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Erciyas Dagh

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VON BRUNO MESSERLI, BERN

Die eiszeitliche Vergletscherung eines Vulkans Mit 9 Bildern ( 64-72 ) und 2 Karten 1. Einleitung und Arbeitsgrundlagen ( vgl. die beiden Kartenbeilagen ) In den « Alpen » ist dieser prächtige Vulkankegel im zentralanatolischen Hochland, der Argaeus der Antike, schon mehrmals besprochen worden. M. Blumenthal hat ihn 1938 geologisch und morphologisch beschrieben ( 2 ), und Cuttat hat den einzigartigen Berg 1954 geschildert ( 3 ). Wir wollen uns heute aus einer grösseren Arbeit heraus auf ein Problem konzentrieren: Die eiszeitliche Vergletscherung, ihre Ausmasse und ihre Bedeutung für die Entstehungsgeschichte des Vulkans.

Erfolg oder Nichterfolg von wissenschaftlichen Feldarbeiten in relativ unbekannten Gegenden hängen im wesentlichen von zwei Bedingungen ab. Zum ersten ist es eine Frage der Ausrüstung und der Organisation, aber auch der offiziellen und privaten Unterstützung, wofür ich der schweizerischen Botschaft in Ankara und meinem treuen Begleiter Peter Hubacher ganz besonders herzlich danke, nebst allen unbekannten Helfern in Kayseri und den Dörfern rings um den Erciyas Für die photographische Mitarbeit danke ich Herrn B. Junger.

Dagh. Zum zweiten ist jede Feldarbeit eine Frage der Kartierungsmöglichkeit, und weil wir Schweizer auf diesem Gebiet ganz unglaublich verwöhnt sind, will ich die Schwierigkeiten kurz erläutern. Es stand mir folgendes Kartenmaterial zur Verfügung:

- Karte des Erciyas-Gebietes, photogrammetrisch aufgenommen 1902 von A. Penther, konstruiert und gezeichnet nach 271 Photographien von G. Tschamler, Massstab 1:80000, Wien 1903 ( 11 ).

- Orographische Karte des Erciyas-Gebietes, 1:250000, publiziert in G. Bartsch, 1934 ( 1 ).

- Amtliche türkische Karte 1:200000, Blatt Kayseri, Saimbeyli und Avanos, 1944-53 ( In Ankara auf dem geographischen Dienst der Armee erhältlich ).

Die erste Unsicherheit betrifft die Höhenangaben; nehmen wir zum Beispiel einen Sekundärkegel in der Nähe des Bergsees Sari Göl. Bei Penther: Belischme, 2838 m, bei Bartsch: Belasma, 2700 m, und nach der amtlichen Karte Belesme, 2750 m. Interessant ist auch der Hauptgipfel des Erciyas Dagh: Nach Penther, 3830 m, die amtliche Karte gibt nur einen Vermessungspunkt 3770 m an, und die richtige Höhenzahl 3916 ist überhaupt nicht zu finden. Die zweite Unsicherheit betrifft die Nomenklatur. Da Penthers Karte vor der grossen türkischen Schriftreform aufgenommen wurde, ist seine verdeutschte Schreibweise überholt. Bartsch hat als erster die neue türkische Schrift verwendet, aber Namengebung und Rechtschreibung zeigen beträchtliche Abweichungen von der späteren amtlichen Karte. Zum Beispiel bezeichnet Penther einen Gipfel nördlich des Erciyas als Karaseghir, 2828 m, die Einwohner von Hisarcik nennen ihn Carik Dag und nach neuesten Angaben soll er Oglakkiran Tepe, 2909 m, heissen. Zahlreiche weitere Beispiele liessen sich aufführen, um die hin und wieder fast unüberwindlichen Schwierigkeiten in der Höhen- und Ortsbestimmung zu belegen. Unsere Vergletscherungskarte basiert gezwungenermassen auf dem amtlichen Blatt 1:200 000. Sollte die von einigen Gebieten soeben fertigerstellte Karte 1:25 000, die vorläufig streng geheim und absolut unmöglich zu erhalten ist, der Öffentlichkeit doch noch einmal zugänglich werden, dann wären an unseren Angaben beträchtliche Korrekturen zu erwarten. Ich rechne damit, dass einzelne Höhen bis zu 100 m korrigiert werden müssen, was für den Gang und den Sinn der Arbeit eine erschreckende Fehlergrösse bedeutet.

