Grosse Bergfahrten
VON ERNST REISS, BRIENZ
Mit S Bildern ( 46-50 ) Bevor ich dem tieferen Grunde dieses Titels näher komme, liegt mir das Heitere dieses Wortlautes im Sinn. Ich sehe das breite Lachen eines meiner Seilkameraden, kaum nachdem ich mit ganzem Nachdruck nochmals an unsere grossen Fahrten erinnert hatte. Mein Kamerad freut sich und lacht noch heute, nach sechs Jahren, über meine Ausdrucksweise. Noch mehr Heiterkeit habe ich natürlich ausgelöst, als ich nach meinem ersten Alpenflug dem Piloten für diese schöne « Fahrt » dankte. In der Tat fliegt man mit einem Flugzeug, wogegen man im Auto und auf den verschiedensten Bahnen fährt. Ich will aber nicht ein langes Wortspiel treiben, sondern möchte meine grösseren alpinen Unternehmen ganz einfach mit dem Titel « Bergfahrten », und nicht als Bergtouren, Ausflüge oder Besteigungen bezeichnen.
Die Kletterer und vor allem unsere jungen Alpinisten sprechen von Felstouren und Kletterfahrten. Es ist das leicht verständlich, denn auf gewöhnlichen Pfaden und auf kombinierten Routen begegnet man heute mehr den sogenannten Amateuren oder den älteren Jahrgängen. Der Berg- Steiger, der an und auf die Berge steigt, ist in den Hintergrund getreten. Das ist eine Zeiterscheinung wie so manche andere vom Alpinismus zum Skilauf, bis in das Zeitalter des Motors.
Es ist nicht allzu schwer, den Grund dieser Verschiebung vom Alten zum Neuen, vom eigentlichen Bergsteigen bis zum Felsgehen und Im-Fels-hangen, zu erkennen. Der Vereine sind immer mehr geworden, die Leistungsabzeichen beginnen sich zu häufen, und damit erscheinen auch die messbaren alpinen Taten im mit Schwierigkeitsgraden bezeichneten Gelände. Eine erhebliche Zahl der guten Bergsteiger befindet sich dort, wo die Gradwertung in Worten vom Äussersten zum Letzten ihre Benennung erhält. Ohne Zweifel gehört auch diesen modernen Alpinisten und Kletterern, die im allerschwersten Fels mit grösster akrobatischer Ausdauer Höchstes leisten, unsere volle Anerkennung. Wir sind aber dabei bereits da angelangt, wo sich die Routenbezeichnungen aus der Zahl ihrer Schwierigkeitsangaben zusammensetzen. Es ist dies sogar nötig geworden, um dem Gebietsunbekannten, nebst den äusseren Einflüssen auf einer solchen Tour, sachlich mitzuteilen, was er zu erwarten hat und wie er sich dementsprechend ausrüsten soll. Diese Schwierigkeitsgrad-Bewertungen werden auch wir auf unsern ausgesprochenen Felsfahrten, aber auch in Teilpartien kombinierter Bergtouren nicht ablehnen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Skala nur durch verantwortungsbewusste Leute bestimmt wird und keine übertriebene Betonung erfährt. Mit den alten Bezeichnungen von « herrlicher Fels » zum « heiklen, äusserst Ex-ponierten » kann man nicht immer das Richtige verstehen. Vielleicht tragen letztgenannte Routenbeschreibungen sogar bei Unfällen etwelche Schuld.
Leider hat diese Messbarkeit der alpinen Leistung auch ihre Nachteile. Ja ich frage mich, ob das Fernbleiben unserer Jungen von den grossen, kombinierten Bergfahrten nicht ein wenig darauf zurückzuführen ist. Zum Ganzen eines alpinen Unternehmens gehört noch manches andere: die geistige und technische Vorbereitung, die Auswahl des Kameraden, der verheissungsvolle Vorabend einer Tour, der Weg und das freie Gehen im schwierigen Gelände, die Entspannung in der Gipfelrast sowie das Ab- und Ausklingen und die Wiedergabe des Erlebens. Ein richtiger « Allrounder » sucht Fels und Eis, zu ihm gehören auch Schnee und ein Paar schnelle Latten—und ein langes Bergsteigerleben überhaupt.Die tieferen Beweggründe einer klassischen Bergfahrt sind wahrscheinlich wertvoller und zeitloser. Das ist ein Grund, warum ich nicht nur vom extremen Bergsteigen sprechen kann und darf.
Kehren wir daher zu den eingehenden Betrachtungen zurück: es muss nicht jede Tour ein « Schlager » sein; eine grosse Bergfahrt ist eindrucksvoll, eine kleine Bergtour manchmal schöner.
