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Grubhorn-Herdhorn-Strahlhorn. Erste Begehung des Verbindungsgrates

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Erste Begehung des Verbindungsgrates und erste Besteigung des Herdhorns.

Von Otto Fahrni.

Für die Berge des untern Baltschiedertales ist die Marischüpfe, 1926 m, ein ideales Biwak, und seitdem sie mit Stroh und Decken versehen ist, lässt sie an Gemütlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es braucht allerdings Verzicht auf manche Hüttenbequemlichkeit, aber ich vertausche diese oft ganz gerne mit der heimeligen Wohnlichkeit eines solchen Lagers und habe es oft bedauert, dass überall, wo ein einfacher Unterschlupf vollkommen genügte, bequeme Clubhütten erstellt werden müssen. Item, W. Krebser und ich schliefen in der 23. Septembernacht 1926 trotz feuchtem Stroh und Decken ganz ausgezeichnet.

Am Morgen sah das Wetter anders aus. Von Westen her trieben lange Wolkenstreifen heran, gegen das Hochwallis war es grau in grau, und von der « Trift » herunter blies ein kalter West. Es roch nach Schnee. Also galt es, sich zu sputen, wollten wir vor dem Umschlag noch etwas unternehmen. Rasch ward das Frühstück erledigt, und nachdem wir alles, was wir für die erste Bergfahrt nicht benötigten, vor Feuchtigkeit geschützt und verstaut hatten, verliessen wir die niedrige Wohnung.

Unsere Absicht war, zunächst das Grubhorn, 3206 m, zu besteigen und dann den zerhackten, steilen Grat zum Strahlhorn, 3214 m, zu überschreiten und dabei auch einmal Klarheit über das im « Hochgebirgsführer durch die Berner Alpen » 1 ) erwähnte, mysteriöse Herdhorn zu gewinnen.

Wir gingen über den Bach zurück auf die linke Seite des Tales, dann um eine Felswand rechts herum, über Grashänge hinan zum Beginn eines schmalen Wegleins, welches bis zu den Schafferichen, 2334 m, verfolgt wird. Dieses Weglein führt etwas kühn am Rande der Bachschlucht entlang, windet sich dann durch ein Trümmerfeld riesiger Gneisblöcke, um weiter oben über Rasen und Geröll, dann den Bach aus der Galkikumme querend, zu den erwähnten Schafferichen zu leiten. Über schöne Schafweiden gelangten wir auf die lange Moräne, welche den Innern Baltschiedergletscher und weiter unten die Zunge des Äussern Baltschiedergletschers umsäumt, zogen es aber vor, die Geröllhänge rechts derselben zu begehen. Lange, nicht enden wollende Geröll- und Blockhänge gab es zu überschreiten, bis wir an P. 2528 vorbei wieder die Moräne betraten, welche nun flacher wird und bequem zu P. 2659 führt. Mittlerweile hatte sich das Wetter zusehends verschlechtert, das Bietschhorn steckte in dichten Wolken, und auch um die andern höhern Gipfel jagten weissgraue Schneewolken. Kein Wunder, wenn wir etwas missgelaunt und, vom zu kurzen Biwak schläfrig, wenig Tatendrang zeigten. Dem Grubhorn wollten wir trotzdem einen Besuch machen, und vielleicht wurde das Wetter besser.

Über eine Geröllhalde erreichten wir den Fuss des steilen Westgrates dieses Gipfels. Über Rasenpolster, dann über Geröll und grosse Blöcke, bald in der Nordflanke, bald auf dem Grate gehend, erreichten wir kurz vor 11 Uhr den Gipfel des Grubhorns. Der Aufstieg bietet wenig Schönes; wir fanden ihn äusserst langweilig, woran auch unsere schlechte Laune schuld gewesen sein mag.

