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Schweizer-Berge und Schweizer-Grenzen

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Von G. Meyer von Knonau.

Schweizer-Berge und Schweizer-Grenzen Einer der gelehrtesten Eidgenossen, zu seiner Zeit jedenfalls das berühmteste wissenschaftliche Licht seiner Heimat, hat auch die älteste Schilderung des Schweizerlandes und seiner Bewohner zu Stande gebracht. Das war der Einsiedler Mönch, Decan Albert, aus dem altangesehenen Geschlechte der Freien von Bonstetten, und sein Werk ist die 1481 dem Könige von Frankreich, Ludwig XL, gewidmete « Descriptio Helvetiae»* ).

Bonstetten eröffnet in einem ersten Capitel seine allgemeinen geographischen Begriffe, welche er in einer Zeichnung zu erläutern sucht. Es wurde gefabelt, meint er, dass Atlas durch seine Kraft das Firmament in Bewegung setze, und zwar thue er das mit der rechten Anmerkung. Der Verfasser sprach über dieses Thema vor der Section Uto, am 7. Januar 1876.

* ) Abgedruckt in den Mittheilungen der zürcherischen antiquarischen Gesellschaft, Bd. III.

30 Hand, so dass er also nothwendiger Weise den Osten mit derselben halte, während die linke gegen Westen gestreckt sei: « und weil », fährt der Text fort, « der Himmel von Osten gen Westen offenbar sich bewegt, wird Atlas selbstverständlich mit seinem Gesichte in die Halbkugel hineinschauen ». Diese Auffassung gibt das Bild wieder: in einem Kreise steht ein Männlein mit zugewandtem Antlitze und ausgestreckten Händen, auf dessen Bauch « Terra » steht, beim Kopfe « Meri-dies », bei den Füssen « Septentrio », während in einem weiteren Kreisbogen der rechten Hand « Oriens », der linken « Occidens » entspricht. Eine zweite Skizze zeigt im oberen Segmente eines Kreises, diesen Voraussetzungen entsprechend, Afrika, während sich in den unteren Theil der Kreisfläche links Asia, rechts Europa theilen. Aber die dritte Darstellung eröffnet nunmehr durch einen grösseren Entwurf Europa's einen genaueren Einblick in den Bau dieses unserem Schilderer natürlich wichtigsten Erdtheiles: — da trennt eine horizontale Linie, auf der fünf Zacken einer Höhenreihe, « Montes », stehen, den Europa zugewiesenen Raum der Art, dass oberhalb, was ja nach Bonstetten südlich ist, Italia sich befindet, unterhalb aber, nördlich, zwei Flüsse, die sich in einer Gabelung vereinigen, « Eenus » und « Lindimac », dem Gebirge entspringen und rechts « Ala-mannia », links « Galli » zur Seite haben. Jetzt ist unser Geograph endlich auf der geradesten Bahn zur Entwerfung der Eidgenossenschaft selbst, und zwar steuert er auf einen berühmten, auch uns Allen wohl bekannten Berg als auf das Centrum seiner ganzen Erklärung los.

« Diesen gemeinsamen Punct der Theilung Europa's bilden die Länder der Eidgenossen, gleich wie ein Herz oder wie ein Mittelpunct. Wer aber wird die Ursache der Benennung des Berges angeben, welcher der Mittelpunct der Länder der Eidgenossen ist, von welchem die Theilung der Länder dieses Herzens von ganz Europa ausgeht? Und zwar ist es der Mons Regina, welchen die Alten die Regina Montium Messen ». Der Rigi also, unter jenem gekünstelt lateinischen Namen, wie ihn die Gelehrten des Mittelalters aufbrachten und wie ihn eine durch ihre blosse Bezeichnung schon blendende Schöpfung der Gegenwart wieder auffrischte, soll der Mittelpunct der Schweiz und damit das Centrum von Europa sein. So sehen wir denn in der vierten Figur mitten im Kreise « Regina Mons » gezeichnet, von wo aus vier Radien ausgehen: aufwärts nach Süden Urania, abwärts nach Norden Thuregum, nach Osten, des Atlas rechter Hand entsprechend, über dem Radius Zwitia, darunter Zug, an der Peripherie Glarona, ähnlich nach Westen auf und unter der Linie Unterwald und Lucerna, am Ende Berna.

Dass Albert von Bonstetten gerade den Rigiberg als das Centrum der eidgenössischen Gebiete hinstellt, hat seine sehr gute Berechtigung. Denn wie der See der vier Waldstätte als das eigentliche einigende Band der Entstehungsstellen der Eidgenossenschaft anzusehen ist, so darf der Berg, welcher auf seinen verschiedenen Theilen den freiesten und zusammenhängendsten Blick auf den gesammten Bau dieses Wasserbeckens eröffnet, in erster Linie als der Ausgangspunct für eine Beschreibung der Eidgenossenschaft erwählt werden. Der Verfasser der « Descriptio Helvetiœ » hat durch diese Wahl seinen historischen Scharfblick wohl bewiesen. Jene Gebiete, welche 1315 die Eidgenossenschaft ausmachten, als nach dem ersten Siege an der Nord-westpforte, am Morgarten, der 1291 geschlossene Bund erneuert und befestigt wurde, lassen sich von den Rigi-höhen aus, theils vom Culm, theils von der Scheidegg, wohl übersehen. Zugleich aber lehrt auch der Blick vom Rigi auf den Kranz der die nächstanstossenden Thalschaften umsäumenden Berge, in wie hohem Grade für diese Anfangszeit der schweizerischen Entwickelung die Begriffe Schweizerberge und Schweizergrenzen sich deckten. Schon fast ganz Unterwaiden, wenn man das Gotteshaus Engelberg mit seinem Gebiete hier mitzählen darf, Uri wenigstens im engeren Sinne ohne das Urserenthal, von Schwyz freilich erst das eigentliche Kerngebiet, die alte Landschaft, sogar noch ohne Arth, selbstverständlich noch ohne Gersau und ohne Küss-nach, allerdings also auch ohne den Rigi selbst, bilden den eidgenössischen Bundesbereich: — vom Pilatus über die Entlebucher- und Haslergrenzgebirge zum Titlis ziehen sich die Marken, schlingen sich dann südlich über die höchsten Gipfel, um nördlich vom Galenstock östlich abzubiegen, hierauf an der das Göschenenthal südlich besäumenden Kette hin zu den Schöllenen zu gehen und vom Crispalt über die Clariden zum Reiseltstock und Fluhberg abermals den Bergen zu Schweizer-Berge und Schweizer-Grenzen. 4C9 folgen; denn erst von hier an, indem das oberste Sihl-gebiet und das Alpthal bis nahe an Einsiedeln, und dann gegen den Aegerisee hin noch Altmatt, Rothenthurm und Sattel zu Schwyz schon damals gehörten — eben hier war ja am St. Otmar's Abend 1315 die Grenze vertheidigt worden —, war die Marklinie von den Bergen abgelöst.

Die allernächste Ausdehnung eidgenössischen Landes war den Verbündeten von der Natur gewiesen, allerdings aus dem Kreise ihrer Berge in das Mittelland hinaus: — das verstand sich von selbst, dass die vierte Waldstatt und damit das untere Ende des Sees zuvörderst zur Vervollständigung des eigentlichen Kern-gebietes aus einem Stützpuncte der österreichischen Angriffe in ein auf die Dauer befreundetes Bundesglied umgewandelt werden musste. Im Vierwaldstätterbunde von 1332 wurde Luzern, der natürliche Verkehrs-mittelpunct der Leute von Uri, Schwyz und Unterwaiden, herbeigezogen, und mochten sie auch in diesem Bundesbriefe nicht mitgenannt sein, so waren doch auch schon damals die Gemeinden Weggis und Gersau, welche den Bund mit beschwuren, zu den gleichen Rechten mit den Luzernern und den älteren Eidgenossen aufgenommen worden.

Aber auch so war erst eine nothwendige Ergänzung gewonnen — Küssnach besonders fehlte bis 1402, wo die Schwyzer es ankauften: — von einer eigentlichen Ausdehnung des politischen Gesichtskreises ist noch keine Rede. Um so mehr hat man eine solche im ewigen Bunde von 1351, mit Zürich, zu erblicken.

