Gesteinsverwitterung als Teil im Stoffkreislauf der Erde
Von Heinrich Buchmann ( Basel, Sektion Basel ).
Der gewaltige Kreislauf, der sich auf und in den obersten Schichten unserer Erde seit urdenklichen Zeiten abrollt, lässt seine Spuren in den vielen Varietäten von Gesteinen und Schichten der forschenden Menschheit zurück. Vieles, das uns dieser Prozess zum Studium übriggelassen hat, ist verwischt, unterbrochen oder von vornherein unzugänglich.
Die kurze Zeit, seit der sich der Mensch den Fragen über Werden und Vergehen der Gesteine widmet, wäre immer noch zu kurz, um einen derartigen Prozess verfolgen zu können, auch wenn sie Tausende von Jahren betragen würde. Was für eine winzig kleine Zeit ist doch die Dauer eines Menschenlebens im Vergleich zu den riesigen Zeiträumen, die verstreichen, um aus dem glutflüssigen Magma die das feste ( abgekühlte ) Gestein zusammensetzenden Mineralien auskristallisieren zu lassen!
Die Natur erleichtert uns aber trotzdem etwas die genaue Beobachtung, weil sie nämlich verschiedene Stadien zur selben Zeit, auch in der Gegen- wart, laufen hat. Auch sind Rückschlüsse auf frühere Epochen anhand der für uns kurzlebigen Menschen scheinbar toten Materie möglich. Das räumliche Neben- und Übereinander muss in ein zeitliches Nacheinander eingereiht werden. Die Einzelregistrierungen können dann gleichfalls zu einem anschaulichen Film zusammengesetzt werden, wodurch wir trotz der oben angedeuteten Schwierigkeiten hinter manche Geheimnisse gelangen. Es ist dies eine der reizvollsten Aufgaben des Geologen und Petrographen, sich jeweils beim Betrachten eines Stückes Gestein oder Mineral zu fragen, an welcher Stelle des Kreislaufes es sich befindet und von wo und wohin es unterwegs ist.
Der Kreislauf selbst geht — kurz umrissen — etwa wie folgt vor sich: Im Innern der Erde befinden sich Schmelzen ( Magma und Magmateile ), die bei Annäherung an die Erdoberfläche zu magmatischen Gesteinen ( Graniten etc. ) erstarren. Diese aus der Tiefe stammenden Gesteine aber stehen mit den Bedingungen der Erdoberfläche nicht im Gleichgewicht. Kräfte physikalischer und chemischer Art zerstören sie im Verlaufe des Verwitterungs-prozesses. Das hiebei entstehende Material ( Verwitterungsschutt ) bleibt entweder vorläufig an Ort und Stelle liegen ( sogenannte Bodenbildung ), oder es wird durch Wasser, Eis und Wind verfrachtet. In Ablagerungsgebieten ( Becken, Trögen und Mulden ) scheidet sich das transportierte Material nach Grosse, Gewicht und Inhalt geordnet aus und bildet die sogenannten Schichtoder Sedimentgesteine. Magmatisch und sedimentogen entstandene Gesteine können dann einzeln oder zusammen durch gebirgsbildende Kräfte wieder gegen das Erdinnere zu bewegt werden, wo sie unter Einwirkung von hohen Drucken und Temperaturen zu metamorphen Gesteinen umgeprägt werden. Ja sie können sogar in Tiefen von über 60 km gelangen, wo sie sich wieder als Ganzes zu Schmelzen verflüssigen. Dadurch ist das Anfangsstadium im nie stillestehenden Kreisprozess erreicht.
Im folgenden soll eine der Phasen innerhalb dieses Kreislaufes, nämlich der Verwitterungsvorgang, etwas beleuchtet werden. Unter der Verwitterung wird die Veränderung der Gesteine an Ort und Stelle auf der Erdoberfläche durch erdoberflächenbedingte Einflüsse mechanischer oder chemischer Art verstanden.