Alpine Lehrjahre Viele Wanderjahre und flotte, ältere Kameraden haben meinen Weg nach den Bergen gelenkt. Lockender Fels und glänzendes Eis vermochten mich sogar von den schnellen Skipisten wegzuziehen, wo doch die kleinen Silberbecher winkten. Die verschiedenen weihnachtlichen Winterbegehungen im Schweigen des Hochgebirges hinterliessen bei mir einen besonders tiefen Eindruck. Aber auch Gefahren warteten, wenn grosse Schneemengen in den Bergen lagen. Dem befreundeten Hüttenwart habe ich oft einen schweren Rucksack nach Grialetsch getragen. Wenn dann die Schneeflocken tanzten, und ein mächtiger Wintersturm zu fauchen anhub, fürchtete ich mich nicht wenig vor dem Heimweg im fast knietiefen Schnee durch das lange Dischmatal. Ich eilte so gut ich konnte, in Nacht und Nebel, die Mitte des lawinengefährlichen Bergtales an den Telefonstangen abschätzend.
Im Frühling, wenn der Schnee gut verfirnt ist, wird die Schneebrettgefahr allgemein gering.Schon früh am Morgen stiegen wir über die Ischalp nach der runden Kuppe des Brämabüel. Auf der hartgefrorenen Schneeschicht vermochten wir beinahe das alte Gipfelsignal zu erblicken, als ein dumpfer Knall die Stille durchbrach, und sich nach unserer Meinung der ganze Berg in Bewegung setzte. Noch versuchten wir ein paar Sprünge auf den sich immer rascher abwärts bewegenden Schneebrettern, dann wurden wir machtlos mit in die Tiefe gerissen. Längere Zeit hielt ich meine Ski krampfhaft auf die Schulter gepresst, dann verlor ich im Stürzen für einen Augenblick die Sinne. Dann stand wieder alles still. Ich lag zwischen tischhohen Schneeblöcken. Voller Angst rief ich nach meinem Bruder, der weiter westwärts mit den Ski an den Füssen im Hauptstrom verschwunden war. Umsonst. Kein Laut war zu vernehmen. Verzweifelt ging ich auf die Suche. Ich fand Stefan eingeklemmt in einem Loch zwischen den Schneeplatten. Mit einem Knöchelriss und dem Verlust einiger Ausrüstungsgegenstände haben wir diese Tour abgebrochen.
Und wieder kam ein grosser Sommer, welcher der Jugend gehörte, die noch Zeit fand für Berg-fahrtenNoch vor der Rekrutenschule gelang uns damals die grosse Eintagsbegehung aller drei Bergünerstöcke. Diese Fahrt gab mir nicht wenig Selbstsicherheit, und als ich mir in einem Aktiv-dienst-Gebirgskurs nach freier Wahl die Tourengebiete auszuwählen erlaubte, da gab es den ersten Dämpfer mit scharfem Arrest im dunkeln « Güggi » von Pontresina. Der einstündige Ausgang mit dem Arrestantenkorporal liess mich die Kostbarkeit der freien Bewegung erst so richtig empfinden. Der jugendliche Tatendrang aber steigerte sich dadurch geradezu. Während einer längeren Urlaubsperiode weilte ich an einem Sonntagmorgen im idyllischen Sertigtal. Statt dass sich die Preiselbeertöpfe meiner Mutter füllten, kletterten wir, durch ein Wäscheseil verbunden, über das Mittags- und Plattenhorn. In der Gratscharte vor dem Hochducan entfernten wir das Seil und eilten über Schrofen und guttrittigen Sommerschnee dem Tal entgegen. Den plötzlichen Abriss der Neuschneedecke beachtete ich dank meiner messerscharfen Tricunibeschläge kaum, als ganz unerwartet der Ruf: « Heb mi » neben mir ertönte. Noch rascher als der ausgeglittene Bruder sprang ich den Hang voran und fing den Gefährdeten mit einigen Bremssprüngen nach rückwärts auf. Einmal stillgestanden, zitterten unsere Beine, denn der nächste hohe Felsgürtel hätte uns Verderben bringen können. Vorsichtig und nachdenklich kehrte ich mit meinem zweiten alpinen Dämpfer nach Hause.
Von der Bündner Heimat führte mein Weg nach den Bergen des Berner Oberlandes. Die erste Begehung der Rosenhorn-Nordflanke war uns geglückt. Ein Jahr später stand ich mit einem andern Kameraden nach dem nordseitigen ersten Durchstieg des Mittelhorns auf diesem Gipfel. Die bergsteigerischen Grundregeln waren uns nicht mehr unbekannt, und dennoch brachte ich nicht die Geduld auf, um im Abstieg hinten am Seil zu gehen. Die Steigeisen griffen prächtig; wir wollten eilig den Wetterhornsattel erreichen. Da - ein unverständlicher Ausruf und mein Freund Ferdi stürzte kopfvoran neben mir vorbei. Vermutlich war er mit seinen Steigeisen in die allzu langen Seilschlaufen getreten. Ich fing sofort das davoneilende Seil auf. Zu spät! Mit Wucht wurde ich über den steilen, schmalen Firnhang nachgerissen. Machtlos sausten wir mehrere Seillängen in die Tiefe, dann bremste es uns langsam im sanfteren Gelände. Wir waren kaum verletzt, nur eine Hand schwer verstaucht. Es war ein Glück, dass wir nicht mit den Steigeisen aufeinanderprallten. Wären wir einige Meter vorher gestürzt, dann hätten wir nochmals mit unserer sehr steilen Neuroute Bekanntschaft gemacht... Hier kam mir wieder einmal zum Bewusstsein, dass uns eine höhere Macht oft vor Schlimmem bewahrt.