Etwas Abwechslung in den eintönigen Aufstieg brachte das Treiben eines Trupps Schneehühner, das einzige « Wild », das ich bis jetzt zu Gesicht bekam. Gemsen soll es hie und da auch geben, wohl wenn sich so ein armes Tier aus dem Berner Oberland hierher verirrt. Es soll aber in der Regel nie lange leben. Ich bin schon oft in dem Tal gewesen, bin aber noch nie einem solchen Tierchen begegnet, dafür aber frei herumstreichenden, herrenlosen Jagdhunden.

Wir hatten für den Aufstieg von der Schupfe bis zum Gipfel vier Stunden gebraucht, eine für unsere Schlappheit kurze Zeit. Bequemer ist es, kürzer und auch viel interessanter, wenn man von der Klause in die Gredetschlücke und von dieser über den Ostgrat geht. Unser Aufstieg ist nicht neu; erstmals wurde er 1923 durch M. Schaerer und E. v. Waldkirch gemacht und seither auch durch Mitglieder der Sektion Rossberg im Abstieg.

Das Wetter hatte sich etwas gebessert, der scharfe West trieb die Wolken auseinander, und bald waren Breitlaui-, Breit- und Nesthorn frei, sogar einige Sonnenstrahlen drangen schüchtern durch. Das Bietschhorn jedoch blieb hartnäckig in seinem Wolkenmantel. Für uns gab es nun kein langes Überlegen mehr, die nächsten drei vier Stunden konnte das Wetter noch halten. Also los!

Der Grat zum Strahlhorn hinüber ist ziemlich scharf, die zwei ersten Türme sind sehr steil und die Scharten dazwischen nicht sichtbar. Wir konnten also nicht ermessen, ob ein Durchkommen sicher sei. Die ganze Flanke gegen das Gredetschtal ist äusserst steil und plattig und schliesst ein Begehen zum vornherein aus, während die westliche Seite weniger steil und gebrochen ist. Wir kletterten, ohne das Seil anzulegen, vorerst den Südgrat hinab, wurden aber durch den heftig blasenden Wind von demselben abgedrängt. Wir benützten zum weitern Abstieg zur ersten Scharte die grösste der Rinnen, welche vom Gipfel unmittelbar in den Kessel südwestlich abfallen. Die Kletterei ist leicht, doch muss man wegen der vielen losen Steine vorsichtig gehen. Es wäre viel schöner gewesen, wenn wir beständig über den Grat gegangen wären, aber der kalte Wind erlaubte diese Freude nicht. Es entging uns damit manche schöne Kletterstelle und manch packender Tiefblick.

Zwischen Grubhorn und Herdhorn stehen also zwei jähe Grattürme. Der näher am Grubhorn ist höher und wurde von uns bestiegen; der zweite mag schwieriger sein. Von der Scharte vor dem ersten Turm querten wir, etwas absteigend, bis etwa zur Fallinie des Gipfels hinüber und erstiegen dann durch steile Rinnen und Kamine ohne sonderliche Schwierigkeiten den Turm. Zurück auf dem gleichen Wege und unterhalb der Scharte vor dem zweiten Turme vorbei. Dann zur tiefen Scharte vor dem langen, wag- rechten Grat der dritten Erhebung. Wir mussten leider auf die Besteigung des zweiten Turmes verzichten, da das Wetter sich wieder verschlechtert hatte; es schneite leicht, und ich wollte mit steifen Fingern eine ernstere Kletterei nicht riskieren. Von der dritten Scharte schwingen sich Grat und Flanken sehr steil, zuunterst beinahe senkrecht auf, so dass wir vorsichtshalber das Seil anlegten. Der Fels war aber so fest und gutgriffig, dass es auch ohne gegangen wäre. Allmählich verliert der Grat an Steilheit und geht fast in die Horizontale über. Da das Wetter wieder besser aussah — es wechselte fast alle zehn Minuten —, rasteten wir etwa eine halbe Stunde unter einer weit überhängenden Platte, von dieser gegen den rauhen Wind vollständig geschützt. Am Nesthorn drüben schien jetzt sogar die Sonne, so dass wir noch einige Aufnahmen machen konnten. Man hat hier einen schönen Tiefblick ins obere Gredetschtal und dessen Gletscher. Unser Sitz war so luftig, dass man von der Wand darunter nur ein kurzes Stück sah und dann gleich den Talboden des Gredetsch zu Füssen hatte.

