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Instruktion für die Gletscherreisenden des S. A. C

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

für die

Gletscherreisenden des Schweiz. Alpenclubs.

Schon am 14. Mai 1869 hatte der schweizerische Alpenclub in der Absicht, eine möglichst umfassende und eingehende Kenntniss der schweizerischen Gletscher zu befördern, der naturforschenden Gesellschaft das Anerbieten gemacht, bei neuen Gletscheruntersuchungen hülfreiche Hand zu bieten. Am 17. August desselben Jahres wurde dieses Anerbieten von Seite der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft angenommen und hierauf eine gemischte Commission bestellt, zu der jeder der beiden Yereine drei Mitglieder zu bezeichnen hatte; die Wahl des Präsidenten wurde der Commission anheimgestellt.

Die naturforschende Gesellschaft erwählte die Herren Prof. A. Mousson in Zürich, Prof. L. Dufour in Lausanne und Prof. E. Hagenbach in Basel; der Alpenclub die Herren Prof. A. Escher von der Linth in Zürich, Prof. L. Rütimeyer in Basel und Prof. E. Ramberl in Zürich. Die so constituirte Gletscher-eommission beschloss nun dem Alpenclub die Anlage eines grossen schweizerischen Gletseherbuches vorzuschlagen und zugleich eine Instruktion für die Gletscher-Reisenden des S.A.C. zu veröffentlichen.

In ihrer " Sitzung vom 2. September 1872 hat die Delegirtenversammlung des Alpenclubs diesen Antrag angenommen, die Erstellung eines Gletscherbuches beschlossen und zu dessen Eedaktor nach dem Antrage der Gletschercommission Herrn J. Siegfried von Zürich, bekannt durch seine orographischen und geographischen Arbeiten über die Schweiz, ernannt. Ueber die Art und Weise wie die Beobachtungen für dieses Gletscherbuch anzustellen und in welcher Richtung dieselben für die Kenntniss der Gletscher am nützlichsten werden können, darüber gibt die nachfolgende von der Gletschercommission redigirte Instruktion die beste Auskunft:

Vorwort.

1 ) Die Gletscher bilden den grossartigsten, eigentümlichsten und wissenschaftlich merkwürdigsten Charakterzug des Alpengebirges. Einzelne Gletscher und die zugänglichsten Stellen vieler sind genau bekannt, die Mehrzahl derselben aber, zumal in ihren höhern Theilen, nur sehr ungenügend. Der Alpenclub setzt sich die wichtige Aufgabe, diese Lücke allmälig auszufüllen, um dadurch zu einer vollständigen Statistik der schweizerischen Gletscher zu gelangen.

2 ) Zu dem Ende wird ein umfassendes Gletscherbuch angelegt, in welchem monographisch alles das zusammengetragen wird, was man über jeden einzelnen Gletscher bereits weiss, und was jährlich über denselben beobachtet wird. Die Beiträge, welche von

Schweizer Alpenclub.3

den Reisenden an Ort und Stelle gesammelt werden,, bestehen theils in schriftlichen Notizen, ganz vorzüglich aber in Ansichten und Grundrissen, die von Hand, oder, was noch werthvoller wäre, durch Photographie aufgenommen werden.

Alle diese möglichst vollständigen, besonders aber präcisen Angaben werden unmittelbar an den Redaktor des Gletscherbuches eingesandt

4 ) Damit aber die Beobachtungen selbst die wtinsch-bare Bestimmtheit und Vollständigkeit erhalten, soll durch gegenwärtige Instruktion das Wesen des Gletschers und seiner wichtigsten Erscheinungen in Kürze erläutert werden. Womöglich versieht sich der Reisende durch Vermittlung der Vorstände der Kantonal-vereine mit einer Karte in grossem Masstabe ( V50000 ), in welche er die örtlichen Erscheinungen einzeichnet, und die er nachher nebst Notizen, zur Uebertragung in die Karten des Gletscherbuches, einsendet:

Einzelne Punkte werden durch kurze, specielle Instruktionen, die als Anhang folgen, regulirt.

Der Gletscher als Ganzes.

5In grossen Höhen, jenseits der Schneegrenze, wo die atmosphärischen Niederschläge meist aus Schnee und Reif bestehen, vermag der Sommer dieselben nicht vollständig zu schmelzen; sie müssten sich daher in 's Unbegrenzte häufen, würden sich die Massen nicht allmälig niederwärts bewegen und in tieferen, wärmeren

* ) Adresse: Herrn J. Siegfried, im äussern Zeltweg in Hottingen bei Zürich.

Kegionen zur Auflösung gelangen. So besteht jeder grössere Gletscher aus zwei Theilen, der F ir nm u 1 d e, Taf. l b. wo das Material sich sammelt, und einer Gletscher-Taf. i. c. z u n g e, welche dasselbe der Verdunstung und Schmelzung preisgibt.

6Die Firnlinie bildet die Grenze zwischen Taf. i. a. Firn und Gletscher ;. unterhalb derselben tritt allmälig älteres und dichteres Eis zu Tage; oberhalb bleiben jüngere, lockerere Schichten liegen. Ihre Höhe ( 2400

bis 2500 Meter ) variirt weniger mit der Orientirung des Gletschers, als mit dem Charakter des Jahres mit Bezug auf Schneemenge und Sommer wärme. Man muss diese Grenzlinie im Herbst aufsuchen, nachdem der Sommer sein Werk vollendet hat. Wenn sie sich klar ermitteln lässt, wird sie in die Karten eingetragen.

7 ) Oft vereinigen sich mehrere Firnmulden zu Einem Abfluss oder mehrere schon gebildete Gletscherarme verschmelzen in einen mächtigern Gletscher stamm. Oft auch bereichert sich der Gletscher durch Schnee-und Eisstürze von hohen Hängegletschern her, deren Lauf von Felswänden abgeschnitten wird. Zur genauen Keuntniss eines Gletschers gehört die vollständige Kenntniss aller seiner Zuflüsse.

Die Firnmulde.

8 ) Der Firn hat meist die Gestalt einer weiten,Taf. l b. unregelmässigen Mulde, deren Tiefe hoch hinauf mit Schnee und Eis angefüllt ist, umgrenzt von höhern Kämmen und Gipfeln, welche dieselbe vom Gebiet anderer Gletscher trennen. Bisweilen sind aber auch f. i. c. diese Scheiden domförmig übergletschert ( Firnsattel ).

Doch auch diese Massen haben eine Bewegung von der Kelieflinie nach beiden Seiten. Diese ganze Umgrenzung des Firngebietes eines jeden Gletschers sollte auf Karten genau eingetragen werden.