Im folgenden können wir aber nicht einfach einen kurzen wissenschaftlichen Bericht schreiben, ohne an die vielen bergsteigerischen und menschlichen Erlebnisse zu denken, die untrennbar mit einer solchen Arbeit verbunden sind. Zwar wird dem Touristen in diesem Jahr ein neues Berghaus an der Passstrasse Kayseri—Develi auf 2150 m zur Verfügung gestellt, und von da weg ist sogar ein Sessellift im Bau, der den Aufstieg zum Erciyas um 1-2 Stunden verkürzen wird. Das initiative staatliche Sportbureau in Kayseri will nicht nur das ideale Skigelände besser erschliessen, sondern auch eine sommerliche Attraktion für Einheimische und Fremde bereitstellen. Aber unmittelbar neben diesem zukünftigen Rummelplatz, Zeichen einer modernen Türkei, wird das einfache Leben der Hirten und Bauern weitergehen, wie es sich seit Jahrhunderten abgespielt hat. Dabei denken wir nicht an die grossen und leicht zugänglichen Dörfer Hacilar und Hisarcik, dem Zentrum der Teppichweberei, sondern an die ärmeren Siedlungen wie Kizilviran oder Seyhsaban, die man nur über schlechte Pisten erreicht. Hier wollen wir einkehren und erleben, wie die ganze Bevölkerung zusammenströmt, die Kinder erschrocken misstrauisch, die Frauen verstohlen neugierig, die Männer gesprächig und doch zuvorkommend. Kurz nach unserer Ankunft werden wir im höher gelegenen Sommerdorf im offenen Gemeindehaus vom Mukdar ( Dorfchef ) empfangen. Wir sitzen mit verschlungenen Beinen auf den selbstgeknüpften Teppichen und trinken den obligaten Tee mit schlürfendem Anstand und höchstem Genuss. Der Dorfrat hat sich versammelt, und wir haben ihm unsere Reiseziele vorzulegen und zu begründen. Die Ältesten nicken beistimmend, der Sekretär kopiert unsere Papiere, von Handbewegungen unterstützt, tauschen wir einige Höflichkeiten aus, und als Freunde werden wir entlassen. Von jetzt an sind wir in diesem Tal bekannt, und die Gastfreundschaft ist für ihre Bewohner höchstes Gebot, selbst für die ärmsten Hirten am Bergsee Sari Göl. Eine Gastfreundschaft, die für uns « wohlhabende Menschen » beschämend und bereichernd zugleich ist und immer wieder zur Frage führt, wer hier eigentlich der Reiche und wer der Arme ist. So aufgenommen, verliert sich auch die Angst vor dem Unbekannten. Wir empfinden es nicht mehr ERCIYAS DAGI LegendeStrasseFahrbare Pwe 0 Serghaus g Wetter*tfi

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Ä Koplak .ca175On, „ O I ( Nach To,w j3\ km Develi 3 4 5 6 7 8 9 10 k- als Unsicherheit, in einem fremden Land, in einem fremden Tal, vor einem fremden Berg zu stehen, und dieser Mut wird wie in unseren Alpen belohnt: Die interessantesten Dinge und die unvergess-lichsten Erlebnisse begegnen uns nie an den Hauptstrassen, sondern dort, wo man den Weg selber suchen muss.

In jedem Dorf lässt sich nach etlichem Gestikulieren Führer und Esel anwerben, die den Bezug eines Biwaks auf über 3000 m erleichtern. Wochenlang haben wir auf diesen Höhen gelebt, das nötige Wasser von einem nahen Schneefleck geschmolzen, während Tagen kaum einen Menschen gesehen und dabei allmählich die unendliche Weite des anatolischen Horizontes zur bleibenden Erinnerung aufgenommen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Arbeit entstanden, von der wir hier einige Ergebnisse vorlegen wollen.

2. Einige Hinweise zum Aufbau des Erciyas Dagh Diesen Problemkreis wollen wir nur soweit berühren, als er für unseren Zusammenhang von Interesse ist ( vgl. Lit. 1, 2, 11, 12 ). Mit einer Grundfläche von ca. 1200 km2 hebt sich der Erciyas aus der 1000 m hohen Beckenzone Anatoliens heraus ( Abb.l ). Daneben sind Tuffablagerungen weit verbreitet, die bei Uergüp und Göreme nicht nur durch ihre bizarren Erosionsformen, sondern auch durch die Höhlensiedlungen und Anlage altchristlicher Kirchen zu einer einzigartigen Sehenswürdigkeit geworden sind. Die Ebenen nördlich und südlich des Erciyas werden von einem tektonischen Graben- und Bruchsystem gequert, das im Süden fast Nord-Süd verläuft und dann allmählich nach Nordosten umbiegt. Diese Bruchlinien haben im jüngeren Tertiär bereits vulkanische Horizonte verworfen, sind aber selber von vulkanischem Material in der Hauptphase der vulkanischen Tätigkeit wieder verschüttet worden. Am 20. Februar 1940 hat ein starkes Erdbeben die Dörfer am Gebirgshang in Mitleidenschaft gezogen, ja sogar in Gipfelnähe einige Felsköpfe zum Einsturz gebracht ( 12 ). Doch dürften die Ursachen eher tektonischer Art sein und kaum mit vulkanischen Vorgängen in Zusammenhang gebracht werden. Jedenfalls sind Bruchlinien und Bruchstufen in der Umgebung des Erciyas ein wesentliches Strukturelement, auch zum Verständnis der Oberflächenformen.