Ein Versuch der verdrängten adeligen Elemente gegen die in der Zunftverfassung begründete demokratische Einrichtung Zürich's hatte den Bürgermeister Brun bewogen, einen Rückhalt bei den Waldstätten zu suchen; aber er war nicht gewillt, durch diesen Bundes-abschluss auf eine selbständige zürcherische Politik zu verzichten, und die Urkunde von 1351 hat der Reichsstadt Zürich einen weit freiem Spielraum gelassen,. als das 1332 der österreichischen Unterthanin Luzern gestattet worden war. Doch besonders in einem Artikel des Zürcher Bundesbriefes zeigt sich eine kühne Erweiterung der politischen Berechnungen der neuen. Bundesgenossen, in der Festsetzung der Grenzen, « der Ziele und Kreise », innerhalb deren « man einander getreulich beholfen und berathen sein soll, gegen alle die und auf alle die, so an Leib oder Gut, an Ehren, an Freiheiten, mit Gewalt oder ohne Recht Unfug, Unlust, Angreifen, Bekränken, irgend einen Widerdriess oder Schaden thaten ». Von einem Programme künftiger Grenzerstreckung zu reden, wenn man diese Grenzen des gegenseitigen Hülfskreises überblickt, wäre für diese Mitte des vierzehnten Jahrhunderts noch zu viel gewagt. Aber immerhin war es für Vertrag-schliessende, deren Gebiete sich noch gar nicht territorial berührten — Zürich war 1351 noch auf den engsten Umkreis beschränkt —, ein muthiges Stück, ein so grosses « Ziel » sich zu stecken, und man darf wohl im Verlaufe schweizerischer Geschichte, wenn allmälig dieser Kreis erreicht oder überschritten wird, jener Politiker von 1351 sich wieder erinnern.

Der Kreis, wie ihn der Bundesbrief von Zürich mit den vier Waldstätten genau umschreibt, ist der folgende. Er beginnt an der Aarequelle an der Grimsel und folgt dem gesammten Laufe dieses Flusses « für Bern hin » ( die auf der linken Seite liegende Stadt ist also jenseits des Kreises ) bis zur Mündung in den Rhein; dann geht die Linie rheinaufwärts bis zur Stelle, wo die Thur in den Rhein fliesst, steigt hernach stets der Thur nach aufwärts, also bis zum Ursprung im obern Toggenburg; die nächsten bestimmt angegebenen Puncte sind die Feste zu Ringgenberg ( im rätischen Oberlande bei Zignau am rechten Rheinufer gegenüber Truns lag dieses abgegangene Schloss ), dann der Plat-tiver jenseits des Gotthard ( Piottino oder Dazio Grande oberhalb Faido am Tessin ), der Doisel ( die Höhe des San Giacomopasses zwischen Bedretto und dem Eschenthal, dem Valdösch ), endlich wieder die Grimsel. Man erkennt deutlich dort das Interesse der Zürcher an der Betonung ihrer Handelsstrasse vom Aargau am Zürichsee hinauf zum Walensee und nach Rätien, hier dasjenige der Urner als der Wächter des Gotthardweges an der Hereinziehung des Südabhanges der Passhöhe in den Umfang des Hülfskreises.

Bekanntlich sind aber die Fünfziger Jahre des vierzehnten Jahrhunderts überhaupt für die Ausdehnung der Eidgenossenschaft fruchtbar gewesen. Zwar die Ergebnisse des Krieges, der auf den Zürcher Bund hin zwischen den Eidgenossen und der Herrschaft Oesterreich ausgebrochen war, gab die Politik Brun's alsbald wieder preis: noch im gleichen Jahre, wo den Eidgenossen zwei neue Bundesländer, bisher österreichische Gebiete, zuschwuren, 1352, gab man in einem ersten, und drei Jahre später in dem bestäti- genden zweiten Friedensschlüsse nochmals, dieselben an Oesterreich wieder auf, so werthvoll das eine, Glarus, als Erweiterung des Bereiches im Hochgebirge, das andere, Zug, zur Anbahnung engerer Verbindung zwischen Luzern und Schwyz einerseits, Zürich andrerseits für die Eidgenossen gewesen wäre. Dagegen wurde noch vor dem völligen Austrag des Gegensatzes gegenüber Oesterreich, zwischen den Friedensschlüssen von 1352 und 1355, der Bund durch den Eintritt von Bern, mochte auch dasselbe zunächst in seiner ewigen Verbindung von 1353 unmittelbar nur den drei Ländern, den Städten Zürich und Luzern bloss mittelbar, durch diese ihre gemeinsamen Eidgenossen, sich zugesellen, in einer ungemein werthvollen Weise vergrössern Hatten die vier Waldstätte 1351 durch die dauernde Verbindung mit Zürich den nordöstlichen Theil der ebenen schweizerischen Lande in den Kreis ihrer politischen Berechnungen zu ziehen angefangen, so war nun 1353 durch die auf alle Zeiten geschlossene Anknüpfung mit dieser zweiten Reichsstadt nicht bloss, wie in Zürich, ein einzelnes, kräftig entwickeltes städtisches Gemeinwesen, sondern weit mehr noch, ein bis dahin für sich bestehendes eigenes System, die Gruppe einer in Bildung begriffenen burgundischen Eidgenossenschaft, in die schwyzerisch-eidgenössischen Pläne hineingezogen. Allerdings war damit auch von vorn herein eine Verrückung des bisher in den Ländern allein vorhanden gewesenen Uebergewichtes auf die Städte vorbereitet; wie Zürich, hatte sich auch Bern die Möglichkeit einer selbständigen Politik neben dem Bunde vorbehalten. Mit der Erweiterung des Kreises über die Berge hinaus ist an die Stelle der bisherigen beschränkten Einfachheit eine zukunftsreichere, aber auch eine Gefahren in sich bergende mannigfaltigere und ausgebildetere Gestaltung getreten.

Die Herbeiziehung Bern's kann nur dann in ihrer ganzen grossen Tragweite gewürdigt werden, wenn auf die Vergangenheit der Stadt bis 1353 ein Blick geworfen wird.

Bern stand in frischester jugendlicher Entwicklung, als es eidgenössisch wurde.Vor 162 Jahren geschaffen, war die Stadt, frühe verwaist und auf ihre eigene Kraft angewiesen, seit 135 Jahren als freies Glied des Reiches, ihrer Ziele bewusst, für ihre Grösse thätig gewesen. Herzog Bertold V., der letzte Zähringer, hatte 1191 Bern auf der die mittelalterlichen Anforderungen an eine Festung trefflich erfüllenden Aarehalbinsel in das Leben gerufen, um es zum Stütz-puncte seiner Unternehmungen gegen den Adel des ostjuranischen Burgund zu machen, und als 1218 mit dem Gründer des neuen Platzes das Herrscherhaus ausstarb und eine neue Ordnung der Dinge zwischen Jura und Alpen vom oberen Aargau aufwärts durch Uechtland bis an den Genfersee eintrat, machte sich Bern, seiner selbst als Reichsstadt mächtig geworden, zur Erbin der Entwürfe des zähringischen Geschlechtes.

Die Wege waren gewiesen: Bändigung des Adels im Hochgebirge und im Mittellande, Festhaltung der Richtung nach Westen gegen das Waadtland, Bewahrung der Verbindung mit den übrigen zähringischen Städtegründungen, vorzüglichmitFreiburg, der Schöpfung Bertold's IV., und mit dem zwar schon älteren, doch gleichfalls durch die Zähringer geförderten Murten. Schon im dreizehnten Jahrhundert haben die Berner nach diesen vorgezeichneten Linien ihre Politik eingerichtet; aber auch Erweiterungen und zweckmässige Abwandelungen treten bereits ein. In den Wirren der letzten staufischen Zeit und des Zwischenreiches stellen sich Bern, Freiburg und Murten fester zusammen; mit dem Bischof von Sitten wird ein Bündniss geschlossen; ja es tritt, allerdings nur auf kürzeste Zeit gültig, ein erstmaliges Verständniss der Berner und « aller unser Eidgenossen von Burgunden » mit Luzern in der Mitte des Jahrhunderts bereits in Kraft. In der ersten Zeit König Rudolfs erwirbt sich Bern durch einen Vertrag mit dem Reichslande Hasle zum ersten Male auch im Hochgebirge eine Stellung; nicht viel nachher beginnt mit Biel das Seeland in sein System einzutreten, und mochte wegen der Haltung Bern's gegen Oesterreich die zur habsburgischen Stadt gewordene alte Bundes-genossin Freiburg ihr enges Verhältniss zu Bern lockern so fand dieses in Solothurn einen reichen Ersatz für diese Einbusse.

