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Erste Besteigung des Aletschhorns am 18. Juni 1859

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

VON FR. F. TUCKETT

Mit 1 Bild ( 93 ) Obwohl sein Name unter den Gründern des Alpine Club nicht figuriert, war Francis F. Tuckett ( 1834-1913 ) einer der ersten und wichtigsten Pioniere des britischen Alpinismus. Achtjährig besucht er im Jahre 1842 mit seinen Eltern zum erstenmal die Alpen ( Montenvers, Mer de Glace ). Von 1853 an kehrt er fast jedes Jahr wieder und beschränkt sich vorerst auf die Traversierung der grossen klassischen Passagen: Theodul, Col du Géant, Col Collon, Monte Moro, Adlerpass usw. Im Jahre 1859 beginnt er seine eigentliche alpine Karriere mit der Besteigung des Aletschhorns und konzentriert dann seine Anstrengungen auf die Massive des Dauphiné und auf die Dolomiten. Ausser den Alpen hat er die Berge Korsikas, Griechenlands ( Parnass, Taygetos ), die Apuanischen Alpen, die Berge Norwegens usw. erforscht und bestiegen. Als grosser Weltreisender umkreiste er dreimal die Erde.

Der « offizielle » Bericht über die Besteigung des Aletschhorns ist im Bandii der Peaks, Passes and Glaciers, 1863, erschienen. Aber eine erste Version hatte Tuckett schon am 24. Juni 1859 von Zermatt aus in einem langen Brief an seine Mutter geschrieben, das heisst weniger als eine Woche nach dem Ereignis 1. Wir geben im folgenden eine Übersetzung wieder.

... Ich muss mich möglichst kurz fassen, nicht nur, da mir die Zeit mangelt, sondern auch, weil meine Hände noch immer geschwollen sind von der Sonnenbestrahlung und weil sie besser gewöhnt sind, den Bergstock zu handhaben als die Feder...

Zuerst sollst Du wissen, dass es mir gut geht. Ich bin absolut nicht müde und empfinde unsagbare Freude, obwohl das Wetter immer noch unsicher ist... Ich kann Dir nicht all die Schönheiten des Eggischhorns beschreiben... Das Hotel ist ausgezeichnet und der Wirt noch bessere. Er hat einige Monate bei John Birkbeck in Settle gewohnt und spricht englisch. Er ist voll Aufmerksamkeit und sehr zuvorkommend. Man erhält bei ihm Pension für 3-5 Fr. im Tag, und so, wie mir Herr Wellig den Eindruck macht, bin ich überzeugt, dass man bei ihm sehr gut aufgehoben wäre. Er hat das Hotel extra meinetwegen geöffnet, und als ich nach zwei oder drei Tagen meine Rechnung verlangte, lehnte er jede Bezahlung ab mit der Begründung, dass das Hotel unwohnlich und nicht gut bewirtschaftet sei, die Verköstigung nicht abwechslungsreich, während ich mich in Wirklichkeit bei ihm so wohl fühlte.

Im letzten Brief sagte ich Dir, dass ich am nächsten Tag eine grosse Gletscherfahrt unternehmen würde. Deren Details verschwieg ich, damit Du Dich während der Zeit, bis ich Dir das Resultat der Unternehmung berichten konnte, nicht beunruhigtest. Bei dem fraglichen Plan handelte es sich also um die Besteigung des Aletschhorns, welches bisher noch nicht bestiegen und auch noch nicht versucht worden ist. Es ist, nach dem Finsteraarhorn, die höchste Bergspitze der Berner Alpen und übertrifft die Jungfrau um einige dreissig Meter. Ausser Victor ( Thairraz ) waren mit mir Peter Bohren von Grindelwald und Joseph Bennen, ein ausgezeichneter Führer, ausserdem ein Träger, der uns half, den Proviant und die Decken zu tragen, die wir nötig hatten, um die Nacht im Freien unter einigermassen angenehmen Bedingungen zubringen zu können. Nach end- 1 A Pioneer in the High Alps, Diaries and Lettres of F. F. Tuckett, 1920, S. 62-68.

