Rest-Reminiscenzen 1893 | Club Alpin Suisse CAS
Soutiens le CAS Faire un don

Rest-Reminiscenzen 1893

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Der 5., 6. und 7. August 1893 — Samstag, Sonntag und Montag — waren die Drillingstage des Centralfestes.

Der Samstag zeigte noch eine werktägliche Miene; er war der ernsten, geschäftlichen Arbeit, den Verhandlungen der Abgeordnetenversammlung gewidmet, über deren ausdauernde Thätigkeit das Protokoll uns hinlänglich unterrichtet.

Der Abend führte dann zu einer kleinen Bergsteigung, zur Erklimmung der „ Falkenburg ", allwo die festgebende Sektion in freier Vereinigung mit ihren Gästen zusammentraf. In Garten, Terrasse und Pavillon machte sich bald eine heimelige Stimmung bemerkbar, deren knisternde Glut durch die Bemühungen des Wirtschaftskomitees zur hellen Flamme angefacht wurde. Und Flammensäulen, aus Pechpfannen genährt, bezeichneten den Clubisten auch den spiralförmig gewundenen Weg zur Höhe und zur Tiefe. Es war der Begrüßung erster Akt, in Worte gekleidet durch das Sektionspräsidium, Mettler-Wolff, das herzliche „ Grüß Gott " der Gallusstadt, von der es zwar im Festgruß u.a. heißt:

Sankt Gallus darf als „ Festestadf Mit Fug und Recht sich brüsten; Doch heut die Hände in dem Schoß, Vergaß sie ganz das Rüsten!

Wenn ihr auch äußern Tand nicht schaut — Des Herzens Stimme ruft es laut:

Willkomm, du Freund der Berge!

Rabenschwarz war die Nacht und ausgelöscht die ewigen Lichter des Himmels. Das Feuerwerk gelangte daher zur vollen Geltung, und noch wirksamer erwies sich die bengalische Beleuchtung einzelner Villen des gegenüberliegenden Rosenberges. Wie aus dem Boden hervorgezaubert erglänzte bald da, bald dort ein einzelnes Heim in feenhaftem Lichte, um im nächsten Augenblicke wieder zurückzusinken in das große Nichts, jenen Luftschlössern gleich, die wohl schon mancher Clubgenosse auf den weltentrückenden Bergen mit offenen Augen sich erträumte...

Ganz gegen meine Gewohnheit war ich keiner der letzten im Aufbrechen, da ich der meiner Sonntags harrenden Pflichten mir bewußt war. Und im „ Überwinden ", wenn 's sein muß, sogar seiner selbst, ist der Clubist stark!

Der Sonntag schnitt ein trüb Gesicht: „ Regn'ich oder regn'ich nicht ?" Er entschloß sich einstweilen zu letzterem, was übrigens dem Besuche unserer Sammlungen und Sehenswürdigkeiten keinen Abbruch that. Um 10 Uhr füllten sich die Räume des Großratssaales zur Generalversammlung, deren aufgeweckte Physiognomie im Berichterstatter kein Heimweh nach den gewöhnlichen Kantonsratsgesichtern aufkommen ließ.

„ Nicht Stand und Rang und Politik Drängt sich in unsre Reihen; In Bergluft gilt der weite Blick, Nicht — Zinnen der Parteien !"

Die Verhandlungen selbst sind niedergelegt im Protokoll. Dem anschließenden Mittagsbankett in der sinnig dekorierten Uhlerschen Kon-zerthalle, und verschönt durch die Klänge der Stadtmusik, werden zwei Dinge nachgerühmt: das schneidig servierte, vorzügliche Menü und der Umstand, daß die Schleusen der Beredsamkeit rechtzeitig sich schlössen, ein Beweis, daß der Club auch auf oratorischem Boden das Maßhalten versteht. Den offiziellen Toasten — Festpräsident Dr. Ed. Scherrer, Regierungsrat, dem Vaterland und Centralpräsident Pfr. Baumgartner der Gallusstadt — folgte ein kordialer Gruß an die welschen Sektionen, dargebracht von Museumsdirektor Wild, während Prof. Raiff, als Vertreter des deutschen und österreichischen Alpenvereins, „ auf guet Schwyzerdütsch " dessen kollegialische Grüße uns übermittelt. Landammann Zollikofer bringt namens des st. gallischen Regierungsrates sein Hoch den Bestrebungen des S.A.C., und von auswärts übermittelte der Draht eine ganze Reihe von Kundgebungen. Auch die schweizerischen Unteroffiziere, in Chaux-de Fonds versammelt, ließen eine Staffette fliegen, von Pfr. Straßer folgendermaßen beantwortet:

„ Ihr im Westen, wir im Osten, lassen nie die Waffen rosten: Alpen, Jura, alles Land, schützen wir mit starker Hand. Gruß ihr Unteroffiziere — Eure Alpenpioniere !"