Indessen erst das vierzehnte Jahrhundert bringt nun in vollem Umfange die Ausdehnung des Gebietes auf Unkosten des Adels. Die Erben der ober-aargauischen zähringischen Gebiete, die Kiburger zu Burgdorf, hatten längere Zeit zu Bern's Bundesgenossen gezählt, dann aber der Herrschaft Oesterreich sich zugeneigt. Der Versuch Herzog Leopold's, des am Morgarten besiegten und drei Jahre nachher vor Solothurn abgewiesenen Vertreters der österreichischen Haus-interessen, ein inneres Zerwürfniss im Hause Kiburg auszunützen, führte Bern zur -ersten eigentlichen Erwerbung im Oberlande, der Burg und Stadt Thun, welche es dann zwar dem frühern Herrn wieder als Erblehen in die Hand gab; andererseits aber kamen durch diese österreichische Bedrohung die Berner 1323 zu ihrem ersten Bündnisse mit den durch den gleichen Gegensatz ihnen nahe gebrachten Waldstätten. Sechszehn Jahre später, als die gesammte Adelspartei, um die abtrünnig gewordene Schwesterstadt Freiburg geschaart, in dem über den Besitz von Laupen entbrannten Kriege Bern zu erdrücken gedachte, fanden die Bundesgenossen aus den Ländern Gelegenheit, ihre Treue zu beweisen, und der glänzende Ausgang dieser gefahrvollen Lage, die Nöthigung für die adeligen Gegner, mit Bern sich auseinander zu setzen, liess nun die schon vorangegangenen Erwerbungen als sicheren Besitz der stets kriegsbereiten Bürgerschaft erscheinen. Als Bern 1353 sich zu den Eidgenossen in förmlichem Bunde auf alle Zeiten gesellte, da waren bereits durch Burgrechtsverträge,durch Pfanderwerbung, durch Schirm-verhältnisse die wichtigsten Theile des Oberlandes, die Freiherren von Weissenburg und die Herrschaft Ringgenberg, die Landschaft Halle* ), das Gotteshaus Interlaken, der Stadt in verschiedener Gestalt, doch überall auf das engste, verbunden; die Burgrechtsverpflich-tungen hatten im Mittellande eine Reihe adeliger Schlösser zu offenen Häusern für Bern umgewandelt; und während Solothurn seine Geschicke immer enger mit denjenigenIch verweise auf meinen Aufsatz im achten Jahrgange des Jahrbuches: „ Halle und Unterwalden ".

Bern's verflocht, hatte -auch Freiburg, trotz der ihm anfangs so ärgerlichen Befestigung Bern's an der untern Saane, in Gümminen und Laupen, sich nach den misslungenen Versuchen im Laupenkriege Bern wieder genähert.

Schon in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts konnte es als eine bald sich lösende Frage der Zeit betrachtet werden, dass Bern über ein geschlossenes Gebiet von den Quellen der Aare und den höchsten Gebirgskämmen gegen Wallis bis an die Aarelinie am Fuss des Jura, als unmittelbar sich zustehend oder durch Zwischenglieder zugehörig, verfügen würde. Nicht, wie Zürich, noch durch Zwischengebiete abgeschnitten, sondern am Brünig und am Susten bereits Grenznachbar war Bern, als es 1353 den Waldstätten auf alle Zukunft die Hand reichte.

Die Fünfziger Jahre des vierzehnten Jahrhunderts gehören zu den Hauptepochen schweizerischer Geschichte, wenn auch zwei von den acht Stücken der Eidgenossenschaft, die man gemeiniglich wegen der Bündnisse von 1352 schon von da an mitzählt, wieder für einige Zeit verloren gegangen waren. Dass Zug nur bis 1364 entfremdet bleibt, ist ein Verdienst der Schwyzer. Bei Glarus dauert es noch länger, bis es nur wieder in etwelchen Beziehungen zu den Eidgenossen auftritt, und erst in dem nächsten grossen Waffengange gegen Oesterreich, dem ein längerer Friede voraufgeht, wird der Bund von 1352 für die Glarner wieder vollkräftig. Aber überhaupt ist diese Zeit neuen Krieges, in den Achtziger Jahren, eine neue Periode des Wachsthums der gesammten Eidgenossenschaft.

Für die Verschärfung des keineswegs auf den Boden der Eidgenossenschaft allein sich beschränkenden, sondern in ähnlicher Weise zunächst im schwäbischen Gebiete sich fortsetzenden Gegensatzes, des adeligen und des bürgerlichen Elementes, wie er dann 1386 im Sempacherkriege zum Ausbruche kam, hatte ein vorhergegangener Kampf der Berner mitgewirkt. Gegen Bern's getreue Bundesstadt Solothurn, welche sich aare-aufwärts auszudehnen begann, gleich Bern die Verarmung des Adels ausbeutend, war ein Ueberfall der Grafen von Kiburg zu Burgdorf missglückt und damit den beiden bedrohten Städten die Möglichkeit eröffnet, die Gegner mit ihren Anhängern gänzlich unschädlich zu machen, die auf deren Macht sich gründende Stellung der österreichischen Politik im Oberaargau zu vernichten: Burgdorf wurde 1384 bernerisch und im Weiteren Thun nun bleibend herangezogen. Allein österreichische Plätze waren auch anderen schweizerischen Städten theils hinderlich, theils geradezu gefährlich, zumal seit 1385 ein förmliches Bündniss von diesen mit den süddeutschen Städten geschlossen worden war: — ganz nahe vor seinen Thoren hatte Luzern den lästigen Zoll zu Rothenburg; den Zugern war die Feste St. Andreas bei Cham im Wege; Zürich sah mit grossem Missvergnügen auf die Stadt Rapperswil und die lange Brücke, welche dort erbaut worden war, um den Verkehr seeaufwärts von Zürich abzuziehen. Man glaubte die feindseligen Absichten Herzog Leopold's genügend zu kennen und ging mit dem eigenen Angriff voran. Ganz besonders war es Luzern, welches keck die ihm bisher gesetzten engen Schranken durchbrach und sich ein Gebiet schuf, indem es Rothenburg zerstörte, Sempach in sein Burgrecht nahm und durch Brechung der Feste Wolhausen den Schlüssel zu einer weiter angebahnten Erwerbung, der Landschaft Entlebuch, sich verschaffte. Es ist bekannt, wie völlig das Glück mit den Eidgenossen war: nach dem einen grossen Schlage bei Sempach und dem Tode Herzog Leopold's war auf dem aargauischen Kriegsschauplatze kein ernsthafter Widerstand mehr, und im Osten machten sich 1388 durch den Erfolg bei Näfels von der ihnen früher wieder auferlegten österreichischen Herrschaft die Glarner auf alle Zeit frei. Mächtig in ihren Grenzen erweitert und gestärkt gingen die Eidgenossen im endgültigen Frieden von 1389 aus dem Kriege hervor. Während im Nordosten Glarus, in seinem Unterlande etwas vergrössert, nun ganz als Ort der Eidgenossenschaft gelten konnte, hatten die Schwyzer ihre Grenzen nordwärts über die Waldstatt Einsiedeln und die untere March nach dem Zürichsee vorgeschoben; Zug und. Luzern behielten, was sie gleich anfangs gewonnen hatten, dergestalt dass nun Luzern durch das Amt Habsburg auch am Seeufer in festerer Stellung sich befand. Aber den Hauptantheil an der Beute trug wieder Bern davon, das in seinen westlicheren Gegenden gegen mit Oesterreich Einverstandene, vorzüglich wieder gegen Freiburg, mit Erfolg gefochten hatte: werthvolle Ergänzungen des Gebietes im Oberland, die Herrschaften Unterseen und Oberhofen, westlich im Hochgebirge nun auch das Obersimmenthal, nach dem Jura hin im Seelande die Herrschaften Büren und Nidau mit dem Iselgau, ausserdem Erwerbungen noch in viel grösserer Nähe, besonders auf der Verbindungslinie nach Burgdorf die Feste Thorberg, durfte Bern sein eigen nennen, und auch Solothurn war mittelst Buchegg in engere Verbindung mit Bern gebracht.

Eine ungemeine Verstärkung des in der Schweizer Eidgenossenschaft siegreich vertretenen demokratischen Princips war durch den Sempacherkrieg, ganz abgesehen von der Gebietserweiterung, erreicht. Das adelige Element unter österreichischer Führung ist in die Vertheidigung zurückgewiesen. Die Thaten der Schweizer Eidgenossen gewinnen Nachahmung in benachbarten Gebieten, vorzüglich in drei Gebirgsländern im Nordosten, im Südwesten und Südosten, und theilweise in enger Verbindung mit der eidgenössischen Eroberungspolitik finden nach diesen als Vorposten der Schweiz im engeren Sinne sich herausbildenden freistaatlichen Gruppen Handreichungen einzelner schweizerischer Orte statt. Diese Entwickelung, welche nun schon jene Ziele des Hülfskreises von 1351 mehrfach erreicht und überschreitet, fällt in das Menschenalter nach dem Sempacherkriege, bis in das zweite Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts.

