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In den Bergen Sikkims

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

9Von Rudolf Hahn

Mit 4 Bildern ( 62, 65Kalkutta ) Sehr müde langten wir bei der Zemubrücke an und folgten stolpernd dem Saumpfad nach Lachen, das wir vor 6 Uhr erreichten. Wir waren nicht allein im Bungalow. Der Maharajkumar von Sikkim ( Thronfolger ) wohnte hier seit einigen Tagen. Er war auf einer Inspektionsreise, die ihn tief ins Tibet führte. Er ist ein netter, gebildeter junger Mann von etwa 20 Jahren; aber es ist schwierig, sich mit ihm zu unterhalten, da er beim Sprechen stark stottert.

17. Oktober. Ruhetag. Nach dem Frühstück nahm jeder der Reihe nach ein gründliches Bad. Dann wurden Ausrüstungen nachgeprüft und inspiziert, die nassen Zelte zum Trocknen an der Sonne ausgebreitet, Kleider gewaschen und geflickt. Es war ein enormer Betrieb um das Bungalow herum. An diesem Tage erschienen zahlreiche Deputationen von Bewohnern der umliegenden Dörfer und Siedelungen in ihren besten Kleidern, aber trotzdem furchtbar schmutzig und übelriechend. Angesichts ihres zukünftigen Königs knieten sie zu Boden und berührten mit der Stime die Erde, bis sie vom Maharajkumar die Erlaubnis erhielten, sich zu erheben. Alle brachten Geschenke, meistens aus Nahrungsmitteln bestehend. Thundu benutzte die Gelegenheit, uns ein feines Stück Jakfleisch zu kaufen, aus dem er einen ausgezeichneten Curry bereitete.

Den Rest des Tages lagen wir an der Sonne, Äpfel essend, die hier oben ganz ausgezeichnet gedeihen. Da uns Capt. Watson am nächsten Tag verlassen musste ( sein Urlaub war abgelaufen, und er musste zu seinen Truppen in Nagpur zurückkehren ), verproviantierten wir ihn für die Rückreise. Auch vereinbarten wir, dass er unsere Zelte und zwei Kisten mit Nahrungsmitteln nach Chungthang hinunternehmen und beim Chowkidar bis zu unserer Rückreise aufbewahren würde. Zugleich entliessen wir eine Anzahl der Kulis, darunter die, deren Schuhe für die Besteigung des Sebu La nicht geeignet waren.

18. Oktober. Ein wolkenloser Tag erwachte. Der Ruhetag hatte uns allen gut getan, und wir waren voller Energie für neue Taten. Wie schade, dass Capt. Watson nicht mit uns weiterziehen konnte 1 Wir hatten uns so sehr aneinander gewöhnt während der unvergesslichen Tage, die wir miteinander verlebt hatten.

Wieder folgten wir dem Pfade bis zum Zemu Chu und überquerten die Brücke. Ein steiler Aufstieg folgte durch einen lichten Wald von olivengrünen Föhren und perlgrauen mächtigen Tannen. Ein herrlicher Anblick breitete sich vor uns aus! Das Hochtal nach Thangu lag vor uns wie ein Paradies — wir wussten nicht wohin zuerst schauen. Durch die Tannen leuchteten gelbe und rote Büsche in ihrem Herbstkleide in der Morgensonne. Tief unten im Tal rauschte der Lachen Chu seinem Ziele entgegen, sein blaugrünes Wasser gekrönt vom weissen Schaum unzähliger Fälle. Zart- Die Alpen - 1949 - Les Alpes19 grüne Hügelzüge legten sich in Wellen aneinander und vereinigten sich in der Höhe. Prächtige Kühe und Jaks weideten auf den kleinen Wiesen und starrten uns lange und neugierig an, als wir vorbeizogen. Flimmernd stieg der leichte Morgendunst empor zum Himmel, der sich tief und blau über uns wölbte. Auf beiden Seiten öffneten sich schmale Täler, im Hintergrund überkrönt von mächtigen mit Schnee und Eis bedeckten Gipfeln. Grosse Wasserfälle fielen in langen Stürzen durch den Wald, plätscherten durch die farbigen Büsche, um darauf wieder mit Wucht über einen Felsen hinausgeworfen zu werden. Weiter geht der Weg, sich durch verwetterte Föhren windend. Ein kleiner Bach rauscht von Stufe zu Stufe, springt über gestürzte Baumstämme, schlüpft durch Felsritzen und taucht in einen kleinen tiefblauen See. Moosbehangene Tannen ragen ins Wasser hinaus und spiegeln sich darin.

Wir begegneten mehreren Karawanen von Nomaden mit fremden mongolischen Gesichtszügen. Sie starrten uns mit Respekt und Bewunderung an, streckten als Gruss ihre Zungen heraus und machten tiefe Verbeugungen. Durch Zeichen gaben sie uns zu verstehen, dass sie gerne Zigaretten hätten. Wir hatten keine und gaben ihnen von unserem Tabak, den sie mit Begierde entgegennahmen. Sie zogen schmutzige Papierfetzen aus ihren Taschen, rollten den Tabak hinein und pafften darauf los. Sie trugen an der Seite prächtige Messer und Schwerter, wundervoll verziert mit gehämmertem Kupfer und Silber, wirkliche Museumsstücke. Ich hätte mir gerne ein solches erworben, aber alle meine Anstrengungen blieben erfolglos, trotz dem guten Preise, den ich bot. Diese Messer bleiben in der Familie und werden vom Vater auf den Sohn vererbt. Wir überquerten den Fluss und passierten saubere und pittoreske Dörfer, umgeben von bebauten Feldern und Weiden voll fetter Kühe, Ponies und Jaks. Die Einwohner boten uns Eier, Gemüse und Kartoffeln an — natürlich gegen gute Bezahlung.

