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Skitouren im St.-Elias-Gebirge

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St.Elias-Gebirge

Jan Karel, Dietikon ZH

Relief Die St.Elias-Mountains können als eines der mächtigsten Küstengebirge der Welt bezeichnet werden - die relativen Höhen der Berge sind entsprechend enorm. So fusst der Mount Logan mit seinen 6050 Metern direkt auf riesigen Gletscherbecken, die an seiner Südseite nicht einmal die 2000-m-Grenze erreichen. Es ist deshalb nicht allein die Gipfelhöhe, die den Mount Logan so beeindruckend erscheinen lässt, sondern eher die Wucht dieses breit hingelagerten Bergklotzes. Oberhalb der 4000 m aufstrebenden steilen Flanken trägt er ausgedehnte, plateauartige Gipfeleisfelder, von denen weitläufige, aber unerhört scharfe Grate ausgehen. Am Mount Logan liegt auch eine Fläche von rund 75 km2, höher als der Gipfel des Mont Blanc ( 4807 m ), und auf der ( nur technisch ) nicht sonderlich anspruchsvollen Normalroute sind allein bis zum Gipfel 7V2 km Horizontaldistanz auf Höhen über 5000 m zurückzulegen.

Obwohl der Mount Logan ziemlich isoliert aus den ihn umgebenden Gletschern aufragt, wurde seine markante Gestalt verhaltnismas- 71 Mächtige Berge und viel Eis Obschon der Mount Logan ( 6050 m ) als Kulminationspunkt der St.Elias-Mountains nur der zweithöchste Berg Nordamerikas ist, bildet das St.Elias-Massiv dennoch mit Abstand die grösste Hochgebirgsregion Nordamerikas, finden sich hier doch mehr Gipfel über 4500 m Höhe als im ganzen übrigen Nordamerika, wobei deren Hauptteil in Kanada oder im Grenzgebiet zu Alaska liegt. Zudem gehört es in gewisser Hinsicht auch zu den gewaltigsten Erhebungen der Erde.

sig spät entdeckt - wahrscheinlich erst während der Versuche zur Erstbesteigung des Mount St.Elias im Jahre 1891. Der Grund liegt wohl darin, dass der Mount Logan praktisch von überall her von hohen Bergketten abgedeckt und nur aus dem von Nordwesten sich ins Massiv hineinziehenden Chitina-Tal sichtbar ist.

Vergletscherung Im weiteren findet sich in der St.Elias-Re-gion das grösste ausserpolare Gletschergebiet der Erde. Zudem begegnen wir hier einer Form des Hochgebirgseises, das auf den Beschauer einen bedeutend wilderen und dynamischeren Eindruck macht als die meist starren, kalten Eisflächen der trockenen Polargebiete.

Die St.Elias-Mountains sind ausserdem das klassische Gebiet der ( surging glaciers ). Als wird eine plötzliche starke Zunahme der Fliessgeschwindigkeit bezeichnet, die sich bei vielen Gletschern dieser Region periodisch wiederholt. Der Zyklus kann einige Jahrzehnte bis mehrere hundert Jahre dauern, je nach Grosse und Profil des einzelnen Gletschers. Dabei ergeben sich während eines Surge-Jah-res bisweilen Vorstösse von mehreren Kilometern, was entsprechend spektakuläre Folgen haben kann, wie z.B. das Aufstauen eines Sees. Derartige Naturereignisse sind erst in der letzten Zeit systematisch untersucht worden, wobei man feststellte, dass das Abfluss-regime des subglazialen Wassers hier eine wesentliche Rolle spielt.

Für Alpinisten und Alpensöhne ist das St.Elias-Gebirge auch insofern interessant, als man einen Eindruck erhält, wie die Alpen in der Eiszeit ausgesehen haben könnten. Das betrifft vor allem das Landschaftsbild im Be- reich der grossen Vorlandgletscher, von denen der Malaspina Glacier ( mit 2000 km2 der grösste dieser Art ) dem Gletschertypus den Namen gab.