Schon seit dem Beginne des letzten Drittels des vierzehnten Jahrhunderts hatten in Rätien die vielfach an die eidgenössischen Verhältnisse erinnernden Bundesvereinigungen sich zu entwickeln angefangen. Den ersten Anstoss zum Abschlüsse einer Verbindung der Angehörigen des Gotteshauses Cur, 1367, nämlich der Stadt Cur und der Thalschaften, unter Betheiligung der eigenen bischöflichen Amtleute, mit dem Domcapitel, behufs Aufrechterhaltung der Selbständigkeit des Gotteshauses, hatten die Versuche eines Bischofes gegeben, Oesterreich, welches eben kurz vorher erst im Tirol seine Gewalt begründet hatte* ), sein Gebiet in die Hände zu spielen: der für die Eidgenossenschaft in erster Linie grundlegende Gegensatz gegen Habsburg war also für die Verbindung der rätischen Landschaften von der Landquart aufwärts durch Domleschg, Oberhalbstein und Schams bis nach Bergell und durch Engadin hin, massgebend gewesen. Neben diesem durch Theilnahme an der Landesregierung neben dem Bischöfe sich in zunehmender Weise befestigenden Gotteshausbunde erwuchs 1395 in dem Ursprungsgebiet des Rheins in noch eigenthümlicher«'Weise, durch friedliches Uebereinkommen von in der Eidgenossenschaft sich entgegenstehenden Elementen, der obere Bund, dadurch, dass Herren und Unterthanen ihren gemeinschaftlichen Vortheil in gegenseitiger, auf schliessliche Gleichberechtigung ausgehender Unterstützung erblickten. Indem aber einige Teilnehmer des oberen Bundes, Abt und Gemeinde von Dissentis und die Freiherren von Sax zu Misox, Lugnetz und in der Gruob, schon gleich 1395 mit den drei Ländern Uri, Schwyz und Unterwaiden und dann 1400 der gesammte obere Bund mit dem Lande Glarus und zwar mit demselben in ein ewiges Bündniss eintraten, waren die ersten festen Fäden über die Berge von der schweizerischen zur rätischen Eidgenossenschaft geschlungen.

Aber ähnliche Anknüpfungen geschahen in diesen gleichen Jahren, in engem Zusammmenhang mit Eroberungen jenseits des Gotthard, durch die Waldstätte nach dem Rhonethal hin, mit den um ihre Befreiung gegenüber dem Landesbischof und dem Adel ringenden Genossenschaften, den Zehnten, des deutschen Wallis. Hier gingen Uri und Unterwaiden voran, und zwar einerseits als Eroberer im Quellgebiete des Tessin, in Leventina — sogar noch ehe Urseren, die Verbindung mit dem Gotthard, mit Uri durch ewiges Landrecht in dauernde Vereinigung gebracht war —, und zugleich als Bundesgenossen, in Gemeinschaft mit Luzern, gegenüber den Oberwallisern, das eine wie das andere im Jahre 1403. Auf das engste sind dann in nächstfolgenden Jahren, in stets erneuerten Versuchen gegenüber manchen Rückschlägen, bis endlich 1422 nach einer grossen Niederlage auf längere Zeit auf der welschen Seite des Gebirges auf Gebietserwerbungen Verzicht geleistet wurde, die beiderlei Unternehmungen in Zusammenhang geblieben: dort Kriegszüge nach dem Eschenthale, Besitzergreifungen im jetzigen Kanton Tessin — besonders auch die vorübergehende Einverleibung von Bellinzona —, hier die Anbahnung einer engeren Verbindung mit den Walliser Zehnten. Aus den Eschenthaler Kriegsfahrten sind die ewigen Burgund Landrechte der Walliser bis nach Sitten hinunter, mit Uri, Unterwaiden und Luzern, 1416 und 1417, 31 hervorgegangen, welche dem Freistaate des Rhone-thales seine, wenn auch erst in ferner Zukunft eintretende, völlige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft vorzeichneten* ).

Eine der Waldstätte, sonst wohl geübt, kühn ihre Politik geltend zu machen, das Land, nach dessen Namen man nun immer allgemeiner alle Eidgenossen insgesammt zu nennen anfing, Schwyz, hielt sich von diesen Unternehmungen über die Berge hartnäckig ferne: es hatte sich eine andere Aufgabe im Nordosten erwählt. Im ersten Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts nahm es die gegen ihren geistlichen Herrn, den Abt von St. Gallen, fechtenden Leute von Appenzell in seinen Schutz. Durch das Landrecht mit Schwyz ermuthigt, unter Ammännern, die es aus Schwyz zugeschickt erhielt, als seinen Hauptleuten, siegte das Bergvolk vom Säntis über seine Feinde, und es war hinwieder nur eine That der Dankbarkeit gegenüber den Patronen ihrer Freiheit, dass die Appenzeller noch 1405, ein halbes Jahr, nachdem sie am Stoss den Bundesgenossen des Abtes, Herzog Friedrich von Oesterreich, geschlagen hatten, in dessen Gebiet in der Mittel-march einfielen und diese ihre Eroberung den Schwyzern schenkten. Zwar die kühnen Entwürfe auf demokratische Umgestaltung weiter Gebiete ringsum, vom Thurgau durch Rheinthal nach Vorarlberg, wie sie sich an den Bund ob dem See vorübergehend anknüpfen mochten, sanken nach der Niederlage bei Bregenz 1408 dahin; aber wenigstens das Land Appenzell erhielt sich, wie seine Bergwelt ein vorgeschobener Posten des Hochgebirges ist, als eine über den Bereich der Eidgenossenschaft hinausgerückte Stätte der Volksfreiheit, unter dem Schirme der sieben östlichen Orte, wie er im Burg- und Landrechte von 1411 sich ausgedrückt findet.

Diese Fragen im Nordosten lagen Bern ferne; in den Walliser Angelegenheiten stand die Stadt sogar der Politik der mit den Zehnten verbündeten eidgenössischen Orte etwas später geradezu feindselig gegenüber, weil ein Hauptgegner der Walliser Freiheit, der Freiherr von Raron, im Berner Burgrechte stand. Um so emsiger waren die Berner auch jetzt wieder bemüht gewesen, ihr Gebiet zu vervollständigen, ihren eigenen Bundeskreis zu erweitern, auf solche Weise mittelbar auch die Eidgenossenschaft selbst zu verstärken. Vorzüglich auf der nordöstlichen Seite, im Emmenthal und im oberen Aargau, theilweise unter Theilung der gemachten Erwerbungen mit Solothurn, geschahen Vor-schiebungen der Grenze; gegenüber Freiburg gelang es, die durch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte getrübte alte Verbindung herzustellen. Aber besonders wichtig war die Hereinziehung neuer, theilweise schon länger in das Auge gefasster Puncte in das bernerische System. Vor dem Jura und in dessen Thälern wurde der schon länger massgebende Einfluss Bern's durch das 1406 abgeschlossene ewige Burgrecht mit den Grafen von Neuenburg und mit der Stadtgemeinde daselbst mächtig befestigt; aber schon vorher war durch ein Bündniss mit Basel auf zwanzig Jahre, an dem auch Solothurn theilnahm, die oberste der grossen Reichsstädte vom Mittelrheine 1400 zum ersten Male den eidgenössischen Kreisen angenähert, jenseits des Jura also eine Verbindung von ansehnlicher Vorbedeutung eingegangen worden.

Allein bei allen diesen Fortschritten hatte doch immer noch Oesterreich eine machtvolle Stellung nahe den drei städtischen Hauptplätzen, der Eidgenossenschaft. Mit seinem Stammlande zunächst der Burg im Eigen beherrschte es bei Brugg noch die Vereinigung der wichtigsten Flüsse der Schweizer Thäler; in seinen Städten und Burgen hier im Aargau stand es auf der Verbindung zwischen Bern und Zürich, und im Reussthale schnitt es auch Luzern von Zürich ab. Es war demnach ein unermesslicher Vortheil, dass 1415 die höchste Reichsgewalt selbst, der König Sigismund, den Eidgenossen gebot, an dem Inhaber dieser Gebiete, jenem gleichen Friedrich, welchen die Appenzeller vor zehn Jahren besiegt, des bei Sempach gefallenen Leopold's Sohn, die Reichsacht vollziehen zu helfen. Es braucht hier nicht auseinander gesetzt zu werden, wie rasch und leicht die Eroberung des Aargaues vollzogen wurde. Einzig die höchst bedeutsame abermalige Vorrückung der Grenzen ist zu beleuchten.

Bern drang 1415 von Zofingen her aareabwärts bis nach Brugg und Königsfelden vor und machte sich den westlichen Theil des Landes zu Eigen. Luzern, das schon ein paar Jahre vorher den nordwestlichen Theil seines Kantonalgebietes durch den Ankauf von Willisau, erworben hatte, nahm Sursee und das St. Michelsamt, d.h. Beromünster mit dem Gebiete dieses Stiftes. Zürich dehnte sich jenseits des Albis im Freiamte und Kelleramte bis zur Reuss aus. Zug durfte nun des schon vorher erworbenen Besitzes seines kleinen Unterthanengebietes an Lorze und Reuss ohne Sorge froh werden. Auf den Rest der Eroberungen aber, auf die freien Aemter am Lindenberg mit den Städten Bremgarten und Mellingen, auf die Grafschaft Baden mit der wichtigen Festung, dem Steine zu Baden, auf die bischöflich constanzischen Aemter Kaiserstuhl, Zurzach und Klingnau, wurde nun der Begriff des unvertheilbar gemeinschaftlichen Eigenthums durch die Eroberer übertragen, wie er schon jenseits der Berge in Leventina und im Eschenthal angewandt worden war und bald auch in den noch weiteren welschen Eroberungen gebraucht wurde. Allein es war etwas anderes, auf ferne liegende, ganz anders ihren Einrichtungen und ihrer Bevölkerung nach beschaffene Landstriche dieses verderbliche Princip der « gemeinen Herrschaften » anzupassen, als unmittelbar an das eigene Land angrenzende Gebiete demselben zu unterwerfen. Was aber für unsere Betrachtung dieser geschichtlichen Vorgänge hier das Wichtigste ist, das findet sich darin ausgesprochen, dass nunmehr, wie 1400 durch das Berner Bundessystem, so jetzt 1415 durch die gemeineidgenössische Eroberung der Rhein erreicht war, zwar nicht auf langer Strecke — Basel hatte es abgelehnt, rheinaufwärts gegen Schaffhausen hin über die österreichischen Herrschaften, besonders über die vier Schwarzwaldstädte am Rheine von Rheinfelden bis Waldshut sich auszudehnen —: aber es verstand sieb von selbst, dass, einmal diese nördliche natürliche'Grenze an einer Stelle durch die Schweizer gewonnen, diese Entwickelung ihre weitere Fortsetzung finden musste.Von den 1351 abgesteckten Zielen, die nach Westen, Dank Bern's Thatkraft, schon längst überschritten, im Süden erreicht waren, mangelten nun nur noch die nordöstlichen, die Marken an der Thur. Aber die Entscheidung über diese Frage wurde nur in einem furchtbar erbitterten inneren Kriege von den Eidgenossen gefunden.

