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Kletterfahrten des SAC nach Korsika 1954

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 5 Bildern ( 133-137Von Wolfgang Schwab

( Küsnacht, Zürich ) Korsika Insel der Berge! Im Norden die Gruppe des Monte Cinto und seiner Trabanten, mit Hochgebirgscharakter, ohne Clubhütten, selbst ohne Biwakschachteln, herb, wild, abweisend mitunter - im Süden, am Col de Bavella, die Aiguilles de Bavella, deren Granitkleid oft rosenrot gefärbt ist, in einer Landschaft milder Prägung, Dorado für den Kletterer scharfer Richtung. Vergleichsweise mag sich die Nord- zur Südgruppe verhalten wie die Urner Alpen zu den Dolomiten. Literatur ist über beide Gruppen nur spärlich vorhanden; so sind sie gleichsam Neuland für den Bergsteiger. Unser Ziel war die Nordgruppe.

Anmarsch Einzigartig schön war der Flug des Silbervogels « Ciel d' Artois », der uns in 2000-3000 m Höhe über dem blauen Meer von Nizza nach Korsika trug. Der Nordzipfel Korsikas tauchte auf; wie Kleinspielzeug lag Bastia unter uns, wo wir nach einstündigem Flug landen. Wir bummeln durch die alte Stadt, verlassen sie gegen Abend im Car. Das bebaute Land wird bald gebirgig; bei Tagesneige durchfahren wir die wilde Schlucht der Scala Regina. Schon zeigen sich dunkle Silhouetten - die Vorberge der Nordgruppe - und schliesslich sitzen wir am Abendtisch im « Hôtel des Touristes » in Calacuccia ( 847 m ). Diese kleine Ortschaft, von Kastanienbäumen umrahmt, bildet heute den besten Ausgangspunkt für Bergfahrten in der Nordgruppe.

Am nächsten Morgen bringt uns der Car noch 2 km weiter bis Albertacce. Mit Rucksäcken von gut 20 kg verfolgen wir nun den gerölligen Holperweg nach Calasima ( 1100 m ), dem höchstgelegenen Weiler Korsikas, der wie ein Schwalbennest hoch über der Mündung des Val Viro liegt. Schon sehen wir westlich des Tals die stolze Paglia Orba, östlich die Zacken der Cinque Frati. Mählich verläuft unser Pfad gegen den Talgrund, wo die leise Melodie des Virobachs erklingt.

Ein riesiger Felsblock, von grossen Höhlungen durchzogen, steht nun vor uns, die « Grotte des Anges », die wir nach insgesamt 21/2 Stunden Marschzeit erreichten. Hier sind wir zu Hause.Viele gute Dinge finden sich in der Grotte. Auch die « Anges » fehlen nicht, denn mit bewundernswerter Hingabe walten hier die CC-Mitglieder Barbey und Imhof und sorgen unermüdlich für unser leibliches Wohl, wobei sie von einem einheimischen Koch, « Louis » geheissen, unterstützt werden. Unter einem Vorsprung wird die Küche eingerichtet.

Wir beginnen, den Platz unterhalb des Felsens zu ebnen. Am späten Nachmittag kommen Maultiere mit Zelten, und am Abend ist eine Zeltstadt von insgesamt 11 Zelten fertiggebaut.

Der zu ergänzende Proviant wurde alle zwei Tage durch Maultiere heraufgebracht; sie waren auch Briefkasten für ausgehende Post.

Unsere Führer sind Uoli Gantenbein und Felix Julen, denen sich zeitweise die Moser Christian Guler und Florian Zogg als Helfer zur Verfügung stellten.

Die Bergwelt ums Val Viro Während östlich unseres Tals nur wenige Erhebungen, der Monte Albano und die Cinque Frati, zu nennen sind, dominiert der Hauptharst der Nordgruppe in ovaler, fast halbkreisförmiger Linie westlich des Tals. In diese mehrfach gegliederte Kette sind zwei Sättel eingeschnitten, von denen aus die eigentlichen Besteigungen erfolgen, der Col Foggiale über einem westlichen Seitental des Val Viro und der Col de Crocetta über dem hintersten Grund des Virotales.