9Die Umwallung der Firnmulde steigt meist zu Höhen empor, wo die Vergletseherung, in Folge theil-weiser Schmelzung, nur unvollkommen geschieht. Dess-

Taf. i. A.halb bleibt der Hochschnee grossentheils beweglich und wird theils vom Winde, theils durch Herabrollen an den steilen Abhängen auf die Firnmulde getragen und dort gesammelt.

10 ) Je nach dem Orte und je nach der Jahreszeit zeigen die oberen sichtbaren Massen des Firnes in Folge wiederholten Anschmelzens und Gefrierens alle Stufen der Yereisung vom ganz lockeren Schnee bis zu einem von Luftpartien durchzogenen Eise. Dabei

Tat n. l. s. r. erkennt man eine Schichtung, die den Schneefällen, den Perioden des Schmelzens und Gefrierens, den von Winden gebrachten Staubfällen entspricht. Nach der Tiefe freilich, wo man in diese eindringen kann, findet sich immer dichteres Eis.

11Die Masse des Firnes hat bereits eine Bewegung thalniederwärts, wodurch sie von allen Seiten gegen den Anfang des eigentlichen Gletschers gedrängt wird. Wegen der Ungleichheit des Bodens entstehen hierbei ungleiche Bewegungen und Klüfte, die aber weniger das Ansehen von Spalten als von länglichen

Taf. i. 6. ^Schrunden ( Caveaux ) haben. Die Gegenden, wo Taf. il 3. \>. ^esei^eû in grösserer Zahl und Stärke auftreten, verdienen auf den Karten angegeben zu werden.

Bisweilen werden diese Schrunde von Längsspalten durchsetzt, wodurch die ganze Masse in riesige Würfel getheilt wird, welchen Saussure den Namen Séracs gegeben hat.

12Besonders wichtig, weil weit fortsetzend, ist der Schrund, welcher sich sehr häufig am Umkreise der Firnmulde, als eine Ablösung der bewegten Firnmasse von den steilen Abhängen der Umwallung bildet. Wer die hohen Gipfel erstiegen hat, kennt diese Randkluft, den Bergs ehr und, der oft nur mit vielen Taf. i. a a. Schwierigkeiten überschritten wird. Da derselbe die

obere Begrenzung der wahren zusammenhängenden Firnmasse bezeichnet, ist dessen sorgfältige Eintragung in die Karten besonders wichtig.

13 ) Ueber die ohne Zweifel oft sehr grosse Dicke der Firnmasse hat man nur Andeutungen. Sollte sich an Abstürzen oder an tiefreichenden Schrunden, die allerdings nicht häufig bis auf den Grund reichen, die Gelegenheit bieten, so wäre es von hohem Interesse, durch Herablassen eines Steines an einer sehr langen Schnur diese Dicke zu messen.

Der eigentliche Gletscher.

14Wie erläutert worden, ist die Gletscher-Taf. i. c. zunge die in langsamem Herabrücken begriffene Fortsetzung des Firnes, wesshalb ihre Länge und Mächtigkeit, bis die Abschmelzung vollendet ist, theils

von der Ausdehnung des zugehörenden Firngebietes, theils von der Orientirung gegen Sonne und warme Winde abhängt. Durch das Gletscherthal niedersteigend,

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muss sie sich dann den Krümmungen desselben, seinen Verengungen und Erweiterungen, endlich dem Falle und den Stufen des Grundes anbequemen.

15So verschiedene Ansichten man über die Ursachen der Bewegung hat, das Dasein eines beständigen Yorrückens, schneller im Sommer, langsamer im Winter, ist eine vielfach erwiesene Thatsache. An grossen, etwas geneigten Gletschern steigt sie an Sommertagen auf 100 — 300 Millimeter täglich. Wie bei einem Strome, nur unendlich viel langsamer, nimmt die Bewegung von der Mitte nach dem Rande und von der Oberfläche nach der Tiefe ab, beides als Folge der von den Wänden und vom Grunde ausgehenden Hindernisse. Eine gerade Querreihe von Pfählen oder Steinen bildet im Laufe der Zeit einen niederwärts immer stärker vorspringenden Bogen. Anderseits nimmt an einer lange andauernden Querspalte die obere Wand allmälig eine überhängende Lage an.

16 ) Vom Anfang bis zum Ende des Gletschers wird das oberflächliche Eis einerseits immer dichter und luftfreier, anderseits entwickelt sich darin das sogenannte Gletscher körn. Die zunehmende Dichtigkeit scheint eine Folge davon zu sein, dass niederwärts immer ältere und tiefere Theile zur Schmelzung gelangen; das Gletscherkorn hingegen muss irgendwie mit der Bewegung des Gletschers in Beziehung stehen.

Pas Gletscherkornwird sichtbar, wenn Stücke Gletschereis einem warmen Sommertage ausgesetzt werden; sie zerfallen dann nämlich in oft nussgrosse festere Brocken, die unregelmässig ineinandergefügt waren.

Da die Luftbläschen verschiedener solcher Körner oft eine abweichende Richtung zeigen, so betrachtet man diese als Eisbrocken, welche bei der gegenseitigen Verschiebung der Theile, ohne welche sich die Bewegung nicht denken lässt, unversehrt umgestellt wurden.

17 ) Wahrscheinlich als eine Wirkung der das Eis bewegenden Kräfte, senkrecht zur Richtung des grössten Druckes, entwickelt sich durch das Innere der Masse eine Bandstruktur, bestehend aus dichterem, blauemTaf. n. 1. und von Bläschen getrübtem, weisserem Eise. In den Taf. n. 2„ Spalten als Bänder sich darstellend, sind diese ledig- yy2'lieh der Durchschnitt löffeiförmig durch den Gletscher fortsetzender Blätter. Die Bandstruktur verdrängt auf einem grossen Theile der Gletscherlänge durch ihre stärkere Ausprägung, die Schichtung des Firnes, tritt

oft aber ihrerseits gegen das untere Ende durch eine Ausgleichung der Eisbeschaffenheit mehr zurück, da dann eine mehr horizontale Schichtenstreifung wieder sichtbar wird.

18 ) Aus günstiger Lage von der Höhe betrachtet, zeigen manche Gletscher in ziemlich gleichen Entfernungen schwach angedeutet dunklere Zonen, die sich abwärts spitzbogenförmig krümmen; es sind dies die Ogiven. An zusammengesetzten Gletschern hat jeder Gletschertheil seine besonderen Bogen, Sie entstehen gleichfalls an regenerirten Gletschern unten an einem Gletscherbruch.

lieber den Ursprung der Ogiven walten verschiedene Ansichten; vermuthlich weil sie nicht alle von gleicher Natur sind.