Wieder ein Jahr später führte uns eine neue Route in 18 Stunden über die benachbarte, fast 1000 Meter hohe nordöstliche Pyramidenwand des Wetterhorns.
Über die Lauperroute auf den Eiger Der Sommer 1947 schenkte uns mit der Begehung der Fiescherhorn-Nordwand die Erfüllung eines langjährigen Traumes. Wir glaubten unsern Tatendrang für einige Zeit gezähmt zu haben. Aber mit dem grossartigen Wetter für Unternehmungen im Hochgebirge kamen auch wieder neue Pläne bei uns auf. Ich befasste mich schon längst mit derMöglichkeit eines Durchstiegs der Eiger-Nordwand. Nicht auf Gedeih und Verderb wollte ich mich mit diesem kühnen Aufstieg und seinen erheblichen objektiven Gefahren auseinandersetzen, sondern die aussergewöhnliche Ausaperung versprach gute Aussichten. Im August waren wir aber schon etwas spät im Jahr, und durch den Militärdienst eines meiner beiden Seilkameraden entschwand die Verwirklichung unseres Projektes.
Im Sommer 1948 zählten wir bereits drei Begehungen der direkten Eiger-Nordwand und deren vier an der Lauperroute. Seit dem gelungenen Durchstieg der Österreicher und Deutschen gab es keine Unfälle mehr. Es wurde selbst für die Sensationslustigen stiller um diesen Berg mit seinem Geheimnis als eines der letzten alpinen Probleme. Als mich im folgenden Frühjahr der befreundete Bergführer Hans Kaufmann, aus Grindelwald, nach meinem Interesse für die nordöstliche Eiger-route anfragte, sagte ich sofort zu, um so mehr als mein Seilkamerad Dölf Reist für diese grosse, klassische Route ebenfalls zu gewinnen war. Am abgemachten Datum trafen wir uns auf Alpiglen, um den Nachmittag, fasziniert von dieser gewaltigen Bergflucht, inmitten von blumigen Weiden zu verbringen.
Am Morgen des 3. Juli 1949, drei Viertelstunden nach Mitternacht, verlassen wir bei herrlichstem Sternenhimmel die einfache Gaststätte auf Alpiglen. Durch die vorausgegangene Erkundigung unseres Führer-Kameraden kann das Vorgelände und der Einstieg neben dem Hoheis trotz der Dunkelheit in sehr kurzer Zeit bewältigt werden. Wie eine Märchenburg erscheint uns im matten Kerzenlicht die kleine Balm, wo wir eine kurze Atempause einschalten. Schon jetzt grüssen die wenigen Lichter von Grindelwald aus schwarzer, bodenloser Tiefe.
Weiter führt unser Pfad an gutgriffigen, teils aber wassereisüberronnenen Felsstufen empor. Wie wir auf steilen Firnzungen zu dem markanten Pfeilerkopf steigen, beginnt der junge Tag zu erwachen. In dieser Scharte hinter dem Felskopf verbinden wir uns mit dem Seil. Ein direkter Anstieg über den senkrechten Gürtel wird des Wassereises wegen unmöglich, so dass wir nach einem Rechtsquergang und durch einen Kamin die oberen Firnfelder erreichen. Mit den Steigeisen bewehrt, geht es schräg rechts hinauf, wo die sehr steile grosse Wandschulter von einer etwa 150 Meter langen Rinne vertikal durchzogen wird.
Während uns anfangs ein senkrechtes Eisgebilde etwas aufhält, können wir weiter oben rasch auf diese Schulter aussteigen. In der ersten Morgensonne gönnen wir uns hier eine kurze Rast.
Die sechste Stunde des neuen Tages ist überschritten. In einer Steilheit von zirka 50 Grad türmt sich hier die Wand vor uns auf. Der gute Firn erlaubt eine lange Trittleiter bis zum Fusse des grossen Eisfeldes unter dem Mittellegigrat. Über diesen ungeheuren Schild hinweg gilt es nun, das Zentrum der Wand zu erreichen. Schon nach drei Seillängen müssen wir die bittere Entdeckung machen, dass nur spärlicher, windgepresster Pulverschnee auf dem grünblauen Eispanzer aufliegt. Wortlos hat sich Freund Kaufmann an diese grosse Quergangsstufenleiter gemacht. Zwei Stunden lang, die Körperbalance jeweils auf einem Bein haltend, meisselt Hans uns eine Fährte dem gewaltigen, zentralen Nordwandpfeiler entgegen. Je näher wir dem Fels kommen, um so deutlicher stösst das Wassereis hervor. Nun tritt mein Pickelhammer in Aktion, und er ruht nicht eher, bis wir gegen Mittag an einer losen, abplattigen Felsrippe plötzlich über der gähnenden Leere der 8 Die Alpen - 1957 - Les Alpes113 direkten Nordwand stehen. Zu Recht hätte hier mein abgestürzter Bergkamerad Hermann Etter behauptet, dass ein Adlerhorst dagegen ein Exerzierfeld sei.