An den beiden ersten Tagen hatten wir um 2 Uhr Tagwache, eine halbe Stunde später Frühstück und Abmarsch um 3 Uhr. Dann waren wir zum Schluss gekommen, dass es recht wohl genüge, bei Tagesanbruch loszuziehen; so verlegten wir die Tagwache auf 3 Uhr und den Abmarsch auf 4 Uhr.

Und nun mögen die Kletterfahrten unserer beiden Gruppen beschrieben werden, die in den Tagen vom 26. Mai bis 11. Juni 1954 in Korsika weilten.

Die Berge um den Col Foggiale ( 1963 m ) Die Punta Liciola ( 2237 m ) Sie ist der südliche Eckpfeiler dieser Gruppe. Ihr Nordgrat wirft verführerische Lockung über uns und wurde erstmals von den Kameraden Heinrich Fluri, Otto Grundlehner, Victor Lüthy und Jürg Zeller erstiegen. Über diese Erstbegehung berichtet Kamerad Jürg Zeller: « Der Nordgrat erhebt sich, von der .Grotte des Anges'aus gesehen, als markanter Grataufschwung, der über einen Vorgipfel zum Gipfel verläuft. Er lässt sich wie folgt gliedern: l.Turm ( wenig ausgeprägt2.Turm - Vorgipfel - Hauptgipfel.

Man folgt dem zum Col Foggiale führenden Weglein, das man kurz nach der Bergerie de Prugnote in südlicher Richtung verlässt. Ohne Weg steigt man über steile, mit Bergerlen überwachsene Hänge und erreicht in zirka 1700 m Höhe einen sichelförmig verlaufenden Gratrücken, dem man bis auf zirka 1900 m Höhe folgt. Von dort traversiert man in östlicher Richtung einen Steilhang und erreicht derart den Einstieg ( zirka 1950 m Höhe ).

Der Aufstieg ist wegen der Erlen sehr mühsam und zeitraubend. Der Anstieg durch das etwas mehr östlich verlaufende Seitentälchen, das zirka 500 m unterhalb des Camp beginnt und direkt zum Einstieg führt, ist empfehlenswerter.

Der 1. Turm und damit der Grat ist leicht zu erreichen, indem man einer grossen Rinne folgt, die direkt zur Plattform des Turmes führt. Von da geht man direkt über den Grat, manchmal etwas nach der Seite ausweichend, und erreicht über gutgestuften Fels den Gipfelaufbau des 2. Turmes, der nach links umgangen wird ( zirka letzte 5 m ). Man steht nun vor einer den ganzen Grat entzweischneidenden Querkluft von zirka 3 m Breite, die durch glatte Wände begrenzt ist. Gegenüber in gleicher Höhe befindet sich in der senkrechten Wand eine Nische, die mit einem hinübergeworfenen Seil ( Seilbrücke ) erreicht wird. Gute Sicherungsmöglichkeit von Turm 2 aus, einschliesslich Weiterweg. Man verlässt die Nische einem Risse schräg aufwärts ( rechts ) folgend und weicht dadurch einem Überhang aus. Nach zirka 4 m erreicht man eine Kante, der man bis zu einem guten Stand, zirka 10 m über der Nische, folgt ( schwierigste Stelle, Hakensicherung ). Der Vorgipfel kann nun ohne Schwierigkeiten über gutgestuften Fels erreicht werden. Nach einer Abseilstelle von wenigen Metern ( auch kletterbar ) gewinnt man in wenigen Minuten den Gipfel.

Felsbeschaffenheit: gesunder, grobkörniger Granit.

Schwierigkeitsgrad: mittelschwer mit einer schwierigen Stelle ( Übergang vom Turm 2 aus mit anschliessendem Wandstück ).