Näher untersucht, erscheinen die einen

Taf. i. x.als eine oberflächliche Ansammlung von Unreinig-

Taf. ii. v. kejß un(j g^jjjj. an!ciere von geringer Dicke senken sich

in geneigter Richtung in das Innere des Eises; endlich scheint das Ausgehen einer mehr oder weniger entwickelten Bandstruktur zu solchen Zonen Anlass-zu geben. Die Unterscheidung der verschiedenen Arten von Ogiven bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.

19Wo durch die Ungleichheit der Bewegung-Spannungen im Eise entstehen, wirft dasselbe oft mit

Taf. i. q. einem klingenden Geräusche Spalten. Ein sehr gewöhnliches System von Spalten zieht sich vom Ufer schief aufwärts, so weit der hemmende Einfluss des

Taf. i. r. letztern reicht. Dann entstehen strahlige Spalten an jedem Yorsprung, um welchen sich der Gletscher windet^ fächerförmig hingegen da, wo das Ende des Gletschers-

Taf. i. s. sich frei ausbreitet. Oft endlich bilden sich Querspalteir durch Querstufen des Thalgrundes.

20 ) Werden die Thalstufen, über welche sich der Gletscher vorschiebt, bedeutender, so trennt er sich in querlaufende Kämme, die sich gewaltsam treppenförmig herabdrängen, meist ohne überzustürzen. Durch Zerreissung und Schmelzung werden sie oft zu sonderbaren Klippen und Zacken, den Gletschernadeln ( Aiguilles du glacier ), umgestaltet, die aber unten, wo> ein sanfterer Abhang beginnt, wieder verschwinden und den regelmässigen Gletscher regeneriren.

Diese Stellen starker Zerklüftung oder der Gletscherbrüche sind auf den Karten anzudeuten.

21Im Laufe des Sommers löst sich gewöhnlich, unter dem Einfluss der rëverberirten Sonnenstrahlen und des h,erabrinnenden Wassers, der Gletscher von

Taf I r k

den Thalwänden ab, so dass man oft tief unter denselben blicken kann. Durch diese Randkluft ge-Taf.n.3.r. langt eine Menge durch Schutt und Schlamm getrübtes Wasser unter den Gletscher und verstärkt den unter demselben fliessenden Gletscherbach.

22Jenseits der Randkluft, oft auch diese überdeckend, folgt dem Rande des Gletschers ein mehr oder weniger ausgeprägter Schutt- und Steinwall, die Seitenmoränen oder Gufferliiii en. Sie bestehen Taf. l f. meist aus Trümmern, die unmittelbar von der Thalwand herabgestürzt sind, zum Theil aus eckigen und abgestossenen Steinen, die der Gletscher von höher

her vorwärts geschoben hat. Es wäre angemessen, die Stellen bedeutender Seitenmoränen, da sie mit dem Laufe des Gletschers in Beziehung stehen, auf den Karten einzutragen.

23Aehnliche Schutt- und Trümmerwälle ziehen sich oft wie lange dunkle Linien über den Rücken des Gletschers herab und zeichnen sich dann durch die eckige Form ihrer Trümmer aus. Man nennt diese Gandecken oder Mittelmoränen. Jede solche Taf. i. g. Mittelmoräne, aufwärts verfolgt, beginnt an einem Bergvorsprung, an dem zwei Arme sich vereinigen

und entsteht aus der Verbindung der entsprechenden beiden Seitenmoränen. An den Mittelmoränen, die oft ganz verschiedenartig sind und sich nicht vermischen, zählt man die Zahl der in einen Stamm verschmolzenen, Gletscherarme. Als ein ganz wesentlicher Charakter der Gletscher, sind die Mittelmoränen von ihrem Ursprünge an mit Sorgfalt in die Karten einzuzeichnen.

24 ) An seinem Ende bricht der Gletscher gewöhnlich mit einer steilen Fläche ab, über welche die mitgeführten Trümmer herabrollen. Dieses Ende ist beständigen Schwankungen ausgesetzt, je nachdem das Vorrücken durch die Bewegung oder das scheinbare Zurückgehen durch die Abschmelzung überwiegt. Diese Schwankungen, von der Länge, Stärke und Lage des Gletschers abhängig, befolgen an verschiedenen Gletschern einen etwas andern Gang. Es wäre höchst werthvoll, diese Schwankungen an verschieden grossen und verschieden orientirten Gletschern vergleichen zu können. Davon handelt eine der am Ende angefügten Specialinstruktionen.

25 ) Alle durch die Mittelmoränen oder vereinzelt herabgeführten Steintrümmer treten zuletzt durch Abschmelzung an die Oberfläche und häufen sich am Ende

Taf. L h. des Glestchers zu einer im Bogen herumlaufenden Endmoräne. Kückt der wachsende Gletscher vor, so stösst er Schutt und Trümmer als einen ganz ungeschichteten Wall vor sich her; wird er kleiner, so lässt er einen von eckigen, gerundeten und geritzten f. i. 2.Steinen überdeckten .Gletscherboden zurück. Oft beachtet man thalabwärts der Endmoränen mehrere hintereinander, welche eben so viele Epochen des Vorrückens und nachherigen Rückganges bezeichnen. Alle diese Wälle sind in die Karten einzutragen.

26 ) Man bezeichnet mit Ablation die Abnahme der Gletscherfläche durch die äussern Einwirkungen .'für die Qletackerreisenden.

der Verdunstung, der warmen Regen, der warmen Winde, besonders des Föhnes, endlich der Sonnenstrahlen. " Wie man an eingerammten Pfählen beobachtet hat, beträgt diess Sinken in den drei Sommermonaten zwei oder drei Meter. Geschützte Stellen bewahren dagegen ihre Höhe, was die Entstehung der Gletschertische, der gehobenen Moränen, der Schutthügel erklärt; während kleine Gegenstände, Steinchen, Pflanzentheile, Insekten, weil sie mehr " Wärme absorbiren, umgekehrt im Eise einsinken.

27Nur das Wasser, das an warmen Tagen auf der Eisfläche herabrinnt, ist klar und hell. Es bildet kleine Bäche, die sich in einzelne Spalten oder in einzelne senkrechte Kanäle ( gleichfalls ein Ueberrest von Spalten ) mit Rauschen versenken. Es sind

diess die Gletschermühlen, die sich immer wiederTaf. i. v. in den gleichen Gegenden bilden und daher notirt zu werden verdienen. Sie beweisen zugleich, dass der Gletscher oberhalb, so weit das Wassergebiet des Baches reicht, keine offenen Spalten hat.