Der Erciyas ist ein komplex zusammengesetzter Stratovulkan. Neben älteren, grösstenteils andesitischen Lavadecken finden wir jüngere Ergüsse basaltischen und andesitischen Charakters, Schlackenkegel, ferner Lockermaterial verschiedenster Art und verschiedensten Alters ( Tuffe, Lapilli, Bimsstein usw. ). Der Vulkansockel steigt aus den umgebenden Becken relativ langsam an, durchsetzt von Parasitärkegeln und überschüttet von tertiären und quartären Ablagerungen ( Abb. 2, 7 ). Diese Verknüpfung von vulkanischem Geschehen und datierbarem Ablagerungsmaterial wird in Zukunft noch manches Problem zur zeitlichen Entstehung des Erciyas klären können. Der eigentliche Gipfelaufschwung setzt erst über 3000 m ein, morphologisch differenziert je nach Exposition, glazialer Ausräumung und vulkanischen Sekundärbildungen. Über die Lage eines ehemaligen Zentralkraters wurden zahlreiche Vermutungen angestellt und doch bis heute keine eindeutigen Lösungen gefunden. Form- und materialmässig käme wohl am ehesten das Nordwestkar in Frage ( Abb. 3 ), doch ist der Abtrag seit den letzten Zentraleruptionen so weit fortgeschritten, dass die Entstehung der heutigen Formenwelt wohl kaum mehr nach endogenen und exogenen Ursachen geschieden und eindeutig geklärt werden kann. Das bedeutet aber auch, dass die prächtigen Kare im Gipfelstock vor allem die glaziale Überformung repräsentieren, obschon sie in ihrer primären Anlage zweifellos auf tektonische und vulkanische Bedingungen zurückzuführen sind ( Abb. 3,4,5, 6 ). Der Beginn des Vulkanismus fällt ins Tertiär, die allerletzten Ausbrüche der Parasitärkrater hat Strabo im 1.Jahrhundert v.Chr. noch geschildert ( 1 ), ja diese Ereignisse sind sogar auf antiken Münzen noch zur Darstellung gekommen ( 12 ). Auf die einzelnen Phasen der Entstehung kommen wir bei der Besprechung und zeitlichen Einordnung der verschiedenen Ablagerungsformen nochmals zurück.

3. Die heutige Vergletscherung ( Vergletscherungskarte, Abb. 3, Lit. 10 ) Unter einer mächtigen Gipfelwand gut geschützt, versteckt sich im Nordwestkar ein kleiner Gletscher. Man darf wohl mit Recht behaupten, dass er einen gewissen Seltenheitswert besitzt. Fragen wir in Kayseri die einheimischen Bergsteiger, die sich schon mehrmals im Gipfelbuch verewigt haben, nach Eis und Gletscher, so schütteln sie energisch den Kopf, so etwas haben sie noch Erciyas Dagi Glazialmorphologische Karte Aufgenommen im August 1962 Grundlage Karte 1 2O000O Kiziiviran 1500'Dorf a Berghaus ( Erciyas Dogevt5lrasse Kayseri - Develiständig fitessendes Gewässerperiodisch flmsendes Gewässer AegUdistam 250 m nie gesehen. Den meisten Touristen, die die normale Route begehen und vom Gipfel aus dem nordwestlichen Tief blick zu wenig Beachtung schenken, wird dieser kleine Gletscher kaum auffallen. Er ist fast 1 km lang, zeigt Spalten und Gletschertische, und seine Zunge ist von mächtigen Schuttmassen überdeckt. Wir haben seine Ausmasse und Veränderungen seit der Jahrhundertwende an anderer Stelle ausführlich beschrieben und die Problematik seiner Entstehung und Ernährung eingehend diskutiert ( 10 ). Wir wollen als Vergleich zur eiszeitlichen Vergletscherung bloss das Resultat festhalten. Die ausgesprochene Gunstlage dieser Eismasse erlaubt uns nicht, daraus eine allgemeine Schneegrenze abzuleiten. Die heutige Schneegrenze schätzen wir in den schattseitigen Karwänden der Nordseite auf 3800 m, in den direkt strahlungsexponierten Südhängen dagegen muss sie mindestens 400 m höher liegen. Daraus ergibt sich eine für den ganzen Erciyas Dagh gültige mittlere Schneegrenze von ca. 4000 m, das heisst, die rezente Schneegrenze liegt bei den heutigen klimatischen Bedingungen knapp über der Gipfelhöhe.

4. Die Vergletscherung der letzten Eiszeit ( Würmeiszeit ) An Hand der beigelegten Vergletscherungskarte beginnen wir unseren glazialmorphologischen Rundgang auf der Ostseite beim Berghaus und steigen auf der normalen Route bis auf ca. 3000 m. Hier öffnet sich vor uns das grösste Kar des Erciyas Dagh. Wahrscheinlich ist es präglazial durch tektonische Vorgänge angelegt worden, aber seine heutige Form zeigt ausschliesslich die Bedeutung der eiszeitlichen Überformung. Dieser ehemalige Gletscher setzte unter dem Gipfel ein, bedeckte die tiefe Karmulde und floss über dem wenig geneigten Vulkansockel fächerförmig auseinander, eine gewaltige Deponie auf 3 km breiter Front bis in die Tekirebene auf 2150 m bis 2250 m ausbreitend ( Vergletscherungskarte ). Bartsch beschreibt schon 1934 dieses 5 km lange Moränenfeld, in dem sich unzählige Wall- und Hügelformen folgen ( 1 ). Solche Erscheinungen lassen sich aber nicht mit Stillstandsphasen oder mit überladener Schuttführung erklären, sondern hier haben wir es mit einer sekundären Umlagerung des Materials durch langsame Massenbewegungen unmittelbar nach dem Gletscherrückgang zu tun. Der genau gleiche Prozess spielt sich heute im Karboden ab. Unter dem aktiven Blockstrom sind ausgedehnte Eisfelder aufgeschlossen, und in den Steilwänden der zahlreichen eingetieften Seen können wir unter meterhoher Schuttbedeckung das blanke Eis freipickeln. Bewegungsvorgänge mit oder ohne Toteisreste im Untergrund sind möglich und zeigen sich in den Wall- und Hügelformen der Oberfläche. Genau gleich haben wir uns die Umlagerungen in den tieferen würmeiszeitlichen Moränen vorzustellen, auch wenn sie längst zum Stillstand gekommen sind und sich heute als fossile Formen präsentieren. Damit ist der Übergang von den heute noch aktiven Blockströmen zu den von Vegetation überzogenen ehemals bewegten Massen eine bestimmte Höhen- und Klimagrenze, die aber nicht mit einer Schneegrenze in Zusammenhang gebracht werden darf. Das Problem der Blockströme, ihre Datierung, Entstehung und Bewegung ist angeschnitten, es soll zu einem späteren Zeitpunkt eingehender diskutiert werden ( Abb. 3 ).

