikalischen Räthsel der Alpenwelt fehlte das Interesse und für ihre romantische Schönheit der Sinn vollständig. „ Aus freien Stücken suchte Niemand diese Einöde auf, und auch beherzte Männer, die ihr Weg hinüberführte, Soldaten, wie Kaufleute, wappneten das Herz gegen die Schrecken durch Gelübde an die Gottheit.Und wenn heute der Wanderer in den Bergen ob der Schönheit der Scenerie nur zu leicht vergißt, wie hart der Einwohner den Kampf um 's Dasein kämpft, so hoben die Alten nur diese Seite des Bildes hervor. Sie betonen, daß die Leute durch Kröpfe entstellt sind, welche Krankheit auf das Trinkwasser zurückgeführt wird, und daß Bacchus und Ceres hier ihre Gaben versagen.2 ) Von der Unlust und dem Grauen, mit welchem man die Alpen betrachtete, haben wir eine charakteristische Schilderung bei Livius XXI, 32, in Hannibal's Alpenübergang. „ Obwohl die Fama, welche unbekannte Dinge stark zu übertreiben pflegt, sie vorbereitet hatte, so wurden sie doch von neuem Schrecken ergriffen, als sie aus der Nähe die Höhe der Berge erblickten, den fast zum Himmel reichenden Schnee, die unförmlichen Hütten an den Felswänden, die durch Kälte verkümmerten Schafe und Rinder, die ungeschorenen ,'verwahrlosten Menschen, die ganze lebende und leblose Natur von Frost starrend und alles Andere, wodurch das Auge mehr verletzt wird als das Ohr. " Die Berge, welche diesen Schrecken einflößten, „ waren die tief in 's Thal niederhängenden Gletschermassen des Mont Pelvoux, welche die Soldaten des Hannibal von den Höhen des Mont Dauphin bei einem Blick durch Vallouise vor sich sahen " ( Neumann ). Uns würde dieser Anblick an dieser Stelle mit Entzücken erfüllen. Von einem Zug des Stilicho über die rätischen Alpen singt der Dichter Claudianus im Getenkrieg v. 340 ff. „ Viele, als ob sie das Antlitz der Gorgo geschaut, erstarrten vor Kälte, Viele versanken in tiefen Schnee, oftmals verschlang der weiße Abgrund Wagen und Gespanne, bisweilen auch stürzte der Berg durch einen Eisrutsch plötzlich zusammen, und der Boden versagte, von feuchten Südwinden unterhöhlt. " Der Paß, auf welchem solche Fährlichkeiten zu bestehen waren, ist — der Julier ( s. oben S. 32617 ). Diese Vergleichungen genügen sicherlich, um den Ungeheuern Unterschied zwischen antiker und moderner Auffassung zu constatiren, und damit wollen wir die Untersuchung für einmal schließen.

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