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Entwicklung und Bau topographischer Reliefs

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 2 Bildern.Von Eduard Imhof.

Es ist das Verdienst von Rudolf Zeller, des Seniors der schweizerischen Geographen, im Alpinen Museum in Bern die umfassendste Reliefsammlung unseres Landes vereinigt und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Diese Sammlung ermöglicht uns einen Überblick über eines der reizvollsten topographischen Schaffensgebiete. Das Relief ist die naturähnlichste und verständlichste Art topographischer Darstellung. Seit der Luzerner General Franz Ludwig Pfyffer in den Jahren 1766—1785 seine Heimat, die Urschweiz, plastisch geformt hat, vermochte unsere Bergwelt den Menschen immer wieder zu ihrer Nachbildung zu begeistern. Doch ist das Relief, im Gegensatz zur Karte, nie zu einem allgemeinen Gebrauchsgegenstand geworden. Zeitraubende Erstellung, Schwierigkeiten der Vervielfältigung, des Transportes usw. verhinderten dies. Es ist zur Hauptsache Museums-stück. Es entsteht, wie das Kunstwerk, aus Freude am Gestalten. F. Gygax gibt in seinem Buche ( Lit. Nr. 5 ) ein nahezu vollständiges Inventar und eine Würdigung der bisherigen Reliefs in der Schweiz. Eine kürzere, ebenfalls sachkundige Orientierung gab vor einigen Jahren W. Kraißl in der Schweizerischen Lehrerzeitung ( Lit. Nr. 4 ). Wir wollen uns deshalb hier darauf beschränken, einige wenige ganz besonders hervorstechende Leistungen ins Licht zu rücken.

Aus allen älteren schweizerischen Reliefarbeiten ragt empor die Riesen-leistung des Joachim Eugen Müller ( 1752—1833 ). Wer kennt heute den Namen dieses Engelberger Zimmermannes, der sich als Autodidakt zum fähigsten und fruchtbarsten schweizerischen Topographen der napoleonischen Zeit entwickelt hat. Müller hatte schon bei der Erstellung des Pfyfferschen Reliefs als Gehilfe mitgearbeitet. Als dann der idealistische Aarauer Menschenfreund Johann Rudolf Meyer ( 1739—1813 ) daran ging, einen grossen topographischen Atlas der Schweiz erstellen zu lassen, da sollte als Grundlage zunächst das ganze Land in plastischer Form nachgebildet werden. Meyer erkannte Müllers aussergewöhnliche Begabung und betraute ihn 1787 mit der Erstellung eines solchen Reliefs im Maßstab 1: 60 000. Müller modellierte auf Grund vorliegender trigonometrischer und topographischer Vermessungen, nach Ansichtszeichungen und grösstenteils direkt nach der Natur. Es entstand also damals das Relief nicht wie später nach der Karte, sondern die Karte nach dem Relief. Müller modellierte in einer Genauigkeit und Naturtreue, die alles Frühere in den Schatten stellte. Er modellierte wiederholt seine engere Engelberger Heimat, die Zentralschweiz und zweimal den grössten Teil der Schweiz usw. Sein Relief der Schweizer Alpen im Maßstab 1: 40 000 besitzt eine Grosse von 5 X 2,5 m und ist in der Zürcher Universität aufgestellt.

Sein grosses Schweizerrelief 1: 60 000 ist schon zur Zeit Napoleons nach Paris verkauft worden und damit unserem Lande verloren gegangen. Müller-sche Reliefs schmücken heute die Sammlungen in Zürich, Engelberg, Bern, Winterthur, St. Gallen, Berlin, München, Sigmaringen usw.

Wir übergehen die darauffolgenden kleineren und mehr oder weniger geglückten Reliefarbeiten der ersten sechs Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts. Das Buch von Gygax gibt hierüber genügenden Aufschluss. Man modellierte in Ton, in Gips, in Wachs etc., oft direkt nach der Natur, nach Zeichnungen etc.; geometrische exakte Kartengrundlagen fehlten immer noch. Dies änderte sich in den siebziger und achtziger Jahren mit dem Erscheinen der ersten Kurvenkarte des schweizerischen Hochgebirges, der Siegfriedkarte Diese ermöglichte einen verbesserten geometrischen Aufbau durch ausgeschnittene Karton- oder Holzplatten. Solche Stufenreliefs bildeten von nun an die Grundlage für die nach Photographien und Zeichnungen ausgeführte Oberflächenmodellierung.