Zeitbedarf: für Zweierpartien 2 bis 2 Vi Stunden. » Die Paglia Orba ( 2523 m ) Noch im Laternenschein ziehen wir hinunter an den Viro, überschreiten, ihn auf einem dicken Baumstamm. Dann verfolgen wir den Waldpfad in das Seitental, das zum Col Foggiale hinaufführt. Eine kurze Weile, bei der Bergerie de Prugnote, verbreitert sich das Tal zu grünem Rasengrund. Durch Buschwerk und Felspartien führt der Pfad weiter; um 6 Uhr stehen wir im Col.

Unserer sieben hatten wir uns die Paglia Orba nördlich des Sattels zum Ziel gewählt. Wir verfolgen den Geröllhang, der zum Fuss des Berges führt, steigen in einem Schneecouloir zwischen ihm und einem Felsvorbau rechts empor. Wo das Schneeplateau über dem Couloir wieder absinkt, klafft links am Berg tiefe Schlucht.

Keiner von uns kannte den Weg. Noch vor der Schlucht führen uns artige Bänder, auf denen lila Krokus blüht, und kleine Risse auf eine Terrasse. Dort seilen wir uns in zwei Partien an.

An der Wand dahinter versteckt sich ein kurzer, enger Kamin, über dem wir ein langes Band betreten, das an einem markanten Felskopf vorbei an den Schluchtrand führt. Hier öffnet sich halblinks zu unserer freudigen Überraschung ein prächtiger Kamin, den wir sogleich in Angriff nehmen. Im Kamin wechseln kleingriffige Platten, ein Überhang, kantige Rippen mit schönen Stemmstellen; das gute Gestein - neben Granit roter Porphyr und nagel-fluhartiger Fels - gestaltete die Kletterei zu grossem Genuss.

Ob dem Kamin gelangen wir über einen Schneehang auf die sich verbreiternde Rippe daneben, die sich nach oben immer mehr verflacht. Sie versinkt in dem grossen Plateau, das die Steilwände unseres Berges krönt und über das wir schwach ansteigend um 9.30 Uhr den Gipfel erreichen. Unsere führerlose Kletterfahrt ist gelungen; überglücklich reichen wir uns die Hände.

Tief unten sichten wir das Zeltlager. Der Capo Tafonato, südwestlich, ist fast in Steinwurfweite. Leichter Dunst liegt über dem Meer, in das silberfarbene Felsvorsprünge tauchen.

Um 10.15 Uhr wenden wir uns auf gleicher Route zum Abstieg. Im Kamin wählen wir statt der griffarmen Kante einen höhlenartigen Durchschlupf. In Stemmarbeit kommen wir rasch tiefer, und eine Stunde später entseilen wir uns am Ausstieg.

Am Grathang jenseits des Col Foggiale sehen wir ein Rudel Mufflons. So hatte sich unser Wunsch, diese korsischen Wildschafe mit gewundenem Gehörn zu sehen, schon erfüllt! Sonne lag über dem Gelände und über einem Tag voll Heiterkeit. Um 2 Uhr wieder im Lager, baden wir in der reizenden Bucht des Viro. In klaren Konturen zeichnet sich die Paglia Orba vom nächtlichen Himmel ab, als uns das Zelt zur Ruhe aufnimmt.

Der Normalaufstieg auf die Paglia Orba geht von der Passlücke zwischen ihr und dem Capo Tafonato aus. Kamerad Jürg Zeller schreibt darüber: « Die Besteigung erfolgt vorerst über leichten Fels, immer etwas links haltend. Dann folgen steile kaminartige Rinnen bis auf etwa 2/3 Grathöhe. Nach einer kleinen Terrasse ( Steinmann ) steigt man in einer Schneerinne auf. Immer etwas links haltend erreicht man dann über leichten Fels die flache SW-Abdachung des Gipfels.

Die Besteigung ist für Geübte leicht. Der Fels - nagelfluhähnliche Brocken, die nur wenig verwittert sind - ist zum Teil etwas brüchig. Zeitbedarf vom Pass bis Gipfel mit den sechs Seilschaften der Gruppe F. Julen zirka 2 Stunden. » Der Capo Tafonato ( 2343 m ) Wieder stehen wir am frühen Morgen im Col Foggiale. Wir umgehen die Paglia Orba durch geröllige, gestrüppige Mulde bis zum schmalen Sattel zwischen ihr und dem Tafonato, der als breitgezogene Mauer vor uns erscheint. Hier seilen wir uns an. Porphyr und Granit weben ihr schokoladefarbenes Kleid des Berges.