Alles in und unter den Gletscher gelangende Wasser bildet den Gletscherbach, der meist vom Schlamme Taf. i. p. des Trümmerbodens und der Reibung des Gletschers getrübtes Wasser ( die G et s cher milch ) führt.

28 ) Am Austritt des Baches, selten nur an andern Stellen, entsteht im Laufe des Jahres eine Gletscher- Taf j 0 höhle ( das Gletscher thor ), die sich, unregelmässig verzweigt, oft weit unter dem Gletscher emporzieht.

Sie verdankt ihre Entstehung, wie die buchtige Gestalt der Wände darthut, weniger der Wirkung des Baches, als der Schmelzung durch die warmen Luftströme, welche durch die Höhle emporstreichen.

Diese Höhlen sind durch ihre schönen Lichteffekte bekannt. Oft stürzen sie im Herbst ein, um sich im folgenden Jahre wieder zu bilden.

29Ausser den Veränderungen, welche die langsame Fortbewegung des Gletschers in seinem Innern zur Folge hat ( Verschiebung der Theile aneinander, Umbildung des Gletscherkornes, Ausbildung der Bandstruktur ) arbeitet der Gletscher auch an den Wänden und dem Boden seines Bettes. Er zermalmt die weichen Steine; er verschiebt die vorhandenen Trümmer; er schleift die Ungleichheiten der Felswände mittelst der an seiner Unterfläche haftenden Sandschicht und ritzt sie endlich mittelst einzelner harter Körner unter starkem Druck, wie mit einem Grabstichel. Einmal erkannt, ist zwischen diesem Getscherschliffe und den Wirkungen des Wassers keine Verwechslung möglich.

30Die Temperatur der Gletscheroberfläche kann 0 ° nicht übersteigen, da alle Mehrwärme durch Schmelzungen gebunden wird. Im Winter hinwieder kann sie, der schützenden Schneedecke willen, nicht bedeutend unter 0° herabsinken. Auch die schlechte Leitung des nicht homogenen Eises hindert das Eindringen der Kälte, so dass das Innere des Gletschers, unter 4—5 Meter Tiefe, das ganze Jahr auf 0° bleibt. Darum auch sind die Gletscher ( kleine Gletscher der Hochregion abgerechnet ) den grössten Theil des Jahres nicht mit dem Grunde festgewachsen, sondern durch eine Wasserfuge vom Boden und Fels geschieden. Alle Wärme, die irgendwie in den Gletscher gelangt, dient nothwendig zur Schmelzung.

Ueber Temperaturbeobachtungen siehe die Specialinstruktion.

31 ) Der nämliche Gletscher kann im Frühjahr und Herbst ein so verschiedenes Ansehen haben, dass man ihn kaum mehr erkennt. Der " Winter durch seine Schneefälle und seine Winde gleicht die Unebenheiten aus, füllt die Spalten und Klüfte an und bewirkt wohl auch durch das Gefrieren des eindringenden Wassers ein Aufblähen der äussern Schichten. Daher erscheint der Gletscher zu Anfang des Sommers als ein ganzer schwach gewölbter Körper. Die warme Jahreszeit greift ihn dann von allen Seiten an und wandelt ihn oft in eine eingesunkene, zerspaltene, am Rande und am Ende in Rippen zernagte, vielfach verunreinigte Masse um. Jedes Jahr wiederholt sich diese Umwandlung.

Schiasswort.

32 ) Durch die vorstehenden Bemerkungen werden die Haupterscheinungen der Gletscher kurz aber genügend charakterisirt und wird damit dem Gletscherreisenden das Mittel geboten, seine Beobachtungen zurechtzulegen und für seine Notizen Anhaltspunkte zu finden. Eine Menge specieller Punkte, die weniger in die Augen springen, müssen begreiflich speciellen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

33 ) Es folgen noch Specialinstruktionen über einzelne Fragen, die der Beobachtung der Reisenden des Alpenclubs besonders empfohlen werden:

1 ) Ueber Temperaturbeobachtungen in und an dem Gletscher.

2Ueber Beobachtung der. Schwankungen des Gletscherendes.

3Ueber einige botanische und zoologische Beobachtungen.

4Ueber die Spuren der Gletscher der Eiszeit.

5Ueber einige vom Gletscher unabhängige Beobachtungen.

I. Specialinstruktion

über

meteorologische Beobachtungen

Gletscherreisen.de.

1Per Gletscher, als eine ausgedehnte Masse,. deren Temperatur den Eispunkt nicht übersteigen kannr übt einen bedeutenden Einfluss auf seine Umgebungen aus, namentlich auf die Luft in seiner Nähe, ein Einfluss, der in den tiefern, wärmern Regionen ein anderer ist, als in den höhern, kältern. Es wäre von Interesse, wenn einzelne Reisende die Prüfung dieser Verhältnisse in 's Auge fassen wollten, wozu besonders Beobachtungen der Temperatur und der Feuchtigkeit erforderlich sind.

A. Thermometer.

2 ) Zu wissenschaftlich brauchbaren Beobachtungen bedarf es guter Thermometer. Da die im Handel vorkommenden es nicht immer sind, mögen einige Bemerkungen über deren Beschaffenheit und den Gebrauch guter Instrumente hier am Orte sein.

3Im gewöhnlichen Leben stehen zwei Eintheilungen im Gebrauch: die eine, von Celsius, enthält in dem Zwischenräume vom Eispunkt bis zum Siedepunkt 100 gleiche Theile oder Grade, die andere, von Ré au mur, zählt deren 80, so dass di& letztern im Yerhältniss von 5:4 grösser sind. Da, auf den schweizerischen meteorologischen Stationen und überhaupt auf dem Gebiete der Wissenschaft meist nur das Thermometer von Celsius Geltung hat, so wird den Reisenden dieses vorzugsweise empfohlen. Stets aber ist es rathsam den Beobachtungen zur Yermei-dung aller Verwechslungen, ein C oder R beizusetzen.

4 ) Für meteorologische Beobachtungen ist es nicht nöthig, dass die Skala bis 100° reiche. Ein Umfang von 30° unter Kuli ( —30° ) bis 50° über Null ist mehr, als genügend. Wichtig aber ist, dass die Grada etwas gross seien, llji Millimeter oder V2 Linie betragen. Das gestattet dann, wie zu wünschen ist, noch. Bruchtheile des Grades anzugeben, sei es, dass solche. Bruchtheile schon auf der Theilung angezeichnet seien, sei es, dass man sie durch Schätzung bestimme, welche letztere, bei etwelcher Uebung des Auges, leicht auf vierteis und selbst auf zehnteis Grade getrieben werden kann.