Als Begründer dieser neueren schweizerischen Reliefschule gilt allgemein der Geologe Albert Heim ( 1849-1937 ). Heim war ein geradezu leidenschaftlicher topographischer und geologischer Beobachter. Er hat schon als Schuljunge ein Relief des Tödi erstellt, das heute als historische Sehenswürdigkeit in der Zürcher Universität aufgestellt ist. Er hat über sechs Jahrzehnte hindurch unsere Bergwelt nicht nur geologisch durchforscht, sondern auch zeichnerisch in zahlreichen Skizzen und Panoramen festgehalten. Er hat einer jüngeren Topographengeneration den Sinn für die geologisch-tektonische und morphologische Struktur der Landschaft geschärft. Er hat jedoch eigenhändig nur wenige und nur mittelmässige Reliefs geschaffen ( einige Typenreliefs, Relief des Eimer Bergsturzes, des Faltenjura bei Moutier, Modell des Rheinfalles ).

Der unerreichte Meister der Reliefkunst, nicht nur der Schweiz, sondern überhaupt, war der Topograph Xaver Imfeid ( 1853-1909 ). Als Luzerner Kantonsschüler modellierte er im Jahre 1870 den Pilatus im Maßstab 1: 50 000, dann als junger Ingenieur 1875 die Gotthardgruppe 1: 50 000 und 1877 das Zermattergebiet 1: 25 000. Heim setzte mit seinen plastischen Arbeiten erst nach 1880 wieder ein. Er war der Animator und kritische Förderer, Imfeid die schöpferische Kraft. Imfeid hat sich durch zahlreiche Arbeiten in einer Weise vervollkommnet, die einzig dasteht. Seine « kleine » Jungfraugruppe 1: 25 000 ( Alpines Museum in Bern ) ist in Form und Bemalung nicht mehr zu überbieten. Man hat wohl später in grösseren Maßstäben gearbeitet, die Qualität von Imfelds Modellierkunst blieb jedoch unerreicht. Imfeid hat auch als einer der ersten in der Schweiz topographische Aufnahmen nach der Methode der sogenannten « Messtischphotogrammetrie » ausgeführt, um darnach Reliefs in wesentlich grösseren Maßstäben zu formen. So entstanden sein Matterhorn 1:5000 und die « grosse » Jungfraugruppe 1: 2500. Diese letztere, ca. 25 ma bedeckende, bisher imposanteste topographische Plastik, bildet das Prunkstück des Alpinen Museums in München. Er wagte sich dann heran an ein Relief der Mont Blanc-Kette; doch hat er den unvollendeten Koloss in einer Stunde der Verzweiflung in Stücke geschlagen! Imfelds letzte,, unvollendete Arbeit war sein Pilatusrelief 1: 10 000. Es wurde nach seinem Tode im Auftrag von Albert Heim durch Karl Meili fertig modelliert.

Mit Heim und Imfeid ist auch Fridolin Becker ( 1854-1922 ) zu nennen. Als Studien- und Berufskollege von Imfeid wetteiferte er mit diesem. Er schuf Reliefs der Glarner Alpen, des Gotthardgebietes, des oberen Tessin, des Sottoceneri, der Albulabahn, der Gegend von Montreux usw., doch lässt sich keine dieser Arbeiten in der Qualität mit denjenigen Imfeids messen. Becker und andere setzten sich wiederholt für den Gedanken ein, der Bund solle auf der Grundlage der Siegfriedkarte die ganze Schweiz im Maßstab 1: 25 000 relief ieren lassen. Dass dieser Plan durch die Behörden stets abgewiesen worden ist, wird wohl heute niemand bedauern. Sowohl die Kartengrundlagen wie auch die Technik der Relieferstellung waren damals für ein solches Riesenunternehmen zu unvollkommen.