Diese Stelle wird uns zur eindrucksvollsten Mittagspause, denn unablässig gleiten unsere Blicke über die ganze Wand hinab. Vom Quergang der Spinne durch die Rampe auf das Bügeleisen und über die drei Eisfelder bis zu dem berüchtigten Hinterstoisserquergang. Dann noch tiefer unten die friedlichen, grünen Alpweiden mit den Alpenrosenfeldern und dem dunklen, stillen Tannenwald. In dem kleinen Bordekocher brauen wir uns einen Tee, denn der fast zwölfstündige Aufstieg hat unsere Kehlen ausgetrocknet. Wir verzeihen Hans grossmütig, als er kurz vor dem Aufbruch den Kocher über die steile Wand fallen lässt!
Überwältigt von diesem exponierten Ausblick tasten wir uns nun etwas unsicher auf dem schmalen Kamm an die nahe, dachziegelartige Felssteilwand. Jede kleine Rinne oder Plattform ist von verkrustetem Eis belegt. Kamerad Dölf « schwindelt » sich in atemraubenden Seillängen an diesem griffarmen, äusserst ausgesetzten Gestein empor. Wenn schon dieser Aufschwung in seinem alier-steilsten Teil nur etwa 100 Meter Höhe misst, hat man hier das unzweideutige Bewusstsein, über einem gewaltigen Abgrund von mehr als 1500 Meter Tiefe zu kleben. Ganz unbemerkt, schiebt sich unterdessen ein wallender Nebelvorhang um die Wand. So gilt unsere ganze Konzentration einzig und allein unserer Aufgabe, und wir werden nicht mehr durch Blicke ins tiefe, grüne Tal abgelenkt. Die Finger in etwas Hartschnee gekrallt, die Knie an einen glatten Eisspiegel gepresst und die Füsse auf eine kaum handbreite, schräg abfallende Leiste gestellt, das ist die Schlüsselstelle für den Ausstieg aus dem schweren Fels.
Gegen vier Uhr nähern wir uns dem letzten Blankeisfeld unter dem Gipfelgrat. Anfangs gewährt eine sehr dünne Schneeschicht unsern Steigeisen noch Halt, nachher benötigen wir eine Stufenreihe, um sicher zu steigen. Noch eine Weile grösster Aufmerksamkeit, und dann schreiten wir über den spitzen Wächtenkamm dem Gipfel zu.
In 16 ½ Stunden sind wir durch die höchste Wandflucht des Berner Oberlandes gestiegen. Es scheint uns, als möchte die Zeit jetzt stillstehen. Ein erlebnisreicher, himmelwärtsführender Pfad liegt hinter uns. Müde, doch glücklich stehen wir im warmen Licht der Abendsonne. Mögen auch der rauhe Gaumen schmerzen und die geblendeten Augen brennen, uns grüssen in den zarten Farben des Abends die alten, bekannten Hochgipfel der Jungfraugruppe!
Noch stehen wir vor dem langen Abstieg über die steile Eiger-Westflanke Die Trassen im Firn sind kaum mehr sichtbar. Doch mit der nahen Dämmerung haben wir die untersten Felsbänder erreicht. In der Station Eigergletscher finden wir gute Unterkunft. Der folgende strahlende Morgen sieht uns wie beschenkte Kinder über die Alpmatten der Kleinen Scheidegg am Fusse der Eigerwand entlang nach dem Gletscherdorf bummeln. Unten im Grund schauen wir noch einmal hinauf nach der feinen Stufenleiter, die sich halbschräg durch das himmelhohe Firneisfeld zu den Gipfelfelsen hinzieht.
Im Wilden Kaiser September 1950. Der viele Sommerschnee auf unsern heimatlichen Hochgipfeln bewog uns, im fremden Bergland unsere Ferientage zu verbringen. Da selbst von den Dolomiten schlechte Verhältnisse gemeldet werden, führt unsere Reise in die noch tiefer liegenden Regionen des Wilden Kaisers. Über Buchs, Innsbruck und Wörgl eilt der Schnellzug in eine liebliche grüne Hügellandschaft, wo überall froh bemalte Bauernhäuser grüssen. Auf dem Bahnhof von Kitzbühel angelangt, fangen wir schon ein wenig an zu zweifeln, ob wir in dieser Gegend noch jemals zackige Berge sehen werden. Ein kleiner Rundgang durch den malerischen Fremdenort belehrt uns bald eines bessern. In einer Entfernung von etwa 30 km sieht man über dichtem Nadelwald schroffe, maus-graue Kalkwände in das zarte Blau des Himmels ragen. Die gewohnte Zuversicht bei uns führerlosen Bergvagabunden ist durch diesen Ausblick wieder völlig eingekehrt.