Die Tüchtigkeit der Theilung selbst, ob nämlich jeder Grad wirklich einer gleichen Zunahme der Temperatur entspreche, kann der Laie nicht wohl prüfen und darum besonders erscheint die Anschaffung eines zuverlässigen Instrumentes wichtig.

5 ) Der Nullpunkt der Eintheilung sollte genau dem Eispunkt entsprechen, doch ist diess selbst bei guten Instrumenten nicht immer der Fäll. Gewöhnlich steht der Eispunkt etwas über dem Nullpunkt. Das Thermometer geht, nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise, etwas voraus. Man bestimmt die bezügliche Correction, indem man das Instrument bis nahe an den Nullpunkt in Schnee oder zerstossenes Eis, im Zustande der Schmelzung, einsenkt, und nach einiger Zeit abliest, um wie viel das Quecksilber höher ( oder tiefer ) als Null steht. Beträgt z.B. diese Abweichung 0,2 oder */b Grad, so muss diese Grosse von allen Beobachtungen abgezählt ( resp. zugezählt ) werden. Es ist gut, sie auf der Röhre selbst zu notiren.

Diese Prüfung kann gelegentlich im Winter zu Hause vorgenommen werden; es ist selbst wünschbar, da neue Thermometer sich langsam verändern, sie jährlich zu wiederholen.

6 ) Ein Uebelstand der Thermometer liegt in ihrer grossen Zerbrechlichkeit. Namentlich gelten die Instrumente mit auf der Röhre selbst eingeschnittener Eintheilung als besonders zerbrechlich. Die Röhre auf einem flachen Holz- oder Blechstreifen zu befestigen, taugt gleichfalls nicht. Am bequemsten erscheint eine Röhre, die in eine weitere Glasröhre eingeschmolzen ist, welche gleichfalls die Theilung enthält. Hier aber erscheint eine Papierskala vortheilhafter, als eine auf einem besondern Milchglasstreifen gezeichnete, weil letztere beim Transport sieh leicht ablöst und durch ihr Gewicht die äussere Röhre bedroht.

Für den Transport wird das Instrument in ein Etui von Holz oder Messingblech, das oben und unten mit Baumwolle ausgestopft ist, eingeschlossen.

7 ) Eine richtige Ablesung verlangt, dass man das Auge gerade vor der Stelle halte, die man ablesen will, oder, genauer gesagt, dass die Linie von dem x4uge nach der Zahl gezogen, zur Scala senkrecht stehe. Das Thermometer muss übrigens einige Minuten ruhig stehen bleiben, ehe man, ohne mit den Fingern anzufassen, abliest.

Beim Transport kann es geschehen, dass der Quecksilberfaden sich trennt. Dann sucht man ihn dadurch wieder zu vereinigen, dass man das Thermometer, die Kugel nach unten, in die volle Hand nimmt und den Arm etwas kräftig, aber vorsichtig hin und her schwingt. Genügt diess Mittel nicht, so bestimmt man an der Scala die Grosse des Zwischenraumes und zählt ihn von der Ablesung des Endes des Fadens ab.

8Zuverlässige Thermometer, welche den obigen Bedingungen entsprechen und auf welchen die Correktion angegeben ist, werden von den Herren Hermann & Pf ister in Bern, von denen auch die Instrumente der meteorologischen Stationen geliefert wurden, um den Preis von 8 Fr. das Stück, Etui und Hacken inbegriffen, in Bereitschaft gehalten. Um billigeren Preis lässt sich kaum irgendwoher ein brauchbares Instrument erhalten.

9Bei Beobachtung der Lufttemperatur ist vor Allem darauf zu achten, dass das Thermometer den

Schweizer Alpenclub.24

370Instruktion

Strahlen der Sonne oder denjenigen heisser Wände oder des heissen Bodens entzogen werde. Man wähle daher einen schattigen Ort, wo - das Instrument an einen in den Alpenstock eingeschraubten Hacken aufgehängt wird, oder man stelle dasselbe in den Schatten eines Steinblocks, oder schütze es doch wenigstens durch ein dahinter ausgespanntes Tuch. Beobachtungen unter Bestrahlung haben gar keinen Werth.

10 ) Tn den folgenden Fällen ist die Messung der Lufttemperatur erwünscht:

a. Vergleichungsweise über dem Gletscher und ausserhalb desselben über dem Boden;

b; In verschiedenen Höhen 1, 2, 3 Fuss über dem Eise, und ebenso über dem Boden;

c. Ueberhaupt in hohen Kegionen, sei es auf dem Firn, sei es auf hohen Gipfeln;

d. Unter, besondern Witterungsverhältnissen, z.B. beim Föhn, wo möglich während des Verlaufes desselben.

In allen Fällen notire man immer die Zeit, in welcher die Temperaturbeobachtung angestellt wird.

11 ) Eis und Schnee, im Schmelzen begriffen, stehen natürlich immer auf Null. In höhern Gegenden jedoch kann selbst im Sommer der Firn- und Hochschnee, eine tiefere Temperatur besitzen. Es ist von Interesse solche Fälle unter genauer Angabe von Zeit und Ort der Beobachtungen zu notiren.

Die Abkühlung der obersten Gletscher- und Firnschicht während der Nacht verdient gleichfalls beobachtet zu werden, indem man die Temperatur der nämlichen oberflächlichen Stelle des Abends und des Morgens nimmt.

12 ) Unter dem Einflüsse der Sonnenstrahlen kann sich der trockene Boden, besonders wenn er aus klein verwittertem Gestein besteht, selbst in grossen Höhen noch bedeutend erwärmen. Es wäre von Interesse, genauere Angaben hierüber zu erhalten. Für Messungen dieser Art ist es zweckmässig, das Thermometer bis an den Punkt, den man abzulesen hat, in den Boden einzugraben und so lange zu warten, bis das Thermometer stehen bleibt.

13Es ist überhaupt von Interesse, die Temperatur der Quellen und Bäche zu kennen, was durch kurzes Einsenken in 's Wasser schon erreicht wird. Namentlich sind die Quellen in der Nähe des Gletschers, so wie der aus dem Gletscherthor strömende Bach der Beachtung werth. Wünschbar wäre, dass im letztern Fall nicht bloss die Temperatur des Wassers, sondern in verschiedener Höhe auch die oft ganz abweichende * der Luft der Höhle verzeichnet werde.

14 ) Aerzteii, die Bergbesteigungen ausführen, kann es willkommen sein, die Erhöhung der Temperatur, infolge der Anstrengung beim Steigen, zu bestimmen. Man bedient sich dabei eines empfindlichen Thermometers von wenigen Graden, wie es zu Fiebermessungen angewandt wird; " es wird unter die Achselhöhle gebracht und nach einigen Minuten abgelesen. Für physiologische Zwecke ist es aber wichtig, dass solche Temperaturmessungen an verschiedenen Individuen und unter mannigfachen Umständen vorgenommen werden.