Der oben erwähnte Zeichner Karl Meili ( 1871-1919 ) war ein Schüler Imfeids; er hatte sich in jahrelanger Mitarbeit eine Meisterschaft erworben, die nahe an diejenige seines Lehrers heranreichte. Meili hat dann im Auftrag und unter ständiger Anleitung von Albert Heim in dreieinhalbjähriger Arbeit das grosse Heimsche Säntisrelief 1: 5000 und den Säntisgipfel 1: 2500 modelliert. Heim schreibt in seinem Bericht über dieses Werk ( Lit. Nr. 2 ) im Jahre 1904: « Um nicht Uneinheitlichkeit zu erzeugen, habe ich an der Ausmodellierung und Bemalung nicht Hand angelegt, sondern nur Gruppe um Gruppe mit Herrn Meili nach ihrem Bau besprochen, das Beobachtungsmaterial erläutert, die Ausführung kontrolliert und geleitet. » Heims Verdienst um dieses Monumentalwerk bleibt trotz dieser Feststellung ungeschmälert. Er hatte das Säntisgebirge in all seinen Falten und Fältchen geologisch durchforscht, in Hunderten von Photographien und Skizzen festgehalten, auf diese Art das ganze Beobachtungsmaterial herbeigeschafft und durch seine Anleitungen Meili zu Höchstleistungen geführt. Durch die Modellierarbeit am Säntisrelief zählt Meili zu den ersten Reliefkünstlern. Wir kennen keine späteren Arbeiten, weder in der Schweiz noch im Ausland, die den Leistungen von Imfeid und Meili ebenbürtig wären. Die alpinen Museen in München und Bern zeigen dies mit aller Deutlichkeit.

Ein Glanzstück der letzten schweizerischen Landesausstellung in Bern im Jahre 1914 war das grosse Berneralpenrelief 1: 10 000 von S. Simon ( 1857-1925 ). Es entstand mit vielen Unterbrechungen während eines Zeitraumes von etwa 26 Jahren und bedeckt, ähnlich wie Imfeids Jungfraugruppe, eine Fläche von ca. 25 m2. Es sind seinerzeit einige Abgüsse erstellt worden. Das Landesausstellungsexemplar von 1914 bildet nun eine Sehenswürdigkeit des Alpinen Museums in Bern. Ein anderer Abguss schmückt seit Herbst 1938 die Halle des Zürcher Hauptbahnhofs. Wir stehen hier vor einer ausserordentlichen Arbeitsleistung, die allein schon durch den Unter-nehmermut unsere Anerkennung verdient. An Naturtreue und Präzision der Modellierung, wie auch in der Bemalung, kann sich Simons Relief jedoch bei weitem nicht messen mit den Arbeiten von Imfeid und Meili. Durch dieses Berneralpenrelief werden wir auf einen Mann aufmerksam, der es verdient, unter die besten Reliefplastiker der letzten Jahrzehnte eingereiht zu werden.

Die Alpen — 1939 — Les Alpes.24 Es ist dies der vor einigen Jahren in völliger Vergessenheit verstorbene Joseph Reichlin ( 1872-1927 ). Reichlin stammt von Arth im Kanton Schwyz. Er erhielt Anleitung im Reliefmodellieren im College de St-Bernhard in Troyes ( Frankreich ). Er hat als Angestellter Simons während acht Jahren einen grossen Teil des Berneralpenreliefs modelliert. Ein Gang durch das Alpine Museum in Bern zeigt, dass Reichlin einer unserer fruchtbarsten Reliefkünstler war. Seine Arbeiten steigern sich von dilettantischen Anfängen bis zu ausgezeichneten Leistungen. Sein bestes Werk ist das Relief der Aiguille de Charmoz 1: 5000.