Der Bummelzug bringt uns nach St. Johann, und von dort geht es mit dem Postauto nach Going. Auf gute Empfehlungen hin versuchen wir beim Stanglwirt noch die ellenlangen, hausgemachten Würstl. Dann aber ziehen wir bergan der Gaudeamushütte entgegen. Ein lieblicher Aufstieg durch lichten Wald, vorbei an einer kleinen Kapelle und über ein paar Alpweiden führt dem heutigen Ziel entgegen. Wie es im Programm steht, werden wir vom Hüttenwirt Peter Hofer und seiner Familie herzlich empfangen. Wir dürfen gleich wie die grossen « Spezis » neben dem mächtigen Küchenherd von Stefferl Platz nehmen. Auch merken wir bald, dass uns hier an der Urquelle der Tiroler Knödel und des Kaiser-Schmarrn nichts mehr passieren kann.
Der neue Tag sieht uns am Vormittag gegen das Ellmauertor hinaufziehen. Ein freundlicher Österreicher erklärt uns die umliegenden wilden Felsenburgen vom Christaturm bis zur Fleischbank und über der Steinernen Rinne den Predigtstuhl. Er weist mit dem Finger auf die senkrechte Westwand des letztgenannten hohen Felsgipfels und meinte ganz ironisch: « Da ist mal einer runtergekugelt. » Ich erkundige mich sogleich, ob er vom Herunterkugeln tot war. « Ja natürlich, man sah den grossen Blutflecken in der Wand vom Tal aus », antwortete der andere in aller Ruhe...
Mit dieser Auskunft gehen wir weiter, und wie die ersten Schneeflocken zu tanzen beginnen, stehen wir schon auf den vorgelagerten Pfeilern der Christaturm-Südostkante. An kleinen Verhauern, die uns ausserordentlich schwierig vorkommen, können wir feststellen, dass guter Verlass auf die Mauerhaken und ein bisschen Seilzug im Kaiser unentbehrlich sind. Auf dem Gipfel angekommen, vertreibt uns ein rauher Wind nur allzu rasch, und dann lernen wir im Abstieg über den einfachen Heerweg noch einen nassen Stemmkamin kennen.
Am folgenden Tag versuchen wir es mit der Rittlerkante am Bauernpredigtstuhl. Hinter der nahen Karlsspitze schiebt sich eine schwarze, drohende Gewitterwolkenbank heran, so dass wir gar nicht den richtigen Auftrieb finden. An der Kante erwischt uns ein Platzregen, gefolgt von einem Hagelschauer, und treibt uns daher zurück. Unsere Hände werden gefühllos, während durch die folgende Aufhellung der warme, nasse Fels gleich zu dampfen anfängt. Eine halbe Stunde später hänge ich an der exponierten, senkrechten Schlüsselstelle. Mit nur 12 Meter Seilabstand und ohne eine einzige Stehschlinge braucht das allerhand Selbstvertrauen. Noch bevor wir den Gipfel erreichen, fällt der nächste Regen. Der Wilde Kaiser scheint unsern Besuch nicht sehr zu schätzen.
Schweren Herzens verlassen wir am nächsten Mittag das winterliche Gebirge und seine uns liebgewordenen Freunde. Auf den Tee-Terrassen, dem Jahrmarkt und in den Alpinen Buchhandlungen der Stadt Salzburg finden wir überall ein schützendes Dach vor dem unfreundlichen Herbstwetter.
Ein Jahr ist vergangen. Wir haben unser Versprechen gehalten und sind nochmals nach den silbergrauen Bergen zwischen Kitzbühel und Kufstein zurückgekehrt. Mit grossem Hallo ziehen wir in der « Gaudihütte » ein. Das einfache, nette Eckzimmer ist für uns frei und die Punschkrüge sowie die Überlebensgrossen Kuchenstücke geben wir gleich in Bestellung. Die anwesenden Schweizerfreunde, unter Anleitung von Beni Niggli, sorgen für einen derart gemütlichen Abend, dass wir anderntags erst gegen Mittag an der Gruttenhütte vorbei zur Leuchsturm-Südwand steigen. In rassiger Kletterei klimmen wir die Wand bis dort empor, wo der luftige Seilquergang etwas mehr Bedacht verlangt. Eigentlich kenne ich dieses Manöver nur theoretisch, doch einmal muss man es auch praktizieren: Im Dülfersitz Und unter Seilschrägzug schiebe ich mich über die sehr exponierte Wand, während dem guten Dölf bei der Seilbedienung fast die Worte wegbleiben. Steil geht es weiter, aber nach einer guten Stunde haben wir den Kopftörlgrat erreicht. Bevor wir zur Ellmauerhalt steigen, geniessen wir noch eine ausgiebige Rast.