B. Hygrometer.

15Die Feuchtigkeit der Luft, das heisst, die Menge Wasserdampf, welche sie enthält, erleidet mancherlei Veränderungen unter dem Einflüsse der Gletscher und hohen Schneefelder. Bei jeder Temperatur kann die Luft nur eine bestimmte und begrenzte Menge Feuchtigkeit aufnehmen; man heisst diess die Sättigung derselben. Man bestimmt nun, wie gross die " wirklich vorhandene Feuchtigkeit im Vergleich mit derjenigen der Sättigung ist, letztere zu 100 angenommen, und nennt diess die relative Feuchtigkeit. Die relative Feuchtigkeit 80 bezeichnet z.B. dass 8O/ioo oder 4/a der größtmöglichen Menge wirklich vorhanden ist.

16Die Instrumente, welche zur Bestimmung der Feuchtigkeit dienen, nennt man Hygrometer. Das für den Reisenden bequemste, weil am leichtesten zu benutzen, ist das Haarhygrometer von Saussure, an welchem die Verlängerungen und Verkürzungen, welche ein Haar bei Zu- oder Abnahme der Feuchtigkeit zeigt, beobachtet werden; indess bewirkt gleiche Zunahme der Feuchtigkeit nicht gleiche Verlängerung oder gleiche Bewegungen des Zeigers, der die Feuchtigkeitsgrade ablesen lässt. Eine Scala mit gleichen Theilen hat daher geringen Werth, sondern nur eine solche, die mit Hülfe besonderer Versuche vom Mechaniker auf Grade von gleichem Feuchtigkeits-werth eingerichtet worden ist. Man erkennt sie daran, dass die Theile von 0 " oder der vollkommenen Trocken- heit nach 100°, der vollkommenen Sättigung, immer kleiner werden.

17 ) Das Haarhygrometer wird bei Anstellung einer Beobachtung auf ähnliche Weise, wie das Thermometer an einem freien, aber von den Strahlen und der Ré-verbération der Sonne geschützten Ort aufgehängt. Nach einiger Zeit, wenn der Zeiger stehen bleibt, liest man auf der Theilung unmittelbar die relative Feuchtigkeit ab. Man darf aber nicht vergessen, gleichzeitig die Temperatur und die Zeit der Beobachtung zu notiren.

18Auch hier können Hygrometer der Herren Hermann & Pf ist er in Bern besonders empfohlen werden. Sie tragen eine auf die Feuchtigkeitsmengen eingerichtete Theilung und erfüllen alle Bedingungen wissenschaftlicher Brauchbarkeit. Sie passen in ein Kästchen, und überdiess ist das Haar durch eine halboffene Messingröhre vor dem Zerreissen geschützt. Sie kosten mit Messinggestell 36 Fr., mit Holzgestell 15 Fr. Um billigeren Preis lässt sich anderswoher kaum ein gleich gutes Instrument erhalten.

19 ) Besonderes Interesse haben die Feuchtigkeits-bestimmungen in den folgenden Fällen:

1 ) Ueber dem Firn und Gletscher, verglichen mit Beobachtungen in der Nähe, über dem Boden. Es zeigt sich da die merkwürdige Thatsache, dass die kalte Unterlage während eines Theiles des Jahres aus-trocknend auf die tiefern Luftschichten wirkt.

2 ) In verschiedenen Höhen 1, 2, 3 Fuss über dem Eise, um den genannten Einfluss noch deutlicher zu erkennen.v 3 ) Beobachtungen während des Föhnes und auffallender Witterungsverhältnisse sind von hohem Interesse, sollten dann aber, wie die entsprechenden Temperaturbestimmungen, z.B. alle Viertelstunden, während des ganzen Verlaufes der Erscheinung wiederholt werden.

20 ) Es muss bemerkt werden, dass es ausser dem Haarhygrometer noch zwei " andere Instrumente gibt, das Thaupunkt-Hygrometer und das Psychrometer, welche die Feuchtigkeit noch genauer als jenes bestimmen lassen. Ihre Erklärung und richtige Benutzung setzt aber physikalische Kenntnisse voraus, die hier nicht gegeben, in physikalischen Büchern aber nachgelesen werden können.

II. Specialinstruktion

über

die Schwankungen des Gletscherendes.

1 ) Es wäre zu wünschen, dass durch eine längere Keihe von Jahren an zahlreichen Gletschern Messungen über das Tor-und Zurückgehen ihres Endes angeführt werden könnten. Jeder Zweigverein könnte einige seiner Mitglieder bezeichnen, welche im Juli oder August eine Rundreise bei bestimmten Gletschern ihres Gebietes machen würden. Die Resultate derselben könnten zur weitern Benutzung der Redaktion des Gletscher bûches eingesandt werden.

2Zu* den Messungen sind zwei Personen nothwendig. Sie müssen mit einem kleinen Fernrohr, mit einem langen Messbande oder einer langen gemessenen Schnur und mit einem Topf weisser Oelfarbe, riebst grossem Pinsel, versehen, sein.

3Lässt sich in einiger Entfernung grade unterhalb des Gletscherendes einige hundert Fuss weiter « in Steinblock, eine künstliche Steinpyramide u. s. f. als Merkzeichen feststellen, « so wird mittelst Messband die Entfernung aufwärts bis zum Gletscher direkt gemessen und notirt. Man kann die Entfernung auch abschreiten, falls die Schrittlänge an einer gemessenen

, Länge bestimmt worden ist.

Sollte der Gletscher durch Yorrücken das Merkzeichen bedrohen, so muss thalabwärts, in einer gemessenen Entfernung von dem ersten, ein zweites .gewählt werden, von dem man nunmehr ausgeht.

4In der Kegel lassen sich keine Merkzeichen im Thalbett finden; dann muss man die Messungen auf Querlinien senkrecht zum Thale, welche durch Merk- Taf L D D zeichen an beiden Seiten festgestellt werden, zurückführen. Als Merkzeichen dienen Felswände, grosse Steinblöcke, einzelne Baumstämme u. s. f., die man

durch einen weissen Farbstreifen, hinlänglich breit um von jenseits gesehen zu werden, kenntlich macht. Der eine Beobachter stellt sich an dem einen Merkzeichen, nach dem andern visirend, auf und veranlasst den zweiten durch Zeichen, sich mit einer langen Stange auf die Kichtung der Merkzeichen zu stellen. Taf. i. e. f. Yon der Stange wird dann, wie im vorigen Fall, aufwärts, bis zum Gletscher gemessen.