Wenden wir uns jetzt der Nordseite zu, so erreichen wir über zwei weit vorgestaffelte Kleinkare das nächste bedeutende, nordost-exponierte Gletschertal. Ein mächtiger Schuttkegel, der auf 3500 m einsetzt und erst gegen 2850 m ausflacht, hat den ganzen Karhintergrund zugeschüttet. Dieses gewaltige Materialdepot muss zum grösseren Teil in postglazialer Zeit gebildet worden sein, sonst wäre es vom würmeiszeitlichen Gletscher längst abtransportiert worden. Aus solchen datierbaren Akkumulationsformen erkennen wir die Verwitterungsintensität in dieser Breitenzone; noch eindrücklicheren Beispielen werden wir auf der Südseite begegnen ( Abb. 5, 6 ). Verfolgen wir diesen eiszeitlichen Gletscherlauf talwärts, so finden wir die Endlage erst bei der Passstrasse auf 2050 m, wobei hier die Moränenbestimmung nach Materialzusammensetzung,rundung und -lagerung ganz besonders heikle Probleme stellt. Diese tiefe Zungenlage verstehen wir nur dadurch, dass die Eismasse durch seitliche Höhenzüge eingerahmt wurde und wie ein Talgletscher gerichtet und konzentriert eine bedeutendere Stosskraft erhielt, die sie mit 6,5 km zum längsten Gletscher des Erciyas Dagh werden Hess.

Setzen wir unsern Rundgang fort, so kommen wir zwischen den grossen NE- und NW-Tälern in einen Raum, der von Parasitärkegeln durchbrochen ist und auf der Karte überhaupt nicht verstanden werden kann. Zahlreiche Gletscher aus kleinen, dem Gipfelaufbau weit vorgelagerten Karen haben diese präglazialen Vulkankegel umflossen und enden zum Teil als selbständige Gletscher, zum Teil ergiessen sie sich in den benachbarten Eisstrom.

Betreten wir nun die nächste nordwest-exponierte Grosstalung, so erkennen wir am Fuss der Gipfelwand den erwähnten kleinen Gletscher, talabwärts gefolgt von rezenten und spätglazialen Moränenwällen. Der eiszeitliche Gletscher stiess, durch seitliche Höhenzüge eng begrenzt, bis zur Blocklava des Selimkartini hinunter und erreichte seinen tiefsten Punkt zwischen 2000 und 2100 m. Neben der Unsicherheit der Karte kann die Höhe auch materialmässig nicht genau fixiert werden, weil spätere Erosion und Akkumulation eine Übergangszone geschaffen haben, in der sich die letzten Moränenkomponenten in weiter Streuung verlieren.

Verlassen wir dieses imposante Hochgebirgstal in westlicher Richtung, so stossen wir auf zahlreiche kleinere Gletscherbildungen. In diesem Raum liegt auch der Bergsee Sari Göl, östlich des Belesme, zwischen mehreren Sekundärkegeln eingebettet. Wer in der Sommerhitze über die monotonen Hochflächen hergewandert kommt, wird den Anblick des Sees und seiner grünen Umgebung, der frei weidenden Pferde, Kühe und Schafe und auch die Gastfreundschaft der Hirten nicht vergessen. Zahlreiche Legenden umkreisen diesen Ort, so wollen zum Beispiel die Hirten ein zeitweises Aufkochen des Wassers gesehen haben. Vulkanische Kräfte sind allerdings kaum mehr im Spiel, und lithologische Unterschiede sprechen gegen eine Bezeichnung als Kratersee. Es ist ganz einfach eine abflusslose Wanne zwischen verschiedenen Parasitärkuppen, die das Schmelz- und Regenwasser sammelt und auf undurchlässigen Horizonten vor Versickerung bewahrt. Die Uferlinien zeigen die grossen Spiegelschwankungen deutlich an, die Verdunstung der Sommermonate lässt sich im jährlichen Wasserhaushalt des Sees erkennen. Eines ist ganz sicher, es ist kein Karsee, und mit einer eiszeitlichen Vergletscherung besteht trotz der passenden Höhenlage gar kein Zusammenhang.

