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Skiplausch im Kesch- und Grialetschgebiet

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Emil Schimpf, Winterthur

Bilder m bis 116 Sehr viele Bergfreunde - vor allem auch Clubkameraden — haben sich neben dem regen Sommertourismus auch dem Skisport verschrieben. Es ist aber leider offenbar so, dass sich eine grössere Zahl von ihnen nur mit « downhill only » oder- als Alternative dazu — ausschliesslich mit dem Langlauf befasst. Manche von ihnen vertreten die irrige Ansicht, vernünftige Skitouren liessen sich in unseren Gebieten kaum mehr machen, denn entweder müsse man dafür zuerst Seilbahnen usw. benützen oder sich zwangsläufig extremen Fahrten zuwenden.

Da wir - meine Frau und ich — uns sehr viele Jahre immer wieder ins Kesch- und Grialetschgebiet hingezogen fühlten, lernten wir dort so viele Möglichkeiten für den immer noch ungestörten Tourenskilauf kennen, dass ich gerne diesen oder jenen Geniesser darauf aufmerksam machen möchte. Natürlich kann man sich auch anhand des guten Kartenmaterials und der ausgezeichneten Führer ähnliche Kenntnisse verschaffen.

Meine Schilderungen beziehen sich nicht nur auf eine Durchquerung des Gebietes, wie wir sie in der Regel in einigen Etappen vornahmen; ich möchte besonders auch auf einige Abstecher hinweisen, die man vor allem ins Programm einbeziehen kann, wenn man mehr als gerade nur drei bis vier Tage zur Verfügung hat.

Als besonderes Merkmal in der prächtigen Landschaft ist zunächst auf die sehr günstigen Stützpunkte zu verweisen, die uns in folgenden SAC-Clubhütten indiesemGebiete zur Verfügung stehen: Chamanna Es-cha ( Es-cha-Hütte, 2594 m ), Keschhütte ( Chamanna digl Kesch, 2632 m ) und Grialetschhütte ( Chamanna da Grialetsch, 2542 m ), in denen in der Regel während der Saison nicht nur die Unterkunft und einzelne Mahlzeiten und Getränke zu bekommen sind, sondern wo der freundliche Hüttenwart in neuerer Zeit auch gerne Vollpension offeriert. Natürlich ist es immer notwendig, sich vor Antritt einer Tour zu orientieren, ob der Hüttenwart zum vorgesehenen Zeitpunkt auch anwesend sein wird.