5 ) Es wäre gleichfalls von hohem Interesse, wenn an einzelnen Stellen Messungen über die Höhe des Oletschers durch die nämlichen Personen vorgenommen werden könnten. Doch kann das mit Leichtigkeit nur an solchen Stellen geschehen, wo der Gletscher an einer Felswand hinfliesst. Dort wird in einer geeigneten Höhe eine horizontale Farblinie angemalt, von der aus die Entfernung der Eisfläche niederwärts-gemessen wird. Das Festitalten eines nahezu gleichen Zeitpunktes alle Jahre ist wesentlich nothwendig.

6 ) Hauptsache ist, dass die Merkzeichen auf eine ganz unzweideutige, nicht zu verwechselnde Weise definirt werden. Diess geschieht vorerst durch das angemalte Farbzeichen, dann durch eine genaue schriftliche Beschreibung, endlich, wenn immer möglich, durch Eintragen auf einen, wenn auch flüchtig entworfenen Grundriss, der die Hauptcharaktere der Oegend wiedergibt. In dieser Hinsicht besonders wäre die Wahl der gleichen Personen zur Wiederholung der Messungen in verschiedenen Jahren sehr vortheilhaft.

III. Specialinstruktion

über

botanische und zoologische Beobachtungen in nnsern Hochalpen.

1 ) In den letzten Jahren wird ein Eückgang der Gletscher und Firne in unsern Alpen beobachtet und damit in Verbindung ein Fortschreiten der Vegetation nach Oben.

Es ist sehr erwünscht, dass genaue Angaben über diesen Vorgang gesammelt werden; ob also z.B. ein hochgelegenes Alpenthälchen oder ein Abhang, die jetzt im Sommer schneefrei werden und einen Anflug von Vegetation aufweisen ,* nicht früher während des ganzen Jahres von Schnee bedeckt waren und wann diese Veränderung vor sich gegangen sei?

Die Pflanzen-, aus denen diese neuen Ansiedlungen bestehen, sind zu sammeln, wie in ( 4 ) angegeben wird.

2 ) In Uebereinstimmung damit wäre in Erfahrung zu bringen, ob auf verschiedenen Alpen in Folge dieser Zunahme von Vegetation der Weidgang der Kühe und Schafe gegenwärtig weiter oder weniger weit in die Höhe reicht als früher.

3Ebenso interessant wären zahlreiche genaue Lokal- und Höhenangaben über die höchsten " Waldungen und vereinzelten Bäume jetzt und in früherer Zeit, so wie über das noch höhere Vorkommen von alten Wurzelstöcken im Boden. Man sollte zu ermitteln suchen, ob die Baumgrenze von selbst herab-

", gestiegen ist, oder ob sie durch den Weidgang, durch Abschlagen der obersten Bäume oder andere Einwirkung des Menschen herabgedrückt worden ist.

4 ) Es sind die Pflanzen unserer höchsten Bergspitzen über 9000 Fuss zu sammeln. Diese Pflanzen brauchen nicht kunstgerecht eingelegt zu werden. Es handelt sich nur um Feststellung ihrer Namen. Da genügt es, sie in ein Stück Löschpapier zu wickeln und einfach in den Rocktasche nach Hause zu bringen.

5Ermittlung der Pflanzen und Thiere, welche die M i 11 e 1 m o ränen bewohnen. Dabei ist zu achten:

a. Auf eine genaue Bezeichnung des Fundortes und der Höhe über dem Meere.

b> Stehen die Pflanzen auf den Steinblöcken oder im Schutt?

c. Beschaffenheit der Gesteine, ob Kalk oder krystallinisches Gestein.

d. Angabe über die Häufigkeit des Vorkommens der Pflanzen. Ob sie nur in einzelnen Exemplaren auftreten oder in grösser Zahl?

e. Alle Beobachtungen, welche Aufschluss geben, von woher die Moränen ihre Pflanzen erhalten haben, sind von Wichtigkeit; so auch über den Ausgangspunkt der Mittelmoräne und die dort vorkommenden Pflanzen.

6Sammeln und Beobachten der Pflanzen und Thiere auf den Seiten- und Endmoränen. Alles was darüber Aufschluss geben kann, in welcher Zeit der kahle unter dem Gletscher hervortretende Boden sich mit Vegetation bedeckt und dem thierischen Leben zugänglich wurde, ist von Interesse.

7Sammeln der höchsten an der Schneegrenze vorkommenden kleinen Schnecken. Auf beweglichem Boden von Schutt und Geröll finden sich keine; sie sind nur da zu suchen, wo Boden und Felsen seit langer Zeit im gleichen Zustande blieben. Man findet sie dann an und unter Steinen, im Moos oder an den. Wurzeln der Pflanzen. Es. genügt, sie, unter Angabe für die GhtscheiTeisenden.3ÎÏ )

des Fundortes, in ein Gläschen oder Schächtelchen zwischen Baumwolle zu legen und so zu versenden.

8Der rothe Schnee ist eine vielbekannte Erscheinung; dennoch wären zahlreichere Angaben über die Orte, wo es besonders schön vorkommt und die Epochen seiner höchsten Entwicklung, so wie über die Tiefe, bis zu welcher er in den Schnee dringt, willkommen. Zahlreiche Proben, in Gläschen verschlossen, wTerden entscheiden, ob es nur eine oder mehrere Arten solcher rothen Organismen gibt.

9 ) Die Gletscher flöhe ( Desoria glacialis ) sind als das einzige auf dem Gletscher einheimische Geschöpf besonders merkwürdig. Sie leben auf dem Eise selbst, unter Steinen und Schutt. Es wäre zu bestimmen wichtig, wie hoch diese Thierchen noch vorkommen, namentlich ob sie sich noch auf dem Firne finden.

10 ) Falls kein besonderer Beobachter sich findet, ist Herr Prof. Heerbereit, die Pflanzen und Insekten zu wissenschaftlicher Benutzung in Empfang zu nehmen und Herr Prof. Mousson2 ), gleichfalls in Zürich, die Mollusken.

). Adresse: Hrn. Prof. Dr. O. Heer, Auf Dorf, Zürich.Hrn. Prof. Dr. Alb. Mousson, Zeltweg 13, Hottingen bei Zürich.

IV. Specialinstruktion

über

die Spuren der Gletscher der Eiszeit.

1Der Alpenclub kann eine der schönsten Aufgaben lösen, wenn er die Spuren der Eiszeit, nämlich jener geologischen Epoche, in welcher die ganze niedere Schweiz von Eis überfluthet war, durch das ganze Alpengebirge, den Stammort auch dieser Gletscher, verfolgen und feststellen wollte. Dazu ist es nothwendig, die Merkmale zu kennen, welche von dem frühern Dasein der Gletscher an einem Orte unzweifelhaft Kunde geben.