Nach kurzem Anstieg über ein paar Türmchen und den untersten Berghang leitet uns ein langes ansteigendes Band nach links fast bis an die schmale Südflanke. Über eine Felsentreppe gelangen wir eine Stufe höher, um alsdann über ein Wändchen absteigend das obere lange Band zu beschreiten, das uns wieder nach rechts führt. Es zieht an dem riesigen Felsenfenster vorbei, das den ganzen Leib des Tafonato durchsetzt. Das war ein fabelhaft schöner Anblick! Durch das Riesenfenster, dessen Öffnung gegen Westen noch grösser ist, schauen wir in klaren Farben den Golf von Galeria, ins Meer vorgeschobene Landzungen und die weite blaue Fläche des nassen Elementes. Der plattige Grund des Fensters schliesst gegen Westen ab.

Auf das Band folgt ein horizontales Grätlein bis an den nördlichen « Rahmen » des Fensters, wo wir in einer Rinne höher steigen, um erneut auf einem Band zu landen. Dieses zieht sich noch weiter nach rechts und umsäumt den Berg auf der nördlichen Schmalseite bis an die meerseitige Flanke. Ein kurzes Wandstück, darüber ein neuerliches Band, das südlich zu einem tiefeingeschnittenen Kamin zieht. Er mündet auf eine Terrasse hart an der südlichen Schmalseite.

Nun türmte sich nur noch die senkrechte Schlusswand des Gipfels vor uns auf. An sehr kleinen Griffen turnen wir daran hinauf und stehen um 9.15 Uhr auf der schmalen Zinne.

Nach einer Stunde « seligen Losgelöstseins » wenden wir uns zum Abstieg, seilen uns über die Gipfelwand auf die Terrasse ab. Munteren Sinnes verfolgen wir den « Spiralweg » abwärts.

Wieder in der Scharte, essen wir tüchtig und sind um 2 Uhr wieder im Lager, begeistert über unsere heutige Kletterfahrt.

Die Berge östlich des Val Viro Der Monte Albano ( 2003 m ) Zu diesem « Hausberg » wandern wir gemächlich auf schmalem Pfad in einem östlichen Seitental hinauf, rasten auf einem kleinen Plateau bei einer einsamen Bergerie. Die Paglia Die Alpen - 1956 - Les Alpes19 Orba, uns gegenüber, ist wohl von hier aus am eindrucksvollsten zu schauen. Ihre Einzel-stellung, ihre Unvergleichbarkeit mit andern Gipfeln prägt sich hier am meisten aus.

Weiter wandern wir durch das Gestrüpp der Macchia. Auf einer Steinplatte sonnt sich ein gelbgetupfter Feuersalamander. Vom Sattel am klotzigen Gipfelmassiv gewinnen wir in leichter Kletterei den Gipfel des Albano. Dort träumen wir, entspannen unsern Körper und denken an gar nichts. Leichter Wind endet unsere Rast; jenseits steigen wir in gewundener Rinne ab und queren wieder zum Sattel hinüber.

Die Cinque Frati ( 1800-2000 m ) Diese fünf wilden Zähne zeigen sich am eindrucksvollsten von Westen her, vom Val Viro aus, weshalb sie auch - wohl etwas übertrieben - die « korsischen Kreuzberge » genannt werden. Auch vom Albano aus schauten wir sie in ihrer ganzen Grösse. Der zweite Zahn hat ein riesiges, ausgehöhltes Loch, und es sieht aus, als sei ihm eine Plombe herausgefallen.

Wir liessen es uns nicht nehmen, nach dem Albano noch einen Abstecher auf den ersten, höchsten Turm zu machen. Von Nordosten her ist sein Doppelgipfel in leichter Kletterei - ein Couloir, dann daneben ein aufstrebender, gutgriffiger Grat - rasch zu erreichen.