Klimatische Besonderheiten Die starke Vergletscherung ergibt sich aus der besonderen klimatischen Exponiertheit des St.Elias-Gebirges ( und der nordöstlich anschliessenden Ketten in Alaska ).

Damit man trotz ihres unterschiedlichen Charakters die einzelnen Regionen der Erde erfassen und vergleichen kann, werden von den Geographen klimatische Kriterien anstelle der Meereshöhe angewendet. Das gilt z.B., auch für die Definition des Hochgebirgs-Be-griffes. Im St.Elias-Gebiet liegen nun solche klimatische Höhenstufen - selbst wenn sie je nach Kriterium etwas verschieden angesetzt werden - generell mindestens 1500 m tiefer als in den Alpen und ungefähr 4000 m tiefer als im Himalaya. Das heisst: In den St.Elias-Bergen trifft man in 3000 m Höhe Verhältnisse an, die mit jenen auf 4500 m in den Alpen vergleichbar sind.

Die St.Elias-Kette stellt eine wesentlich wirksamere Klimascheide dar als z.B. die Alpen. An der Wetterstation in Cordova am Pazifik werden 2060 mm Jahresniederschlag gemessen. Etwa 200 km östlich der Bergkette, in Whitehorse, sind es nur 260 mm ( in Zürich 1140 mm ). Die grossen Temperaturwechsel auf dem Kontinent werden nur an der Südwestseite der Bergkette durch den Ozean wirksam gemildert. Die Jahresschwankung der Monatsmitteltemperatur beträgt in Whitehorse ( 250 km von der Küste entfernt ) noch 32 °C, gegenüber 17° in Cordova. Im Osten des St.Elias-Gebirges kann man bei etwas Glück lange Schönwetterperioden geniessen, wie sie in den Alpen kaum vorkommen, wobei der April meist der sonnigste Monat des Jahres ist.

Unterwegs im St.Elias-Gebirge Nach dieser geographischen Einführung ist es verständlich, dass die Erstbesteigung des Mount Logan ein aufwendiges und gut organisiertes Unternehmen sein musste. Die erfolgreiche Albert-McCarthy-Expedition von 1925, die sechs Wochen nach dem Aufbruch von der heutigen Ortschaft McCarthy im Chitina-Tal den Gipfel erreichte, ist denn auch legendär geworden. Auf der Rückreise wurde ein Teil der Route sogar mit dem Floss auf dem Chitina-Fluss zurückgelegt.

Mit der Besteigung des Mount Logan fand die eigentliche traditionelle Erschliessungspe-riode ein Ende. Das Flugzeug hielt Einzug, und die langen Anmärsche zu den grossen bergsteigerischen Zielen wurden nur noch selten in Kauf genommen.

Heute haben sich in den Gebirgen Alaskas und Kanadas zwei Formen alpinistischer Aktivitäten herausgebildet. Die eine besteht darin, extrem schwierige Routen im alpinen Stil anzugehen, wofür man sich gewöhnlich an geeigneten Landeplätzen vom Flugzeug absetzen lässt. Bei der anderen steht eine völlig verschiedene Zielsetzung im Vordergrund: nämlich die Suche nach dem Erlebnis der Einsamkeit. Hier wird die Abgeschiedenheit dieser Bergwelt als eine gewisse Herausforderung betrachtet. Das Vordringen in jene unwirtlichen Eis- und Schneeregionen und der freiwillige Verzicht auf das ( künstliche Hilfsmittel Flugzeug ) sind hier mindestens ebenso wichtig wie die Gipfelbesteigungen selbst.

