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Über Ortsbenennung in den Schweizer Alpen

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Gern komme ich Ihrem Wunsche entgegen, meine Ansichten über Benennung noch unbezeichneter Oertlichkeiten in den Schweizeralpen mitzutheilen, nur muss ich Sie bitten, nicht etwa eine, durch alle Phasen dieses vielseitigen Themas gründlich studirte Arbeit zu erwarten, denn dazu ist dieser von der rhätischen Section letztes Jahr der Generalversammlung in Basel vorgelegte Gegenstand noch zu neu und bedarf nicht nur ungewöhnlicher Ortskenntnisse, sondern auch specieller Geschichts- und Sprachstudien.* ) Ich fasse nämlich denselben etwas weiter auf als rein nur nach dem clubistisch-praktischen Standpunkt, welcher hauptsächlich dahin zielt, die Orientation in dem formenreichen Gebirgsterrain der Alpen zu erleichtern. Die Aufgabe wird erst dann wissenschaftlich, anziehend und reichlich lohnend, wenn man sich mit den jetzigen topographischen Benennungen der Alpen bekannt macht, dieselben mit einander vergleicht, zu einander in Beziehungen bringt, wenn man nach ihrem Alter und Ursprung fragt, also die Bewohner der Alpen, von denen die ersten Benennungen ausgegangen und allfällige spätere Formenänderungen herrühren, mit in 's Studium hineinzieht.

Was ich Ihnen, meine HHrn., ânmit biete, ist nur ein allgemeiner Ueberblick über das weite Gebiet, das vorliegender Gegenstand einnimmt, wobei ich mir allerdings erlauben werde auf einzelne Felder desselben etwas näher einzugehen.

Werfen wir einen Blick auf den eidgenöss. Atlas und die neuesten Specialkarten einzelner Kantone, so findet man, dass sich die Ortsbenennungen meist nach Sprache und Volksstamm, selten ohne einen diesfälligen Anhaltspunkt gruppiren. So tragen die meisten wichtigeren Gebirgshöhen zwischen dem Wallen-, Zürcher- und Vierwaldstädtersee bis zur Tödikette und hinüber bis zum Schreck- und Wetterhorn ( also in den auch geschichtlich eng verbundenen Kantonen Uri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus ) den generellen Namen Stock oder Stöckli. Es hat da Hunderte von Bergen mit dieser Benennung, während dieselbe nur vereinzelt in Wallis und Bern, im Innern des Kantons Graubünden aber gar nicht vorkommt. Mit dem Worte Stock werden in jenem Gebiet kleinere und grössere Gebirgsansehwellungen benannt, welche meist in einer felsigen Spitze kulminiren, während mit diesem Ausdruck in der Geographie bekanntlich die Zusammengruppirung mehrerer Berge oder Knoten von Gebirgsketten bezeichnet wird. In den genannten Kantonen

lieber Ortsbenennung.

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ist also der Begriff ein weiterer, und man darf wohl annehmen auch ein älterer als der geographisch definirte, folglich auch ein vollkommen berechtigter.

Die individuelle Benennung der Bergspitzen des Gebietes der Stöcke ist sehr verschieden, bald nach der Farbe des Gebirgstocks ( Uri-Rothstoek, Schwarz-Stock ), bald nach dem Wild, das sich dort häufig aufhält ( Gemsstock, Hühnerstock ), dann wieder nach deren Form ( Hausstock, Grätli-stock, Kistenstock ) etc. Endlich giebt es eine Anzahl Namen, welche schwierig ableitbar sein dürfte.

Zwischen diesen Stock und Stöckli kommen zerstreut andere Benennungen vor wie Hörn, Kopf, Fluh, Wand und Berg.

Jenseits des Wallensees ist das Gebiet der Firste.

Treten wir über die südliche Grenze der Stöcke, die Tödikette, so trifft man fast überall die generelle Benennung Piz, welche sich über den ganzen romanischen Theil Btin-dens ausdehnt. Hier und da findet man den Ausdruck Cuolm, worunter man einen abgerundeten, kuppeiförmigen, meist berasten Berg oder Bergesvorsprung versteht. ( Cuolm da vi im Tavetsch, Cuolm da Latsch. ) Treten letztere in die Thalsohle vor, so werden sie auch Monpé ( Oberland ) oder Pé de Mont ( Münsterthal ) genannt. Kleinere Gebirgs-vorsprünge und hügelartige Bergformen tragen im allgemeinen den Namen mott, muot, muota. Die Benennung des Dorfes Mutta rührt daher. Zwei nahe Spitzen und auch andere Orte, werden hier und da mit der Bezeichnung dadaint ( inner ) und dadoura ( ausser ) unterschieden. Die Eigennamen der Piz sind meist wie diejenigen der Stöcke von der Farbe, Form und anderen Eigenschaften derselben genommen, z.B.: P. nair ( schwarze Spitze ), P. laat ( breite Spitze ), P. vadred ( Gletscher-Sp. ) P. ot, ( hohe Sp. ) etc.