Nach dem Tode von Meili, Becker, Simon und Reichlin wird es in der Schweiz recht still um die Reliefkunst. In Deutschland arbeitet man weiter. Es zeugen davon die Arbeiten von O. Raab und des im Ausland arbeitenden Berners Leo Aegerter im Alpinen Museum in München, darunter einige hervorragende Reliefs ostalpiner und ausseralpiner Gebirgsstöcke. Bemerkenswert sind besonders die Bergmodelle des Mount Everest und des Nanga Parbat. Sie zeigen zum erstenmal die Riesendimensionen asiatischer Hochgebirge in höchst eindrucksvoller Weise. In neuerer Zeit entwickelte Wenschow in München den mechanisierten Reliefbau, das Präge- und das Schneideverfahren. Das erstere vermag jedoch für alpine Gebiete keine befriedigenden Ergebnisse zu liefern. Beim Schneideverfahren werden die Schichtlinien pantographisch auf einen kompakten Gipsklotz übertragen und dort durch eine Fräse-Einrichtung herausgearbeitet.

Wir schliessen unsern Rückblick durch den Hinweis auf ein neues, vorzügliches Relief der Jungfraugruppe 1: 12 500 von A. Blank in Zürich und auf ein solches der Umgebung des Baltschiedergletschers ( Bietschhorn-Nest-horn ) 1: 10 000 von S. Utiger in Gümligen bei Bern. Diese Arbeiten sind wohl die letzten, die in der Schweiz nach bisheriger Art und im wesentlichen auf der Grundlage der Siegfriedkarte entstanden sind.

Man mag sich fragen, warum in den letzten 20 Jahren in der Schweiz, von vereinzelten kleineren Arbeiten abgesehen, die topographische Reliefkunst geruht hat. War durch die vorliegenden Reliefs eine Übersättigung eingetreten? Hat die andauernde wirtschaftliche Krise der Nachkriegszeit lähmend gewirkt? Wir wissen, dass schon Imfeid mit seinen Leistungen kaum sein tägliches Brot verdient hat. Oder wurden in neuerer Zeit künstlerisch begabte Leute durch die stark gesteigerten technisch-mathematischen Anforderungen von topographischer Betätigung ferngehalten? Solche Ursachen mochten bis zu einem gewissen Grade hemmend gewirkt haben. Trotzdem muss es unverständlich erscheinen, dass die Schweizer ihren unbestrittenen Vorrang gegenüber dem Ausland nicht besser verteidigten. Wenn ein Schöpfertrieb vorhanden ist, so setzt er sich durch, auch gegen Hindernisse. Ich sehe den Hauptgrund der Zurückhaltung in einer Erkenntnis, die auch mich veranlasst hat, nach meinem kleinen Erstling, dem Mürtschenstock 1:10 000, vorläufig zuzuwarten.

Die Relief ersteller der Imfeid-Schule hatten den Rohaufbau ihrer Bergmodelle entweder cjem Schichtlinienbild der Siegfriedkarte entnommen oder aber sich die Vermessungsgrundlagen in höchst mühsamer, zeitraubender ENTWICKLUNG UND BAU TOPOGRAPHISCHER RELIEFS.