Über uns, von einem Gipfel zum andern, hing das hellblaue Firmament wie ein Zelt. Auf den Feldern zogen Jaks hölzerne Pflüge durch die trockene Erde, geführt von hochgestiefelten, mit Pelzkappe bekleideten Bauern. Im Hintergrunde standen ihre schmucken, teilweise weissbemalten Häuser wie Spielzeuge. Während sie arbeiteten, sangen sie eigentümliche langgezogene rhythmische Töne, welche weit durch die klare Luft und das tanzende Licht getragen wurden. Eine Antwort ertönte von den Häusern her, vor welchen die Frauen Korn mahlten und die Mahlzeit vorbereiteten. Der Pfad wurde rauher, die Natur wilder, alpiner. Ein Adlerpaar zog hoch über uns im Blauen seine Kreise, strich von einer Seite des Tales zur andern, ein Opfer suchend, stieg höher und verschwand in der Sonne. Das obere Tangutal lag vor uns, hoch, kalt, bedeckt mit steinigen Wiesen und verwetterten Tannenbüschen. Ein letzter, steiler Hang brachte uns zum Bungalow ( 12 800 Fuss ). Thangu ist ein faszinierender Ort. In grosser Einsamkeit führt ein schmaler Pfad durch ein totes Tal zum Donkhya La und ins Tibet; auf der andern Seite öffnet sich ein enges Tal zwischen felsigen Graten — der Weg nach Goma und, über den Nyima La, ins Tibet. Es war bitter kalt draussen, und wir waren froh um das warme Feuer, um welches wir es uns bequem machten tw* und mit Vergnügen die London-Illustrierte und den « Punch » lasen. Jahrgänge von 1890 und 1900! Ein wilder Wind schüttelte das Bungalow, spielte mit den Fensterläden und den Gebetsflaggen, die den kleinen Garten umsäumen.

19. Oktober. Durch dichtes Tannengestrüpp folgten wir dem schmalen Pfade in prächtigem Sonnenschein. Ein paar verräucherte, verlassene Hütten duckten sich in einer Mulde.Vor uns breitete sich das Jha-Chu-Tal in all seiner Schönheit. Frei und weit schweift unser Blick über das leuchtende Meer der nahen und fernen Gipfel, folgt dem weiten Lauf der Firne, dem kühnen Schwung der Grate, taucht hinein in die Abgründe zerrissener Flanken und verliert sich im fernen Dunst. Das Tal sieht einem Schweizer Alpental sehr ähnlich, nur ist es viel grosser. Prächtige Weiden mit grasenden Jaks und Kühen säumen den steigenden Pfad. Inmitten grosser Flecken von tiefblauen Enzianen leuchteten die Sterne von Edelweiss in dem dünnen Gras. Am Ende des Tales erhebt sich das wunderbare Massiv der Kangchenjhao ( 22 700 Fuss ), und rechts steht die vereiste Pyramide des Chombu ( 21 000 Fuss ). Wir kamen ausgezeichnet vorwärts und hatten nicht die geringsten Schwierigkeiten, trotz der ständig steigenden Höhe. Wir überquerten den Jha Chu und erreichten bald die Chungdan-Ebene, welche sich über mehrere Meilen zwischen Moränen erstreckt und grosse Ähnlichkeit mit der Zemu-Ebene hat. Hier wurde das Vorrücken mühsam — die ganze Ebene ist ein Sumpf, den wir, von Grasbüscheln zu Steinen hüpfend, über unzählige Bäche zu durchqueren hatten. Wir rasteten oft, um uns nichts von dem prächtigen Blick entgehen zu lassen. Schon vor Mittag erreichten wir die Jha-Chu-Himalayan-Club-Hütte, ungefähr 15 000 Fuss hoch. Dies ist ein sehr kleines, aber bequemes Steinhaus mit einem Blechdach, bestehend aus zwei Räumen, einem für die Touristen, mit ein paar Charpois ( indische Holz-betten ) den Wänden entlang, einem Tisch und Ofen. Der andere, viel kleinere, ist die Küche, um dessen Ofen, soweit der Platz reicht, die Kulis schlafen. Der Rest der Kulis nächtigt draussen, hinter Steinmauern, die, speziell errichtet, etwas Schutz gegen den Wind bieten. Rasch beendigten wir unser Mittagessen. Nachher verschwanden wir, einer nach dem andern, ohne einander ein Wort zu sagen, wie verzaubert dem Ruf der weissen Gipfel folgend. Zuerst Phillips, der den mächtigen Hang hinter der Klubhütte gegen den Julhokhacha in Angriff nahm. Ich überquerte die Ebene in der Richtung des Chombu und stieg den steilen Grat links im Vordergrund an. Zurückblickend sah ich auch Braham das Klubhaus verlassen und Phillips nachfolgen, der in enormem Tempo loszog. Nach einer Stunde steilen Aufstieges erreichte ich die Felsen, bedeckt mit einer beträchtlichen Menge Schnee. Mit Pickel und Händen legte ich die Griffe frei und erreichte nach anderthalb Stunden leichten Kletteras den scharfen Grat, der zum Punkt 18 010 hinaufführt. Auf der andern Seite sah ich Phillips weit weg hinter einem Bergrücken verschwinden, während Braham, ein winziger Punkt am Horizonte, sich dem ersten Grat entlang bewegte und auch bald auf der andern Seite verschwand. Ein heftiger Wind pfiff über den exponierten Grat, dem ich nun langsam und vorsichtig folgte. Tief unten zu meinen Füssen bemerkte ich die Kulis sich wie Ameisen um die Klubhütte herum bewegen. Langsam ging 's vorwärts. Den Körper an den eisigen Felsen angeschmiegt, tastete ich mich aufwärts, vorsichtig nach Griffen und Stand suchend. Ein kitzliges Stück — hinein in die Gratseite, dann hinauf durch ein enges Kamin und wieder auf den Grat —, nach einigen Schritten stehe ich auf der Höhe des Punktes 18 010, dem höchsten, den unsere Expedition erreichte. Es war nach 4 Uhr, Eis, Schnee und Fels, soweit das Auge reichtLangsam machte ich mich auf den Rückweg. Von der Tiefe des Thangu-tales trieben Wolkenmassen heran, stauten sich, jagten um die Felstürme, formten phantastische Gebilde, von der sich neigenden Sonne zauberhaft beleuchtet, und zerflossen wieder über mir im Blauen. Aber unablässig drückten neue drohende Wolkenberge heran. Die Gipfel umhüllten sich mit einem grauen Nebeltuch und entschwanden einer nach dem andern meinen Blicken. Beim Einbruch der Dunkelheit war ich aus den Felsen und erreichte bald darauf die Jha-Chu-Ebene und das Klubhaus, mit Freude von den Kulis begrüsst, die meine Besteigung den ganzen Nachmittag verfolgt hatten. Braham war auch zurück, und während wir heissen Tee schlürften, erschien auch Phillips. Er hatte den Julhokhacha erreicht und war dann durch das Tal am Fusse des Kangchenjhao zurückgekehrt. Nach dem Essen sassen wir um den wannen Ofen und vermerkten unsere Taten ins Tagebuch. Mein Husten hatte sich verschlimmert, auch Phillips litt unter einer Erkältung.