Da sich in Europa keine Gelegenheit zu solchen Erlebnissen mehr bietet ( eine Tödi-Be-steigung von Zürich aus wäre wohl ein allzu krampfhafter Nachahmungsversuch ), ist ein Vorstoss in Kanadas Wildnis für uns besonders verlockend. Allein schon die Planung eines derartigen Unternehmens erfordert einiges Umdenken. In Europa nehmen wir z.B. gar nicht wahr, wie oft am Tag nur das Bestehen einer Brücke es uns erlaubt, einen Fluss zu überqueren. Wir müssen deshalb erst lernen, dass 10 km eine zufriedenstellende Tagesstrecke sein können. Das St.Elias-Gebirge ist unwegsames Gebiet. Hier gibt es weder Strassen noch Übergänge, und wir haben ebenfalls keine schöne Landeskarte im Massstab 1:25000 zur Hand.

Soviel wissen wir bereits vor unserer Reise, weshalb wir auch keine genauen Pläne machen. Unser Ziel: Wir wollen das St.Elias-Ge-birge ohne jeden Leistungszwang kennenlernen!

Am 17. April 1984 kommen wir am Kluane-See, nordöstlich des St.Elias-Gebirges, an. Eva, Max'und ich. Es liegt weniger Schnee als in andern Jahren, und einige Flüsse sind bereits aufgebrochen. Für ausgedehnte'Eva Karel, Max Lautenbacher.

Schlittenfahrten ausserhalb vergletscherter Regionen ist es somit bereits zu spät. Der ursprünglich geplante Besuch ins Mount-Steele-Gebiet fällt deshalb buchstäblich ins Wasser.

Erste Reise Mit der Absicht, sozusagen als Akklimatisation, eine kürzere Erkundungstour zu unternehmen, brechen wir raschmöglichst zum nächstgelegenen Gletscher, dem Kaskawulsh Glacier, auf. Der am Südende des Kluane Lake einmündende Slims River und der weiter oben sich anschliessende Kaskawulsh Glacier bieten von hier aus den einfachsten Zugang zu den Eisfeldern im Innern. Zugleich hat aber dieses, die Randketten der Kluane Range durchschneidende Tal den Nachteil, dass die von den Eisfeldern herabgleitende schwere Kaltluft hier wie in einer Düse konzentriert wird. Dieser Windkanal-Effekt hat zur Folge, dass fast ständig ein unangenehmer Staub-sturm herrscht - sogar bei strahlendem Himmel. Die Luft ist dann auch entsprechend trübe, und ununterbrochen knirscht feinster Sand zwischen den Zähnen.

Entgegen unseren Erwartungen nützt uns der Schlitten am ersten Tag wenig. Oft findet sich nämlich überhaupt kein Schnee, und die Fahrt auf dem instabilen, den Fluss nur noch teilweise bedeckenden Eis setzt unseren Nerven dermassen zu, dass wir oft darauf verzichten. Und spätestens dann, als wir den Schlitten zum erstenmal auf eines unserer Traggestelle binden müssen, erscheint uns die Idee, auch Frischgemüse mitzunehmen, nicht mehr besonders genial!

Der Kaskawulsh-Gletscher endet mit einer Stirnseite von über 7 km Breite, und wir benötigen einen ganzen Tag, um uns mit dem Schlitten durch ein Chaos von unzähligen wirr ineinanderverschachtelten Moränenzügen, Bächen und Seen durchzuarbeiten. Endlich auf dem Gletscher angelangt, wird der Überblick durch riesige Seitenmoränen stark eingeschränkt. Selbst hier ist es deshalb oft verteufelt schwer, sich zu orientieren. Doch allmählich gelangen wir in einen ruhigeren Abschnitt. Aber nicht für lange, denn schon versperrt uns eine Spaltenzone den Weg. Da die Suche nach einer Durchfahrt für den Schlitten erfolglos bleibt, müssen wir die Ausrüstung in zwei Gängen mühsam hinübertragen.