Bei der zunehmenden Verarmung des Adels, der wachsenden Einbusse Oesterreich's war im ersten Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts in den nordöstlichen Grenzgebieten der Eidgenossen ein Dynastenhaus um so mehr in die Augen fallend, welchem es gelang, in kluger Ausnützung der Umstände und im Verständnisse-der schwierigen Zeit seine Stellung stetig zu verstärken,, und das war ohne Zweifel dem Grafen Friedrich VIL von Toggenburg geglückt. Dieser Dynast war der unmittelbare Nachbar der Appenzeller; allein durch seine-Gewandtheit, seine Zurückhaltung war, während ringsum « alle Puren Appenzeller werden wollten », sein Gebiet fast ohne Störung geblieben. Die Geldnoth der Herrschaft Oesterreich und vorzüglich die Aechtung Herzog Friedrich's 1415 benützte er zu Pfand-erwerbungen und zur Besetzung ausgedehnter Gebiete, dergestalt, dass er seine Erblande an der Thur und Linth, die Landschaft Toggenburg, Uznach und die obere March, mit dem rätischen Ilausbesitze aus der Vatz'sehen Erbschaft, nämlich Maienfeld, Prättigau, Davos, Beifort, Curwalden, in treffliche Verbindung brachte: — von Gaster hinauf durch das Sarganserland, im Walgau und in Feldkirch gebot er auf bisher österreichischem Boden, und dazu wurden noch Werdenberg und das untere Rheinthal gefügt. Sicher stand der Graf bis zu seinem 1436 erfolgten Tode im Besitze dieses grossen, aus sehr verschiedenartigen Stücken zusammengesetzten Territoriums, durch die geschickt gewählten Verbindungen mit den ihn umgebenden freistaatlichen Einrichtungen. Verburgrechtet rnit'der Stadt Zürich, im Landrechte mit den Ländern Schwyz und Glarus, sogar mit den Appenzeller Bauern verbündet, um so ein noch stärkeres Gegengewicht gegen Oesterreich zu gestalten, war Graf Friedrich zwischen schon bestehenden Gegensätzen glücklich hindurch gelangt, und neu sich bildende waren gerade durch seine Haltung, so lange er lebte, zwar noch gebunden, unmittelbar mit seinem Tode aber verschärft. Denn über dem Erbe des kinderlosen Grafen brach der erste grosse Krieg in der Eidgenossenschaft aus, zwischen der Länderpolitik von Schwyz und dem städtischen Element, wie es in Zürich sich entgegen stellte.

Zürich hatte sein Gebiet seit den letzten Decennien des vierzehnten Jahrhunderts durch Ankauf von Rechten verschiedener Art, durch Erwerbung einzelner Ortschaften und grösserer Bezirke sehr erheblich vergrössert: weniger im Limmatthal abwärts von der Stadt, als seeaufwärts an beiden Ufern, im Glattgebiet von Greifensee über Bülach und Regensberg nordwärts bis gegen den Rhein hin, im Oberlande durch den An- kauf von Grüningen, an den Quellen der Töss; besonders wichtig aber war für die Ausdehnung der Grenzen in nordöstlicher Richtung die 1424 erlangte Erlaubniss König Sigismund's, die von Oesterreich verpfändete Burg und Grafschaft Kiburg an sich zu lösen, indem dadurch nun mit einem Male über Töss und Thur hinaus die Grenze bis an den Rhein, von gegenüber Schaffhausen abwärts bis vor die Mauern von Kaiserstuhl vorgeschoben, das zürcherische Gebiet ziemlich verdoppelt wurde. Jetzt, nach dem Aussterben des Hauses Toggenburçç, gedachte Zürich, in ähnlicher Weise, gestützt auf seine Beziehungen zu dem letzten Grafen, unter Hervorziehung früherer Pläne, sich der Strasse nach Rätien, vom oberen Zürichsee aufwärts nach Ragaz, zu versichern. Aber die Schwyzer, schon ohnediess eifersüchtig auf die zürcherischen Vergrösserungen, griffen zunächst gleich nach dem Tode des Grafen auf das militärisch wichtige Schloss Grinau und die Ober-march, worauf Friedrich noch selbst ihnen Anweisung gegeben hatte; dann zogen sie zugleich mit Glarus Uznach und Gaster sammt Wesen in ihr Landrecht — diese Gebiete zwischen Walensee und Zürichsee wurden in der Zukunft als gemeine Herrschaften der beiden Länder verwaltetein Versuch Zurich's, sich des Sarganserlandes zu bemächtigen, erwies sich als undurchführbar; und auch für die Landschaft Toggenburg selbst bestätigten die Erben des Grafen eine landrechtliche Verbindung ihrer neuen Unterthanen mit Schwyz und Glarus. Ueberall sah sich Zürich zurück-gewiesen,und nach vergeblichen Versuchen, den Frieden zu erhalten, brach 1440 jener Krieg aus, der die Stadt ihren gesammten Eidgenossen allein gegenüberstellte und ihr Bündniss mit Oesterreich zur Folge hatte. Gleich dem habsburgischen Rapperswil war Zürich der Stützpunct der österreichischen Anstrengungen bei dem letzten grossen Versuche, die Eidgenossenschaft zu vernichten, den Entwickelungsgang eines gesammten Jahrhunderts rückgängig zu machen. Es ist bekannt, wie gänzlich derselbe misslang. Allerdings dauerte es vom letzten grösseren Kampfe, der glänzenden Waffenthat bei Ragaz 1446, noch vier Jahre, bis der Krieg durch einen endgültigen Frieden beigelegt war. Dafür aber hat dieser endliche Austrag der Feindseligkeiten die Versöhnung zwischen den entzweiten Eidgenossen nur um so fester dadurch begründet, dass Zürich, obschon stets besiegt, mit fast ungeschmälertem Gebiete — einzig die Hofe am Etzel, Wollerau und Pfäffikon, blieben Schwyz als Kriegsbeute — nach Vernichtung des Bündnisses mit Oesterreich in die alten Verträge wieder eintrat. Auch die Grafschaft Kiburg, welche Zürich bei seinem Anschlüsse an Oesterreich zum grossen Theile an seinen Verbündeten hatte aufgeben müssen, wurde zwei Jahre nach dem Frieden, 1452, wieder erworben.

Das Jahr des Friedens, 1450, ist geradezu der Ausgangspunct einer neuen glänzenden Zeit eidgenössischer Geschichte.Vorzüglich von jetzt an wurde wahr, was später Zwingli in kurzen Worten so trefflich aussprach: « Wir bedürfen der Letzen zu Arth und zu Näfels nicht mehr; der Rhein ist die Letze ». Wenn man von der auch jetzt wieder in eigenthümlicher, gross- artiger Weise hervortretenden burgundischen Politik der Berner, von den nach dem Welschlande, seit sie 1440 der Leventina wieder sich bemächtigt, mit erneuerter Aufmerksamkeit hinblickenden Urnern absieht, so ist es ganz in erster Linie die Frage der Rheingrenze, der Wunsch, sie zu erreichen, die zum Theil ungleiche Auffassung darüber, wie weit sie zu erwählen, ob auch sie noch nicht als genügend anzusehen sei, welche die Mehrzahl der Eidgenossen in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts beschäftigt.

Es waren theils verschiedenartige Bündnisse, theils Gebietserwerbungen einzelner Orte und gemeineidgenössische Eroberungen, welche zu diesem Ziele, stellenweise etwas darüber hinaus, bis zu dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts führten, und die Anfänge davon fallen schon unmittelbar nach dem Abschlüsse des alten Zürichkrieges.