20. Okiober. Sofort nach dem Frühstück machte ich mich auf, um den besten Weg durch den sehr steilen Anstieg zum Sebu-La-Gletscher zu finden und zu markieren. Der Himmel hatte sich vollkommen zugedeckt, und unsere Hoffnungen, dass es vielleicht doch noch aufhellen würde, verwirklichten sich leider nicht. Über mächtige Felsen, bedeckt mit Schnee und Eis, arbeitete ich mich zur Gletschermoräne hinauf, wo ich auf meine Freunde wartete, denen die Kulis in einer langen Kolonne folgten. Es fing an zu schneien, und die Sicht war sehr schlecht. Auf dem Gletscher lagen über zwei Fuss frischen Pulverschnees, die zahlreichen Spalten waren zum grossen Teil mit einer dünnen Schicht überdeckt. Wir seilten uns an und stiegen langsam gegen den eisigen Grat. Pasang und Thundu waren voraus, gefolgt von mir, und bahnten einen Weg im tiefen Schnee. Braham und Phillips waren zwischen den Kulis verteilt, halfen ihnen und achteten darauf, dass niemand zurückblieb. Um 12 Uhr erreichten wir das zweite Ziel unserer Expedition, den schmalen felsigen Grat des Sebu La ( 17 560 Fuss ). Der Schnee fiel dichter und dichter, der eisige Wind schnitt durch unsere Kleider wie mit Rasiermessern und warf uns fast vom Grat hinunter, so dass wir uns nach einer kurzen Rast schon auf den Abstieg machten, der äusserst steil und exponiert war. Wieder leisteten uns die Seile für das Sichern der Kulis sehr gute Dienste. Sie hatten grosse Schwierigkeiten, und wir halfen ihnen, wo wir nur konnten. Tiefer Schnee überdeckte die Felsen und die Unmasse loser Steine. Füsse blieben in Schneelöchern zwischen verborgenen Steinen stecken, ideale Gelegenheiten, um Gelenke zu verstauchen. Nach einer anstrengenden Stunde hatten wir das Schlimmste hinter uns und langten beim Sebu-Chu-See an. Steile Eishänge stürzten von Osten und Westen in das stahlgraue Wasser; von der zersplitterten Kante brachen Eisblöcke los und schwammen auf dem Wasser, wo sie langsam schmolzen. Wir tra versierten einen sehr steilen schlüpfrigen Hang und stiegen am andern Ende durch Felstrümmer ab zu einer schmalen Ebene. Unter einen Felsen geduckt assen wir unsere Sandwiches. Mein Husten war sehr schlimm und meine Brust schmerzte bedenklich. Weiter ging 's hinunter bei immer stärker werdendem Sturm, der uns den Schnee wie Nadeln ins Gesicht peitschte.Vor uns erhob sich eine Mo-ränenbank, die die Ebene abschloss. Der kaum sichtbare Pfad hatte sich ganz verloren, und wir folgten blind den Fußstapfen Pasangs. Ein scharfer Abstieg auf der andern Seite über verschneite Felsblöcke führte uns an das Ufer eines neuen Sees, dessen tiefgraues Eiswasser gespenstisch aufleuchtete und sich weiter weg in der Weisse des Schnees verlor.