An dem überhängenden Felsturm, den man Kapuzerl nennt, kommen wir natürlich nicht vorbei. Den Kopf noch immer schüttelnd, aber die Hände bereits am Fels, tritt Dölf an diesen zwei Meter ausladenden Überhang. Einige Trittschlingen aus dem Rucksack helfen über die grosse « Augsbraue » hinweg. Auf der Spitze angelangt, öffnen wir das kunstvoll unter zwei Scharnier-deckeln untergebrachte Gipfelbuch. Dabei lassen wir voller Übermut das lustige Liedlein mit dem Refrain: «... eini mit Scharnier », erschallen. Die folgende lange Abseilstelle und die prachtvolle Aussicht über den westlichen Kaiser in dessen gleichnamiges Tal werden wir nie vergessen.
Eine weitere Trainingsfahrt über die Nordkante des Predigtstuhls lässt unsere Gedanken von den gegenüberliegenden Steilwänden der Fleischbank nicht mehr los. Am Morgen des 5. September lenken wir unsere Schritte nochmals durch den leichten Latschenwald und über das Zickzackweglein ins Ellmauertor. Nur ein kurzes Stück gegen die Steinerne Rinne absteigend, stehn wir am Fusse der sehr schwierigen Fleischbank-Südostwand. Noch in den dreissiger Jahren galt diese Steilflucht als eine der schärfsten Hakenklettereien der Ostalpen. Durch die immer zahlreicher werdenden Felspfade sechsten Schwierigkeitsgrades hat diese Route heute aber mehr den Ruf als eine geradezu klassische Fahrt am Doppelseil erfahren. Nahezu fünfzig Mauerhaken sichern den Kletterer in dieser exponierten, 350 Meter hohen Kalkwand, deren technische Vielgestalt wir nun auch kennenlernen möchten.
Ganz sachte steigt es in gutgriffigem Fels bis annähernd zur Senkrechten. Da folgt erstmals eine Stelle, wo der Körper aus fast vertikaler Lage in eine senkrechte, kleine Rinne hinübergleitet. Im kompakten Gestein weisen wenige gute Griffe und ein paar Haken in das Nichts der Lotrechten. Wir sind trotzdem nicht beunruhigt, denn wir wissen, dass der Schlüssel zu dieser Stelle der berühmte Seilquergang links sein muss. Der Führende befestigt das zweite Seil, während der 20 Meter tiefer stehende Gefährte in schrägem Seilzug seitlich nahezu eine halbe Seillänge in einen andern begehbaren Riss hinüberwechselt. Am selbstbefestigten, waagrechten Geländerseil ist der Spaziergang gleich einer Fliege an der Fensterscheibe, 150 Meter über der Steinernen Rinne, ein Spiel, wie es nur ein Akrobat, ein Skispringer oder Rennfahrer in extremster, bewegter Körperlage erfahren kann. Ermutigt durch unsern Fortschritt und mit der Freude, gerade da noch ein paar Fotos geknipst zu haben, setzen wir unsern Aufstieg fort. Dölf quert nochmals mit Unterstützung des Seilzuges und verschwindet bald über einige steile Stufen. Zu dem für mich folgenden Spreizschritt reicht selbst mein langes « Fahrgestell » nicht aus und ich möchte auch nicht gesichert ins Seil fallen. Mit einem « Amateurknirf » schiebe ich mich über die exponierte Stelle. Dabei wäre es doch so einfach: man verlängert den letzten Griff am Haken mit einer doppelten Seilschlinge, welche man gleich wieder auszieht!
Damit sind wir in der Mittelzone der Wand angelangt. Vierzig Meter über uns sperrt der nach einem der Erstbegeher benannte Rossi-Überhang den Ausstieg nach dem kragenartigen Grasband der Wand. Dort, wo uns der bauchige Fels auszuladen droht, läuft das Doppelseil schon durch 10 Karabiner, was einen starken zusätzlichen Anzug erfordert. Etwas ermüdet und beeindruckt von der erdrückenden Wucht der Schlusswand, benützen wir diese Stufe für eine kurze Rast. Ein Blick nach der « Paternosterleiter » der vertikalen, sogenannten Verschneidungsroute, beklemmt uns fast den Atem. Unser Pfad zieht sich etwas mehr links zu einer kleinen Nische, aus welcher ein halsbrecherischer Schrägriss zu den eigentlichen Ausstiegsrissen leiten soll. Diese letzten Meter sind so glatt und ausgesetzt, dass nur der eingeschlagene Latschenstumpf der Schwerkraft des Körpers über dem Nichts Halt gewährt. So trete ich gerne an Dölf den Weg zum Gipfel ab. Nach 8 Stunden voller Konzentration im steilsten Fels schreiten wir etwas abgekämpft zum schlichten Eisenkreuz hin. Mit glückstrahlenden Augen schauen wir in die Runde, wo sich der nahe Abend über den vielen grauen und blau beschatteten Zinnen des Ost- und Westkaisers verträumt. O könnte das von Sonnenschein, von Blitz und Wetter gezeichnete Gipfelkreuz aus den Jahren seines Schauens erzählenMont-Blanc-Tage Der grosse Weltkrieg ist beendigt. Die benachbarten Alpenländer öffnen ihre Grenzen verhältnismässig rasch. Damit ist auch für uns das lockende Wort « Mont Blanc » wieder in greifbare Nähe gerückt. Wir haben das Glück, mit Willy Uttendoppler, einem unserer unentwegtesten Gänger und Kenner der Alpen, die Ostertage in den Bergen über Chamonix zu verbringen. Sechs Kameraden geben sich am Vorabend des Karfreitags ihr Rendez-vous in Martigny. Auf unserer weiten Reise durch das Val Trient begrüssen uns die ersten Frühlingsblumen und oben im Tal gucken bereits die Krokusse hervor. In Les Tines lerne ich als siebten Begleiter noch Fritz Luchsinger kennen, mit dem ich in den folgenden Jahren noch öfters durch das Bergseil verbunden sein werde.