Jetzt betreten wir die Südseite des Erciyas, die sich durch ihre monotonen Hänge auszeichnet und von gewaltigen Verwitterungsschuttdecken überzogen ist. Bei ihrem Anblick haben manche Autoren eine eiszeitliche Vergletscherung überhaupt bezweifelt. Aber kaum erreichen wir die Eintiefung, die im Gratverschnitt zwischen den beiden Hauptgipfeln ansetzt und hangabwärts verläuft, erkennen wir auch schon die mächtigen glazialen Materialdeponien. Dieser eine Südgletscher erreichte eine Länge von 4 km, die Zunge lag bei 2300 m. Die Seiten- bis Endmoränen, die in ihrer Sanderfläche ertrinken, gehören zu den schönsten und best erhaltenen Glazialformen des Erciyas.

Beenden wir unsern Rundgang bei der grössten eiszeitlichen Eismasse der Südseite. Sie kam aus einem Kar, das sich zwischen dem Hauptgipfel und dem Ostgrat einbuchtet, aber durch Verwitterungsmaterial ausserordentlich stark überschüttet ist. Was wir bereits auf der Nordseite über die Intensität der postglazialen Verwitterung geschrieben haben, gilt unter der direkten Bestrahlung der Südseite in noch viel höherem Masse. Ein eigentlicher Karboden ist überhaupt nicht mehr zu sehen, nur die Austrittsstellen des Gletschers lassen sich dank den mächtigen glazialen Ablagerungen deutlich rekonstruieren ( Abb. 6 ). Wie beim Ostgletscher floss auch diese Eismasse auf dem offenen Hang wie ein Fladen auseinander und endete in einer breiten Front auf 2500 m. Einzig eine seitliche Zunge erreichte in günstigen Gefällsverhältnissen eine tiefere Geländestufe von 2400 m vor der Blocklava des Kartin Dagh ( Abb. 2 ).

Überschauen wir das Ganze, so bildeten sich auf der Ost- bis Nordseite drei « Grossgletscher » und auf der Südseite zwei. Dazwischen entstanden in sekundär vorgestaffelten Kleinkaren unzählige 9 Die Alpen - 1965 - Les Alpes129 weitere Eismassen, die zum Teil beträchtliche Längen erreichten. Die primären Gipfelkare der grossen Gletscher müssen wir zur Orientierung ganz besonders hervorheben, denn es besteht eine solche Vielfalt an Karformen, dass wir sie auf Grund der ungenügenden Karte orts- und höhenmässig nur fehlerhaft aufzeichnen konnten. In diesem Sinne ist die Vergletscherungskarte mit Vorbehalten aufzunehmen.

Fragen wir uns zum Schluss nach der eiszeitlichen Schneegrenze. Nach der Methode Höfers ( 10 ) wird diese berechnet aus dem arithmetischen Mittel zwischen der mittleren Höhe des Kammes, welcher das Nährgebiet des Gletschers begrenzt ( in unseren Falle ca. 3800 m ), und der Höhe des Gletscherendes ( in unserem Falle enden die Gletscher der Nordseite zwischen 2000 und 2200 m, jene der Südseite zwischen 2300 und 2500 m, das ergibt eine mittlere Differenz von 300 m ). So bestimmen wir die Schneegrenze der Nordseite mit 2900-3000 m, der Südseite mit 3050-3150 m. Dieses Ergebnis kann aber nicht stimmen, weil Kleinkare unterhalb dieser berechneten Schneegrenze selbständige Gletscher entwickelt haben. Es sind zwar eher Hohlformen, von klassischen Karformen dürfen wir kaum sprechen; sie zeichnen sich nicht durch eine aussergewöhnliche Gunstlage aus, aber es ist in dem ausgeglichenen Vorland auch gar nicht möglich. Ihre Höhenlage beträgt 2700 m auf der Nordseite, 2650 auf der Westseite, 2950 m auf der Südwestseite und 3000 m auf der Südseite. Zwischen Schatt- und Sonnseite ergeben sich wiederum Differenzen von 200 bis 300 m. Diese Formen zeugen eindeutig dafür, dass die klimatischen Bedingungen zur Gletscherbildung auf ihrer Höhe erfüllt waren. Mit den vorsichtigeren Werten gerechnet, muss die Schneegrenze der letzten Eiszeit auf der Nordseite in 2700 m, auf der Südseite in 3000 m gelegen haben.Der Widerspruch in der Schneegrenzbestimmung führt zu einer wesentlichen Aussage. Ein Talgletscher ist seitlich begrenzt, durch die Eintiefung vor allzu intensiver Strahlung geschützt; Eismächtigkeit und Gefälle geben ihm eine bestimmte gerichtete Fliesskraft und eine relativ niedrige Endlage. Die Gletscherbildung an offenen Hängen, geradezu typisch an einem regelmässigen Vulkankegel, muss mit ganz andern Bedingungen rechnen. Nach dem Verlassen der schützenden Gipfelkare fliesst der Gletscher fächerförmig auseinander, verliert seine gerichtete Fliesskraft und legt sein Material ungeordnet und in breiter Front ab. Vor allem aber muss dieser Eiskuchen unterhalb der Schneegrenze rasch ausschmelzen. Die Schneegrenze kann keineswegs in der Mitte zwischen der Umrahmung des Nährgebietes und dem Gletscherende liegen. Den Beweis dafür liefern uns ganz eindeutig die tiefsten Kleinkare mit den schwachen aber sicheren Gletscherbildungen. Wenn wir die Schneegrenze für die letzte Eiszeit nordseitig auf 2700, südseitig auf 3000 m, im Mittel auf 2850 m festlegen, so sind diese Werte eher noch zu vorsichtig formuliert und dürften vielleicht in Zukunft bei genaueren topographischen Aufnahmemöglichkeiten Tiefenkorrekturen bis zu maximal 100 m erfahren.