Ein Fluss, vom Westen kommend, gespeist durch unzählige kleine Bäche, brach durch das Ende einer Moräne des Chombugletschers und führte uns zu einer heissen Quelle. Ihr Wasser dampfte in den grauen Himmel und verbreitete einen unerträglichen Schwefelgestank. Pasang sagte uns, dass das Wasser heiss genug sei, um Eier zu sieden. Wir glaubten ihm, ohne das Experiment zu erproben, und eilten weiter, gegen Wind und Schnee kämpfend. Nach 5 Uhr erreichten wir das Himalayan Klubhaus Mome Sandong ( 15 170 Fuss ), umgeben von ein paar tibetanischen Steinhütten. Dieses Klubhaus ist äusserst klein und kann nicht verglichen werden mit dem von Jha Chu. Die drei Kulis, die wir vom Marco-Pallis-Camp hierher gesandt hatten, um Holz heraufzubefördern, begrüssten uns mit grosser Erleichterung. Sie hatten befürchtet, dass es uns bei dem heftigen Schneesturm unmöglich sei, über den Sebu La vorzudringen.

Ein paar Tibetaner, auf Jaks reitend, erschienen aus dem Grau, gefolgt von einem Dutzend schwerbeladener Jaks. Ein unheimlicher Anblick, wie sie sich durch den tiefen Schnee pflügten, langsam, ruhig und regelmässig, wie eine Flotte auf einem weissen Meer. Die Tiere sahen sehr mitgenommen aus, voll Schnee, der an den langen schwarzen Haaren schwere Klumpen bildete. Die Männer erzählten uns, dass sie am Morgen Mome Sandong verlassen hätten, um Tibet zu erreichen, dass sie aber durch den Schneesturm zurückgetrieben worden seien.

Es war nicht genügend Platz auf dem Boden des Schlafraumes, dass wir alle drei darauf übernachten konnten. Meine Gefährten erklommen die Leiter und schliefen unter dem Dach, mir mit meinem schrecklichen Husten den Platz in der Nähe des Ofens lassend. Ich hatte Angst, eine Lungenentzündung zu bekommen, was ganz schlimm gewesen wäre, so viele Tagereisen von einem Arzte entfernt. Der Schnee fiel weiter, lautlos, in die unbeschreibliche Einsamkeit der himalayischen Nacht.

21. Oktober. Pasangs besorgtes Gesicht war das erste, was ich am Morgen sah, als er uns schon um 5 Uhr weckte. Der Schneesturm hatte während der ganzen Nacht angehalten, und auch jetzt sah es nicht aus, als ob das Wetter sich bessern wollte. Rasch beendigten wir unser Frühstück, packten unsere Habseligkeiten und machten uns startbereit. Es lag über drei Fuss frischer Schnee. Pasang zweifelte sehr, dass es uns möglich sei, bis Yumthang durch- zukommen, aber wir konnten es auch nicht riskieren, hier oben auf besseres Wetter zu warten, da ja niemand das Ende des Sturmes voraussagen konnte. Der Wind heulte um das Haus. Nach einer Beratung mit dem Karawanenführer der Tibetaner, die die Nacht mit unseren Kulis verbracht hatten, entschlossen wir uns, unsere Kräfte zu vereinigen und zu versuchen, Yumthang zu erreichen, das zehn Meilen entfernt unten im Lachungtale lag. Wir bedauerten, nichts von der berühmten Sicht von Mome Sandong gesehen zu haben, aber wir hatten uns um unsere Sicherheit zu bekümmern, da wir einen Tag später unmöglich durch die unaufhörlich anwachsende Schneemenge hätten dringen können. Tief gebeugt, um unsere Gesichter vor der Wut des Sturmes zu schützen, arbeiteten wir uns durch den tiefen Schnee, dem Pfade folgend, den die Jaks unmittelbar vor uns durch die unheimliche Schneemenge gebahnt hatten. Es war schwierig, die Kulis vorwärts zu treiben, da sie alle noch von dem gestrigen Marsche müde waren. Fortwährend stürzten sie mit ihren Lasten in den Schnee und konnten sich nur mit unserer Hilfe herausarbeiten. Der Kampf mit diesen Schneemassen in ihren nassen Kleidern erschöpfte sie sehr, und wir hatten ständig auf der Hut zu sein, dass keiner aus der Kolonne trat und zu einer verhängnisvollen Rast zurückblieb. Verschiedene Male zogen wir einen unter einem schützenden Felsen hervor, schon halb eingeschlafen. In kurzer Zeit wäre er überschneit und erfroren gewesen. Weiter unten wurde es wärmer, der Schnee aber nässer und schwerer. Wir erreichten die ersten Tannen, tief verschneit. Die Umgebung, wie wenig man auch davon sehen konnte, schaute aus wie eine Weih-nachtspostkarte aus der Schweiz. Der Schnee durchnässte uns bis auf die Haut. Lawinen donnerten von beiden Talseiten herab, eine Masse von Steinen, Erde und Bäumen mit sich reissend. Der Wald wurde dichter, die Tannen schütteten oft ihre schweren Lasten auf uns hernieder, zur Belustigung derjenigen, die jeweils verschont blieben. Allmählich formte sich das Lachungtal.