2 1865 hatte Franz Wellig, mit finanzieller Hilfe von John Birkbeck, das erste, sehr einfache Hotel am Fusse des Eggischhorns erbaut, das er 1871 an Emil Kathrein weiterverkaufte.

losen Palavern und Erörterungen waren die verschiedenen Chargen endlich verteilt, und wir machten uns gegen 7 Uhr auf den Weg. Das Wetter machte keinen sicheren Eindruck; grosse Nebelmassen kamen über die Bergkette südlich der Rhone auf uns zu und hüllten uns teilweise ein. Aber trotzdem die oberen Hänge von tiefem, weichem Schnee bedeckt waren, rückten wir gut vor und erreichten um 9 Uhr 30 den linken Rand des Grossen Aletschgletschers. Nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, überquerten wir ihn in Richtung gegen den Westrand des Mittelaletschgletschers, wo wir nach manchen Umwegen gegen 11 Uhr endlich anlangten. Neuer Picknick-Halt; die Führer tranken in langen Zügen aus unserer Kürbisflasche, die 15 Flaschen Wein enthielt, während wir ängstliche Blicke zum Gletscher im NNW sandten, von wo ein eisiger Wind, schwere Wetterwolken vor sich her jagend, herabstiess und uns feine Schneekristalle ins Gesicht fegte.

Kurz nach Mittag sind wir wieder unterwegs; über den stark geneigten unteren Teil des Gletschers erreichen wir seine mittlere Stufe, die weniger steil und vollständig mit Schnee bedeckt ist. Von hier aus traversieren wir, angeseilt wegen verdeckten Spalten, schräg zum linken Rand hinüber, wo wir einen Unterschlupf für die Nacht zu finden hoffen. Lange untersuchen wir jedoch vergeblich die Felsen, bis wir endlich gegen 14 Uhr eine geeignet scheinende Nische im Steilhang entdecken, etwa 100 Meter über dem Gletscher. Wir klettern rasch hinauf und sind überrascht, einen Lagerplatz zu finden, welcher durch einiges Herrichten zu einem Palast zu werden verspricht im Vergleich zu dem, was wir zu hoffen gewagt haben. Zuerst bemühen wir uns, den Boden der Grotte auszuebnen und seine unbequeme Neigung auszugleichen, indem wir auf einem kleinen Mäuerchen, das wir beim Eingang errichten, flache Steine auflegen - Material ist im Überfluss vorhanden. Als wir so weit sind, suchen drei von uns, Bennen, Bohren und ich, in der Umgebung Heu zusammen und kommen bald mit schweren Grasbündeln zurück, welche, auf unserer mit Steinplatten ausgelegten Unterlage ausgebreitet, ein wahrhaft luxuriöses Lager ergeben. Aus den Haaren und Knochen zu schliessen, mit denen die Grotte besät war, musste sie ein bevorzugter Treffpunkt für Gemsen sein. Aus dem Grund der Höhle rieselte ein feiner Wasserstrahl, welcher uns beim Kochen sehr zustatten kam, ohne uns im übrigen irgendwie zu stören; denn wir hatten einen Abzugskanal für das Wasser gegraben, bevor wir unsern Boden legten.