Unsere erste Begegnung mit diesem Skiparadies liegt schon ziemlich weit zurück, und doch haftet sie noch besonders gut in unserer Erinnerung ( wie dies ja sehr oft bei erstmaligen Begehungen von uns bisher unbekannten Gebieten der Fall ist ). So will ich gerade diese Durchquerung als Leitfaden benützen. Wir fuhren bei sehr schlechtem Wetter an einem Karfreitag nach Madulain. Unterwegs regnete es im Unterland, aber je höher man kam, desto schneller wandelte sich das Bild. Flocken tanzten und hüllten, zusammen mit dem Nebel, alles weiss in weiss. Sehr skeptisch besahen wir uns die Gegend, als wir aus dem Albulatunnel hinausfuhren. Kein Schneefall mehr, aber im Engadin leichter Nebel, in der Höhe Wolken, die offenbar Ladungen von Schnee enthielten. In Madulain ( 1697 m ) verpflegten wir uns; es ging schon in den späteren Nachmittag, als wir aufbrachen, und zwar nicht nur mit vollge-packtem Sack am Rücken, sondern auch mit geschulterten Ski, denn es lag nur spärlicher Schnee. In steilem Anstieg erreichten wir auf einer Abkürzung entlang der « Ova d' Es-cha » den Alpweg zur Alp Es-cha Dadour. Unterwegs überholten uns sechs stramme SACler; sie seien auf einer Clubtour, sagten sie. Erst beim Zusammentreffen des Val d' Es-cha mit dem Val Mura konnte man die Ski getrost anschnallen. Dort begegneten wir der forschen Gruppe wieder, als sie eben im Begriffe stand, dasselbe zu tun. Wir standen auf einem grösseren Lawinenkegel südlich des Piz Belvair ( 2822 m ). Die Mannen beratschlagten, welchen Anstieg sie nunmehr zur Es-cha-Hütte wählen wollten. Für uns stand auf Grund des Kartenbildes und der Schneeverhältnisse bereits fest, dass nur der Zugang durchs Val Mura in Frage kommen konnte. Die sechs ihrerseits entschlossen sich für eine Aufstiegsroute durchs Val d' Es-cha und über die Hänge südlich der Hütte, um, wie sie glaubten, etwas rascher zum Ziele zu kommen. Also trennten wir uns wieder. Wir hielten uns in der Marschrichtung rechts vom Sommeraufstieg, bogen etwa bei P. 2529 - ziemlich genau westlich vom Gipfel des Biz Belvair - nach links und erreichten die schön gelegene Es-cha-Hütte mühelos ungefähr drei Stunden nach unserm Aufbruch im Tal. ( Bei allen unsern späteren Begehungen mit Ski benützten wir diese Route. Dabei könnte man als Ausgangspunkt im Tal ebensogut Zuoz wählen; die beiden Anmarschwege treffen kurz oberhalb der Alp d' Es-cha Dadour zusammen. Auf keinen Fall kommt für den Zugang im Winter der im Sommer so bequeme Weg vom Albulapass aus in Frage, zumal ja der Pass im Winter mit Autos gar nicht befahren werden kann. ) Offenbar hatte uns der liebenswürdige Hüttenwart während unseres Aufstieges vom P. 2562 ( Muot Ot ) mit dem Fernglas verfolgt, denn er empfing uns bereits mit einem dampfenden Tee. Mit der andern Gruppe, die eine gute halbe Stunde später, bei bereits einbrechender Dunkelheit, ankam - sie hatten, wie sie sagten, im steilen Hang mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt -, war er keineswegs zufrieden. Er erklärte, der Kessel mit der « Ova dal Lejet » sei sehr lawinengefährlich, so dass er im Winter - auch bei scheinbar guten Schneeverhältnissen — nicht begangen werden sollte. Später kam noch eine Gruppe von Mitgliedern des SAS, unter denen sich Bekannte von früheren Begegnungen befanden; sie waren unsern Spuren gefolgt. Alle zusammen verbrachten wir einen Abend, wie er unter Berglern geschätzt wird - sofern man nicht am andern Morgen allzu früh aufbrechen muss. Der Hüttenwart trug das Seine zur Gemütlichkeit bei, servierte er doch eine feine Suppe nach seinem Spezialrezept ( den übrigen Proviant musste man damals noch selber mitbringen ), und zudem konnte er mit einem guten Veltliner aufwarten. ( Einen ähnlich geselligen Abend verbrachten wir hier, auch vor mehr als 20 Jahren, mit einem Ehepaar, dem wir leider nie mehr begegneten. Unlängst machten wir einen Bummel zur Hütte und schrieben uns auf Drängen eines Walliser Kameraden ins Hüttenbuch ein. Wie uns das erwähnte Ehepaar nachher schrieb, kamen sie gleichentags etwas später in die Hütte und fanden anhand der Eintragung wieder Kontakt mit uns; ein erfreulicher ZufallMachte bei unserer Ankunft am Vorabend der Himmel noch ein sehr düsteres Gesicht, prangte anderntags, wie es der Hüttenwart vorausgesagt hatte, ein wunderbar blauer Himmel über einer unvergleichlichen Landschaft mit etwa 15 Zentimeter Neuschnee. Guten Mutes brachen die drei Gruppen, zeitlich allerdings gestaffelt, an der alten Rascherhütte vorbei zur Porta d' Es-cha ( 3008 m ) auf. Angesichts der ausgezeichneten Schneeverhältnisse legten wir verschiedene Spuren an, nahmen aber doch als Richtlinie das nicht besonders ausgeprägte Grätchen oberhalb der Hütte, um dann durch die Mulde östlich des Überganges zum P. 3008 zu gelangen. Kaum zwei Stunden nach unserm Aufbruch gab 's erneut ein Rendez-vous. Konnte man diesmal die Fuorcla ohne Probleme mit angeschnallten Ski erreichen, gestaltete sich dieses Teilstück in späteren Jahren immer etwas komplizierter, da der « Vadret d' Es-cha » infolge des Schmelzprozesses stetig zurückging. Heute muss man die Ski ein letztes Stück tragen. Es handelt sich um eine unschwierige Kletterei; eine fest angebrachte Kette erleichtert diese Passage. Man befindet sich hier unmittelbar östlich des Keschgipfels, mit dem man durch den Halbkreis seines Ostgrates verbunden ist; daraus ragt die Keschnadel wie ein Mahnfinger empor. Von unserm Standort aus konnten wir auch einige Partien, die ihre Ski an geeigneter Stelle deponiert hatten, im Aufstieg zum Piz Kesch ( 3417 m ) beobachten. Offenbar gab es einiges zu « knorzen » ( was vermutlich an der Ausrüstung lag ), denn nur wenige drangen bis zum Gipfel vor. Die sechs Clubkameraden blieben mit uns bis gegen 12 Uhr auf der Fuorcla, so sehr hatten uns die für uns alle erstmalige Aussicht ins Unter- und ins Oberengadin und vor allem die Kulisse der bewundernswerten Berninagruppe in ihren Bann gezogen. Die SAS-Kameraden hatten es pressan-ter, wolltensiedoch gleichentags noch ins Sertigtal. Für uns lag das Ziel, die Keschhütte, in greifbarer Nähe. Sie befindet sich nördlich unterhalb der Porta d' Es-cha in einer Distanz von etwa 2,5 Kilometern. Die relativ kleine Höhendifferenz von rund 400 Metern bietet, von gelegentlich auftretenden Spalten im « Vadret da Porchabella » ( auf deutsch hiesse dies « schöner Saubo-den-Gletscher » !) abgesehen, nicht die geringsten Schwierigkeiten. Mit ausholenden Schwüngen gelangten wir in einem Zug dorthin. Schlimm kann es einem hier eigentlich nur ergehen, wenn man in Nebel gerät, keine direkte Spur antrifft und auch die Richtung nicht genau einhält. Dann besteht die Möglichkeit, dass man im « Kakao » links oder rechts der Hütte und dazu zu weit unten landet...