Erst nach 3 Uhr erreichten wir das grosse Bungalow von Yumthang ( 11 850 Fuss ). Die kleinen Häuser des zur Zeit fast unbewohnten Dorfes sahen aus wie Pilze unter der tiefen weissen Schneedecke. Rasch wurden Feuer angezündet; wir entledigten uns unserer nassen Kleider, frottierten uns gegenseitig mit warmen Handtüchern; aber es dauerte fast zwei Stunden, bis wir uns erwärmt und etwas erholt fühlten. Mein Husten war so schlimm, dass ich mich nach einem grossen Brandy mit Tee und Aspirin sofort in meinen Schlafsack verkroch, auf das Essen verzichtete und schlief und schlief. Der Wind hatte sich gelegt. Der Schnee fiel lautlos und überdeckte unsere Spuren mit einem weissen, reinen Tuch.

22. Oktober. Das Prasseln eines mächtigen Feuers weckte mich. Der lange Schlaf hatte mir sehr gut getan, und ich fühlte mich besser. Widerwillig krochen wir aus den warmen Schlafsäcken. Es schneite immer noch — Yumthang war vollständig im Schnee vergraben. Sofort sandten wir die Mehrzahl der Kulis los, um uns einen Weg zu bahnen. Um 8 Uhr folgten wir der vorbereiteten Spur. Wir kamen rasch vorwärts. Je tiefer wir ins Tal vordrangen, desto nässer wurde der Schnee. Zu unserer Linken lagen ein paar heisse Schwefelquellen, die in den stahlgrauen Himmel dampften. Mächtige Lawinen stürzten über die steilen Felsen auf beiden Seiten des Tales. Wir konnten sie nicht sehen durch den fallenden Schnee — wir hörten nur ihr Donnern und Rauschen. Nach einem steilen und schlüpfrigen Abstieg durch den dichten Wald kamen wir an den Rand einer offenen Ebene, die in einen See voll wässerigen Schnees verwandelt war. Knietief einsinkend stolperten wir vorwärts. Erdrutsche und gefallene Bäume überdeckten den Weg.

Der Schnee ging in Regen über. Nach zwei weiteren Meilen durch wilde Gebirgsdschungel über Steine und gefallene Bäume wurde der Weg etwas besser, und wir kamen leichter vorwärts. Dieses Tal muss bei gutem Wetter wundervoll sein. Wir überholten eine Gruppe unserer Kulis, die froh waren, dem Schnee endlich entronnen zu sein. Sie hatten einige schwere Tage hinter sich und waren so glücklich wie wir, wieder festen, wenn auch sehr dreckigen Boden unter unseren müden Füssen zu spüren.

Zwei Meilen vor Lachung brach die Sonne durch. Nach 2 Uhr erreichten wir das Bungalow ( 8800 Fuss ) inmitten eines riesigen Obstgartens voll grosser rotbackiger Äpfel, eines Privatbesitzes des Maharadschas.

Lachung, ein liebliches kleines Dorf von ungefähr 90 Häusern, liegt auf der andern Seite des Flusses. Ein Jahr vor unserer Reise, während eines tagelangen Sturmes, hatte der Lachung Chu mit furchtbarer Wucht den untern Teil des Dorfes weggerissen, eine schreckliche Verwüstung hinterlassend. Für mehrere Wochen war Lachung von der Welt abgeschnitten und wurde vermittelst eines über die Wassermassen gespannten Seilzugs verproviantiert. Lange Zeit waren alle Versuche, eine neue Brücke zu bauen, fruchtlos. Bei jedem der unzähligen Stürme wurde sie wieder weggerissen. Auch die Brücke, die uns jetzt ins Dorf führte, konnte unser Vertrauen nicht erwecken.

Dicker kalter Nebel stieg aus dem Tale, wir verzichteten auf die Besichtigung des Klosters, das hoch über dem Dorfe liegt, und eilten zurück zum warmen Kaminfeuer im Bungalow.

Eine beträchtliche Anzahl von Jak-Karawanen wartete in der Umgebung von Lachung auf besseres Wetter, um nach dem Tibet weiterzureisen. Am Abend vernahmen wir, dass der Abt des Klosters, den sie um Rat gefragt hatten, ihnen mitgeteilt hatte, dass er den Schneesturm aufgehalten hätte und dass sie nun ruhig und ohne Gefahr gegen Tibet ziehen könnten. Es herrschte grosse Geschäftigkeit in den verschiedenen Lagern, und bald folgte eine Karawane der andern in die fallende Nacht hinaus.