Als alles für die Nacht bereit war, musste ans Abendessen gedacht werden. Dank meinem russischen Rechaud sassen wir bald emsig beschäftigt um einen Topf mit ausgezeichneter Julienne-suppe, welcher Schaffleisch, Kalbfleisch, Schinken und Würste folgten. Wie Du in der Folge sehen wirst, scheint diese Suppe einen tiefen Eindruck auf den Geist - oder auf den Magen - Bohrens gemacht zu haben. Als das Diner beendet war und Victor die Utensilien abwusch, während Bennen seine Pfeife anzündete und ich mit einigen wissenschaftlichen Beobachtungen beschäftigt war, verschwand Bohren - welcher nie so glücklich ist, wie wenn er seine Nase in allerlei Felsritzen und -löcher stecken kann - in der Wand unter uns, und bald hörte man ein Donnern von stürzenden Steinen, begleitet von heftigen Pickelschlägen. Nach einer halben Stunde kam er mit triumphie-render Miene zurück und sagte, dass er sich einen prächtigen Unterschlupf für die Nacht zurechtgemacht habe, und er lud mich ein, ihn zu besichtigen. Er hatte einen Felswulst benützt, welcher eine Art Gang von 60 cm Tiefe und 50 cm Höhe bildete. Indem er aussen flache Steine anlehnte, die Zwischenräume mit Moos verstopfte und nur ein Loch, gerade gross genug zum Einschlüpfen, frei liess, hatte er eine ziemlich gute Nachahmung eines Murmeltierbaus erreicht, dessen Inneres er mit Heu ausgepolstert hatte. Das Ganze hätte nicht verführerischer sein können, und als er dessen Wirkung auf mich gewahrte, drängte er mich so, davon Gebrauch zu machen, dass ich nicht widerstehen konnte, um so weniger, als die Kälte eisiger wurde, je mehr das Wetter aufhellte.

Beissende Nordwindstösse drangen in unsere Höhle, mit einer Ungeniertheit, die unangenehmes Gewecktwerden während der Nacht versprach. Unbehagliche Schauer rieselten einem das Rückgrat hinab, trotz unserer Vorkehren, um dem eindringenden Wind den Weg zu versperren; ich hatte sogar mit meinem schottischen Plaid den Eingang verhängt.

Wir waren schon so erstarrt vor Kälte, dass wir übereinkamen, eine tüchtige Kletterpartie in den Felsen zu unternehmen, das beste Mittel, um sich zu erwärmen. Nach einer Stunde kehrten wir dann wirklich « aufgeheizt » in unser « Nest » zurück und beschlossen, uns königlich zu unterhalten, bis es Zeit wäre, schlafen zu gehen. Meine « Maschine » wurde wieder in Gang gesetzt, um einen siedendheissen Grog zu brauen. Die Pfeifen wurden angezündet, und während die Rauchspiralen lustig in die Abendluft hinauswirbelten, wäre es wohl schwer gewesen, irgendwo in einem englischen Heim ein fröhlicheres und glücklicheres Grüpplein beisammen zu finden, als wir es waren. Da ich wohl wusste, dass man gegen Kälte viel empfindlicher ist, wenn man sich still verhält, stimmte ich ein Lied an, um die andern mitzureissen, und bald war es der eine, bald der andere, und manchmal waren es alle zusammen, die unsere Grotte von englischen, französischen, deutschen oder italienischen Gesängen widerhallen liessen, wobei in den Liedern meiner Führer die Wörter « Vaterland », « Mädchen » und « Gemsen » oft wiederkehrten.

Kurz nach 21 Uhr stieg ich, vorsichtshalber am Seil gesichert, 15 Meter über die Felsen hinunter in mein Loch, wickelte ein Halstuch um meinen Kopf ( ich hatte vorher schon ein zweites Hemd und wollene Unterhosen übergezogen ), und nachdem ich mich noch mit einer groben Decke zugedeckt hatte, lag ich wie eingemauert in meinem Bau; wenige Felsritzen erlaubten den Luftzutritt. Im Anfang glaubte ich zu ersticken; aber mit fortschreitender Nacht nahm die Kälte beträchtlich zu, und nachdem ich zwei- oder dreimal halb aufgewacht war, war ich glücklich, mich enger in meine Decke wickeln und meine Füsse mit Heu zudecken zu können. Kaum war ich aber endgültig installiert, als Bohren ein Lied ums andre zu singen begann oder ein langes Klagelied? Ich bin nicht sicher, was es war. Manchmal wurde er von Bennen begleitet. Und das dauerte so fort bis zum Morgen, zum Ärger von Victor, der all dem zuhören musste, ohne es zu verstehen. Ich möchte nicht boshaft sein; aber ich muss erwähnen, dass wir eine Flasche Rum mitgenommen hatten und dass diese Flasche zufällig neben Bohren lag und dass am Morgen - vielleicht infolge der intensiven Kälte - sich ihr Inhalt zum guten Teil verflüchtigt hatte. Wie ging das zu? Ich masse mir nicht an, dieses Wunder zu erklären...