Während die Es-cha-Hütte auf Skitouren in der Regel lediglich als Ausgangspunkt für die von uns eben durchgeführte Überquerung der Fuorcla -allenfalls mit einem Abstecher auf den Piz Kesch - benützt wird, bietet die Keschhütte die verschiedensten Möglichkeiten in der Runde für kleinere Exkursionen.

So entschlossen wir uns denn auch, nach kurzer Rast und unter Zurücklassung des überflüssigen Gepäcks, nochmals über den soeben befahrenen Gletscher aufzusteigen. Wir hielten uns dabei aber eher rechts und folgten den Spuren, die zum Skidepot am Einstieg zum Piz Kesch führten. Dabei hatten wir den Ostsporn des Gipfels zu umgehen und konnten bis ungefähr zur Kote 3240 gelangen. Hier entledigten wir uns der Felle und wiederholten die herrliche Abfahrt, diesmal die gute Führe ausnützend und befreit von jeglicher behinderlichen Bagage, in direkterer Linie.

Solche Abstecher sind auch in der Richtung « Fuorcla Viluoch » ( 3003 m ) oder zu P.2983 nördlich des Piz Porchabella empfehlenswert. Bei diesen Fahrten muss man allerdings, wie ich feststellte, eher mit einigen grösseren und nicht unbedingt gut sichtbaren Spalten rechnen. Der Schnee ist auf diesen nördlich exponierten Glet- schern aber bis gegen 2600 Meter hinunter kaum je schlecht.

Die uns verbleibende Zeit verbrachten wir abermals bei gemütlichem Zusammensein mit den sechs Clubkameraden, und dabei wurde aus einer zufälligen Begegnung eine frohe Bergkameradschaft. Die Hütte stand in den ersten Jahren unserer Besuche noch unter der souveränen Obhut des ehrwürdigen, bärtigen Vater Hosang, dessen Sohn während einiger Jahre die Es-cha-Hütte betreute.