Der nun seitlich einmündende ( Stairway Glacier> wird auf der Karte mit einem Gefälle von etwa 5% angegeben, was auf einen bequemen Aufstieg schliessen lässt. Wir hoffen deshalb, über ihn weiter und höher ins Gebirge vordringen zu können. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus: Der Stairway Glacier macht seinem Namen ( stairway = stufenartig ) alle Ehre und ist dementsprechend kaum begehbar. Wahrscheinlich ist dies das Ergebnis eines vor nicht allzulanger Zeit erfolgten ( Vorstoss ). Wir müssen uns somit nach anderen Routen umsehen.

Bereits sind wir sechs Tage unterwegs. Mit ein paar stichwortartigen Zeilen halte ich die heutigen Ereignisse fest:

ein wunderschönes Gebiet mit unzähligen Skibergen um die 3500 m ü. M. Rasch ist deshalb der Entschluss gefasst, auf unser bisheriges Ziel, den Mount Queen Mary, zu verzichten. Die Erkundungstour hat damit ihren Zweck erfüllt, weshalb wir nun umkehren, um weiteren Proviant für die Haupttour zu holen. Leider kündigt uns das von uns selbst herausgegebene Lawinenbulletin nicht eben günstige Verhältnisse an: ( Die dünne Schneedecke weist schwache Schichten auf, und eine massige bis erhebliche lokale Schneebrettgefahr ist zu beachten. ) Immerhin gelingt es uns trotzdem, eine schöne Linie für die Abfahrt zu finden. Und weiter geht es talauswärts die Gletscherzunge hinunter. Allerdings nicht ganz ohne Zwischenfälle. Da die beiden Holme des Schlittens gebrochen sind, können Max und ich den Schlitten nur mit den Schnüren ( zähmen ), etwa auf ähnliche Art, wie man Kanus treidelt. Doch bald nimmt das Gefälle zu, was unser Gefährt zu einem direkt aggressiven Verhalten bewegt. Während der immer schnelleren Schussfahrt rast der wildgewordene Schlitten auf meinen Kameraden zu und überfährt ihn kurzerhand. Die Kollision sieht furchtbar aus, aber Max steht glücklicherweise unversehrt wieder auf. Jetzt gilt es bloss noch den besten Durchschlupf durch das schier endlose Gewirr der Stirnmoränenwälle zu finden. Ein wahres Fegefeuer - doch danach erwartet uns das Paradies: das Lagerfeuer im Walde. Alle Energiesparmassnahmen sind nun aufgehoben.

Wir stellen Menüs zusammen, die stundenlanges Kochen erfordern, und können genussvoll auf trockenem Waldboden ausgestreckt essen. Hier herrschen bereits frühlingshafte Verhältnisse. Auch die Tierwelt ist erwacht. Zu unserer Beruhigung können wir feststellen, dass Eva eine erstaunliche Bären-Spürnase besitzt, denn es gelingt ihr jeweils, einen Grizzly auf beliebige Entfernung und in Sekundenschnelle zu orten.

Glücklicherweise finden wir am Fluss noch längere vereiste Strecken, die es uns erlauben, per Ski voranzukommen. Und da uns diese Art der Fortbewegung mehr Spass macht als das mühsame Waten durch die angrenzenden Sumpfgebiete, fahren wir zu weit. Als nächstes stehen wir jetzt vor dem Pro- Kluane-National-park: Saint Elias Mountains mit den eingezeichneten Aufstiegsrouten.

blem, das Ufer und damit das sichere Land zu erreichen. Denn bisher haben wir uns - weil die Uferpartien stets zuerst aufbrechen - an die noch vereiste Flussmitte gehalten. Trotz angestrengten Suchens finden wir keinen idealen Übergang, so dass wir notgedrungen eine feuchte Landung in Kauf nehmen müssen. Dafür aber erreichen wir am selben Tag die Strasse, unseren Anschlusspunkt zur Zivilisation.

Zweite Reise Wir nehmen wieder den gleichen Weg über das Slims-River-Tal und den Kaskawulsh Glacier bis zur grossen Abzweigung des South-Arm-Gletschers. Hier überqueren wir die Mittelmoränen, um dem nach Süden führenden South Arm zu folgen. Am sechsten Tag ( am 8. Mai ) betreten wir damit wieder Neuland.