Wir zogen nun auf dem fast ebenen Grat ganz bequem weiter, auf und ab, erst südlich, dann südwestlich, bis zum Punkt, wo der vom Strahlhorn herüberführende Grat auf unsern Grat stösst. Vom Strahlhorn waren wir durch eine tiefeingeschnittene Lücke getrennt, so dass der Punkt, auf dem wir standen, als selbständiger Gipfel gelten kann. Mit Ausnahme der Westseite überall steil abfallend und von der Umgebung durch tiefe Scharten getrennt, kann dieser Grat nichts anderes als das von Edmund von Fellenberg nördlich des Strahlhorns eingezeichnete Herdhorn, zirka 3160 m, sein. Im « Führer » ist die Vermutung ausgesprochen, es könnte diese Bezeichnung auf einen Punkt südlich des Strahlhorns oder auch auf den nach Westen abfallenden Grat bezogen werden. Aber ausser dem Lägendgrat gibt es südlich des Strahlhorns keinen Gipfel, der einigermassen hervortritt, und der Westgrat desselben ist so ganz sekundärer Art, dass eine Gipfelbenennung nicht in Frage kommt. Es scheint mir richtig, die von Fellenberg vorgenommene Bezeichnung auf den Punkt nördlich des Strahlhorns festzulegen.

Vom westlichen Ende des Herdhorngrates wäre es ein leichtes, zu P. 2528 an der Moräne abzusteigen. Möglich ist, dass Jäger hier herauf zum Gipfel gelangt sind; wir fanden aber keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gipfel schon vor uns betreten wurde. Auch wir verzichteten darauf, einen Steinmann zu bauen, da wir nicht länger verweilen durften.

Vom westlichen Ende des Gipfelgrates stiegen wir leicht über plattigen Fels in die Lücke gegen das Strahlhorn hinab und dann über den Nordgrat oder rechts desselben leicht auf den Strahlhorngipfel ( vier Stunden vom Grubhorn, wovon eine Stunde für Rasten und Photographieren abgeht ).

Der Übergang ist ausserordentlich lohnend, bietet sehr viel Abwechslung und ist landschaftlich grossartig. Das Bietschhorn zeigt sich sicher nirgends so schön wie hier. Man hat den ruhigen Fluss des äussern Baltschiedergletschers und das Bietschhorn in einer Linie vor sich.

Was mich immer wieder an diesen Bergen fesselt, ist der schroffe Gegensatz von wilden, zerhackten Gräten und schmalen Kämmen und dem wundervoll geschwungenen « äussern » Gletscher. Für eine Sektionsfahrt ist das Strahl- hörn ein sehr dankbarer Gipfel, auf dem gewöhnlichen Weg leicht zu besteigen und bietet einen Einblick in die Berge südöstlich des Bietschhorns wie kein anderer Gipfel.

Nach kurzer Gipfelrast stiegen wir statt über den Südostgrat unmittelbar über leichte, plattige Felsen nach Süden ab. Das Wetter hatte sich sehr verschlechtert, Wolken hüllten die Berge ringsum ein, und nicht lange darauf steckten auch wir im dichtesten Nebel, aus welchem es bald fein zu regnen begann. Rasch, oft im Galopp, eilten wir durch geröllgefüllte Rinnen zu den Schafweiden der Galkikumme hinab und über diese zum Weglein, auf welchem wir bald die Martischüpfe erreichten, gerade noch vor einem kraftvoll einsetzenden Landregen.

Unsere Baltschiederfahrt nahm damit ein jähes Ende. Wir blieben noch bis zum Sonntagmorgen, ohne etwas zu unternehmen, und zogen bei strömendem Regen froh gelaunt nach Ausserberg hinaus. Die schöne, nicht schwierige Gratwanderung wirkte so nachhaltig auf uns, dass auch schlechtes Wetter und zwei verlorene Tage uns nicht um unsere gute Laune bringen konnten.

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