Hier ist vielleicht ein kurzer Hinweis auf weitere Zugänge zur Keschhütte am Platze: von Bergün durch das Val Tuors, das vermutlich besonders heute am meisten für den Anmarsch benützt wird; von Chapella ( Unterengadin ) durchs Val Susauna; über den Sertig- oder über den Scalettapass. Letztere Übergänge sind besonders für die Heimfahrt oder auch als Tourenziel mit Rückkehr in die Hütte empfehlenswert. Erwähnt habe ich bereits, dass unsere Freunde vom SAS sich via Keschhütte ins Sertigtal begaben. Um dorthin zu gelangen, fährt man zunächst etwa zwei Kilometer abwärts durchs Val dal Tschüvel. Dabei nimmt man im Winter mit Vorteil einen kleinen Höhenverlust in Kauf, und zwar bis fast zu P. 2305; man folgt also nicht etwa dem über Piatta Naira führenden Sommerweg ( grosse Schneebrettgefahr!. Erst dort beginnt man also -kurz vor der Einmündung des « Ova Sardo » in den « Ova Funtauna » - mit dem Aufstieg zum Sertigpass. Dazu wählt man ungefähr die Talmitte bis zu P. 2562 ( Lai da Ravais-ch Sur ). Unterwegs behält man mit Vorteil beide Talseiten etwas im Auge; denn ganz ausgeschlossen sind Schneerutsche nicht! Der linke Hang ( in Aufstiegsrichtung ) ist steil, mit Felsen durchsetzt und erhält kaum Sonne, der rechte Hang ist etwas weniger steil, dafür aber nach Süden exponiert, wobei am oberen Felskranz meist Wächten lauern. Vom - natürlich zugefrorenen - Seelein aus erreicht man die Sertigpasshöhe ( 2739 m ) leicht. Die Abfahrt über die nordexponierten Hänge ins Sertigtal wird man tunlich der Gelän- debeschaffenheit anpassen und, mit Vorteil von Hang zu Hang pendelnd, zum Grünsee ( Glattboden ) gelangen. Ein Langlaufschliesst die abwechslungsreiche Fahrt ab. Wer Sertig als Ausgangspunkt für den Zugang zur Keschhütte benützt, wird in der Abfahrt vom Sertigpass die gleichen Überlegungen anstellen wie wir beim Anstieg.

Wir unserseits hatten als nächstes Ziel die Grialetschhütte gewählt. Unsere sechs jetzt schon « zugewandten Orte » hatten die gleiche Absicht. So zogen wir bei schönstem Wetter und weiterhin ausgezeichnetem Schnee gemeinsam los. In leichter Abfahrt folgt man zunächst im Gleitschritt der Talsohle des Val Tschüvel, um anschliessend daran durchs Val Funtauna zur gleichnamigen Alp zu gelangen. An dieser Stelle münden Sommer- und auch Winterweg aus dem Val Susauna ein. Nach einigem Hin und Her zeigte es sich, dass unsere Absichten doch auseinandergingen. Unsere bisherigen Weggefährten wollten unser gemeinsam erkorenes Ziel durchs Vallorgia, über den « Vadret Vallorgia » und über die gleichnamige Fuorcla erreichen; wir zogen eine andere Variante, und zwar über das Scalettahorn ( 3068 m ), vor. Die etwas zeitraubende Unterhaltung hatte sich gelohnt, denn die zuvor sichtlich ziemlich hart gefrorenen Hänge hatten sich unter der angenehmen Sonnenbestrahlung gerade so aufgeweicht, dass wir ohne Harsteisen eine schöne Spur anlegen konnten. Dabei folgt man im Aufstieg zum Scalettapass ( 2606 m ) der Talsenke und steigt keinesfalls links in die Hänge von « Ils Crauns », durch die der Sommerweg führt. Auf der Passhöhe machten wir einen Verschnaufhalt und genossen bei einem kurzen Znüni die herrliche Aussicht nach Süd und Nord. Wer von hier aus Davos anvisiert, fährt in genau nördlicher Richtung zum Dürrboden ab. Diese Route dürfte allerdings nach unsern Beobachtungen nur selten gemacht werden. Gemsspuren an den Südhängen bezeugten übrigens, dass wir nicht die einzigen Lebewesen hier oben waren. Die Tiere fanden an den spärlichen aperen Stellen offenbar doch genügend Futter.