Beim Verdauungsbummelnach der aussichtsreichen „ SolitudeBerg-besteigung Nr. 2 — suchte der Sonntag seinen Namen zu rehabilitieren: Goldener Abendsonnenschein ergoß sich über Stadt, Landschaft und Gebirge, letzteres vielverheißend die Clubgenossen einladend auf den morgigen Tag, zur Bergbesteigung Nr. 3. Als dann die Schatten länger und länger wurden, kehrten Gäste und Eingeborne zum „ Uhler " zurück — zum „ Familienabend ". Nicht bloß die Bergwelt, auch das Ewig-Weibliche zieht uns hinan; Beweis: das von Paul Fährmann wirksam in Musik gesetzte Festspiel „ Durch die Blume ". Lied und Wort wechselten um die Wette; die beiden Clubpoeten, Pfr. Straßer und Uto Köbi, erkletterten den bekannten Helikon; in beiden Zungen gaben Regierungsrat v. Steiger, Bernoud, Barbey und andere dem Momente die höhere Weihe. Das Skioptikon illustrierte den Rückblick auf die 30jährige Clubvergangen-heit, und Träger berühmter und vielverdienter Namen traten aus ihrer Abgeschiedenheit in den Lichtkreis der pietätsvoll lauschenden Versammlung. Der zweite Teil der Produktion, einem fröhlichen Anschauungs-unterrichte huldigend, brachte sodann die alpine Naturgeschichte in humoristischen Bildern zur Darstellung. In den Pausen ließ der Festaktuar seine aus Anhänglichkeit an die edle Clubsache gestifteten Festgaben ( Zeitung, Bilderbuch, Denkmünze ) zur Verteilung bringen, sich weidend an den überraschten Gesichtern seiner engern Clubfreunde, von denen keiner in diese Rubrik „ Unvorhergesehenes " eingeweiht worden war! Den wirksamen Abschluß des Abends bildete eine „ innerrhodische Alpstubete ". Keine Imitation, alles echtes, urchiges Naturvolk, zu dem sich dann noch eine Anzahl gesangeskundiger Touristen gesellte. Ein Stück unverfälschter Wirklichkeit sollte sich abspielen — ohne Vorprobe, ohne Textstudium, ohne theatralischen Aufwand. Und der Wurf gelang vorzüglich. In deutscher Sprache und in bewegten Worten, die sichtlich von Herzen kamen und zu Herzen gingen, gab der Maler Lorié seinen Gefühlen Ausdruck.

Mit einer kleinen Anleihe beim Montag schloß das sonntägliche Familienfest; der Wunsch der Portalinschrift: „ Es zieh mit mächt'gem Flügelschlag der Berggeist durch die Hallen " hatte sich erfüllt.

Der Montag war so himmelblau, als ob er eben frisch angestrichen worden wäre. Trotz der arg beschnittenen Nachtruhe — die beiden Extrazüge der Straßenbahn fuhren um 450 und 5 Uhr nach Gais — fanden sich die Genossen doch zahlreich und pünktlich ein. Im Weißbad, das nach einer einstündigen Fußwanderung über das Guggerloch erreicht wurde, harrte der Teilnehmer ein einfaches Gabelfrühstück, während uns liebliche Kinder in Nationaltracht Alpenrosen ins Knopfloch steckten. Diesmal waren es aber nachgeahmte „ Zischgen ", Angehörige dortiger Kurgäste! Getrennt marschieren und vereint pokulieren: in verschiedenen Kolonnen, auf dem gewöhnlichen Pfade, am Escherstein vorbei, wie auch auf Umwegen über Äscher, Wildkirchli und Ebenalp wurde das Ziel erreicht — das Picknick in der Seealp. Zu Füßen den klaren Bergsee, zur Seite unsere Alpsteinveteranen und über uns die strahlende Morgensonne — da fühlte der S.A.C. sich so eigentlich in seinem Element, und eine ungezwungene Fröhlichkeit, von der ein steif-nummeriertes Festprogramm keinen Hochschein besitzt, bemächtigte sich der lebenslustigen Geister. Edles Naß und packende Beredsamkeit flössen stromweise. Wollen Sie die Toaste nochmals hören? Ohne die Macht des lebendigen Wortes, ohne die Weihe des Augenblickes, ohne die begeisterungsvolle Stimmung läßt sich der Eindruck der wirkungsvollen Reden nicht ermessen; aber sie alle lassen sich zusammenfassen in das feierliche Gelübde: treu zu bleiben der hehren Bergesliebe; mannhaft einzustehen für die edle Clubsache; die geläuterte Welt- und Lebensauffassung — den ethischen Gewinn des Bergsteigens — in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, zu Nutz und Frommen unseres schönen, freien Vaterlandes. ( Es sprachen noch u.a. Landammann Sonderegger, namens des Standes Innerrhoden; das Centralpräsidium; Pfr. Straßer und Pfr. Hofmann; Karl Diethelm; Fritz Grob; Uto Köbi, welcher eine wallensteinsche Kapuzinade von Stapel ließ. ) Die Sonne hatte den Zenith längst überschritten, als das Festpräsidium Schluß des offiziellen Teils erklärte, mit einem lebhaft applaudierten „ Auf Wiedersehen am Fuße des Mythen 1895 ".

Fähnlein um Fähnlein zog ab; alle bekannteren Gipfelpunkte erhielten Besuch; weitaus die größte Anziehung übte natürlich Papa Säntis aus. Das Trüpplein der übrig gebliebenen Festsektion aber, verstärkt durch den Stab des Centralkomitees, pilgerte noch hinüber zur Tschudiplatte, allwo Sanitätsrat Eehsteiner in bewegten Worten auf dem Denkmal von Stein das Denkmal im Herzen in uns auffrischte. Und aus is.

Feedback