Nach dem Abendessen rief uns Pasang vor das Bungalow. Was für ein Anblick! Im Vollmond leuchteten alle die umgebenden Gipfel, bezuckert mit bläulichem Schnee, unter einem Gewölbe von Millionen von Sternen. Bergwind und Natur schliefen. Unendlicher Friede lag über der Erde und den Silhouetten der Berge ringsum in ihrem unergründlichen Schweigen. In stiller Andacht standen wir da. Alles war so feierlich, wir wagten kaum zu atmen. Dunkle und unheimliche, dicht bewaldete Hänge neigten sich zum Dorfe, wo von jedem Hause sich eine dünne weisse Rauchsäule in den Himmel hob; zahlreiche kleine öllämpchen leuchteten aus dem Dunkeln. Auch die Leute von Lachung hatten ihr Abendessen. Nur das eintönige Rauschen des ins Tal fallenden Lachen Chu unterbrach die Totenstille.

23. Oktober. Es schien, der Abt habe recht behalten. Wir erwachten in einen prächtigen Tag, frisch, klar und kalt. Die ersten Sonnenstrahlen entfachten das Licht auf den schimmernden Firnen zu leuchtender Glut. Im Osten erhob sich eine uns unbekannte, herrlich flutende Brandung von Gipfeln, ein Bauwerk von unerhörter Kühnheit blendend weisser und blauer Eisbrüche. Nun küsste die Sonne den uns gegenüberliegenden Bergrücken, leuchtete auf dem Gipfelgrate auf, wiegte sich einen Moment zitternd auf der feinen Gwächte und glitt dann rasch in die Wand hinunter. Nach 8 Uhr waren wir auf dem sehr angenehmen und gut gebauten Weg, der hinunter durch das liebliche Lachungtal führt. Wir überquerten 14 mächtige Erdrutsche, einen nach dem andern. Trotzdem überall ein provisorisches Strässchen gebaut war, verloren wir viel Zeit, da oft die ganze Talseite verwüstet war und auf Umwegen überstiegen werden musste. Das Lachungtal ist kultiviert und nicht so wild und romantisch wie dasjenige von Lachen. Die Einwohner sind meistens Lepchas und, nach den prächtigen Schafherden zu schätzen, die am Rande der Felder weideten, ziemlich wohlhabend. Ein riesiger Wald mit vielen Wasserfällen nahm uns auf. Auf der andern Seite gewahrten wir unten im Talboden Chungthang ( 5350 Fuss ), wo wir um halb 2 Uhr anlangten. Zu unserer Freude fanden wir Briefe vor, die der Postbote von Gangtock hierher gebracht hatte, da bekannt war, dass wir um diese Zeit nach Chungthang zurückkehren würden. Die Briefe sahen jedoch sehr mitgenommen aus, und man hatte den Eindruck, sie seien selbst hier heraufmarschiert. Der Chowkidar übermittelte uns Grüsse von Capt. Watson, der auf seiner Heimreise vor einer Woche hier unsere Zelte und Proviantkisten deponiert hatte. Wir vernahmen hier auch, dass kürzlich ein indischer Forstingenieur auf einer Inspektionstour ins Zemutal an einer Erkältung mit Lungenentzündung mangels ärztlicher Hilfe gestorben und in der Nähe des Zemugletschers begraben worden sei. Ich dachte an meine schwere Erkältung, mit der es gottseidank viel besser war.

Nach einem kalten Mittagessen sonnten wir uns im Garten inmitten prächtiger Blumen und beobachteten die fruchtlosen Versuche der Frau des Chowkidars, drei winzige Zicklein, die sich an den Blütenknospen gütlich taten, aus dem Garten zu jagen. Nur zu rasch verschwand die Sonne hinter den Felsgräten, die Chungthang umgeben, und wir zogen uns zum Kaminfeuer im Bungalow zurück. Zum erstenmal seit langer Zeit schliefen wir dann in dieser Nacht ohne Schlafsäcke.

24. Oktober. Mit schmerzlichem Gefühle verliessen wir Chungthang, ging es doch fort von diesen wundervollen Bergen, hinunter, der Zivilisation entgegen. Das prächtige Wetter aber verwischte unsere Niedergeschlagenheit sehr bald. Die Kulis sangen, wir halfen mit und jodelten und jauchzten, bis wir heiser waren. Der Weg war seit unserem Aufstieg beträchtlich verbessert worden. Der Besuch des Maharajkumars musste die wenigen Lepchas dazu angespornt haben, ihrem Herrscher die Heimat in bestem Lichte zu zeigen. Nach der Hängebrücke über die Teesta stiegen,wir den steilen Hang hinauf zum Bungalow von Toong. Die Umgebung hatte sich wieder in den wilden prächtigen Dschungel verwandelt, voller Blumen, Vögel und kleiner Tiere, die sich alle des lieblichen Tages erfreuten. Eine grosse Schlange sonnte sich, träge über den Weg liegend, und verkroch sich bei unserem Nahen lautlos ins Gebüsch. Über zwei Meilen weit versuchten wir, einer riesigen Herde von Schafen, die sich von Tibet auf dem Wege nach Indien befand, vorzukommen. Als uns dies endlich glückte, waren wir dem kleinen Orte Naga nahe, wo sich unsere Kulis an Tee und Marva labten. Eine grosse Karawane tibetanischer Nomaden hatte die Nacht hier verbracht und machte sich eben zum Aufbruch bereit. Wir versuchten mit allen Mitteln, kleinen Münzen und Zigaretten, sie dazu zu bewegen, sich von uns photographieren zu lassen. Aber sobald wir unsere Apparate zückten, rannten sie mit Geschrei davon. Um 2 Uhr langten wir in Singhik ( 4600 Fuss ) an. In der Nähe des Bungalows fanden wir ein Bächlein für ein Bad. Unsere Freude war aber kurz, als wir vom Wasser aus ein Heer von Blutsaugern entdeckten, die am Ufer hungrig auf uns warteten. Wir verbrachten einen netten Abend mit einigen englischen Offizieren, die auf dem Wege nach Lachung die Nacht im Bungalow zubrachten.