Da wir uns dem weiteren Weg zuwenden mussten, blieb uns leider keine Zeit für nähere Beobachtungen. Wir wandten uns direkt nach Osten; zunächst ging 's steil bergan auf hartem Schnee dem nicht benannten Firn zu. Ohne Harsteisen hätten wir hier die Ski zweifellos ziemlich weit tragen müssen. Vermutlich wäre es allerdings ratsamer gewesen, anstatt gegen die Passhöhe bereits von P. 2535 an rechts zu halten und erst etwa unter P. 2804 in die von uns eingeschlagene Richtung einzubiegen. Das Scalettahorn war immerhin in Sicht; aber von dieser Seite her muss man sich mit Ski zum Gipfel irgendwie « durchschwin-deln ». Wir versuchten es vom Sattel nordwestlich des Scalettahorns aus und gelangten tatsächlich, ohne die Bretter abzuschnallen, zum Gipfel. Hier oben können die verschiedensten Schneeverhältnisse herrschen: verblasener Hartschnee, ungemütliche Wächten auf der Nord- oder auf der Südseite - oder überhaupt kein Schnee. Wir trafen Wächten am Nordhang, fuhren deshalb sofort am Südhang unterhalb des Gipfels kurz ab bis zu einer aperen Stelle etwa bei Kote 2940, um dort haltzumachen. Von hier aus konnten wir unsere Gefährten auf dem Vadret Vallorgia im letzten Anstieg zur gleichnamigen Fuorcla sehen; wie sie uns zuriefen, hatten ihnen die der Sonne ausgesetzten Hänge einige Schweisstropfen abgefordert. Wir selbst steuerten etwas später, zuerst noch leicht abfahrend und dann in kurzem Wiederaufstieg, ebenfalls zur Fuorcla ( 2969 m ).

Die nun folgende Abfahrt zu unserem Tagesziel folgte nicht der sonst üblichen Route auf dem Hang unterhalb von Chilbiritzen, denn die dort sichtbaren Spuren wollten uns nicht so recht gefallen, weshalb wir die Richtung über die weiten Flächen des Vadret da Grialetsch - an einigen Spalten vorbei - zu P. 2369, östlich unterhalb der Hütte, einschlugen, allerdings mit einem kurzen Wiederaufstieg zur Chamanna da Grialetsch ( 2542 m ).

Die Grialetschhütte war bei unserer Ankunft bereits sehr gut belegt; da wir aber angemeldet waren, wurden uns glücklicherweise doch noch rechte Schlafplätze zugewiesen. Die Hütte dürfte auch heute noch, besonders über Ostern und Pfingsten, zu einer der am besten frequentierten Bergunterkünften im Bünderland zählen. Bei unserm ersten Besuch führte noch das Hüttenwartehepaar Hammerschmid — insbesondere die resolute Frau - das Zepter.

Als Hauptzugang zur Hütte dürfte die Dürrbo-denroute bezeichnet werden; sie war allerdings früher sehr anstrengend, musste man doch von Davos aus durch das nicht enden wollende Dischmatal bis zum Dürrboden ansteigen, während heute offenbar bis « Teufi » meistens das Auto benützt werden kann. Bei Dunkelheit musste man entweder guten Spuren folgen können oder aber seiner Sache sicher sein, um den einfachsten und gefahrlosesten Aufstieg zu diesem Stützpunkt zu finden. Er führt südlich des Sommerweges in einem weiten Rechtsbogen zur Mulde des Furgga baches.

Ein ebenfalls längerer Aufstieg führt von Susch via Flüelastrasse und durchs Val Grialetsch, lässt sich aber heute durch die Benützung einer Fahrgelegenheit bis « Chant Sura » wesentlich verkürzen.