und wenig rationeller Weise durch eigene Aufnahmen beschaffen müssen. Es setzte dann der ausserordentliche Aufschwung der topographischen Geländevermessung durch die Photogrammetrie ein. Diese liefert heute die Schichtlinien mit einer Genauigkeit, welche diejenige der früheren Mess-tischkurven weit übertrifft. Sie liefert diese Linien vor allem auch in den schwer zugänglichen Gebieten, im Fels und in den Gletscherbrüchen, wo früher mit dem Messtisch eine genügende Schichtlinienaufnahme nicht möglich war. Nach längerem Versuchsstadium setzten in der Schweiz die photogrammetrischen Gebietsaufnahmen etwa seit Ende des Weltkrieges ein, und zwar durch Aufnahmen im Maßstab 1: 10 000 für die Schweizerische Grundbuchvermessung und durch solche in 1: 25 000 für die neuen amtlichen Landeskarten. Es war nun offensichtlich, dass jedes nach der Siegfriedkarte oder nach altern Aufnahmen aufgebaute Bergrelief trotz mühevoller Arbeit niemals die Genauigkeit der photogrammetrischen Aufnahmen hätte aufweisen können. Ein nach alten Karten erstelltes Relief wäre schon in wenigen Jahren durch Neuaufnahmen überholt worden. Die grossen neuen Möglichkeiten und Erleichterungen standen dicht vor der Türe. Man musste sich also vernünftigerweise gedulden, bis sich die Türe öffnete. Dieses Antichambrieren zog sich dann freilich mehr in die Länge, als anfänglich vorauszusehen war; es hat sehr lange gedauert, bis endlich ein dankbares Objekt, irgendein grosser, schöner alpiner Gipfel von allen Seiten photogrammetisch aufgenommen und in genügend grossem Maßstab ausgewertet zur Verfügung stand. Es ist dies erst seit einigen Jahren der Fall, und so bildete die gegenwärtige schweizerische Landesausstellung den äusseren Anreiz, das Neue in die Tat umzusetzen. C. Nussberger, Ingenieurtopograph der Eidgenössischen Landestopographie, begann nach Neuaufnahmen dieses Amtes ein Relief des Matterhorns im Maßstab 1: 4000 aufzubauen. Leider konnte es bis heute nicht ausmodelliert werden, so dass es an der Landesausstellung als Schichtstufenrelief gezeigt wird und als solches Zeugnis ablegt für die topographischen Fortschritte durch die photogrammetrische Geländevermessung.

Meine auf die Landesausstellung hin modellierten Bergreliefs stellen die Kette der Grossen Windgälle in den Urner Alpen und das Bietschhorn im Wallis dar. Das erstere misst 304 auf 160 cm und ist ein Beispiel eines Gebirgsstockes aus Hochgebirgskalk. Das Bietschhorn anderseits ist eine der schönsten kristallinen Berggestalten; die Dimensionen dieses Reliefs sind 170 auf 136 cm. Beide Reliefs besitzen den Maßstab 1: 2000, den grössten bisher zur Anwendung gelangten Maßstab. Dieser grosse Maßstab zeigt, wie sehr der Reliefbau durch die photogrammetrische Geländevermessung gewonnen hat. Die Grundlage für das Windgällenrelief bildeten photogrammetrische Schichtlinienpläne der Eidgenössischen Landestopographie im Maßstab 1: 25 000, für das Bietschhornrelief ein solcher im Maßstab 1:5000, der durch Max Zeller mit Studierenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule im Sommer 1938 zu diese Zweck aufgenommen worden war. Als weitere Unterlagen wurden uns durch die Eidgenössische Landestopographie für beide Gebiete die Photokopien ihrer terrestrischen photogram- metrischen Aufnahmen in verdankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Für die Windgällenkette liess die Eidgenössische Vermessungsdirektion für unseren Zweck eine grosse Zahl von Flugbildern aufnehmen. Diese meist aus sehr geringen Entfernungen aufgenommenen Bilder erwiesen sich als äusserst wertvoll und notwendig. Auch der Vermessungsdirektion sei hiefür bestens gedankt. Zu diesem Material kamen unsere eigenen Gebietserkundi-gungen, Photographien, Skizzen, Farbstudien usw. So wurden insgesamt für die Windgällenkette etwa 300 Bilder verwendet. Es braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, dass auch die geologischen Karten und Profile mitherangezogen wurden. Die Herstellung in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit von 1% Jahren wäre ohne einige ausgezeichnete Hilfskräfte nicht möglich gewesen. Es waren dies für beide Reliefs vor allem Hermann Zachmann und Willy Stingel und für die Modellierung des Bietschhornes Ernst Huber. Am Bietschhorn wirkte ausserdem eine Gruppe von Topographen-Studenten der E. T. H. mit. Alle diese tüchtigen Helfer hatten sich mit grösstem Eifer in den Dienst der Sache gestellt.