5. Das Problem einer vorletzten Vergletscherung ( Risseiszeit ) Immer wieder stellt sich die Frage, ob wohl in der subtropisch mediterranen Zone auch mehrere Eiszeiten existiert haben, und ob sich nicht wenigstens die vorletzte und ausgedehntere Risseiszeit nachweisen lasse.

Auf der Nordseite, besonders beidseits des Nordosttales ( Abb. 5 ), sind breite Hochrücken erhalten, die über dem sichtbar anstehenden Gestein eine Streu von auffällig gerundetem Material tragen. Diese Erscheinung mit einer früheren glazialen Überdeckung zu erklären ist aber nicht möglich, weil die Zurundung von wenig widerstandsfähigem vulkanischem Material keine ein- deutigen Schlüsse zulässt. Immerhin haben die Würmgletscher die schwachen Taleintiefungen vollständig aufgefüllt und die Randhöhe teilweise überschritten, so dass eine umfassendere Eisbedeckung des oberen Vulkansockels durch eine ausgedehntere Eiszeit ohne weiteres möglich wäre. Übereinstimmende Beobachtungen ergeben sich auf mehreren solchen Plateauflächen, die würm-zeitlich nicht eisbedeckt, sondern höchstens von Firnfeldern überzogen waren.

Wenden wir uns mehr den Ablagerungsräumen unterhalb der würmeiszeitlichen Endmoränen zu, so finden wir an zahlreichen Stellen Indizien einer älteren Vereisung. Auf der Südseite sind in rezent eingetieften Rinnen schwach geschichtete und mit groben Blöcken durchsetzte Horizonte aufgeschlossen. Sind hier torrentielle Abtragungsvorgänge im Spiel oder liegen ältere glaziale Ablagerungen vor? Jdenfalls befinden sich diese Fundstellen abseits der zwei besprochenen Südgletscher, aber ein eindeutiger Schluss ist auch hier noch nicht möglich. Ähnlichen Erscheinungen begegnen wir in der Tekirebene, wo beim Bau des neuen Berghauses vieldeutige, aber infolge der geringen Tiefe nicht eindeutige Aufschlüsse freigelegt wurden.

Die überzeugendsten Formen befinden sich in der Talung zwischen Perikartini und Kefeli, unmittelbar nordwestlich des Perikartini, Höhe ca. 1900 m. Auf dem vorwiegend tertiären Ablagerungsmaterial fällt eine lokal begrenzte Blockstreu auf, die grössten Exemplare haben eine Kubatur von über 100 m3. Weder Sturz noch fluvialer oder solifluidaler Transport ist möglich, eine glaziale Umlagerung rückt als Erklärung in den Vordergrund. Wie befinden uns ca. 2 km vom würmeiszeitlichen Gletscherende entfernt, und der Höhenunterschied beträgt 300 m. Diese Distanz- und Höhendifferenz gegenüber der letzten Eiszeit ist ohne weiteres denkbar, ähnliche Werte ergeben sich in der Sierra Nevada ( 9 ) und aus der Arbeit Spreitzers im benachbarten Ala Dagh ( 13, Ala Dagh in Abb. 2 ). Die Schneegrenze musste voraussichtlich in der Risseiszeit ca. 200 m tiefer liegen als in der Würmeiszeit. Wir erwähnen schliesslich auch noch die Ergebnisse von Bartsch ( 1 ), der aus der Dreigliederung der fluviatilen Terrassen in der Tekirebene auf die Abfolge mehrerer Kaltzeiten geschlossen hat.

Alle diese Aussagen verlangen aber, dass sich am Erciyas seit der Risseiszeit keine grossen Höhen-veränderungen mehr abgespielt haben, was bei einem Vulkan gar keine Selbstverständlichkeit ist. Damit kommen wir zur letzten Frage, wie weit sich Zusammenhänge zwischen vulkanischen Vorgängen und eiszeitlichen Formbildungen ergeben, das heisst, zwischen endogenen und exogenen Kräften.