Nur ein Jahr nach dem Frieden, 1451, wurde der Abt von St. Gallen durch ein ewiges Burg- und Landrecht mit vier eidgenössischen Orten — klug ausgesucht, zwei Städten und zwei Ländern — in Verbindung gebracht: — durch diesen im Range alle Zeit ersten ihrer « zugewandten Orte » war nun der Einfluss der Eidgenossen zum ersten Male an die Ufer des Bodensees vorgeschoben, und als später, 1469, die Abtei von den Erben des Grafen Friedrich noch die Landschaft Toggenburg ankaufte, unter Erhaltung der eigenthümlichen Vorrechte und der Einigung derselben mit Schwyz und Glarus, war das Land Appenzell nun vollends mit der Eidgenossenschaft in territorialen Zusammenhang gebracht. Allerdings vermochten die Appenzeller trotz ihrer schon länger bestehenden Verbindung noch nicht den Rang eines eidgenössischen Ortes zu erlangen — Appenzell wurde erst 1513 als der letzte, dreizehnte Ort der alten Eidgenossenschaft förmlich aufgenommen —, aber sie sollten wenigstens, wie ein neues Schutzbündniss ihnen zusicherte, durch jene förmliche Anknüpfung eidgenössischer Orte mit ihrer früheren Grundherrschaft nicht zu Schaden kommen. Einige städtische Gemeinwesen waren es hiernach zuerst, welche durch ihre Anlehnung an die Eidgenossenschaft derselben, mochten auch bei den einzelnen Bündnissen nicht alle Orte gleichmässig betheiligt sein, theilweise neue Aufgaben, auch neueVerwicklungen für dieselbe begründeten. Im Jahre 1454 schlössen im Juni, nur 12 Tage auseinander, die Städte Schaffhausen und St. Gallen mit je sechs Orten ihren Bund, jene auf 25 Jahre, diese auf alle Zeiten. Schaffhausen, 1330 durch Verpfändung vom Reiche weg von Oesterreich zur Gegnerschaft gegen die Eidgenossen gezwungen, aber im vierzehnten Jahrhundert auch schon in mehrmaliger Verbindung mit Zürich, war 1415 in Folge des Conflicts Herzog Friedrich's mit König Sigismund allerdings wieder an das Reich gezogen, aber bei den Versuchen Oesterreich's, nebst den andern eingebüssten Plätzen auch diese Stadt wieder zu unterwerfen, und bei der Ver-feindung mit dem Adel, besonders im Hegau, seiner Selbständigkeit noch wenig froh geworden: jetzt nahm es, als zugewandter Ort unter günstigen Bedingungen zugelassen, mit seinen zwar noch wenig ausgedehnten, aber durch ihre Lage auf und an dem Randen und im Reyat auf der Grenze zwischen Hegau und Klettgau 192 Meyer von Knonau.

strategisch wichtigen Besitzungen, als einziges Glied des eidgenössischen Bundeskörpers jenseits des Rheines, eine sehr bedeutende Stellung ein. Fünf Jahre später, 1459, wurde die Kheingrenze noch mehr durch ein Bündniss der stromaufwärts gelegenen Stadt Stein mit Zürich, und daneben eben mit Schaffhausen selbst, verstärkt. Aber es schien in diesen Jahren, dass sich das bürgerliche Element in Schwaben, vom Adel bedrängt und vom Kaiser und Reich schutzlos gelassen, wie es war, in noch weiterem Umfange in den Schirm der Eidgenossen begeben wolle, indem 1463 die am oberen Neckar liegende Reichsstadt Rottwil, für einstweilen auf fünfzehn Jahre, mit allen acht Orten in ein Bündniss trat. Allein, wenn auch Rottwil noch lange darüber in Verbindung mit der Schweiz blieb, so war doch die Entfernung allzu gross, als dass sich ein engerer Verkehr auf die Dauer erhalten konnte, und dieser Eintritt Rottwil's ist denn auch für solche weiter von den Grenzen abliegende städtische Gemeinwesen der einzige Vorgang geblieben.

Weit wichtiger war, dass mit dem Ende des sechsten Jahrzehnts und mit dem siebenten für Österreich nun endlich die letzten Reste seiner Stellung, die Ueberbleibsel seiner Besitzungen, wie sie theils noch zwischen den eidgenössischen Gebieten eingesprengt lagen — Rapperswil, Winterthur —, theils noch am Bodensee und Rhein in grösserer Ausdehnung sich erstreckten, der Thurgau, verloren gingen. Durch einen leichter Hand geführten, von den Stadtbewohnern selbst theilweise unterstützten Streich wurde Rapperswil 1458 ein halb abhängiger Schirmort der Waldstätte, und nur Schweizer-Berge und Si-lnceìzer-Grenzcn. 49i> zwei Jahre später befahl den Eidgenossen der Papst, wie vor 45 Jahren der König, beim Gehorsam, der seiner Aufforderung geschuldet werde, gegen den Herzog Sigmund, mit dem er in Streit verwickelt war, den Angriff. So verlor der Sohn den Thurgau, wie einst der Vater den Aargau eingebüsst hatte. Man erkannte wohl den Werth der neuen Erwerbung, welche die ansehnlichste und einträglichste der gemeinen Herrschaften wurde, in deren Umfang einzig Diessenhofen sich heftiger widersetzt hatte. « Er soll kein Brugg am Rin mer schlan », sang ein Volkslied von Sigmund —: denn « si wurd nit bestan; man liess im nit ein Laden »; und noch weiter rheinaufwärts brachten, ebenfalls 1460, die Appenzeller. das Rheinthal abwärts vom Hirschensprung zum Bodensee an sich ( nach drei Jahrzehnten wurde eine Unternehmung derselben gegen die Abtei St. Gallen durch den Eintritt der sieben östlichen Orte in die Mitbeherrsclmng des dadurch zur « gemeinen Herrschaft » werdenden Gebietes bestraftan den rätischen Grenzen nahmen Urner, Schwyzer und Glarner Walenstad und die Burgen Freudenberg und Nidberg bei Ragaz ein, woraus sich in der nächsten Zeit eine gemeine Herrschaft von sieben Orten entwickelte, welche dann 1483 durch den Erwerb von Sargans ihren bleibenden Mittelpunct gewann. Nur Winterthur hielt sich auch jetzt noch, als der Thurgau erobert wurde, tapfer, und es wurde erst 1467 die Hoheit über die Stadt von dem stets geldbedürftigen Herzog käuflich an Zürich überlassen. Einzig die Nordwestecke des Aargau's, Laufenburg und Rheinfelden mit ihrem Hinterlande bis zur Berner Grenze am Jura, war dergestalt von den Sechziger Jahren an noch auf dem linken Rheinufer österreichisch, und auch dieses Gebiet, aber noch ausserdem jenseits eine starke Stellung im Schwarzwalde, schienen die Eidgenossen 1468 gewinnen zu können.

Eine seit 1466 auf 25 Jahre mit Bern und Solothurn in Bündniss getretene Reichsstadt im elsässischen Sundgau, Basel's Nachbarin, Mühlhausen, war in ähnlicher Weise, wie Schaffhausen, an sich selbst und noch mehr durch diese Anlehnung an die Eidgenossenschaft, heftigen Angriffen des an Oesterreich seinen Rückhalt findenden Adels ausgesetzt. Es gab Neckereien aller Art, welche nothwendiger Weise allmälig den Herzog Sigmund auf der einen, die Schweizer selbst auf der anderen Seite in den Kampf hineinziehen mussten. So kam es 1468 erst zu einem Zuge in den Sundgau, dann aber besonders zu einer heftigen, mehr als einen Monat andauernden Belagerung des Schlüssels zum österreichischen Schwarzwalde, der Stadt Waldshut. Bern gedachte, nicht vom Kriege abzulassen, bis Waldshut und damit der Rest der -linksrheinischen Gebiete bis nach Angst hinunter und der südliche Schwarzwald zur bleibenden Verstärkung der Rheingrenze gewonnen seien; aber die östlicheren Orte waren der Belagerung müde und reichten die Hand zum Frieden. Eine nie wieder so günstig sich bietende Gelegenheit war durch eigene Uneinigkeit für die Schweiz versäumt.

Noch zwei gewaltige Ereignisse des fünfzehnten Jahrhunderts sind, das eine für die Grenzen der Schweiz im Westen, das andere für diejenigen im Norden und Osten, bedeutsam geworden: in den Siebziger Jahren die Kämpfe gegen den Herzog von Burgund, ganz am Ende des Jahrhunderts der Krieg gegen den Kaiser und den schwäbischen Bund.