Der eingeschlagene Weg weicht ab vom Vorgehen der Imfeid-Schule. Damals hatte man die Berge in Holzschichtstufen aufgebaut, diese Rohformen durch aufgesetzte Metallstifte ergänzt und die feineren Oberflächenformen in Plastilin etc., also in einer weichen, knetbaren Masse, aufgesetzt. Darnach wurde durch Abgiessen eine Gipsnegativform hergestellt, diese mit Schellack überzogen und ein Gipspositiv gegossen. Dieses wurde dann in der Regel nochmals feiner ausmodelliert und wieder lackiert, worauf mittelst einer Gelatineform einige endgültige Exemplare gegossen werden konnten.

Ich erleichterte mir das Verfahren, indem ich nicht den Berg selber als Schichtrelief aufbaute, sondern von Anfang an seine entsprechende Negativform. Die Schichtstufen wurden mit Gips roh ausmodelliert, dann die Oberfläche lakiert, mit Schmierseife geglättet und wiederum in Gips ein Positiv-abguss erstellt. Dieser ist das eigentliche Original, das nun fein ausziseliert wird. Das Ziselieren in Gips besitzt für unsere neuen grossen Maßstäbe gegenüber der früheren Plastilinmodellierarbeit grosse Vorzüge. Plastilin muss geknetet und geschnitten werden, was für allgemeine Geländeformen in kleinen Maßstäben leicht zum Ziele führt. Das harte Gipsmaterial hingegen bricht bei geschickter Bearbeitung rauhflächig, wie Stein, wie Fels. Damit wird für Fels in grossem Maßstab die notwendige Naturähnlichkeit erreicht. Wichtig ist, dass der Ziselierstichel die Gipsmasse ähnlich angreift, wie es in der Natur die Erosion tut. Wichtig ist auch, dass bei geschichtetem und geschiefertem Fels der Stichel parallel der Schichtung und Schieferung angesetzt wird. Wichtig ist vor allem, dass der Bearbeiter eine gute Beobachtungsgabe und ein sicheres Gefühl dafür besitzt, was für Formen in der Natur bis ins Allerkleinste hinein möglich und typisch sind; denn selbst das beste Photomaterial, selbst die Verwendung von Stereoskopen etc. zeigen für so grosse Maßstäbe nicht überall die letzten Feinheiten der Oberflächenform. Starke zeichnerisch-plastische Begabung müssen vereint sein mit geologisch-morphologischem Blick und vor allem mit Bergerfahrung.

Man muss den Fels, den Gletscher, das ganze lebendige Formenspiel von Abtragung und Aufschüttung, von Schichtung und Schieferung nicht nur gesehen, sondern verstanden und erlebt haben. Nur dann sieht man alles richtig. Die endgültigen Abgüsse wurden mittelst Leimformen im Atelier von Bildhauer A. Hörmann in Zürich hergestellt. Für die Bemalung verwendeten wir lichtbeständige Gouachefarben, da diese naturähnlicher wirken als die dickhäutige und fettglänzende Ölfarbe.

Jeder Reliefersteller wird sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen müssen:

Heim, Imfeid und andere vertraten stets die Auffassung, dass ein alpines Relief nicht überhöht werden dürfe. Später hat dann Leo Aegerter sein Wäggital-Glärnisch-Relief doch wieder überhöht und durch diesen Missgriff seiner Leistung schweren Abbruch getan. Sein Glärnisch im Alpinen Museum in Bern ist durch die Überhöhung zu einer schlechten Karrikatur eines Berges herabgesunken. Topographische Hochgebirgsreliefs dürfen nicht überhöht werden, unter gar keinen Umständen. Jede Überhöhung widerspricht der Wirklichkeit, der Naturtreue, der Wahrheit. Die Überhöhung schafft morphologisch ganz unmögliche Formzusammenhänge. Sie ist aber auch sonst in gar keiner Weise gerechtfertigt. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass selbst unüberhöhte Hochgebirgsreliefs vom Laien als überhöht beurteilt werden. Es hängt dies zusammen mit leicht erklär-baren, perspektivischen Täuschungen. Der am Boden klebende Mensch sieht eine Felswand normalerweise aus der Froschperspektive. Die Form erscheint dabei niedriger, flacher, zurückliegender, als wenn die Blickrichtung, wie z.B. aus einem Flugzeug oder wie am Relief, direkt frontal ( unter annähernd rechtem Winkel ) auf die Wandflächen trifft. Flach erscheint aus ähnlichen Gründen die Bergform erst wieder, wenn man sie senkrecht von oben betrachtet ( Fliegersenkrechtaufnahmen !). Solche optischen Täuschungen lassen sich am Relief sehr leicht durch entsprechende Verschiebungen des Augen Standpunktes feststellen.