Eine halbe Stunde nach Mitternacht, nach drei Stunden leidlichem Schlaf, wurde ich durch einen schimmernden Mondstrahl aufgeweckt, der durch meine Luftlöcher drang. Auf mein Rufen erschien Bennen, um mich zu befreien. Er überraschte mich durch seine ungewohnte Geschwätzigkeit und liebevolle Leutseligkeit. Ich werde aber nicht so bald den Augenblick vergessen, da ich aus meinem Schlupfwinkel in die eiskalte, aber absolut ruhige Luft dieser Nacht hinaustrat, mit ihrem verklärenden Mondlicht, das die Gletschermulde zu meinen Füssen überflutete, während jeder Felsgrat, jede Schneewächte in diesem sanften, milden Licht eine fast übernatürliche Schönheit annahm. Dabei hatte man den Eindruck, dass sich das Ganze jeden Augenblick verwandeln könnte wie eine Bühnenszenerie. Das Aletschhorn, unser Berg, erhob sich stolz aus dem Hintergrund des Tales, ohne den geringsten Nebelschleier um seine weiten Ausläufer, grandios und hell, wie wenn es sich seiner Überlegenheit vollkommen bewusst gewesen wäre. Der Berg sah aus, als lade er uns ein, ihn aus der Nähe anzuschauen, und er weckte unsre Begier, die Eisaxt oder den Bergstock in seine Eisflanken zu schlagen.

Als ich wieder zur Grotte hinaufstieg, erklang noch immer die Flut von Bohrens Melodien. Ich liess ihn machen; denn es hätte nichts genützt, sich dagegen zu wehren. Als jedoch Victor und ich einen heissen Tee bereitet hatten, glaubte Bohren - er stand jedenfalls noch unter dem angenehmen Eindruck der Juliennesuppe vom Vorabend -, dass es « recht gute » Suppe sei, und wollte die Teeblätter herausfischen und essen. Nun fand ich es nötig, Einspruch zu erheben, und er liess sich belehren.

Da wir wussten, wie wichtig es bei grossen Fahrten ist, vor dem Aufbruch möglichst gut zu essen, packten Victor und ich tüchtig ein, und ich versuchte die andern zu überreden, ein selbes zu tun; aber sie befanden sich in einem zu ungewöhnlichen Zustand, um Vernunft anzunehmen. Das Resultat im Verlaufe des Tages war dann genau so, wie man es hatte erwarten können: als wir zum Fuss der letzten Steigung kamen, war Bohren erschöpft und erklärte, dass er nicht weiterkönne. Bennen seinerseits hatte starke Atemnot. Keiner von beiden fand sein Gleichgewicht wieder vor dem nächsten Tag, während Victor und ich in bester Verfassung blieben, ohne Beschwerden noch irgendwelche Spur von Ermüdung.

