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Ihr ruft - und ich komme!

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Paul Eggenberg

( Heiligenschwendi ).

Seit vielen Tagen, ja Wochen schon, bin ich mit meinem ganzen Sein und Wesen wieder an die Berge gefesselt. Bei Tag, bei Nacht, immer nur von ihnen erfüllt. Und jeden Morgen zwingt es mich mehr zu ihnen hin, wird ihre Stimme eindringlicher, wird aus der Einladung ein Befehl!

Ja, ich höre und gehorche, ich folge eurem Ruf! Wartet nur noch wenige Tage! Schon habe ich alles bereitgelegt; denn dieses mal soll der Kampf gross werden — gross aber auch der Einsatz!

Ich weiss es wohl, dass es ein Kampf auf Leben und Tod ist, dass ihr mich verderben, mich hinabwerfen könnt in den Abgrund, dass ich euch ausgeliefert bin, wenn meine Kraft versagt. Und dennoch komme ich, muss ich kommen — vielleicht gerade deshalb ?! Ich weiss es nicht, wie oft ich mich auch schon gefragt habe. Obwohl es ein Kampf mit dem Tod ist, so empfinde ich es dennoch nicht als eigentliches Spiel mit dem Leben. Jede Bergfahrt ist ernst, ist im tiefsten Grunde ein Suchen, ein Ringen mit dem Ich, mit dem Lebenskrampf, der dieses Ich gefangen hält, und eine Hingabe des gelösten Selbst an das Grosse, Hehre, Unfassbare: an den Berg!

Eine ernste, sehr ernste Sache ist das. Spiel mit dem Leben aber bedingt Leichtsinn, leichtes Wesen, vielleicht auch Gedankenlosigkeit und ist darum in seiner Art etwas ganz Anderes.

Von Spiel mit dem Leben können wir vielleicht mit mehr Berechtigung bei jener Sorte von Bergsteigern reden, die schon im frühen Nachmittag alle Tische der Klubhütte mit Konservenbüchsen, Weinflaschen und Biskuit-schachteln überstellen, die am Abend bis in alle Nacht hinein im Tagesraum grölen und die andern mit den neusten Witzen und Schlagern unterhalten zu müssen vermeinen — sich dafür aber dann erst von der Sonne wecken lassen, um im Laufschritt, natürlich unangeseilt, die Gletscher zu queren und irgendwo einen Grat oder eine Wand anzugehen — man begegnet ihnen ja immer und immer wieder, diesen Gipfelstürmern.

Wahres Bergsteigen aber hat mit dem nichts, gar nichts zu tun, sondern ist ein Sichverlieren in die Schöpfung und ein Sichwiedererkämpfen und Wiederfinden aus der Gefahr. Und das macht still, lässt kein grossmaule-risches Wesen aufkommen. Diesen Menschen ist es nicht das Erste, am Stammtisch die neusten Abenteuer und verwegensten Kletterfahrten zum besten zu geben, sondern für sie ist das Bergsteigen eine Quelle der Kraft und stillen Glückes.

Jenen Wichtigtuern ist der Berg nur Mittel zum Zweck, den Suchern aber ZielIhr ruft, Berge, und ich höre euren Ruf, habe ihn verstanden — ich komme!

Finnisches Sprichwort.

In einer Lappenhütte hörte ich 's. Und seither habe ich es nicht mehr vergessen: « Gott gab die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt. » M. 0e.

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