Ein schwieriges Problem, vielleicht nicht für die früheren kleinmaß-stabigen Reliefs, wohl aber für unsere Felsplastiken in grossen Maßstäben, liegt im offensichtlichen Widerspruch zwischen dem plastischen Eindruck in der Natur und demjenigen am Modell. Wird eine Felsform mit allen Rinnen und Rippen möglichst richtig ( geometrisch richtig ) modelliert, so ist der stereoskopisch-plastische Eindruck, den wir bei der Betrachtung empfangen, ein stärkerer als entsprechend in der Natur. In der Natur wird die Plastik der Formen geschwächt durch den relativ zur Beobachtuiigsdistanz viel geringeren Augenabstand und durch die atmosphärische Verschleierung. Infolgedessen täuscht uns ein geometrisch richtiges Felsmodell eine nähere und damit kleinere Form vor. Gewaltige Wände erscheinen leicht als niedrige Felsmäuerchen. Es ist daher sehr schwer, durch Modelle den Natureindruck der Grosse eines Berges zu vermitteln. Diesem Eindruck kämen wir näher, wenn die Oberflächenkleinformen leicht gefälscht, verflacht würden. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass wir prinzipiell die geometrisch richtige, also stereoskopisch überplastische Felsform modellieren sollen und nur in der Bemalung das Mittel des möglichsten Ausgleiches suchen dürfen. Auf jeden Fall handelt es sich hier um eine Frage, mit der sich jeder Reliefplastiker auseinandersetzen muss, auch durch vergleichende Beobachtungen in der Natur.

Wir kommen damit zur Bemalung. Das Grundlegende hierüber haben schon Imfeid und Heim gelehrt. Sie zeigten, dass man den Fels, die Alpweide etc. im Relief nicht so bemalen dürfe, wie der entsprechende Stein als Handstück und das Grasbüschel am Boden aussehen, sondern so wie die Landschaft, dem Maßstab entsprechend, aus einer gewissen mittleren Beobachtungsdistanz gesehen wird. Der Luftschleier hellt die dunklen Töne auf, gleicht die Farbenkontraste aus und mischt einen hellen, graublauen Ton in die Farben. Heim empfahl daher, allen Farben Kobaltblau und sehr viel Weiss beizumischen. Imfeid ( Jungfraugruppe 1: 25 000 im Alpinen Museum in Bern ) war auch in der Bemalung mustergültig, während Meili bei seinen selbständigen Arbeiten in ein etwas manierhaftes, zu aufdringliches Blau hineingeriet. Ein Musterbeispiel, wie ein Relief nicht bemalt werden darf, ist Simons grosses Berneralpenrelief, besonders das Exemplar im Zürcher Hauptbahnhof, wo die Wälder als schwarze Klumpen, die Alpweiden grasgrün, der Fels und die Geröllhalden in einem zu dunkeln Schokolade-Violett und der Firn als tote weise Fläche erscheinen. Auch die Bemalung verlangt sorgfältiges Naturstudium; Betrachtungsdistanz, Witterung, Feuchtigkeit, Besonnung usw. bestimmen den Eindruck oft stärker als die Ober-flächenfarbe. Blaugrauer Fels kann durch atmosphärische Einflüsse, durch die Art der Besonnung etc. in warme Töne getaucht erscheinen, und zwar durchaus nicht nur bei Sonnenauf- und -Untergang. Ganz naturgetreu wird der Farbeindruck eines Reliefs nie sein können, weil der Schattenton am Modell stets grauer und härter ist, als der atmosphärisch blau getönte Schatten in der Natur.