Kurz, an diesem Morgen des 18. Juni stiegen wir um 2 Uhr 20 von unserm Horst zum Gletscher hinab, wo wir den Schnee in ausgezeichnetem Zustand trafen: er war vom Nachtfrost so hart gefroren wie Fels. Dieser Umstand und dazu das helle Mondlicht erlauben uns, rasch vorzurücken, und um 3 Uhr befinden wir uns über dem Gletscher an der Stelle, von wo aus steile, von vielen Spalten durchbrochene Firnhänge zu einer Art Joch in der tiefsten Senkung des Grates führen, der das Aletschhorn mit dem Dreieckhorn 1 verbindet. Um diese Zeit war ich Zeuge eines ziemlich seltenen Phänomens: einer Phosphoreszenz des Schnees. Sogar die Hänge zu unserer Linken, die zu dieser Zeit im Schatten lagen, strahlten, wie durchscheinend, in bleichem Silberlicht, und bei jedem Schritt, den wir machten, waren unsere Füsse von einem leuchtenden, etwa 5 cm breiten Schein umgeben.

Nachdem wir von hier aus die Route fixiert haben, beginnen wir, ohne Zeit zu verlieren, den Aufstieg. Die Kälte ist so heftig, dass wir nur wenige Halte einschieben. In vielen Windungen, wobei wir mitunter eine zu breite Spalte umgehen, um sie nicht überspringen zu müssen, gelangen wir um 5 Uhr 15 zum Joch. Wir befinden uns auf einer Höhe von ungefähr 11 500 Fuss ( 3500 m ), so dass unser Biwak auf 9000 Fuss ( 2745 m ) liegen muss.

Der Nordwind fegte Wolken von feinem Schneestaub hoch in die Luft, und da es bei solch rasenden Windstössen und bei der tiefen Temperatur gefährlich gewesen wäre, auf dem Grat anzuhalten, stiegen wir noch einmal ein paar Schritte zurück für eine zweite Mahlzeit, bestehend aus Brot, Fleisch und Käse - begossen mit Champagner und einem Tropfen Cognac. Als wir uns wieder in Bewegung setzen wollten, erklärte der Träger, dass er nicht mehr weiterkönne. Wir schickten ihn in die Grotte zurück und machten uns um 5 Uhr 45 auf den Weg. Die einige hundert Meter, welche folgten, erwiesen sich von Anfang an als die heikelste Passage.Von unserem erreichten Punkt zu einem zweiten, höheren Joch zieht sich der Schneegrat hinüber als scharfe Schneide, von der die Flanken jäh abfallen und sich dem Gletscher zu bis zur Vertikalen abbiegen. Bei der Heftigkeit des Windes war es unmöglich, auf der Gratschneide zu bleiben. Wir mussten uns einige Fuss tiefer in der Südflanke bewegen, für jeden Schritt Stufen schlagend. Glücklicherweise war der Schnee solid und hart und hatte es kein Glatteis, sonst hätten wir vielleicht hier aufgeben müssen. In regelmässigem Anstieg, fast ohne Halt, stossen wir bis zum zweiten Joch vor, das wir 6 Uhr 30 wohlbehalten erreichen. Von hier aus wird der Grat steiler. Um 7 Uhr gelangen wir zu einem ersten Bergschrund, den wir ohne grosse Mühe umgehen können. Wir meiden einige mit Eiszacken geschmückte Spalten im Firn, lassen zu unserer Rechten einen unteren Nebengipfel 1 Westlich von Punkt 3661 der NL.