6. Die Entstehung des Erciyas Dagh, innere und äussere Kräfte im Zusammenspiel Bartsch hat 1934 die einzelnen vulkanischen Phasen herausgearbeitet, und von Blumenthal haben wir 1938 weitere Hinweise zur Entstehung des Erciyas erhalten. Gegenwärtig werden im Auftrage der türkischen geologischen Landesanstalt Detailkartierungen im Massstab 1:25 000 vorgenommen, die in Zukunft wesentliche Beiträge zur genetischen Analyse des Vulkans bringen werden. Aus gemeinsamen Begehungen und aus eigenen Feldbeobachtungen wollen wir einige neue Bausteine in das bis heute bekannte Bild einfügen:

Die mächtigsten tertiären und quartären Ablagerungen finden wir im Räume Kefeli—Perikartini, sie sind vom Dorfe Hacilar aus gut zu erreichen ( Abb. 7 ). Diese beachtlichen Materialmassen müssen von einem Ur-Erciyas stammen, der heute nur noch als Rumpfform existiert. Es ist sehr wohl möglich, dass diese tertiäre und altquartäre Abtragungszeit mit den Verebnungsflächen des höheren Vulkansockels in Zusammenhang gebracht werden muss. Mit andern Worten, der heutige Vulkansockel stellt den Rumpf körper eines ehemaligen Ur-Erciyas dar, dem in einer späteren Phase durch eine erneute Aktivität des Zentralschlotes ein jüngerer Kegel aufgesetzt wurde. Nur durch diese deutliche Mehrphasigkeit lässt sich der auffallende lithologische und morphologische Gegensatz zwischen dem flacheren und offenen Sockel und dem steilen und gegliederten Gipfelbereich befriedigend erklären ( Abb. 4, 5, 6, 7 ).

In diesem gleichen Raum zeigt sich, dass die alten andesitischen Sekundärkegel ( z.B. Kefeli, 2300 m ) den Ablagerungsvorgang und die Bildung eines Entwässerungsnetzes nicht gestört haben. Ganz anders die frisch aussehenden Blocklavamassen eines Selimkartini oder Perikartini ( Abb. 2,7 ). Sie haben die Schüttungszone durchstossen und das bestehende Entwässerungsnetz abrupt unterbrochen. Das frische Aussehen der unterbrochenen Abflussrinnen deutet an, dass sie noch im jüngeren Quartär benutzt worden sind. Das lässt sich zeitlich noch genauer fixieren, indem auf der Südseite die andersartigen Schüttungen der würmeiszeitlichen Südgletscher an der gleichen Blocklava des Kartin Dagh aufgestossen sind, das heisst, die Lava war vor dem Gletscher da.

Ganz anders beurteilen wir den Basaltstrom von Seyhsaban. Zahlreiche prächtige Fliessformen sind in dem dünnflüssigen, brüchig schlackigen Material erhalten geblieben. Lassen wir uns von ersten Verwitterungsansätzen und teilweiser Überwachsung nicht täuschen, diese Basaltmassen sind zweifellos jünger als die frischer wirkende Blocklava eines Perikartini. Es sind laterale Ergüsse, die möglicherweise mit der Bildung der jüngsten Schlackenkegel in Zusammenhang stehen. ( Zum Beispiel bei Hisarcik. ) Diese vulkanische Tätigkeit, begleitet von Lockermaterialeruptionen, ist eindeutig postglazialen Alters. Strabo hat wohl ihre letzten ausklingenden Erscheinungen noch erlebt und in seinen Werken festgehalten ( I, S. 115 ).

Zu diesen jüngsten Geschehnissen kommen datierbare Tuffablagerungen am Rande des grossen Ostgletschers, die beim Bau der neuen Wasserleitung aufgeschlossen wurden ( Abb. 8 ). Die Aushub-orte befinden sich bis zu 50 m beidseits des Kanals auf ca. 2750 m. An einigen typischen Stellen haben wir ein Profil aufgenommen, daraus halten wir die wichtigste Tatsache fest:

Unter 1 m oberflächlichem Moränenmaterial oder möglicherweise nur solifluidal umgelagertem Moränenmaterial finden wir 4-10 cm mächtige Tuff lagen, die äolisch sedimentiert sind. Die Zeit der Eruption und der Ablagerung fällt in die ausklingende Würmeiszeit, möglicherweise sogar in das Postglazial, je nachdem wie der überdeckende Moränenhorizont interpretiert wird ( Abb. 8 ).

Alle diese Beobachtungen führen uns zu einem neuen Überblick über die einzelnen Phasen in der Entstehung des Erciyas. Wir wollen uns aber bewusst sein, dass künftige Arbeiten weitere Verbesserungen bringen werden.

1. Tertiär: Bildung eines Ur-Erciyas, hauptsächlich aus andesitischem Material. Der Abtragungs-prozess setzt ein, Akkumulationen entstehen, und in höheren Lagen bilden sich Verebnungsflächen. Bruchlinien und Verwerfungen gliedern das Vulkangebäude ( z.B. Tekir-Bruch ).

2. In der Folgezeit bilden sich die andesitischen Sekundärkegel wie Lifos, Kefeli, Ala Dagh usw., die tätige Abtragung und Ablagerung passt sich den neuen Formen an.

3. Präglazial: In neuen Zentraleruptionen entsteht der heutige Gipfelaufbau, der sein Gepräge durch die eiszeitlichen Karformen erhalten wird.

4. Präwürm: Andesitische Blocklava durchstösst den Akkumulationskörper. Sie fällt durch ihr frisches Aussehen und durch ihre relativ grosse Massenerhebung auf.

5. Ende Wurm bis zum Beginn der geschichtlichen Zeit: Bildung von Schlackenkegeln, Ausfliessen junger Basaltströme und Eruptionen von Lockermaterial.