Nach dem kleinen Weiler Le Lavencher erblicke ich zum erstenmal das verheissungsvolle Bergsteigerzentrum Chamonix im fleckigen Schneekleid des Frühlings. Die eintägige Reise von Martigny mit dem Aufstieg in den Col du Midi auf 3516 Meter erweist sich als eine sehr lange Tagesetappe. Eine Anzahl halbfeuchter Seegrasmatrazen dienen uns in den Baubaraken des Cols zum Schutz gegen die Kälte. Am neuen Tag spuren wir durch den mehr als fusstiefen Neuschnee über den Mont Blanc du Tacul bis auf den Gipfel des Mont Maudit. Der grosse « Weisse Berg », umgeben von hundert schroffen Felsnadeln und seinen weitern 31 4000 Meter hohen Trabanten, hinterlässt bei uns einen überwältigenden Eindruck Immer stärker einsetzender Windsturm versagt uns, am selben Nachmittag den Monarchen zu betreten. Mir selbst ist es bis heute nicht vergönnt gewesen, den Fuss auf Europas höchsten Berg zu setzen.
In einem spätem Sommer steige ich erneut mit meinem bewährten Seilkameraden Dölf Reist von Courmayeur aus nach dem Mont Blanc, doch ein grosser Schneefall verunmöglicht unser Vorhaben.
1953. Und wieder naht ein Frühling. Die wenigen Ferientage von Ostern wollen wir mit einigen Skitouren über dem Mer de Glace ausnützen. Was kümmert uns der Regen, was der Schnee, wenn wir hier im Zirkus einer der grossartigsten Gebirgsumgebung unsere Spur zum Leschaux-Gletscher hinziehen dürfen! Die kühnen Gestalten der Drus, der Aiguille Verte, der Grandes Jorasses, der Aiguille du Géant und der vorgelagerten Nadeln mit der Grande Charmoz verkörpern Bilder von gigantischer Wucht. Steil windet sich unser Trasse am rechten Rand eines rotbraunen Granit-gürtels zum Glacier de Talèfre empor, wo wir mit einem Mal vor der grossen, neuen Couvercle-Hütte stehen. Türen und Fenster sind aber während des Winters hermetisch verschlossen. Deshalb wenden wir uns der alten, alluminiumbeschlagenen Hütte zu, welche schützend von einem riesigen, deckelartigen Stein überragt wird.
Eine unglaubliche Verwahrlosung bietet der Anblick, nachdem wir die Fensterläden aufgestossen haben. Unsere « heimelige » Osterklause begrüssen wir darum mit einem wilden Elefanten-trompeten, um uns über die anfängliche Ernüchterung hinwegzutäuschen. Fritz lässt seine Steigeisen vom Eingang aus mit einer derartigen Wucht auf den rostigen Metalltisch fahren, dass wir gleich aufgeschreckten Heinzelmännchen mit dem Aufräumen beginnen Der zerfallene Herd wird zusammengesetzt, die verbogenen Gartenstühle und der umgestürzte Tisch zurechtgerichtet und das verkrustete Geschirr eingeweicht. Wie wir mit dem Einbruch der Dämmerung noch die alten Wolldecken geklopft haben, können wir es mit unsern staubgrauen Köpfen mit jedem verräucherten Tibetaner aufnehmen. In einem Ravioli-Essen findet dieser Abend seinen Höhepunkt.