Auch die andern vier Türme können von ihrer « Rückseite » aus in leichter Kletterei erstiegen werden.

Eine Überschreitung aller Türme - wenn man nicht gerade der Hauptachse folgt -bietet eine vier- bis fünfstündige mittelschwere Kletterei, die von beiden Gruppen ausgeführt wurde.

Der technisch schwierigste Aufstieg führt über die Südostflanke des kleinsten der fünf Brüder. Hierüber berichtet Kamerad Walter Bertschi: « In drei Seilschaften, unter Führung Uoli Gantenbeins, standen wir vor dem fünften Turm. Von der Scharte davor ging es über einige Felsstufen auf eine griffarme Platte und in ein Doppelkamin. Nach einer Seillänge mussten wir aus dem Kamin nach links in die Wand hinaus. Von unten hatte es harmlos ausgesehen, aber von nahe besehen war alles abwärts geschichtetes Gestein und grifflos. Uoli musste den ersten Haken setzen. Wir folgen ihm, steigen über eine Platte, dann leichter in einem Kamin aufwärts, um ihn dann nach links in ausgesetzte Wand zu verlassen, wo wir in schwerer, aber schöner Kletterei höherkommen. Es geht in den Kamin zurück, der sich nun zurückneigt, und wir gelangen in leichter Kletterei zum Gipfel.

Wir steigen über die leichte Nordostflanke ab. Unvergesslich ist diese Fahrt, die wir unter der umsichtigen Führung Uolis durchführen konnten. » Die Berge um den Col Crocetta ( ca. 2400 m ) Der Capo Uccello ( 2176 m ) Kamerad Kurt Job berichtet: « Er ist einer der der Grotte des Anges am nächsten gelegenen Gipfel und bildet darum auch das erste Ziel, um uns ins Klettern einzuführen.

Nachdem wir die letzten Vorposten des Waldes, die wir wegen ihrer riesigen Stämme bewunderten, hinter uns hatten, ging es an der primitiven Bergerie de Ballone vorbei nach links. Erst als der Abhang immer steiler und mehr von Fels durchsetzt wurde, seilten wir uns an. Die Kletterei bot keine besonderen Schwierigkeiten; bemerkenswert sind allerdings die grossen Platten, die die Adhäsion unserer Vibram ausgiebig auf die Probe stellten. Die Kletterei endet in ein paar schuttigen Stellen und leichten Kaminchen. Nebel verhüllte die Aussicht. In einer kurzen Aufhellung erhaschten wir einen Blick aufs Meer. Ein kühler Wind wehte am Gipfel; erst beim Abstieg durchwärmte uns wieder die Sonne. » Die Punta Minuta ( 2547 m ) Diese Fahrt schildert Kamerad Otto Büchi: « Nach der Bergerie de Ballone gewinnen wir einen Einblick in den hintersten Teil des Tals. Der Hauptarm des Viro stürzt vom Col de Crocetta Stufe um Stufe. Hartschnee in der Schlucht des Baches ergibt eine willkommene Brücke. Niedere Erlen und Dornbüsche der Macchia begleiten uns weit hinauf.

Eine blockige Rippe gibt uns Zutritt zur Bocca Rossa im Westgrat der Punta Minuta. Hier verbinden wir uns, 4*/2 Stunden nach dem Aufbruch, mit dem Seil. Mit Schnee gefüllte Rinnen leiten zu den Gratfelsen, zum rauhen, kristallinen Fels. Die Kletterei bildet keine Probleme, und nach knapp einer halben Stunde stehen wir auf dem Gipfel der Punta Minuta.

In der Ferne schimmert das blaue Wasser des Golfs von Galeria. Im Süden, über 1000 m tiefer, glänzen die weissen und braunen Zelte des Camps.

