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Tödi

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Andreas Ludwig.

In seinem 1908 erschienenen Buche « Höhen und Tiefen in den Alpen » schreibt der 1934 verstorbene Verfasser, Ehrenmitglied des S.A.C. und der Sektion St. Gallen, u.a. über den Tödi:

Ein eigener Zauber touristisch-historischen Erinnerns umweht die Tödigruppe, ein Zauber in doppeltem Sinne. Einmal schon deshalb, weil sie schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts das Exkursionsgebiet eines der verdientesten Alpenpioniere war, des Paters Placidus a Spescha, dessen sympathische Gestalt einem stets vor Augen tritt, wenn von der Erforschung dieses Gebietes die Rede ist, und dessen Name auch ohne die wohl angebrachte Ehrung durch die Porta da Spescha nimmer vergessen werden könnte. Sodann war die Tödigruppe gewissermassen die erste Liebe des eben gegründeten S.A.C. Die ersten Jahrbücher tun uns dar, mit welcher Begeisterung in den 1860er Jahren in diesem Gebiet gearbeitet worden ist.

Für den Tödi bin ich auch jetzt noch, nachdem ich einen grossen Teil der Alpen gesehen, in gleichem Masse eingenommen wie vor Jahren. Der einfältige Dünkel mancher modernen Bergsteiger, welche die Schönheit und Majestät eines solchen Berges gar nicht zu würdigen verstehen, weil er ihnen nicht schwierig genug erscheint, ficht mich dabei wenig an. Der Tödi ist eine vornehme Gestalt, ein Fürst im Reiche der Berge; weithin glänzt der Firnscheitel seines massigen Hauptes über die schweizerische Hochebene und hinaus in die deutschen Lande, und jeder Bergsteiger, der die bedeutenden Gipfel der Alpen kennen lernen will, muss auch den Tödi auf sein Programm nehmen und sollte dies um so mehr, als er nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus Deutschland und Österreich bequem und rasch zugänglich ist. « Nicht schöner und nicht gebietender zeigt sich die Jungfrau vom Lauterbrunnental aus, der Monte Rosa von Macugnaga und der Mont Blanc von Chamonix », sagt Hegetschweiler vom Tödi, der « mit breitem, begrastem Satz jäh 8000 Fuss aus der untern Sandalp durch Felsen und Gletscher gen Himmel wächst ohne dass ein einziger vorstehender Fels die Kraft seiner ganzen Grosse auf das beobachtende Auge schwächte ». Und Purtscheller, dem ja aus allen Alpengruppen die grossartigsten Bilder aus eigener Anschauung bekannt geworden, der darum in der Anwendung von Superlativen vorsichtig und von alpinem Lokalpatriotismus frei war, nennt den Tödi von den Medelsergipfeln aus einen Berg von göttlicher Majestät. Und der Bifertengletscher ist zwar nicht einer der grössten, aber ganz gewiss einer der eindruckvollsten der Schweiz, was er seiner Höhe und seiner reichen Gliederung und Terrassierung durch drei Eisbrüche verdankt. In seinem Hintergrunde aber ruht das Auge auf einer wunderbaren Firnlandschaft mit einem reichen Gipfelkranz.

Heute, da der Tödi mit Leichtigkeit und häufig erstiegen wird, gedenkt man nicht ohne Wehmut der vergeblichen Versuche, welche zwei tüchtige Kämpen, Hegetschweiler von Norden und Pater Placidus a Spescha von Süden, machten, um den « Riesen der östlichen Gebirgskette Helvetiens » zu bezwingen. Eine eigentümliche Tragik hat beiden die Siegespalme verweigert. Spescha, der unbestrittene Ersteiger so vieler Gipfel Graubündens, war auch auf den Stockgron gelangt, das ist absolut sicher; seine Beschreibung schliesst jeden Zweifel aus. Die Hauptarbeit war damit, beziehungsweise schon mit der Erreichung der Porta da Gliems, getan; der weitere Marsch nach dem Piz Rusein hätte keine Schwierigkeiten mehr geboten, und dass Spescha ihn selbst nicht erreichte, daran waren die ärgerlichsten Zufälle schuld. ( Man lese den Versuch von 1823 im Jahrbuch XVI des S.A.C. ) Auch Hegetschweiler hatte mit rühmlicher Zähigkeit die Hauptschwierigkeiten des Zuganges überwunden, nachdem er einmal über die Schneerunse und Gelbe Wand hinauf gelangt war. Vom letzten Punkte seines Vordringens hätte es sich nur noch um leichten Marsch über Firn gehandelt. Wenn auch ihm die Erreichung des Zieles versagt blieb, so lag, wie Simler richtig bemerkt, der Grund vornehmlich daran, dass er jedesmal zu spät von der weit entfernten Obersandalp aufbrach.