25. Oktober. Mächtige Wolkenmassen lagerten sich vor dem Kanchenjunga-massiv. Schwerfällig kroch der Nebel dahin, seinen nassen Mantel durchs Tal schleifend. Doch bevor wir Mangen, das nette kleine Dorf, ein paar Meilen weg, erreichten, brach die Sonné durch. Im Basar entdeckten wir prächtiges handgewobenes Tuch; aber trotz heftigem Markten war es uns nicht möglich, den unmöglichen Preis herunterzudrücken; so behielt Mangen sein Tuch und wir unser Geld.

Hinunter ging 's, Meile um Meile, durch die Dschungel, über die unzähligen kleinen Bäche, die sich durch die dichte Vegetation zur Teesta hinunter-winden. Hinter uns stiegen die Berge höher und höher ins blaue Himmelsgewölbe; vor uns erhob sich der massive tief grüne bewaldete Grat, der das Teestatal abschliesst. Der Weg tauchte unvermittelt in die Tiefe, sank in einen feuchten Riss, zog eine Weile dem tief eingeschnittenen Flussbett entlang, stieg wieder steil durch dunklen Wald und glitt dann über sanfte Wiesen. Sengend brannte die Sonne auf uns nieder. Wortlos trotteten wir dahin. Müde, trotz des kurzen Marsches, erreichten wir Dickchu ( 2150 Fuss ) am Mittag und machten es uns im Schatten der Orangenbäume hinter dem Bungalow bequem. Thundu bereitete uns ein ausgezeichnetes erfrischendes Getränk aus noch nicht reifen Orangen. Den Nachmittag verbrachten wir lesend, sonnbadend und tranken zum letzten Male Marva.

26. Oktober. Unser letzter Marschtag! Und was für ein Marsch erwartete uns, ein Anstieg von fast 5000 Fuss auf neun Meilen! Da ich voraussah, dass sowohl meine Freunde wie auch die Kulis ein Rennen veranstalten würden, verliess ich sofort nach dem Frühstück Dickchu allein. Bald hatte ich die keuchenden Kulis, die noch vor mir losgezogen waren, eingeholt. Ich kam sehr rasch vorwärts, ohne die geringste Mühe, und erreichte den Pass allein nach dreieinhalb Stunden, was eine wirklich sehr gute Zeit war. Dort legte Die Alpen - 1949 - Les Alpes20 ich mich an die Sonne und betrachtete das zu meinen Füssen liegende Gangtock und die im Dunst zerfliessenden Hügelketten von Südsikkim und wartete auf meine Gefährten, die zu ihrer und meiner Überraschung mich erst nach längerer Zeit einholten. In etwas über einer Stunde legten wir dann die vier Meilen auf der Strasse nach Gangtock zurück.

Am Abend verpackten wir unsere Ausrüstungen, zahlten die Kulis aus bis auf Pasang, Thundu und Sarki, welche dann mit uns im Lastwagen hinunterfahren würden.

27. Oktober. Wir benützten den ganzen Morgen, um uns Gangtock anzusehen. Es ist ein prächtiger Ort, auf einem abfallenden Hügel ausgebreitet. Zuerst stiegen wir auf die Höhe, wo sich uns ein wundervoller Anblick der ganzen Kanchenjungagruppe bot— jetzt so weit weg! Im Nordosten führte die berühmte Handelsstrasse über den Nathu La ins Tibet, und oberhalb der Strasse in einem riesigen Park ist die Residenz des politischen Agenten, des Vertreters des Britischen Governments für Sikkim, Bhutan und Tibet. Gegen Süden liegen der Palast und die Gärten des Maharadschas. Wir vermerkten unsere Namen in ein Gästebuch und traten durchs Tor. Der Palast ist ein grosses Landhaus, schon ziemlich alt, umgeben von einer grossen Menge seltener Bäume und lieblicher Blumen, sorgfältig und geschmackvoll in Beeten gepflanzt. In der Nähe des Palastes befindet sich das neue private Kloster des Maharadschas. Von überall her hatte er Künstler kommen lassen, die innert drei Jahren ein wirkliches Kunstwerk aufbauten. Der unvergleichliche Blick über Sikkim, die Berge, gegen Tibet und Indien tragen viel zu dessen grosser Schönheit bei. Gegenüber dem Kloster ist eine Schule für Lamas, wo über 100 Buddhisten, ausgewählt aus dem ganzen Lande, vom Kinde bis zum alten weisshaarigen Greise, in alle Riten ihrer Religion eingeführt werden. Bei unserem Besuch las jeder für sich mit eintöniger, singender Stimme aus den alten kostbaren Gebetsbüchern, die vor ihm ausgebreitet lagen. Unsere Gegenwart wurde kaum bemerkt. Ausserhalb der Schule bewegten sich Dutzende weisser Gebetsflaggen im Winde. Dem Palast angegliedert ist auch eine Teppichfabrik des Maharadschas, wo sehr schöne Teppiche aus reiner Wolle verfertigt werden. Die benutzten Farben werden aus Pflanzen, Wurzeln und Beeren der Sikkimdschungel hergestellt.