Beim Abstieg wenden wir uns wieder zur Bocca Rossa. Beim höchsten Stand der Sonne erreichen wir die morgendliche Anmarschroute. Im Talgrund flüchten flinke Eidechsen vor den schweren Tritten der groben Schuhe. Im Hochwald hängen von den Fichten ganze Trauben eingesponnener Raupen. Meterlange .Prozessionen'dieser Würmer schleichen in unabge-rissener Kette über den heissen Boden. Einmal im Lager, geniessen wir die Badefreuden in den idyllischen Becken des Viro. » Der Capo Rosso ( ca. 2470 m ) Unser Chef-Leiter, Kamerad Dr. Edmond Brandt vom CC Neuenburg, beschreibt die Ost-West-Traversierung dieses Gipfels wie folgt:

« Der zwischen der Punta Minuta und dem Capo Larghia gelegene Gipfel ist auf der Karte nicht eingetragen. Von Cube hat ihn im Jahre 1901 ,Capo Rosso'getauft, und diesen Namen haben wir angenommen.

Der Anmarsch ist der gleiche wie für den Capo Larghia in West-Ost-Traversierung. Kurz vor Ankunft auf dem Col de Pampanossa steigen wir auf steilen, engen ,Schlangenpfaden'empor und gelangen über Schneezungen an die Südostwand. Schräge Felsrippen gewähren uns auf dem kieseligen Gelände guten Halt. Ohne grosse Schwierigkeiten erreichen wir einen kleinen Grat der Südostwand. Über grosse Granitfelsen kletternd, folgen wir diesem bis zum Gipfel ( Pass-Gipfel 114 Std. ).

Ohne auf Schwierigkeiten zu stossen, steigen wir den Grat hinunter zum Pass zwischen Capo Rosso und Punta Minuta. Nach einem grossen Felsblock gelangen wir auf eine Geröllhalde, deren wir fast überdrüssig werden! ( Gipfel-Pass 20-25 Minuten. ) Schnee erleichtert uns den Abstieg im ersten Drittel der Südflanke. Wir stossen auf frische Mufflonspuren; wahrscheinlich wurden die Tiere durch uns aus ihrer Ruhe aufgestöbert. Bald auf Felsbändern, bald auf Geröllhalden erreichen wir den Weg, der vom Col Crocetta zur Bergerie de Ballone führt ( Pass-Weg 40-45 Minuten ). » Zu erwähnen ist noch, dass dieser Gipfel nicht verwechselt werden darf mit dem gleichnamigen, auf der Karte eingetragenen « Capo Rosso » ( 2043 m ) nordwestlich der Paglia Orba.

Der Capo Larghia ( 2520 m ) Die West-Ost-Überschreitung dieses Doppelgipfels schildert Kamerad Kurt Job: « Eine in allen Teilen grosszügige Kletterfahrt liegt vor uns. Nach Kämpfen mit widerspenstigen Büschen, Bachüberquerungen, Überwindung von glatten Platten, kleinen Steilstufen und Geröll atmen wir nach dreistündigem Anmarsch auf, wie wir die Lücke westlich des Larghia erreichen. Auf der Nordseite des Berges geht es weiter über ein langes schräges Kletterband zur gewaltigen Kaminreihe, in der wir mit wechselnden Schwierigkeiten emporzusteigen beginnen. Das lose Gestein erfordert Vorsicht. Die letzte Seillänge bringt die Überwindung eines Überhanges und führt in genussreicher Kletterei aus dem schattigen Schlund auf den lichtüberfluteten Gipfel.

Der Abstieg in die markante Scharte jenseits weist eine Stelle in senkrechter Wand auf, die etwelche heikle Kletterstellen bietet.

Die .Attacke'auf den zweiten Gipfel beginnt mit einer eindrucksvoll steilen Seillänge; dann folgt ein zerborstener horizontaler Grat, worauf ein kleines Wändchen auf den zweiten Gipfel führt.

Der Abstieg begann mit einer Abseilstelle und brachte verschiedene Probleme und manche Abwechslung, bis wir des Seiles ledig über Schnee und Geröll zu Tal eilen konnten. » Der Monte Cinto ( 2710 m ) Nach mühsamem Aufstieg durch wilde, unberührte Natur - Gestrüpp, schmales Bachbett, Felswändchen, Platten, Rinnen, von Terrassen unterbrochene Wandstufen - erreichen wir, zum Schluss über Schnee, den Geröllhang, der zum Col Crocetta hinaufführt. 4 Stunden haben wir bis zum Col gebraucht.