Die erste Winterbesteigung des Tödi hat bekanntlich Prof. Gröbli ausgeführt, der im Jahrbuch XX darüber berichtet. Die Ehre der ersten winterlichen Überschreitung kommt zwei St. Galler Touristen zu, den Herren C. W. Keller und C. Eugster, deren gütigen Mitteilungen ich die folgenden Notizen verdanke.

Die Alpen — 1940 — Les Alpes.27 Die beiden Herren brachen mit Führer Salomon Zweifel und Träger Streiff am Morgen des 12. Februar 1882 von Linthal auf. Die Schneeverhältnisse waren ungünstig; man sank tief ein und brauchte bis zur Grünhornhütte einschliesslich Rasten nahezu zehn Stunden. Wohl hatte jeder in der Sandalp eine Last Holz mitgenommen, um die ganze Nacht in der Clubhütte heizen zu können; es war aber dennoch so kalt, dass man nicht schlafen konnte. Die Runse bei der Gelben Wand war sehr ungünstig, der Schneehang war furchtbar steil und weich, so dass man fast nicht vorwärts kam, sondern immer wieder zurückrutschte. Oberhalb der Hegetschweilerplatte war es dann besser, der Schnee härter. Die Überschreitung der Schneekante gegen die Spitze des Rusein erforderte zwanzig Minuten; man musste rittlings und rutschend hinüber, in ungemütlicher Situation nach beiden Seiten in grosse Tiefen blickend.

Oben war es wundervoll, der ganze Horizont frei. Von Savoyen bis nach Bayern war jede Spitze sichtbar in einer Klarheit, wie man sie im Sommer auch im günstigsten Falle nie trifft. Leider aber wehte ein so scharfer Südostwind, dass man es auf der Spitze nicht länger als vierzig Minuten aushalten konnte.

Den Abstieg wieder über die gwächtenartige Schneekante zu nehmen, war zu riskiert, deshalb schlug Zweifel vor, direkt in der Richtung gegen den Bifertengletscher hinunterzugehen und ein Stück weiter unten den furchtbar steilen Schneehang gegen die Porta da Spescha hin zu traversieren. Wie Mücken an einer Wand klebten die Wanderer am Schneehang, hoch über dem Bifertengletscher. Ein Fehltritt musste verderblich werden, deshalb mahnte Zweifel, in die Stufen zu schauen und nicht hinunter zu sehen. Nach bangen vierzig Minuten langte man bei der Porta da Spescha an; nun aber stand nochmals harte Arbeit bevor. Der ganze Abhang hinunter zum Curschellasfirn war eine spiegelglatte Eiswand. Stundenlang mussten Stufen gehauen werden, nur einer durfte gehen, so lange das Seil reichte, die andern mussten auf Posten stehen in einer grossem Stufe. Das erforderte so viel Zeit, dass man bis Ruseinalp 3 Stunden 40 Minuten brauchte. Im untern Ruseintal fand man dann eine Schlittenspur von Holzern, wo es wieder rascher vorwärts ging. Um noch vor Postschluss in Disentis zu sein und die glückliche Ankunft telegraphisch nach Hause melden zu können, gingen die beiden Touristen rascher als Führer und Träger und langten eine halbe Stunde früher dort an, wo ihnen der Wirt zur « Krone » nicht glauben wollte, dass sie vom Tödi kommen, und sie unverhehlt für Aufschneider hielt. Im Winter sei noch keiner die Porta heruntergekommen, das sei nicht möglich, behauptete er. Als dann aber Führer und Träger ankamen, schwanden seine Zweifel.

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