Irgendwann am achten Tag erreichen wir die Hochfläche. Der Blick weitet sich, und wir erkennen die markanten Berggestalten des Mount Kennedy ( 4238 m ), des Mount Alverstone ( 4439 m ) und des Mount Hubbard ( 4575 m ). Nach der Karte befinden wir uns jetzt in den ( Icefield Ranges ). Das Wort ( Eisfelder ) vermittelt tatsächlich einen viel zutreffenderen Eindruck von der weiten, weissen Fläche als das Wort ( Gletscher ). Jetzt erhält unser Unternehmen auch einen ernsthafteren Anstrich. Wir bilden jedoch ein gutes Team -nicht zuletzt, weil wir uns in der Beurteilung der verschiedenen Gefahren so ausgezeichnet ergänzen: Max zählt jeden Tag unseren Vorrat an Trockenrosinen, da ihm stets das Verhungern als letzte Konsequenz aller Risiken vor Augen schwebt; wohl aus der Befürchtung, seine harmonisch entwickelte Muskulatur könnte durch mangelhafte Ernährung geschädigt werden. Ich hingegen - professionell verbildet - stelle mir alle Möglichkeiten katastrophaler Wetterentwicklungen vor, selbst solche, die sich nur alle hundert Jahre zu ereignen pflegen. Ich möchte deshalb unser nächstes Lager gut geschützt errichten, am liebsten gleich in einer Gletscherspalte. Respektieren tun wir aber die Ansichten der Dame, und diese Dame findet ausgerechnet Gletscherspalten besonders ungemütlich. Deshalb steht unser Lager schliesslich in einer - vielleicht - spaltenfreien Zone, weitab von jedem Orientierungspunkt. Dazu liegt es wie auf dem Präsentierteller im Bereich der Übergänge zwischen dem Kaskawulsh-, dem Dusty- und dem Lowell-Gletscher, somit einen nahezu idealen Angriffspunkt für Stürme aus allen Himmelsrichtungen bildend.

Dieses Basis-Lager befindet sich auf 2400 m Höhe in jenem Gebiet, das wir bereits anlässlich der Planung unseres Unternehmens zu besuchen beabsichtigten. Damit verfügen wir über einen guten Standort, von dem aus sich eine ganze Anzahl eintägiger Touren durchführen lassen. Mit viel Liebe bauen wir deshalb unser Lager zu einer möglichst komfortablen aus.

Der einzige Berg, der hier - wohl wegen seiner markanten Form - bereits einen Namen trägt, ist der Pinnacle Peak2 ( 3714 m ). Wegen seines abschreckenden Aussehens wagen wir 2 Pinnacle = Turmspitze.

Unser Basis-Lager. Rechts im Bild der Pinnacle Peak ( 3714 m ).

uns aber nicht an seine Besteigung. Ja, sind diese Berge überhaupt schon bestiegen worden? Vielleicht...

Zunächst nützen wir das prächtige Wetter um ein paar wenig anspruchsvolle, kleinere Skitouren zu unternehmen. Dann - bereits sind zwölf Tage verstrichen, seit wir der Zivilisation den Rücken gekehrt haben - stehen wir auf dem westlichsten und höchsten Gipfel unserer Reise. Er ist etwa 3600 m hoch und 85 km von der Strasse entfernt. Ein enormes Panorama breitet sich vor uns aus: die gesamte St.Elias-Kette in ihrer hochalpinen Ausprägung. Und inmitten dieser Gipfelwelt thront der Mount Logan als mächtiges, alles überragendes Ungetüm.