Die Grialetschhütte bietet einen ganzen Kranz ausgesprochener Skiberge an. Vom Scalettahorn war bereits die Rede. Man erreicht sowohl diesen Berg als auch den Piz Grialetsch ( 3131 m ) am besten, wenn man vom Berghaus in südlicher Richtung aufsteigt und einem gut sichtbaren Einschnitt in einem Felsgrätchen zwischen P. 3026 und P. 2862 zustrebt, um so zur Fuorcla Vallorgia zu gelangen. Von dort lässt sich der Zugang zum Scalettahorn leicht finden ( die kurze Strecke wurde ja bereits erwähnt ). Lange liebäugelte ich mit einer « Direktabfahrt » vom Scalettahorn durch den Nordhang über den Scalettagletscher ins Gletschtälli, da mich solche Steilhänge immer lockten und meine Frau auch nicht abschreckten, falls sie nicht zu sehr mit Felsen bespickt waren. Im Aufstieg vom Dürrboden zur Hütte sahen wir aber nur ein einziges Mal eine Aufstiegsspur in direkter Richtung zum Gipfel; Abfahrtsspuren 74 waren nie zu erkennen. Immerhin schienen uns bei einem Aufenthalt in der Hütte die Verhältnisse für ein solches Unterfangen besonders gut — dem Hüttenwart zwar weniger. Für alle Fälle stiegen wir doch zum Scalettahorn, sahen aber von dort, dass seit dem Vortag verschiedene Schneebretter ihren Weg ins Tal genommen hatten, weshalb wir auf unser Vorhaben verzichteten. Da sowohl das Scalettahorn als auch der Piz Grialetsch als Sperrsitz für den Einblick in die nördlichen Bündner Berge gelten, genossen wir als Entschädigung die Aussicht in allen Details und schlugen nachher die Richtung zum Scalettapass ein, unserer früheren Aufstiegsroute in umgekehrter Richtung folgend. Vom Passausschnitt ging 's nach Norden. Ohne auf irgendwelche andern Spuren zu stossen, konnten wir durch erstklassigen Sulzschnee zu P. 2492 und nachher in weit ausholenden Schwüngen ins Gletschtälli gleiten. Ennet dem Furggabach betrachteten wir unsere Spur mit Vergnügen, waren aber doch froh, von der « Direttissima » abgesehen zu haben. Zurück zur Hütte ging es alsdann auf dem normalen Dürr boden-Aufstieg.

Will man zum Piz Grialetsch, so erreicht man zunächst auf der bereits erwähnten Spur die Fuorcla Vallorgia. Nördlich oberhalb davon lässt man die Ski zurück und besteigt den Gipfel zu Fuss über den Südsporn, und zwar meist problemlos.

Sehr lohnend ist die Tour auf den Piz Sarsura ( Hauptgipfel, 3178 m ); dieser wird übrigens als schönster Skiberg des Gebietes gepriesen. Mit Vorteil hält man von der Hütte zunächst abwärts zu dem von uns bei der Abfahrt von der Fuorcla Vallorgia aus erreichten P. 236g. Hierauf steigt man — links an der « Isla Persa » ( P. 284g ) vorbei —zur Fuorcla Sarsura. Dass es nicht unbedingt empfehlenswert ist, auf den Höhenverlust zu verzichten, den die kurze Abfahrt zu P. 236g verursacht, konnten wir selber einmal beobachten. Eine Gruppe von Skifahrern, mit der wir noch über die Route gesprochen hatten, geriet auf einer Umgehungsspur etwa auf 2600 Meter in ein Schneebrett. Ausser leichten Verletzungen eines Mannes kamen zwar alle mit dem Schrecken davon. Die kleine Zeiteinsparung lohnte sich also nicht. Hat man die Fuorcla - sie liegt am Fusse des Südgrates des Piz Sarsura Pitschen ( 3133 m ) -erreicht, folgt man für den Aufstieg zum Hauptgipfel dessen Nordgrat über den Vadret da Sarsura bis zum höchsten Punkt ( 3178 m ). Meist ist allerdings der Schnee am obersten Hang stark verweht, und es empfiehlt sich - selbst wenn man Harsteisen hat -, die Ski zuletzt zu tragen. Dass es selbst bei schönstem Wetter hier oben sehr kalt sein kann, erfuhren wir am eigenen Leib ( Temperatur beim Abgang von der Hütte -25 °C ). Dafür geniesst man aber bei klarer Sicht ein aussergewöhnliches Panorama: im Vordergrund die Davoser Berge und die Silvrettagruppe! Weitblick bis zur Ortlergruppe und in die Ötztaler Alpen sowie natürlich ins Gebiet des Piz d' Err und an der Berninagruppe vorbei gegen die Bergeller Berge!