Ein steiles Strässchen führt zum Basar, wo eine grosse Anzahl von Geschäften aller Art einen riesigen Marktplatz umsäumt. Auch die Marwaris ( indische Kaufleute ), die man überall findet, wo Geld zu machen ist, sind vertreten. Am Hange gegen den Penlong La liegen mehrere Spitäler und Schulen, vom Staate erstellt, und höher oben sahen wir liebliche Landhäuser, die den hochgestellten Staatsbeamten gehören.

Zum letzten Male sahen wir an diesem Abend die Sonne über Sikkim untergehen, den Kanchenjunga in unzählige Farbentöne von Rot und Orange malend, welche langsam in Violett übergingen, dann blau — und dann später in das kalte Stahlgraugrün der Nacht. Traurig und schweren Herzens schlössen wir die Türe des Bungalows.

28. Oktober. Nach dem Frühstück packten wir rasch alle unsere Habseligkeiten in den wartenden Lastwagen und begannen mit Pasang, Thundu und Sarki die letzte Etappe unserer Reise. Der Basar in Gangtock war in vollem Schwung, der übliche Sonntagsmarkt. Mit beträchtlicher Geschwindigkeit folgte der Lastwagen der schmalen, aber gutgebauten Strasse in Haarnadelkurven hinunter gegen den Talboden. Wir begegneten Hunderten von Einheimischen in ihren besten Kleidern, die Frauen mit selbstgewobenen Blusen und Schürzen in den prächtigsten Farben, behängt mit Schmuck, der den Reichtum der Familie anzeigt, alle auf dem Weg zum Markte nach Gangtock. Sie brachten die Produkte ihres Bodens mit sich, Ballen aus Wolle, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner, die sie zum Verkauf brachten. Am 5. Meilenstein wurden wir aufgehalten. Mächtige Bäume waren in der Nacht den steilen Hang heruntergestürzt und blockierten die Strasse. Etwa 30 Einheimische waren daran, mit Äxten die Strasse freizumachen. Mit vereinten Kräften gelang es in einer Stunde, den Lastwagen durch die beschädigte Stelle hindurchzubringen. Sarki war zum ersten Male in seinem Leben in einem Auto, es wurde ihm furchtbar schlecht. Am 11. Meilenstein hatte der Flu ss eine grosse Steinbrücke weggewaschen. Wir hatten das Gepäck über das Wasser auf die andere Seite zu tragen, wo ein anderes Auto auf uns wartete.

Über 60 weitere Erdrutsche gelangten wir nach Rangpo. Wir hatten für die 25 Meilen mehr als sechs Stunden gebraucht. Auf der Polizeistation, wo Pasangs Schwager Kommandant war, füllten wir wieder etliche Formulare aus und lieferten unsere Sikkimpässe ab, da Rangpo der Grenzort zwischen Sikkim und Indien ist. Um 3 Uhr, nach einer sehr raschen Fahrt auf einer miserablen Strasse, erreichten wir die Teestabrücke, wo wir von der Polizei aufgehalten wurden. Nach langem Hin und Her, mit vielen Lügen unsrerseits über die « Wichtigkeit unserer Persönlichkeiten » liess man uns schlussendlich durch. Wir hatten nämlich vergessen, die Erlaubnis einzuholen, mit unseren Lastwagen Indien zu betreten. Hier verliessen uns unsere drei Gehilfen, die uns zu Kameraden geworden waren, um zu Fuss über Lopchu und Ghum nach Darjeeling heimzukehren. Nach langem Verabschieden und Wünschen fuhren wir ab, hinunter der Teesta entlang durch wildes, fast unbewohntes Dschungelland. Noch ein Bergrutsch. Die ganze Bergseite hatte hier nachgegeben und war samt Strasse und Eisenbahn auf einer langen Strecke in den Fluss gestürzt. Es wird viele Monate dauern, bis dieser Schaden behoben ist. Noch eine halbe Stunde Fahrt durch dichten Dschungel brachte uns hinunter zur Ebene von Bengal, und auf einer breiten Strasse — durch Plantagen und Teegärten — erreichten wir Siliguri, als die Sonne eben als ungeheure feurige Kugel langsam in die Dschungel glitt. Das Abendessen im Bahnhofbuffet war schlecht wie gewöhnlich.

Müde verstauten wir uns in ein Abteil des wartenden Zuges, zwischen andern Leuten, Kindern, Hunden, Gepäck, Zelten — zwischen Zivilisation I

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