stehen und steigen weiter. Um 8 Uhr passieren wir ohne zu grosse Schwierigkeit den zweiten Bergschrund. welcher die ganze Basis des obersten Kegels umgibt. Dann folgt ein 50° geneigter Eishang, zu dessen Erklimmung Stufe an Stufe geschlagen werden muss. Es sind zwei- oder dreihundert Stufen, und um 8 Uhr 45 betreten wir siegreich den Gipfel, auf fast 14 000 Fuss. Wir hätten uns keinen schöneren Tag wünschen können; die Aussicht war von unbeschreiblicher Schönheit. Die ganze Schweiz lag vor unsern Füssen ausgebreitet, auf der andern Seite die Alpen, vom Ortler bis zum Mont Blanc. Aber bei der herrschenden Bise und einer Temperatur von —12° musste auch alltäglicheren Dingen einige Aufmerksamkeit geschenkt werden, nämlich unseren kalten Füssen und frierenden Nasen. Auch musste ich daran denken, dass die Führer wahrscheinlich weniger Interesse daran hatten, den Aufenthalt auf dem Gipfel auszudehnen, als ich, und so traten wir um 9 Uhr 30 den Rückweg an. Der Abstieg vollzog sich ohne Zwischenfall; was die Einzelheiten anbelangt, magst Du das, was ich oben geschrieben, rückwärts lesen. Um 13 Uhr 20 waren wir im Biwak zurück, wo wir uns bis gegen 4 Uhr im Schatten ausruhten; denn nach den tiefen Temperaturen in der Höhe ertrugen wir die hier herrschende Hitze kaum. Um 8 Uhr kamen wir zum entzückenden Seelein ( Märjelengebildet vom Abfluss des Grossen Aletschgletschers -worauf, wie Eisberge, enorme Bruchstücke schwimmen, die sich von Zeit zu Zeit vom Gletscher lösen. Von da führten uns zwei Stunden Marsch einer Bisse entlang, die um den Ausläufer des Eggischhorns herumführt, zum Hotel, wo wir 20 Uhr 15 von unserem prächtigen Gastwirt. Alex-ander'Wellig, wärmstens empfangen wurden. Ich bestellte ein gutes Abendessen für die Führer, und. was mich anbetrifft, richtete ich mit meinem Wolfshunger auf den Platten eine wahre Verheerung an. Ich verspürte nicht die geringste Müdigkeit, trotz dieser langen Fahrt, einer der interessantesten, die ich bis jetzt gemacht habe, und die ohne ein einziges erwähnenswertes Missgeschick verlaufen ist.

Wir sind es, die die letzten Worte unterstreichen, die geschrieben sind, um Tuckctts Mutter zu beruhigen. Man wird den familiären Ton dieses Briefes bemerkt haben und die prosaischen und rührenden Einzelheiten - zweites Hemd, wollene Unterhosen -, die der Autor in dergleichen Absicht anführt. Der ausführliche Bericht, der in den Peaks, Passes and Glaciers erschien, erwähnt einen Zwischenfall, welcher wohl geeignet gewesen wäre, Beunruhigung zu erwecken.

Auf dem Gipfel machte sich Tuckett trotz der Kälte, von der die Führer Bohren und Bennen blaue Lippen bekamen, an seine Aufgabe der sakrosankten wissenschaftlichen Beobachtungen: Barometer, Thermometer, Gesteinsproben der letzten Felsen, Notierung des Panoramas usw. Erst nach einer halben Stunde, als er gewahr wurde, dass Rennen und Bohren einer Ohnmacht nahe waren, gab er das Signal zum Aufbruch. Auf dem Joch des Dreieckhorns zurück, kam ihm der Einfall, den Abstieg über die Nordfassade direkt zum Grossen Aletschgletscher hinunter zu versuchen. Zu dritt angeseilt Bennen war allein wieder in der Aufstiegsroute abgestiegen - beginnen Tairraz, Tuckett und Bohren den Abstieg über den Nordhang auf leichtem Harschschnee. Tairraz führt die Seilschaft; man steigt so etwa 50 Meter ab. Plötzlich sieht Tuckett, dass Tairraz schwankt: Die 30 Zentimeter dicke Schneeschicht hat sich in Bewegung gesetzt und in eine Staubwolke verwandelt. Glücklicherweise war die obere Schneeplatte, auf der sich Bohren und Tuckett noch befanden, solid und hielt stand. Ein Schrei: « Zum Joch zurück, schnell! », und der Hang wird so rasch als möglich wieder erstiegen. Sie waren glücklich entronnen.

Introduction, notes et traduction de Louis Seylaz. Deutsche Fassung: F. Oe.

1 Wahrscheinlich aus Versehen, statt: Franz.

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