Die Abfahrt vom Gipfel führt entlang der Aufstiegsroute, wobei der Schnee zuweilen arg wechselhaft sein kann, ohne dass dabei das Schwingen zu kurz kommt. Da der Piz Sarsura sozusagen zu unserm Repertoire gehörte, wäre ich nur zu gern einmal direkt ins Unterengadin abgefahren. Es muss sich um eine herrliche Strecke handeln, wie ich von Freunden erfuhr. Leider konnte ich nie Gleichgesinnte für dieses Unternehmen finden. Ich erhielt nämlich den Bescheid, dass man im mittleren Teil der Abfahrt und an einer etwas unübersichtlichen Stelle häufig verbreitet Vereisungen antreffe. Nur zu zweit mit meiner Frau hätte ich aber bei Schwierigkeiten in diesem abgelegenen Kessel Bedenken gehabt. Nun, es hat eben nicht sollen sein!

Noch bleiben uns zwei Gipfel übrig, die sich für die Besteigung lediglich mit Skiausrüstung eignen. Der eine ist das Radüner Rothorn, der andere das Flüela Schwarzhorn, und beide sind über die Radünerfurka erreichbar. Merkwürdigerweise nennt man P.2788 am Ende des Nordostgrates des Piz Radönt ( 3065 m ) -solange ich mich [75 zurückerinnere--«Radünerfurka ». Auf der Karte ist aber der Einschnitt zwischen dem Piz Radönt und dem Radüner Rothorn, also nördlich oberhalb des Furggaseeleins, als « Fuorcla Radönt » eingetragen. Um die Aufstiegsspur zur Radünerfurka richtig anzulegen, begibt man sich nach meinen Erfahrungen zuerst zur « Fuorcla da Grialetsch », gelangt von dort auf steilem Gelände in nördlicher Richtung und in womöglich kurzen Wenden zu einer kleinen Felsbastion. Erst von dort an zieht man die Spur in nordöstlicher Richtung und oberhalb der Kote 2600 gegen P. 2750, um dann noch einige zehn Meter direkt dem deutlichen Übergang zuzustreben. Man trifft dabei unterwegs sehr oft Harst in allen Formen an ( Südlage ) oder heimtückische Halden, die deutliche Ansätze für Schneebretter bergen. So ist denn Vorsicht am Platze. Auch bei ausgiebigerem Neuschnee sollte auf eine Begehung verzichtet werden. Unweit oberhalb der Hütte verlor ein geübter Sektionskamerad in einem Schneebrett sein junges Leben. Mit der Zeiteinteilung auf dieser Strecke hapert es bisweilen, haben wir doch für denselben Aufstieg zwischen eineinviertel und zweieinhalb Stunden gebraucht.

Für die Besteigung des Radüner Rothorns - die wir selber allerdings nie ausführten -, folgt man, von der Fuorcla kommend, den unteren Felsen des Piz Radönt, ungefähr die Höhe einhaltend, um dann die Richtung zur Mulde südlich des Radüner Rothorns einzuschlagen. Hier werden die Ski deponiert; der Rest bis zum Gipfel ist zu Fuss zurückzulegen. Will man aber zum Flüela Schwarzhorn - was wir lohnender fanden -, so quert man den Vadret da Radönt ungefähr bei P.2671 und gelangt so zum Ende des nördlichen Ausläufers des Radüner Rothorns. Wer die Besteigung mit der Abfahrt zur Flüelapassstrasse verbinden will, deponiert hier seinen schweren Sack, steigt zur Schwarzhornfurgga ( 2883 m ) und lässt daselbst die Ski zurück. Bei guten Schneeverhältnissen ist der Südgrat zum Flüela Schwarzhorn ( 3146 m ) zu Fuss leicht begehbar. Man wird für den Aufstieg mit einer besonders umfassenden Sicht in die Gegend des Flüelapasses und des Dischmatals belohnt. Darüber hinaus lassen sich all die Berge des Parsenngebietes in Musse betrachten. Der Weg zurück zur Hütte verläuft entsprechend der Anstiegsroute; aber man kann auch vom Rucksackdepot aus die Richtung zur Abfahrtsroute von der Radünerfurka gegen den Flüelapass einschlagen ( siehe weiter unten ).