Bei der Lockerung und Abschuppung der Oberfläche eines kompakten Gesteins spielen wohl die Temperaturschwankungen in Verbindung mit Wasseranwesenheit eine Hauptrolle. Die chemische Zusammensetzung der Gesteinsoberfläche beginnt sich aus weiter unten angeführten Faktoren bereits auch zu verändern. Infolge Erwärmung dehnt sich die Gesteinsoberfläche aus und erhält Spannungen, die zum Zerfall in millimeter- bis hand-dicke Platten führen. In unsern Gegenden haben nackte Felsen bei starker Sonnenbestrahlung oft 30 bis 45° C Temperatur, je nach ihrer Farbe. Dunkle Gesteine reflektieren die auftreffende Strahlung weniger als helle, weshalb sie wärmer werden. In Westafrika wurden Oberflächentemperaturen von ca. 85° C gemessen. Wenn dann des Nachts infolge Frost oder auch durch Gewitterregen plötzliche Abkühlung eintritt, so können leicht Temperaturdifferenzen von 40-60° C entstehen. Interessant ist der auf Grund des kubischen Ausdehnungskoeffizienten errechnete Druckwert, der sich für eine Temperaturerhöhung der Gesteinsoberfläche von 20 auf 60° C ungefähr auf 500 bis 600 kg pro cm2 stellen dürfte. Dringt nun noch Wasser in die Gesteinsporen ein, so kann darin beim Gefrieren eine Sprengwirkung entstehen, weil ja das Eis bekanntlich gegenüber Wasser ein grösseres Volumen besitzt. Es brauchen also gar nicht immer Menschen oder Tiere zu sein, die einen Stein an einer Bergwand lösen, sondern Unfälle können auch im soeben geschilderten Vorgang ihre Ursache haben. Schon das Abwechseln von Bestrahlung einer Felswand durch die stichige Sonne mit der Beschattung der vorüberziehenden Wolken kann bereits gelockerte Platten zum vollständigen Loslösen bringen. Der vorsichtige Bergsteiger wird deshalb auch an diese so heimtückische Tatsache denken müssen.
Als weitere gesteinsprengende Vorgänge, wenn auch nicht von gleicher Wichtigkeit wie die Temperatur- und Frostverwitterung, können noch folgende Erscheinungen angeführt werden: auskristallisierende Salzlösungen in Hohlräumen ( Poren, Spaltrisse etc. ), wachsende Kristalle, die auf Unterlage und Oberseite drücken, Wasseraufnahme unter Hydratbildung, Kapillarwirkung des Wassers, schliesslich auch noch das Dickenwachstum von Pflanzen-, speziell von Baumwurzeln.
Diese als « mechanische Verwitterung » bezeichneten Vorgänge können nun als Vorbereitung für eine im grossen beginnende « chemische Verwitterung » aufgefasst werden. Denn erstere zerkleinert das Gestein und vergrössert dadurch die Oberfläche, auf der dann der chemische Angriff einsetzen kann. Dieser geschieht mittels Stoffen, die teils aus der Luft, aus dem Gestein selbst oder dann von Lebewesen stammen können. Dabei spielt aber das Wasser immer die Hauptrolle, denn ohne das lösende Wasser findet keine chemische Verwitterung statt. Daneben gilt die Kohlensäure als weiterer die Zersetzung begünstigender Stoff, weil sie zu den stärkern Säuren gehört. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die im Regenwasser gelöste Luft etwa 100mal reicher an Kohlensäure ist als die gewöhnliche Luft. Wenn das Gestein auch noch Sulfide enthält, so kann auf dem Wege der Schwefelsäure-bildung das Gestein auch dadurch zersetzt werden. Als weitere Säure-bildner sind die Flechten zu betrachten, diese Lebensgemeinschaften von Algen und Pilzen, die überhaupt die ersten Besiedler der nackten Felsen sind. Sie greifen nebst Mineralien sogar den Quarz an und lösen den Zusammenhang der einzelnen Gesteinsgemengteile.
Aus dieser Aufzählung kann trotz der angewandten Kürze erkannt werden, dass der Kreislauf der Stoffe von zwei Arten Kräften in Gang gehalten wird: solchen, die von der Erde selbst herkommen und die die Kruste durch-bewegen und umformen, und solchen, die von der Sonne stammen und durch Hydro- und Atmosphäre wirken. Würden erstere ausfallen, so entstünde kein Gebirge und kaum ein Relief. Würden aber nur erstere wirken, so käme es buchstäblich dazu, dass die Berge in den Himmel wüchsen.