2Die festen Felsen, an welchen der Gletscher gearbeitet hat, sind im Kleinen meist geebnet, oft glatt und polirt, im Grossen eigenthümlich flach-gerundet, die Rundhöcker ( surfaces moutonnées ). Soweit an den Berghängen und Thalwänden, frei oder unter der Erde, solche Flächen getroffen werden, so hoch sind auch die alten Gletscher gestiegen, eine Höhe, die oft um viele hundert Meter die Thalsole übersteigt. Höher klimmend, gelangt man an eine Grenze, äem geübten Auge schon aus der Ferne erkennbar, wo diese Formen aufhören und alle Felsen schroffes, bald scharfes und eckiges, bald zerrissenes und zerbröckelndes Ansehen gewinnen, je nachdem die Witterungseinflüsse sich seit Entstehung des Gebirges daran geltend gemacht haben.

3Diese leicht aufzufindende Grenze sollte nun vom Ausgang der Thäler bis zu ihrem Ursprung, selbst in Thälern, wo gegenwärtig keine Gletscher mehr bestehen, dann auch, so weit möglich, durch das Hochgebirge selbst, verfolgt und so genau auf Karten eingezeichnet werden, dass man den Anfang und thal-niederwärts das Gefälle der riesengrossen Gletscherzungen erkennen könnte.

4Eine zweite ganz eigenthümliche Wirkung der Gletscher sind die Furchen und Kritze, welche er durch Verschiebung harter Steine und Körner in die Felsflächen und in einzelne Geschiebe oder Gerolle, besonders in solche von Kalkstein, gräbt. Kein anderes Agens der Natur erzeugt solche Kritze, daher das Dasein derselben an einzelnen kleinern oder grössern Steinen ein sicheres Zeugniss für das Dasein oder die Nähe früherer Gletscher abgibt. An festen Felswänden beobachtet, wo die Furchen ziemlich parallel verlaufen, deuten sie zugleich die Kichtung der Eisbewegung an.,

5Das dritte Hauptmerkmal der alten Gletscher bilden die oft sehr weit von allen jetzigen Gletschern beobachteten und von ihnen unabhängigen Moränen. Die Seitenmoränen ziehen sich oft an beiden Thalwänden in langen, stellenweise unterbrochenen, dann wieder stärkern Trümmerwällen hin, die häufig durch eine Stufe oder Vertiefung vom Bergabhang getrennt sind. Man erkennt sie gleichfalls an der Natur ihrer Gesteine, welche, aus der Ferne herabgeführt, meistens wesentlich von denen der Thalwand abweichen.

6Wie an den jetzigen Gletschern haben sich damals, freilich oft in weit grössern, zu wahren Hügeln anwachsenden Dimensionen Endmoränen gebildet,

die als ein bogenförmiger Wall, an einzelnen Stellen unterbrochen, den Thalboden durchsetzen. Auch hier erscheinen die Trümmer, wenigstens in den tiefern Thälern, als Fremdlinge der Gegend und zwar so wenig geordnet, so regellos durcheinander gewühlt, grosse und kleine, eckige und gerundete, glatte und geritzte Stücke, dass nur der Gletscher solches zu Stande bringen konnte.

7 ) Alle diese, so sehr charakteristischen Moränen sind genau in die Karten einzutragen und zu Ende des Jahres, zur Uebertragung in die Karten des Gletscherbuches, an den Redaktor des letztern einzusenden. Die Zusammenstellung all' dieser Daten wird einen wesentlichen Faktor zur Aufklärung der Eiszeit bilden.

Y. Specialinstruktion

über

einzelne von den Gletschern unabhängige Punkte der Beobachtung.

1 ) Es wird den Reisenden des Hochgebirges sehr empfohlen, auf alle in hohen Regionen vorkommenden Felshöhlen Acht zu haben. Es wäre die Höhe, die Lage, die Grosse, die Gestalt derselben, womöglich mit Mäassangaben und Zeichnungen, genau zu notiren. Dann sollte unterschieden werden:

für die Gletschßrreisenden.885

a. Ob es ursprüngliche im krystallinischen Gestein befindliche Höhlen sind, zu denen auch die Krystallhöhlen gehören;

b. ob sie im Kalkgebirge vorkommen und durch Auswaschung, Auswitterung weicherer Massen oder durch die Schichtenkrümmungen entstanden sind. Dahin gehören auch die Sinter und Tropfsteinhöhlen;

c. ob sie in ihrem Grunde bleibend oder vorübergehend Eis enthalten, sogenannte Eishöhlen, und unter welchen Verhältnissen gegen die äussere Atmosphäre;

d. endlich wäre von allerhöchstem Interesse, wenn, was leider wenig wahrscheinlich ist, Knochenreste gefunden würden. Anderswo entdeckt man dieselben besonders unter einer Kalksinter decke am Boden oder in den Spalten der Wände der Höhle.

2 ) Est ist längst bekannt, dass die obersten hervorragenden Spitzen der Felsgipfel häufigen Blitzschlägen ausgesetzt sind, die ähnliche Wirkungen zurücklassen, wie der Blitz sie an solchen Substanzen auch sonst hervorbringt. Es sind durch Schmelzung abgerundete Kanten und Ecken, tropfenartige Kügelchen einzelner leicht schmelzbarer Bestandtheile oder glasirte Oberflächen, oft von ziemlicher Ausdehnung, was von der Natur des getroffenen Gesteins abhängt.

Proben solcher Wirkungen von mannigfachen Gipfeln sind nicht ohne Interesse und können, wenn nicht anders darüber verfügt wird, an die Sammlung des schweizerischen Polytechnikums* ), wo bereits manche Stücke dieser Art sich finden, eingesandt werden,

* ) Herrn Prof. Arnold Escher an dem schweizerischen Polytechnikum in Zürich.

3 ) Wenn die Special vereine kleine Sammlungen der Steinalten, welche die höchsten Gipfel ihres Gebietes bilden, zusammenlegen wollen, so kann das manchem Keisenden von Interesse sein. Bei den gewaltigen Umwälzungen unserer Gebirge kann man oft nicht von den unten beobachteten Felsarten auf diejenigen der Gipfel schliessen. Solche Gesteinsproben, um von Nutzen zu sein, müssen einerseits die Wirkungen der durch Jahrhunderte fortgesetzten atmosphärischen Anwitterung zeigen, anderseits womöglich auch friche Bruchflächen, welche die wahre Natur des Gesteins erkennen lassen.

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