Will man von der Grialetschhütte direkt ins Tal, so können die bereits beschriebenen Zugänge vom Dürrboden oder durchs Val Grialetsch benützt werden.

Mit den sechs Bergkameraden hatten wir abgemacht, gemeinsam über die Radünerfurka nach Davos zu gelangen. Diese Route bildet einen schönen Abschluss der « Drei-Hütten-Tour ». Die Rucksäcke waren mittlerweile etwas leichter geworden, als wir zunächst den Aufstieg zur Furka unter die Bretter nahmen. Dabei hatten wir das Glück, sehr günstige Schneeverhältnisse anzutreffen, was sich auf unsere Stimmung entsprechend auswirkte. Übrigens kann Nebel auf der Weiterfahrt von hier aus Orientierungsschwierigkeiten verursachen. Nun, diesmal freuten wir uns am schönen Wetter und konnten zielsicher der Tiefe zustreben. Die Abfahrt führt durch die breite Mulde des Vadret da Radönt, wo meist guter Schnee liegt, so dass sich « freie Fahrt » anbietet. Dabei muss man sein Hauptaugenmerk auf das Trichterende der Mulde richten, denn diese nimmt eine Schlüsselstellung für die Weiterfahrt in die Hänge ob der Flüelapassstrasse ein. Hier gilt es nämlich unterhalb von P. 2418 das Bachbett zu finden. Gleichzeitig sind aber auch die Steilhänge nördlich des Schwarzchopfs ( P. 2605 ) im Auge zu behalten, da sie stark schneebrettge-fährdet sind. Wie weit sich diese Strecke heute, wo die Strasse im Winter geöffnet ist, mit Ski ohne Durchquerung von allenfalls künstlich ausgelösten Lawinenzügen befahren lässt, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf der Strasse - oder seitlich davon - geht es dann bis zum Flüelahospiz. Früher musste man, um dort einzukehren, einen Schneetunnel von manchmal beachtlicher Länge passieren. Wir machten natürlich einen Besuch in der Wirtsstube, um das gute Gelingen unserer vier Etappen zu feiern. Andere Gäste als zufriedene Skifahrer gab 's damals hier kaum.

Für die weitere Abfahrt nach Davos verlässt man die Strasse am Nordende des Schottensees, gelangt in genau nördlicher Richtung zum Wägerhus ( 2207 m ) und wechselt auf die linke Bachseite hinüber. Dieser weiter folgend - der Tschuggen wird rechts liegengelassen -, hemmen allerdings manchmal Ausläufer von Lawinen aus den felsdurchsetzten Hängen der linken Talseite ein rasches Vorrücken.

Da heute bis zum Dörfij eine Busverbindung besteht ( Pischabahn ), wird man auf die gelegentlich verzwickte Weiterfahrt durch Waldpartien verzichten und sich, vielleicht nach einem Besuch im —jedenfalls früher legendären — « Alpenrösli », von der Talstation der Bahn nach Davos chauffieren lassen.

Der geneigte Leser dürfte gemerkt haben, dass es sich bei den besprochenen Touren tatsächlich um einen « Plausch » handelt. Mit diesem Plausch ist es allerdings vorbei, wenn man in einen Wetterumschlag gerät oder wenn ausgesprochen schlechte oder unsichere Schneeverhältnisse herrschen. Es darf nicht vergessen werden, dass wir uns doch meist in alpinem Gebiet bewegen. Vielfach gibt es keine Spuren oder nur solche, die nicht in die gewünschte Richtung führen.

Man merke also, dass die Ausrüstung vorzüglich sein muss: Schuhe unbedingt mit Profilsohlen; natürlich Felle und Harsteisen; Karten'und Kompass sind unerlässlich, Höhenmesser eine Reepschnur empfehlenswert. Der Verantwortliche für die Tour muss nicht nur berggewohnt sein, sondern er muss unbedingt über grosse Erfahrung im Beurteilen der Schneeverhältnisse verfügen.

Und nun wünsche ich viel Vergnügen!

Landeskarte 1 125000, Blätter 1197, 1217, 1218, 1237.

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