Am folgenden Morgen streben wir unserem nächsten Ziel zu. Doch diesmal schüttelt der Berg uns ab. Die schon rasch sich steigernden Schwierigkeiten bewegen uns zum Rückzug. Um hier erfolgreich zu sein, fehlt es uns an Zeit, an Material für das Erklettern von Eispassagen und vor allem an , um in dieser Abgeschiedenheit die notwendigen Risiken einzugehen. Unsere Fortschritte im Skifahren am Seil bleiben für heute deshalb das einzige Erfolgserlebnis. Und - trotzdem - glücklich schauen wir auf die schönen Hänge zurück, wo sich noch die zierlich wirkenden Muster unserer Abfahrtsspuren in der Sonne abzeichnen. Dann nähern wir uns dem Lager, das zuerst nur als Pünktchen in dieser gleissenden Ebene erkennbar ist. Rasch wächst es aber zu einem langgestreckten Bauwerk heran, das mit seinen Schneemauern und -zinnen Erinnerungen an mediterrane oder mexikanische Stilelemente weckt.

Nach zwei Wochen wird es nun Zeit, unsere zu verlassen. Inzwischen ist auch bereits der Frühling weiter ins Gebirge vorgedrungen. Die stärkere Sonneneinstrahlung vermochte selbst die Schneebrücken aufzuweichen, so dass nun manche bereits unangenehm tief über den Spalten hängen.

Knapp unterhalb des Lagers stossen wir auf die Spuren eines Vielfrasses. Obwohl man auch von Grizzlys weiss, dass sie beachtliche Strecken auf Gletschern zurücklegen, erstaunt es uns doch sehr, dass sich ein Vielfrass in dieser unwirtlichen Region als Alpinist versucht.

Wir kommen gut voran. Die neu konstruierten Schlittenholme bewähren sich, und die Rückreise gestaltet sich trotz den zunächst äusserst vergnüglich. Innert wenigen Stunden erreichen wir denn auch die Mittelmoränen des Hauptgletschers.

Nach einer kurzen Biwaknacht - denn schon wird es nicht mehr vollständig dunkel - verschlechtert sich das Wetter. Dafür können wir jetzt wenigstens auf den Schutz der Gletscherbrille verzichten - ein angenehmes Gefühl. Jedoch hat sich die Wolkendecke verdichtet, und wir irren nun im Schneefall und Nebel durch die bucklige Landschaft des aperen Gletschers. Dann beginnt es zu regnen. Unsere heimlichen Bedenken, dass wir zum Schluss in den unzähligen Windungen der teils recht tiefen Schmelzwasserbäche auf der Gletscherzunge hängenbleiben könnten, erweisen sich glücklicherweise als unbegründet. Wohl fliesst es überall den Gletscher herab und warten neben Schmelzwasserrinnen heimtückische Schneematschtümpel, aber alle Hindernisse lassen sich irgendwie umgehen oder überqueren.

Auch für uns gilt die Devise:

Das waren unsere Skiferien im fernsten Nordwestzipfel Kanadas. Damit ist die Tour jedoch nicht beendet. Noch wartet uns zum viertenmal die Schinderei quer durch die Endmoränenwälle des Kaskawulsh Glacier. Bereits sind wir mittendrin. Die das wässerige Eis nur oberflächlich bedeckende Schlamm- und Geröllschicht gibt unter jedem Schritt nach. Dann folgt das Slims-River-Tal, dessen Boden jetzt natürlich besonders sumpfig geworden ist. Mit unseren riesigen Säcken dürfen wir deshalb erleben, welche Strapazen die Goldsucher zur Zeit des in Alaska etwa haben auf sich nehmen müssen.

Am siebzehnten Tag können wir die durchweichten Skischuhe endgültig ausziehen -glücklich, befriedigt, müde, mager. Nebst unseren schweren Säcken haben wir einige faszinierende Eindrücke und Erfahrungen aus den Bergen herausgeschleppt. Nicht die überwältigenden Dimensionen dieser Gebirgslandschaft spielten dabei die wesentliche Rolle, vielmehr ihre Reinheit und Ursprünglichkeit—die besten Voraussetzungen für die Entschlak-kung von Körper und Seele.

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