Die gleichzeitige Erstellung eines Reliefs der Grossen Windgälle und des Bietschhorns diente mir als technisches Experiment. Beide Reliefs besitzen den gleichen Maßstab 1: 2000. Für die Windgälle standen photogrammetrische Schichtlinien von 20 m Äquidistanz zur Verfügung, ausgewertet im Maßstab 1: 25 000 und photographisch vergrössert auf 1: 2000. Dementsprechend betrug die Höhe der Modellschichtstufen 10 mm. Das Bietschhorn war im Maßstab 1: 5000 ausgewertet mit Schichtlinien von 10 m Äquidistanz, was im Reliefmaßstab Schichtstufen von 5 mm Dicke ergab. In beiden Fällen ist es ohne weiteres klar, dass das hieraus abgeleitete Schichtstufenmodell noch lange nicht ein fertiges topographisches Relief sein kann. Dieses entsteht, wie oben dargelegt, erst durch die Ausziselierung nach einer grossen Menge von Photographien. Das Relief ist, ähnlich wie schon zur Zeit Imfeids, nicht eine blosse Übersetzung der Karte ins Plastische, sondern es kommt der Natur sehr viel näher. Es hat sich jedoch gezeigt, dass beim Bietschhorn, infolge der höheren Schichtliniengenauigkeit und der kleineren Äquidistanz, die Ziselierarbeit etwa um die Hälfte geringer war als bei der Grossen Windgälle. Durch noch weitergehende Steigerung der Schichtliniengenauigkeit, durch eine weitere Verengung der Schicht- ENTWICKLUNG UND BAU TOPOGRAPHISCHER RELIEFS.

stufen und durch präzisere Ausschneide- und Giessverfahren liesse sich die subjektive, manuelle Ziselierarbeit weiterhin verringern und gleichzeitig die Genauigkeit des Reliefs erhöhen. Dieser Annäherungsprozess liesse sich theoretisch beliebig weit treiben bis zur völlig mechanisierten Herstellung fertiger, absolut formtreuer Reliefs. Praktisch werden wir nie dahin gelangen. Die photogrammetrische Schichtlinienaufnahme hat ihre technischen und ökonomischen Grenzen, ganz besonders im Fels, und selbst papierdünne Schichten ergäben noch nicht eine naturähnliche Fels-Oberflächenstruktur. Vor allem aber sind dieser Annäherung auch beim Ausschneiden usw. technische und ökonomische Grenzen gesetzt. Die Qualität des Endproduktes wird daher immer weitgehend von der zeichnerisch-plastischen Begabung und von der Gewissenhaftigkeit des manuellen Bearbeiters abhängig bleiben. In der Anwendung mechanischer Schneideverfahren sind wir seit einigen Jahren durch Deutschland und Italien überflügelt worden; trotzdem sind die besten Beispiele der Imfeld-Schule immer noch unerreicht. Wir werden auch in der Schweiz eine Verfeinerung und Vereinfachung der mechanischen Relieferstellung anstreben. Es drängt sich dies in Verbindung mit unserem hochentwickelten photogrammetrischen Instrumentenbau geradezu auf. Wir werden aber nie in den Fehler verfallen, darob die Bedeutung der künstlerischen Leistung zu unterschätzen.

Literatur.

1. Rudolf Wolf: Geschichte der Vermessungen in der Schweiz. Zürich 1879.

2. Albert Heim: Das Relief. Jahrbuch der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft für das Jahr 1903. St. Gallen 1904.

3. Franz Odermatt: Joachim Eugen Müller ( 1752-1833 ). Die Alpen V, Nr. 1. Bern 1929.

4. W. Kraißl: Relief, Karte und Heimatkunde. Schweizerische Lehrerzeitung. Zürich 1930.

5. F. Gygax: Das topographische Relief in der Schweiz. Wissenschaftliche Mitteilungen des Schweizerischen Alpinen Museums in Bern, Nr. 6. Bern 1937.

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