Dieser höchste Pass der Nordgruppe, wo wir eine Rast einschalten, bildet gewissermassen ihren Angelpunkt. Kletterberge um uns: neben der Punta Minuta der in glatten Wänden abbrechende Granitklotz des Capo Larghia. Neben der Paglia Orba - königlich wie immer -erscheint der Tafonato wie ein höckeriges Dromedar. Uns zunächst, gegen den Monte Albano zu, der Monte Falò.

Nordöstlich aber zieht ein zackiger Kamm zu der Kuppe des Monte Cinto, der im Morgenlicht wie eine lockende Sphinx erscheint.

Einen Schnehaeng querend - tief unter uns der noch überdeckte Lac de Cinto - gewinnen wir den Grat. Er schenkte uns eine Hochwanderung von ausserordentlichem Reiz.B.ald auf, bald neben dem Grat - auch Rinnen und Couloirs fehlen nicht - kommen wir immer näher an das Gipfelmassiv heran, das sich wie der Bug eines Schiffes vor uns erhebt. 1 V2 Stunden nach Verlassen des Cols stehen wir auf dem höchsten Gipfel Korsikas. Ein Holzkreuz steht auf ihm.

Sehr weit und ausgedehnt ist die Rundsicht; selbst die Bavellagruppe im Süden ist in dunklen Konturen erkennbar. Über Vorgebirge, Wälder, Klippen und Buchten - alles leuchtet in plastischen Farben - schweift der Tiefblick auf das rings grenzenlos erscheinende Meer, das in unbestimmter Ferne im azurblauen Himmel sich verliert. Es ist windstill. In stolzem Flug zieht ein Adler nahe am Gipfel vorbei. Ein Gefühl der Zeitlosigkeit ist über uns gekommen.

Eine halbe Stunde vor Mittag enden wir die glückhafte Rast. Zum Abstieg wählen wir die Ostflanke, die noch ein dichtes Schneekleid trug, denn auch hier - wie in unseren heimischen Bergen - lag die sommerliche Entwicklung noch um einen Monat zurück.

Wir kommen an den Mauerresten des einstigen Refuge Helbronner vorbei. Zu gerne hätten wir unsere Sommerski bei uns gehabt. So fahren wir nun« per pedes », fast in geradem Zug, über die ganze, wohl 500 m hohe, schluchtartige Flanke ab. Mitunter unterbrechen Felsabsätze und Bänder unsere Fahrt. Wo am Fuss der Ostflanke der Bach unterm Schnee hervorquillt, ziehen wir unsere nass gewordenen Schuhe aus und lassen sie durch die Sonne trocknen.

Noch haben wir vier Stunden lagerwärts zu wandern. Nebel senkt sich herab und überdeckt die ganze Flanke. Über Platten, durch Buschwerk und Geröll geht es das einsame, gegen Calacuccia ziehende Tal auswärts. Wo der Bergzug rechterhand - die Ausläufer des Monte Falabsinkt, überschreiten wir eine grüne Kuppe, von der wir jenseits in das tiefeingeschnit- tene Tal gelangen, das vom Sattel am Monte Albano gegen Calasima zieht. Nun schauen wir die Cinque Frati von ihrer weniger ins Auge fallenden Rückseite.

Wiederum steigen wir auf eine begrünte Kuppe, die den Cinque Frati südlich vorgelagert ist. Auf diesem Hochplateau, wo die korsische Heide blüht, geraten wir unversehens in ein märchenhaft schönes Blumenparadies. Bunte Farbenpracht umgibt uns. Weisse Erika, Ginster, goldgelbe « Jeunettes » und vor allem duftende weisse Bergamaryllis, die sich bis zu den Felsregionen hinaufziehen.

Weiter unten durchschreiten wir eine Edelkastanienallee und erreichen den Saumpfad, der von Calasima zu unserem Lager führt.

