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Friedrich Stober: Scheffel als Freund der Berge

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Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so sind die Zeiten vorbei, wo Scheffel vor allem aus wegen der trinkfreudigen Lieder im „ Gaudeamus "

und wegen verwandter Figuren im „ Trompeter von Säckingen " vielleicht der populärste Dichter Deutschlands war. Jedenfalls war er dies am Ende der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts bei der akademischen Jugend, welcher damals auch der Unterzeichnete angehörte. Auch jetzt noch gehören ja wohl „ Ott Heinrich, der Pfalzgraf bei Rheine " oder der „ Herr von Rodenstein " zum eisernen Bestand des Kommerslieder-buches, aber sie werden nicht mehr so naiv genossen; so wenig als die naturhistorischen Parodien in dem nämlichen Liederbuch, die damals neben neu aufkommenden geologischen und biologischen Doktrinen munter mitgeschluckt wurden. Und über die Lebensphilosophie des Katers Hiddigeigei fühlen sich unsere jungen Nietzscheschwärmer hoch erhaben; sie ahnen freilich nicht, daß hinter Scheffels Humor, wie bei den Besten dieser Gattung, ein gut Teil Pessimismus steckt. Wenn aber Scheffel als Dichter und als Mensch heute, wie der Scheffelbund, die Scheffel-denkmäler, die wie die Pilze wachsen, und die Scheffelliteratur, von der Ähnliches gilt, beweisen, einen wachsenden Anhang besitzt, so verdankt er dies neben seinem unübertrefflichen „ Ekkeharddem durch einen „ Wartburgroman " selber Konkurrenz zu machen der Dichter sich instinktiv scheute — in erster Linie dem Umstand, den Herr Pfarrer Stober zum Thema seines Aufsatzes gemacht hat, nämlich daß Scheffel in seinem Dichten und in seinem Wandern „ ein Freund der Berge " war. Damit hat er sich neue und viel sicherere Verehrer gewonnen, denn diese Gemeinde wächst von Tag zu Tag. Und darum hat die Besprechung der vorliegenden Broschüre im Jahrbuch eines Alpenclubs Berechtigung, obwohl Scheffel kein gewaltiger Bergsteiger war. Wir ersehen immerhin aus dieser Publikation, daß er ein ausdauernder und begeisterter Bergwanderer war und mehrere Alpenreisen durch die Schweiz, andere nach Tirol, ins Tridentinische und ins Salzkammergut und eine zur Grande Chartreuse bei Grenoble im Dauphiné gemacht hat. Daß der Aufenthalt Scheffels am Äscher ( beim Wildkirchli ) und auf der Ebenalp 1854 den Ekkehard gezeitigt hat, darf ich als bekannt voraussetzen. Wie die Bergwelt auf die Entstehung der „ Bergpsalmen " und auf einzelne Gedichte in „ Frau Aventiure " eingewirkt hat, wird von Stober ausführlich und im ganzen genau dargestellt. Immerhin zeigen verschiedene Schnitzer, daß der Verfasser sich nicht die Mühe genommen hat, die Routen Scheffels geographisch nachzuprüfen. So lesen wir pag. 27: „ Wieder geht 's die Gotthardstraße und weiter bis hinab ins alte Disentis, von hier das vordere Rheintal hinauf über Trons, Ilanz, Trins " usw. und pag. 28: „ Mit einem Pontresiner Führer stiegen die zwei Wanderer ( Scheffel und Prof. Häußer aus Heidelberg ), im übrigen ohne Seil und Eisen, bloß mit einem Bergstock bewaffnet, über Geröll, Eis und offene Spalten bis zur Mitte des Boseggiogletschers, sich weidend am überwältigenden Anblick — der ehrwürdigen Berghäupter des Piz Bernina, Agaglocks, Mortel " usw. Diese sonderbaren Namen, die sicherlich 1851 in der Gegend nicht gebräuchlich waren, und die verworrene Geographie kehren pag. 53 ff. wieder, wo Schober nach Proelß dem Biographen Scheffels, erzählt: „ Im Herbst 1862 marschierte Scheffel den Rhein hinauf ins Engadin. Er verweilte in Vulpera ( dazu eine von etwa 1906 oder noch später stammende Abbildung des'Kurortes Tarasp-Vulpera ) und Pontresina. Am 17. September dieses Jahres dichtete er auf einem Steinblock am Fuße des itose^'ogletschers, wo er zehn Jahre zuvor mit Häußer dem Piz Bernina und seinen Nachbarn ein burschikoses Schmollis zugetrunken hatte, das feierliche Bekenntnisgedicht seines Ofterdingers: ,Auf wilden Bergen ', das in ,Frau Aventiure'das Schlußstück bildet " usw. Ebensowenig wie diese Namen möchten wir es dem Verfasser aufs Wort glauben, was er pag. 29 behauptet, daß durch die im Oktober 1851 in der „ Augsburger Allgemeinen Zeitung " erschienenen Reisebriefe Häußers und Scheffels „ Graubünden und speziell Engadin erst eigentlich der reisenden Welt erschlossen wurden. Besser unterrichtet uns der Verfasser über andere Reisen und Aufenthalte Scheffels in der Schweiz. So lernen wir, daß Scheffel im August 1849 mit Häußer eine „ Alpenfahrt vom Bodensee durchs Rheingebiet über den Splügen bis zum Comersee " unternahm, im Juli 1850 eine zweite „ über den Gotthard, den oberitalienischen Seen und dem Simplon entgegen, von wo ihn Regen, Wind und Nebel nach dem Rigi zurücktrieben ", 1853 seine Italienfahrt, deren Frucht auf Capri der „ Trompeter " war, „ durch die Schweiz von Basel über Kandersteg, Gemmi, Leukerbad, Visp und den Simplon " antrat, im Spätherbst 1860 „ ins Berner Oberland ( Rosenlauigletscher, Grindelwald, Lauterbrunnen, Faulhorn und Wengernalp ) auszog und sich dann auf dem Seelisberg am Vierwaldstättersee niederließ ", wo er die in St. Wolfgang am Obersee begonnenen „ Bergpsalmen " vollendete, daß er den Winter 1860/1861 und wieder den Sommer 1862 zu Brestenberg am Hallwylersee im Kanton Aargau zur Kur verweilte und sich „ im September von dort nach Rhätien, Davos, dem Scalettapaß, dem rauhesten aller Alpenpässe, zuwendete ", daß seine Hochzeitsreise 1864 „ meist zu Fuß über Via Mala und Splügen an die oberitalienischen Seen und die Rückkehr über Gotthard, Furka, Grimsel, Berner Oberland in das idyllische Unterwaldnerlandj mit Station in Alpnach und wohl gelungenen Ausflügen auf den Pilatus, ins Engelbergertal usw. schließlich nach Seon am Hallwylersee führte ", wo das Paar seinen Wohnsitz nahm, daß der Dichter noch 1868 und 1869 „ mit dem Maler Anton von Werner größere Alpenreisen an Geburtsstätten und Schauplätze seiner Werke unternahm ", daß er 1882 in der kunstgeschmückten Villa Klose zu Thun „ angesichts der Schneehäupter des Berner Oberlandes Ruhe und Stärkung fand ", und schließlich, daß Scheffel 1884 nach seiner letzten Schweizerreise den „ Gedenkspruch " schrieb, den jeder „ heimgekehrte Hochlands-pilger " sich merken sollte, wäre es auch nur um der Schlußzeilen willen:

Die Erinnerung reinen Glückes Bleibt so schön wie Gegenwart.

Gelegentlich erfahren wir auch, daß Scheffel 1850 die Scesaplana bestieg und nachher das bestempfundene der Wanderlieder des „ Gaudeamus " sang ( siehe pag. 27 ), und daß er sich 1855 „ bei Besteigung des Hohen Ifinger eine schlagartige Blutkongestion zuzog ". Es ist also in dem 78 Seiten starken und gut illustrierten Büchlein Pfarrer Stobers genug enthalten, um seinen Ankauf den Lesern dieses Jahrbuches genehm zu machen. Daß „ der Reinertrag der Errichtung eines Scheffeldenkmals am Mondsee zugute kommen soll ", scheint mir dabei nebensächlich.

Redaktion.

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