Der aufkommende Windsturm überdeckt unsere Schlaflager mit feinem Schneestaub. Fritz schläft schon herrlich, während Dölf die Dachlücken mit Decken ausstopft. Der eigentliche Wächter in dieser stürmischen Nacht ist der historische Riesenstein, der die ganze Hütte überdacht. Das Wetter beruhigt sich am folgenden Tag erst gegen Mittag. Während wir aufsteigen, dringt zuweilen schüchternes Sonnenlicht durch den Nebel. An den Seehundfellen haftet der nasse Schnee in lästigen Klumpen. Vor dem letzten, steilen Eisaufschwung der Aiguille de Triolet setzen erneutes Schneetreiben und Nebel unserm Aufstieg ein Ende. In der Vertiefung einer etwas labilen Spaltenbrücke finden wir kurze Zeit etwas Schutz, dann suchen wir im durchsichtigen Grau die Abfahrt auf den Gletscherboden. Wir müssen dabei glücklicherweise den richtigen Durchschlupf erwischt haben, denn schon nach einer Stunde stehen wir wieder vor der vertrauten Klause. Gleich flackert im engen Küchenraum das warme Kerzenlicht, und wir neiden niemandem den Lichterglanz der überfüllten Hotelhallen.
Morgens um 5 Uhr faucht noch ein frischer Wind aus dem nachtschweren Nebel. Zwei Stunden später treibt uns eine plötzliche Aufhellung aus dem Lager. Ein nahezu wolkenloser Himmel wölbt sich über die Mont-Blanc-Berge.
Nach einem kurzen Frühstück brechen wir rasch auf und passieren im Schein der ersten Sonnenstrahlen den Ostfuss der Aiguille du Moine, um über den nördlichen Talèfre-Gletscher nach der unnahbaren Aiguille Verte hinaufzusteigen. Eine ordentliche Neuschneeschicht verlangt erhöhte Vorsicht. Mit zunehmender Höhe gewinnt der Blick in diese grossartigen Berge an Schönheit. Ohne Zeit zu verlieren, müssen wir uns nun aber dem Übergang der breiten Randspalte zum steilen Whympercouloir zuwenden. Das Skidepot befindet sich unter der beinahe 10 Meter hohen Spaltenlippe. Nur mit grossem Seilabstand wagen wir uns über die tiefverschneite Brücke, die einzig mögliche Passage. Nachdem wir die senkrechte Stufe überwunden haben, müssen wir nun im tiefen, aufgeweichten Schnee eine heikle Querung nach dem Couloir hin überwinden. In der folgenden Gurgel stossen wir öfters auf blankes Eis, so dass Stufenschlagen und Sicherung erforderlich sind. Rasch eilt die Mittagsstunde vorbei, während wir unaufhörlich steigen, aber der Scharte immer noch so fern! 700 Meter in verharschtem Schnee wollen bei dieser Exponiertheit erkämpft sein. Wir setzen jetzt alle Kraft ein, damit wir den Wettlauf mit der Nacht gewinnen können. Es ist schon drei Uhr nachmittags und immer noch trennen uns ausgesetzte Seillängen in Fels und Firn von der im kalten Winterhimmel stehenden kühnen Gratwächte.
Scharfer Höhenwind empfängt uns in der ausserordentlich luftigen Gratscharte. Dieser tausend Meter tiefe Blick nach beiden Seiten wirkt einfach überwältigend! Unser Schuhwerk und auch die Handschuhe sind steinhart gefroren. Wie eine feine Schnur verliert sich unter uns die Spur auf goldiggleissendem und schattenblauem Schnee. Wem sollte beim Betreten dieses einsamen, hohen Viertausenders nicht das Herz höher schlagen! Eine Gipfelschau ohnegleichen raubt uns die ersten Worte der Freude. Berg reiht sich an Berg, vom Schweizer Montblanc zu den Grandes Jorasses und zum weissen Thron Europas. Und rechts neben den unzähligen, wilden Granitnadeln vorbei sieht man die silberglitzernden Wasser der Arve durch das grüne Tal von Chamonix davon-fliessen. Da schlagen wir uns auf die Schultern und blicken einander in die glückstrahlenden Augen.
Nun strafft sich das Seil wie auch unsere Sinne. In zwei Stunden müssen wir den ganzen Abstieg bewältigen, wenn wir nicht ein Biwak und schwerste Erfrierungen auf uns nehmen wollen Das gute Aufstiegstrasse ermöglicht uns eine überraschend schnelle Gangart. Im matten Sonnengold versinken die Berge in schattige Tiefen. Kurze Zeit vor der Dämmerung gelangen wir zu unsern Abfahrtsgeräten. Das Gefühl für die unzähligen Schwünge fehlt uns in dem nun gänzlich steif gefrorenen Schuhwerk. Ein Sturz vor der Hüttentür wird sogar mir gestattet.
Im kleinen Herd flackert ein munteres Feuerlein. Bis ich meine schon öfters angefrorenen Füsse wieder zum Erwachen bringe, hat Dölf den Griessbrei bereitgestellt. Sterne stehen im samtdunklen Himmel und über der Jorasses-Mauer.
Der Regen und Schneesturm des andern Tages sind gerade gut genug um heimzukehren. Die Begegnung mit der winterlichen Aiguille Verte bleibt uns unvergesslich. Dölf Reist und Fritz Luchsinger sollten mich später noch auf grösseren Bergfahrten begleiten.