Überall an den Berghängen bis ins Virotal - die Baumgrenze liegt verhältnismässig tief -behauptet sich die Laricciokiefer ( pinus larix ), die mit ihren schirmartig abstehenden Ästen ein Wahrzeichen Korsikas ist. Skarabäuskäfer tummeln sich am Rande des Wegs und stossen mit den Hinterbeinen die selbstverfertigte Kugel. An unser Ohr tönt das sanfte Lied der Nachtigall - und auch der Kuckuck ruft!

Ein tiefer Grundton schwingt über der Landschaft, und mählich kommt unsere Seele zum Gleichklang. Eine köstliche Hochwanderung liegt hinter uns, als wir nach I3y2 Stunden wieder in unsere Zelte einziehen.

Heimwärts Letztes Erwachen im Zelt. Noch ziehen einzelne Partien auf die zunächst gelegenen Gipfel. Das Lager wird in gute Ordnung gebracht, damit die nachkommenden Kameraden alles gut vorfinden. Allein oder in Gruppen ziehen wir talaus. Wieder sind unsere Rucksäcke 20 kg schwer. Oft blicken wir zurück ins wild-einsame Virotal und zur kühnen Gestalt der Paglia Orba. Dann sassen wir alle in Calacuccia in froher Stimmung um den Abendtisch.

Nochmals müssen wir um 4 Uhr aufstehen. Eine Stunde später entführt uns der Car des Hotels den Bergen. Rucksäcke und Koffer werden auf dem Deck verstaut.

Dieser letzte Tag begann mit Regen; alles war vom Nebel verhängt. Durch dichten Wald fahren wir über den Col de Vergio. Ab und zu zeigen sich wilde Felsszenerien. Wir schauen das malerische Bergnest Ota. Ganz kurz zeigt sich nochmals der Tafonato. Entlang tiefen Schluchten führte unsere Strasse; als wir den Golf von Porto erreichen, hat die Sonne den Nebel vertrieben und schenkt uns klare Sicht. Nach Piana fahren wir durch die Region der « Calanches », wo wir viele interessante Felsbildungen sehen. Dann geht es wieder landeinwärts. Kaktusse säumen die Strasse. Wir fahren durch Eukalyptusalleen und schauen silbergraue Olivenhaine. Als wir um 11 Uhr wieder die Küste erreichen, breitet sich Ajaccio vor uns aus. Wir durchfahren die Stadt und begeben uns ins Hotel Continental zum gemeinsamen Abschiedsessen, an dem unsern Kameraden vom CC Neuenburg, das in sorgfältiger Weise diese Korsikafahrt des SAC vorbereitet hatte, der herzlichste Dank für ihre Arbeit gegeben wird: Dr.Edm.Brandt, Charles Barbey und Alfred Imhof. Nicht weniger auch unsern Führern!

Dann führt uns der Car zum Flugplatz, wo wir unseren ganzen Ballast wieder in Empfang nehmen. Dort ist eben die 2. Gruppe angekommen; wir wechseln Gruss und Händedruck und wünschen ihr « Glückauf »!

Um 15 Uhr fliegen wir in der englischen Dakota, die unsere Kameraden hergebracht hat, ab. Allzuschnell weichen die Berge Korsikas zurück. Bald sind wir in 3000 m Höhe. Später erhebt sich Gegenwind, der den Flug verlangsamt; wir stossen durch dicke Wolkenbänke. Nach 16 Uhr sind wir über Cannes, eine Stunde später über Montélimar. Um 18.30 Uhr schauen wir den Rhein und entsteigen unserem Sturmvogel eine Viertelstunde später in Basel-Blotzheim. Erinnerung ist uns nun der herbe Duft der korsischen Heide, die einprägsame zwiefache Schau auf Berg und Meer bei unseren Fahrten durch Urwaldwildnis auf einsame Gipfel, die vergehende Farbenpracht an der Neige des korsischen Tages. Und « die Erinnerung », sagt Jean Paul, « ist die Probe eines Genusses ».

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