Viele Probleme bleiben offen, so zum Beispiel, ob sich mehrere Zyklen der Hebung und Abtragung abgespielt haben. Auf alle Fälle war zur Zeit der letzten, sehr wahrscheinlich auch der vor- letzten Eiszeit die heutige Gestalt des Erciyas in den Grundzügen vollendet. Es spricht nichts dafür, dass die eiszeitlichen Ablagerungen in ihrer Höhenlage durch vulkanische Vorgänge verändert oder versetzt worden wären. Erst mit dieser Feststellung haben wir das Recht, die Ergebnisse der quartären Vergletscherung am Erciyas Dagh vergleichend in die grossen klimatischen und glazialmorphologischen Zusammenhänge der Eiszeit einzuordnen.

Zusammenfassung Im Gipfelaufbau des Erciyas sind auf der Nord- und Südseite mehrere Grosskare eingetieft, die die Bedeutung der glazialen Überformung beweisen. Ursprünglich vulkanische und tektonische Strukturen können in den abgetragenen Formen nicht mehr rekonstruiert werden.

Die Zuschüttung der grossen Karformen zeigt die Intensität der postglazialen Verwitterung an; dieses Problem muss in Zukunft quantitativ noch genauer untersucht werden.

Die eiszeitlichen Gletscherströme lassen sich an ihren Ablagerungen verfolgen und rekonstruieren. Es sind aber nicht die gewohnten regelmässigen Ablagerungsformen eines Talgletschers, sondern die ungeordneten Deponien eines an einem Vulkankegel breit auseinanderfächernden Eiskuchens.

Die Moränen sind durch sekundäre Massenbewegungen unmittelbar nach dem Gletscherrückgang umgelagert worden. Ähnliche Erscheinungen finden wir in den aktuellen Blockströmen der nordseitigen Kare. Dieses Problem soll zu einem späteren Zeitpunkt genauer besprochen werden.

Der kleine Gletscher im Nordwestkar ist in seiner ausgesprochenen Gunstlage nicht repräsentativ für eine allgemein gültige rezente Schneegrenze, die wir auf 4000 m Höhe schätzen.

Die eiszeitliche Schneegrenze entspricht nicht einem Mittelwert zwischen Kammhöhe des Nährgebietes und Gletscherende, wie die tiefliegenden Kleinkare beweisen, denn die breit ausfächernden Eiskuchen schmelzen unterhalt der Schneegrenze rasch aus. Die Schneegrenze der Würmeiszeit liegt nordseitig auf 2700 m, südseitig auf 3000 m, im Mittel auf 2850 m.

Die Beweise einer Risseiszeit sind nicht ganz eindeutig, aber zahlreiche Indizien weisen doch auf eine ausgedehntere ältere Vergletscherung hin, die gegenüber der Würm-Kaltzeit eine um ca. 200 m tiefere Schneegrenze haben musste.

Die Zusammenhänge zwischen vulkanischen Vorgängen und tertiär-quartären Ablagerungsformen ergeben neue Datierungsmöglichkeiten. Trotz postglazialer vulkanischer Tätigkeit haben die eiszeitlichen Formen in ihrer Höhenlage keine Veränderung erfahren, und erst damit lassen sich die diluvialen Gletscherstände des Erciyas Dagh in die grossräumigen Zusammenhänge der Eiszeit einordnen.

Literaturverzeichnis ( 1 ) Bartsch C: Das Gebiet des Erciyas Dagi und die Stadt Kayseri in Mittel-Anatolien. Jahrbuch der Geogr.Ges. zu Hannover für 1934 und 1935.

( 2 ) Blumenthal M.M.: Der Erdschias Dagh 3916 m. Die Alpen 1938.

( 3 ) Cuttat R.: Die Besteigung eines Viertausenders in Zentralanatolien. Erciyas Dag. Die Alpen 1954.

( 4 ) Erinc S.: Istanbul Ueniversitesi, Cografya, Cilt 1, Sayi 2, 1951. The glacier of Erciyes in pleistocene and postglacial epoches.

( 5 ) Hader F.: Klimazahlen zur Beurteilung der alpinen Frostverwitterung. Mitt. der Geogr. Ges. Wien, Bd. 97,1955.

( 6 ) Klaer W.: Untersuchungen zur klimagenetischen Geomorphologie in den Hochgebirgen Vorderasiens. Heidelberger geogr. Arb., H. 11,1962.

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( 8 ) Louis H.: Schneegrenze und Schneegrenzbestimmung. Geogr. Taschenbuch 1954/55.

Messerli B.: Beiträge zur Geomorphologie der Sierra Nevada. Diss. Bern 1962.

( 10 ) Messerli B.: Der Gletscher am Erciyas Dagh und das Problem der rezenten Schneegrenze im anatolischen und mediterranen Raum. Geogr. Helv. 1964.

( 11 ) Penther A.: Eine Reise in das Gebiet des Erdschias Dagh ( Kleinasien ). Mit Beilagen von E. Zederbauer und G. Tschamler. Abh. der k.k. geogr. Ges. in Wien, I. Bd., Wien 1905.

( 12 ) Salomon-Ccdvi W.: Das Erdbeben des Erciyes vom 20.Februar 1940, MTA, Sene 5, Sayi 2/19, Ankara 1940.

( 13 ) Spreìtzer H.: Zur Geographie des Kilikischen Ala Dagh im Taurus. Festschrift zur 100-Jahr-Feier der Geogr Ges. Wien 1957.

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