Ueber die Herbeiführung und den Verlauf der Verwicklung mit Burgund zu reden, ist hier nicht der Platz: nur darauf sei noch hingewiesen, dass die nach dem Waldshuterkriege im Friedensschlüsse für die Eidgenossen ausgemachte Zahlung, welche Herzog Sigmund nicht aufzubringen vermochte und um deren willen er sich erst an Herzog Karl den Kühnen annäherte, dann sich mit demselben gänzlich entzweite, einer der Kriegs-anlässe geworden ist. Auch von der Grösse des Einflusses, welchen die französische Politik auf die Verschärfung des Gegensatzes gegen Burgund hatte, wie König Ludwig XI. 1474 durch den in der ewigen Richtung ausgesprochenen Verzicht Oesterreich's auf alle Ansprüche in den eidgenössischen Gebieten den schweizerischen Waffen eine entschiedene Wendung von Norden gegen Westen, nach Burgund hin, gab, sei hier nicht gesprochen. Dagegen ist der übrigens von vorneherein einleuchtende Umstand zu betonen, einen wie grossen Antheil natürlich voran die bernerische Politik an diesen Ereignissen von Anfang an gehabt hat. Seit 1421 und 1423, also sieben Jahrzehnte nach dem Bunde von 1353, war Bern auch den eidgenössischen Städten, Luzern, noch mehr Zürich, durch eine ewige Vereinigung und einen ewigen Bund näher getreten: Länder und Städte in gleichem Maasse richteten jetzt ihre Waffen gegen den in erster Linie Bern und dessen Bundesstädte, Solothurn, Freiburg, Biel, bedrohenden 49GMeyer von Knonau.

Burgunder und dessen Bundesgenossen, Savoyen. Bern hat dann auch für seine Politik, wenn es auch nicht alle Erfolge, die es angestrebt hatte, erreichte, so doch von den Ergebnissen des Krieges in ganz ausschliesslicher Weise den Nutzen gezogen.

Bekanntlich hörte nach Karl's Tod, 1477, die Gefahr, welche der Schweiz von Burgund lier gedroht hatte, völlig auf: sein Reich fiel ganz auseinander. Das Stück freilich desselben, auf welches Bern sein Augenmerk gerichtet hatte, die Freigrafschaft Burgund, also eine Ausdehnung über den Jura hinaus, war nicht erhältlich: die französische Hinterlist, die Abneigung der Länder gegen eine solche in erster Linie den Bernern dienliche Vergrösserung vereitelten die dahin zielenden Bemühungen. Um so fester wurde die Juragrenze selbst verstärkt: nicht nur, dass sich in den Kämpfen in Hochburgund und bei Grandson und Murten die strategische Bedeutung der Grafschaft Neuenburg für Bern und dessen Bundessystem von neuem herausgestellt hatte; durch den schon gleich nach der Murten-schlacht abgeschlossenen Vertrag mit Savoyen, welches hauptsächlich die Folgen der Niederlage zu tragen hatte,_ erlangte Bern für seine westlichen und südwest-lichen* Grenzen, am Jura und südöstlich von diesem gegen die Ausläufer der Alpen nach der Saane und unteren Rhone, eine höchst werthvolle Befestigung.

Freiburg, Bern's alte Bundesstadt, war durch Oesterreich, für welches es so viel gelitten hatte, in der Mitte des Jahrhunderts endlich völlig verlassen, und die Stadt sah sich 1452 gezwungen, die savoyisehe Schutzherrschaft zu suchen; doch war ihr Bund mit Bern bestätigt worden. Jetzt, nachdem auch Freiburg eifrig am Kriege Antheil genommen hatte, wurde es seiner Verpflichtungen entlassen und jeglicher Herrschaft ledig. Weiter südwestlich musste die Eroberung des Jahres 1475,'das Waadtland, für eine grosse Geldzahlung grösstentheils wieder an Savoyen zurückerstattet werden; doch blieben immerhin so viele Plätze im Norden und Osten des Landes in den Händen der Berner als alleiniger Herren, oder als gemeinschaftlicher Besitz für Bern und Freiburg, dass zu einer zukünftigen Wiederholung des Versuches, am Genfersee selbst sich festzusetzen, die Ausgangsstellen für die Erobernden sich bereits in deren Händen befanden. Schon stand auch Bern durch eine dieser Abtretungen von 1476, die Herrschaft Aigle, am äussersten Ostende des Sees selbst in Villeneuve, und rückwärts von den Ormonts gegen das Simmenthal hin war gleichfalls die Verbindung thatsächlich bereits vorhanden, im obersten Saanelande zu Château d' Oex und zu Saanen, indem diese Gebiete des Grafen von Greyerz mit Bern auf das engste verbunden waren — ihre Bewohner hatten soeben erst unter seinem Panner gefochten und bei der Eroberung von Aigle mitgeholfendaneben nahm im eigentlichen Greyerzerlande Freiburg durch die Verpfändungen des mit ihm im Burgrecht stehenden verarmten Grafen bereits eine nicht weniger ansehnliche Stellung ein. Weiter nordwestlich war mitten im Waadtlande Echallens, noch nördlicher, näher am Jura Orbe und am Neuenburgersee, Grandson gewonnen, alle drei Gebietsstücke als gemeine Herrschaften von Bern und Freiburg; das gleiche Loos theilte Murten, während 32 das nördlich daranstossende Erlach, das wichtige Verbindungsglied zwischen den Seen von Biel und Neuenburg, Bern allein zufiel. Savoyen's Machtstellung zwischen Jura und Alpen, nördlich vom Genfersee, war auf das tiefste erschüttert, die sichere Aussicht für eine künftige Erwerbung des ganzen Landes den Bernern und Frei-burgern eröffnet Doch auch das war von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass durch die Ereignisse des Burgunderkrieges das Land Wallis, der Bischof von Sitten und mit ihm die Zehnten, 1475 den Bernern unter Erneuerung eines Bündnisses von 1446 noch näher gebracht wurden. Die Walliser schoben auch ihre Grenze, das Rhonethal abwärts, auf Unkosten Savoyen's im Unterwallis vor, und wenn sie auch noch nicht am Genfersee selbst standen, so reichten doch an der Rhone schon bis unterhalb St. Maurice Bern und Wallis an einander.

Aber noch eine weitere Frucht der grossen kriegerischen Anstrengungen ergab sich für die Eidgenossenschaft: trotz vielfacher Abneigung der Länder, welche gleich nach dem gemeinschaftlichen Siege über Burgund wegen des ungemein scharf im Allgemeinen hervortretenden Gegensatzes einem Kampfe gegen die Städte, einem inneren Kriege bedenklichster Art, nahe gebracht worden waren, wurden Bern's alte Freunde, durch Bern den Eidgenossen überhaupt längst angenähert, Freiburg und Solothurn, 1481 der neunte und der zehnte Ort der Eidgenossenschaft. Nicht weniger als der Beitritt Freiburg's, war auch derjenige Solothurn's eine Vergrösserung ganz ansehnlicher Art; denn die Stadt hatte durch das fünfzehnte Jahrhundert ihr Ge- biet sehr bedeutend vermehrt, aareabwärts durch die Herrschaft Bechburg und den Buchsgau, über Olten hinunter bis nach Gösgen und Sehönenwerth, zwischen den Parallelketten de& Jura durch die Freiherrschaft Falkenstein, aber auch schon jenseits gegen die Birs hin besonders durch Burgrechtsverbindung mit den Freiherren von Thierstein und Verpfändungen derselben. Die Gebiete von Solothurn und von Basel berührten sich hier zwischen Jura und Rhein schon überall.

Hatte der Burgunderkrieg Freiburg und Solothurn, sowie eine engere Verbindung mit dem Freistaate Wallis herbeigeführt, so trug dagegen der Schwabenkrieg von 1499 den Eintritt von Basel und von Schaffhausen, sowie eine weit stärkere Verbindung mit den Bünden in Rätien als Folgen ein.

Durch Graubündner und Eidgenossen gemeinsam waren von der Calven* ) zwischen Glurns und Taufers im äussersten Osten Bünden's bis nach der Luciensteig. dann den Rhein hinab, wo nun auch die Gebiete von Wartau, Werdenberg und Gambs und die Freiherrschaft Sax bereits in verschiedenartiger Weise zur Schweiz herangezogen worden waren, bis zum Bodensee, weiter auf den Höhen vor Constanz und wieder rheinabwärts bis vor Basel und bis an die Birs bei Dornach die Grenzen im Frühjahr und im Sommer des Jahres 1499 in glücklichen Schlachten vertheidigt worden; die Zumuthungen des Kaisers Maximilian waren abgewiesen und im October stellte der Friede von Basel die Eidgenossenschaft als thatsächlich unabhängig vom deutschen Reiche hin. Zwei Jahre später, im Sommer 1501, traten Basel und Schaffhausen. in die Eidgenossenschaft ein Beide Städte, einzelnen Orten schon länger befreundet, Basel im Burgunderkriege eifrig mitwirkend, hatten im Schwabenkriege die Wichtigkeit eines völligen Anschlusses an die Schweiz genügend erkennen können, gleich wie andererseits ihre Bedeutung für die Verteidigung der Rheingrenze den Eidgenossen selbst in diesen kriegerischen Ereignissen greifbar entgegengetreten war. Eine sehr wichtige Bereicherung des Bundes war besonders in Basel zu erblicken, durch welches die Eidgenossen nun wenigstens mit einem Fusse auch in der Rheinebene standen. Aber es war nicht bloss die blühende grosse Stadt, sondern auch ein nicht zu unterschätzendes, im fünfzehnten Jahrhundert im Wetteifer mit dem nordwärts sich ausbreitenden Solothurn erworbenes Landgebiet — die Stellung auf beiden Jurapässen am Hauenstein, im Ergolzthal, besonders zu Liestal, an der Birsmündung —, was als Gewinn bei Basel in Frage kam. Eines jener Volkslieder, wie sie die öffentliche Meinung stets so deutlich ausdrückten, spricht den Werth des Eintrittes von Basel in klaren Worten aus: « Den Schlüssel hand sie empfangen, damit sie ir Land mögen bschliessen », singt es von den Eidgenossen, und die Oesterreicher, welche seit 1499 durch Beeinträchtigungen aus der Festung Rheinfelden die Basler geradezu den Eidgenossen in die Arme getrieben hatten, höhnt der Dichter, indem er vom Breisgau hervorhebt: « Die Brück hat es verloren; sie ist im ain starke Maur gewesen: Basel hat den Aidgenossen geschworen! » Allein nicht weniger erwünscht, als diese Verstärkung im Nordwesten und äussersten Norden, war, dass, wie in den Siebziger Jahren Wallis näher an Bern, nun in dem letzten Jahrzehnt Eätien fester an die sieben östlichen Orte der Eidgenossenschaft geknüpft wurde.

Seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts waren die zwei rätischen Bünde nicht nur innerlich erstarkt und einander näher getreten, sondern, seit 1436, auch um einen dritten, denjenigen der zehn Gerichte — Davos, Curwalden, Prättigau, Maienfeld, Schanfick —, vermehrt worden; die früher toggenburgischen Herrschaften hatten sich hier nach dem Tode ihres letzten Grafen zusammengethan. Aber gerade der Umstand, dass in diesen Gerichten eine Reihe von Hoheitsrechten der Herrschaft Oesterreich zufiel, sowie die Geltendmachung von Hoheitsansprüchen im nordöstlichen Theile des Gotteshausbundes im Unterengadin und Münsterthal, nördlich einer Linie vom Wormserjoch bis Pont-alt, musste, besonders seit Kaiser Maximilian als Erbe Sigmund's von Tirol diese Tiroler -Anforderungen mit den österreichischen Interessen überhaupt in seiner Person vereinigte, die Bündner den Eidgenossen näher führen. So schlössen denn der obere und der Gotteshausbund 1497 und 1498 ewige Bündnisse mit den Eidgenossen ab — wenigstens mittelbar, durch die anderen Bünde, waren auch die zehn Gerichte den sieben schweizerischen Orten verbunden —, und 1499 gingen die Kämpfe der Bündner mit den Tirolern — « das Hallebardenstrehlen und Rupfen der Krähe », d.h. des Tiroler Adlers, durch den rätischen Steinbock, wie ein Bündner sang — dem Kriege der Schweizer mit den Schwaben ganz gleichmässig zur Seite.

Ein Gefühl der Gemeinsamkeit der politischen Lebensfragen durchdrang schon, mochten auch noch durch Jahrhunderte Wallis und Graubünden selbständige politische Gebiete neben der Schweiz bleiben, das ganze Hochgebirge, von Rätien durch die Waldstätte bis in das Rhonethal, an der Scheide des fünfzehnten und des sechszehnten Jahrhunderts, als in der Eidgenossenschaft die Zahl der Orte jene Höhe von dreizehn erreicht hatte, welche sie bis 1798 nicht mehr überschritt. Die Grenzen der Schweiz überhaupt waren in der Hauptsache bereits gegeben, oder wenigstens die Richtung für die noch fehlenden Erweiterungen, für Bern gegen den Genfersee in der Waadt, für die Eidgenossen überhaupt, voran für die Waldstätte, über den Gotthard, am Tessin und an den Seen, für die Bündner im Addathal und über dem Splügen, bereits vorgezeichnet. Es ist nicht nothwendig, unseren Ueberblick des Wachsthumes schweizerischen Gebietes noch weiter auszudehnen * ).

* ) Ich behalte mir vor, vielleicht ein anderes Mal die jetzigen Grenzen der Schweiz nach ihrer historischen Begründung und Bedeutung zu beleuchten.

Je weiter wir uns von den ersten Anfängen der Eidgenossenschaft entfernten, um so deutlicher stellte sich heraus, wie kurze Zeit nur « Schweizerberge und Schweizergrenzen » gleichbedeutende Begriffe sind. Sobald die Eidgenossenschaft durch den Beitritt städtischer Gemeinwesen weitere politische Ziele, einen grösseren Spielraum für ihre Bethätigung erlangt hatte, musste der Einfluss der Hochgebirgsbevölkerung in den Waldstätten, der Länder, damit aber auch durch die selbstverständliche Vorschiebung der Marken die Bedeutung des Hochgebirges selbst in seiner Eigenschaft als natürliche Grenze zurücktreten. Indessen zugleich mit dieser Veränderung kleideten sich vielfach in diese Fragen über die Grenzen jene gegensätzlichen politischen Auffassungen, wie sie im fünfzehnten Jahrhundert zwischen Ländern und Städten mehrmals so scharf hervortraten. Das Vorrücken der Grenze in die Ebene, besonders die starke Betonung der neuen natürlichen Grenze am Rheine, bedrohte durch die selbstverständlich damit « eintretende Vermehrung der städtischen Elemente die Geltung der Länder mit fortschreitender Einschränkung. Die Abschlüsse von Bündnissen mit weiteren Städten als mit zugewandten oder gar als mit eigentlichen eidgenössischen Orten begegneten einer steigenden Abneigung der Länder. Für die Aufnahme von Freiburg und Solothurn war es nur nach unendlichen Schwierigkeiten und bei Basel erst nach Ueberwindung der Einreden von Zug und Glarus gelungen, die Zurückhaltung Tier Landsgemeindeorte zu brechen; gegenüber Schaffhausen zwar war der 1454 eingetretene Widerwille Unterwalden's 1501 von Anfang an nicht mehr vorhanden.

Aber angesichts einer anderen Stadt, welche schon » seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts von dem lebhaftesten Wunsche erfüllt war, sich den Eidgenossen auf das engste anzunähern, einem Begehren, welches durch die Städte, vorzüglich durch Zürich, lebhaft unterstützt wurde, blieb die Abneigung der Länder aufrecht: es war Constanz, die natürliche Hauptstadt des Thurgaues und der unentbehrliche Abschluss der Nordostgrenze an .Bodensee und Rhein. Constanz hatte gehofft, gestützt auf das nach der Aechtung Herzog Friedrich's von König Sigismund erworbene Landgericht über den Thurgau, zur Herrschaft über dieses vor seinen Thoren liegende Gebiet kommen zu können. Allein vom Jahre 1460 an, seit der Thurgau eine eidgenössische Eroberung war, musste eben über das Landgericht zwischen der Reichsstadt, welche ihr wohl erworbenes Recht nicht aufgeben wollte, und den Herren des Thurgaues immer neuer Zwist sich erheben, und vorzüglich waren es die Länder, welche die Annähe-rungs- und Ausgleichsversuche vereitelten: eine Wiederholung des « Plappartkrieges » von 1458, eine tumultuarische Freischaarenunternehmung aus den Ländern,, trieb 1495 die Constanzer gegen ihren eigenen Willen für den Schwabenkrieg den Feinden in die Arme und gestaltete aus der Stadt, welche der feste Vorposten der Schweiz hätte werden können, das Hauptquartier Kaiser Maximilian's und des schwäbischen Bundes. Und als dann im sechszehnten Jahrhundert der Gegensatz zwischen Städten und Ländern sich in der Haupt- sache in der confessionellen Gegnerschaft wiederholte, wurde Constanz abermals hinausgestossen, indem Zwingli's Politik, das christliche Burgrecht, nach dem Siege der Katholiken in der Urschweiz dahinfiel: die Lücke der Schweizer Grenze zwischen Kreuzlingen und Gottlieben, die Abschneidung der Stadt am See und Rhein von ihrem natürlichen Hinterlande ist ein bleibendes Denkmal der Wirkungen des Gegensatzes der Städtepolitik und der Länderauffassung in dem Schoosse-der mittelalterlichen Eidgenossenschaft.

Die Schweiz ist ein kunstreich staatsrechtliches Gebilde, eine geschichtliche, keine natürlich gegebene Schöpfung: das zeigen uns ihre Grenzen und beweist uns ihre Zusammensetzung. Das Wachsthum, wie es durch die steigenden politischen Anforderungen, durch die Anreihung der Städte an die Länder seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts natürlich gegeben war, schrieb eine Lösung der Schweizergrenzen von den Schweizerbergen vor. Die wahre bleibende Bedeutung, die grosse politische Aufgabe der Eidgenossenschaft ist erst durch diesen Gegensatz von Schweiz erbe rgen und Schweizergrenzen denkbar geworden-

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