Merkwürdig ist wie mitten unter diesen romanischen Namen rein deutsche auftreten, se in Davos, Arosa, Wals, Safien, Rheinwald, und in der That wurden diese Thalschaften zuerst von deutschen Volksstämmen bewohnt* Vereinzelte romanische Benennungen, z.B. Pedera, Clavadel, Pravagan in Davos verdanken ihren Ursprung wahrscheinlich späteren Ansiedlungen romanischer Familien.* ) Als ich mit der topographischen Aufnahme dieser Landschaft*be-schäftigt war, fiel mir die grosse Verwandtschaft der dortigen Ortsnamen mit solchen in Oberwallis, besonders in Zermatt und Saasthal auf. Es liefert diese Verwandtschaft einen neuen Beleg für die geschichtliche Ueberlieferung, dass die ersten Einwanderer in Davos freie Walser gewesen.Diese haben die Ortsnamen von Oberwallis auf die entsprechenden Oertlichkeiten in Davos übertragen und so in ihrer neuen Heimat für sich und ihre Nachkommen eine ewige Erinnerung an ihre alte Heimat geschaffen. Der Davoser, der das Oberwallis besucht, muss von heimeligen Gefühlen ergriffen werden, so viele Namen seiner Landschaft ( die sonst nur noch sehr vereinzelt zu hinterst im Berneroberland und in Safien und Avers gefunden werden ) hier wieder zu treffen, mit noch andern verwandten Verhältnissen, wie » die Namen der Kirchen St. Leonhard und St. Johann und verschiedene Familiennamen, und so auch umgekehrt.

* ) Wenigstens sprechen die vorhandenen Dokumente, insbesondere die Urkunde, durch welche der Freiherr v. Vatz den 12 freien Waisern das Thal Davos gegen eine gewisse Zinsentrichtung schenkt, gegen eine frühere romanische Ansiedlung.

Dass der Freiherr v. Vatz dazu kam, gerade Wallisern die Thalschaft zu schenken, rührt ( nach Prof. Bott ) wahrscheinlich daher, dass diese Familie mit den im Wallis sässigen Freiherren v. Raron in nahem verwandtschaftlichen Verhältniss gestanden.

Schweizer Alpen-Club.30

Wieder finden würde der Davoser im Oberwallis sein Seehorn, Börterh., Jazzh., Schienh., Tellih. sammtTelligletscher; die Oertlichkeiten in den Ritzen, in der Schlucht, in den Flühen* ), in den Lärchen, Tschuggen, Stelli; auch den Leidbach würde er von den Bergen herunterrauschen hören.

Die Längmatt, Bodmen und Gadmen breiten ihre Wiesflächen dort aus, er kann dort seine Mädje, Wildi, seine Bühl und Hubel wieder begrüssen, sogar die Kummen ( Augstkumme, Rieskumme ) fehlen nicht, und statt einem Kehrentelli hat das Saasthal ein Kehrenrück.

Auch in Avers, Safien und bis Thusis finden sich einige Namen aus Oberwallis, wie Telli und Nolla, welch letzterer Ausdruck in Davos nicht vorkommt.

In den übrigen deutschen Landestheilen Graubündens kommen sehr viele romanische Ortsnamen vor und auch solche von Bergspitzen ( Montelin ob Chur, Schesaplana ob Seewis ), da in diesen Gegenden noch vor wenigen Jahrhunderten romanisch gesprochen wurde. Es muss daher angenommen werden, dass die deutschen Benennungen Jüngern Ursprungs seien, so die Namen Hörn und Berg, Fluh und Stein. Der Ausdruck Berg wird indessen vom Volk im Allgemeinen für Gebirgshänge und speciell für die Maisässe ( Vorberge ) gebraucht, wohin das Vieh vor und oft auch nach der eigentlichen Alpzeit getrieben wird. Das Gleiche gilt auch für den romanischen Ausdruck munt und den italienischen monte.

In den italienischen Landestheilen Bündens werden die Bergspitzen meist Pizzo oder Cima genannt, seltner Corno, Sasso oder Monte; im Tessin dagegen ist ausser Pizzo und Punta die Bezeichnung Monte sehr gebräuchlich.

* ) Fühelathal in Davos kommt wahrscheinlich von Fluh.

Im Kanton Bern bis an die Grenze von Waadt und im Oberwallis ist den meisten Bergspitzen der generelle Name „ Horn " gegeben, und in der That zeichnet sich dieser Theil der Alpen durch zahlreiche pyramidenförmige, schrofFf eisige Erhebungen der Bergspitzen aus. Zwei Hörner nebeneinander werden hier und da Scheeren oder Zwillinge genannt. ( Auch Graubünden hat ein Scheerhorn, Piz Forbisch in Oberhalbstein, und Zwillingsspitzen^P. Giumells im Engadin. ) Schroffe Felswände werden häufig mit „ Fluh " bezeichnet. Im Süd-Wallis ist die Grenze der Hörner am Matterhorn, weiter westlich folgen die Dents ( Zähne ), Aiguilles ( Nadeln ), Monts ( Berge ), seltener Tours, Têtes, Rocs, Becs. Häufig trifft man die Unterscheidung zweier naheliegender Spitzen durch die Beisetzung petit und grand. Die meisten dieser Benennungen im Unterwallis kommen auch im gebirgigen Theile von Waadt vor.

Von den Alpen in das Hügelland der Schweiz niedersteigend, verlieren sich naturgemäss obige Bezeichnungen immer mehr und gehen in diejenigen von Berg, mont, monte mit vereinzelten Flühen, Stein, rocher u. dergl. über, welche Benennungen auch dem Schweizer Jura eigen sind.

Ziemlich häufig finden sich in unseren Alpen auch Namen von Bergspitzen ohne alle generelle Bezeichnung, z.B. die beiden Mythen ( durch gross und klein unterschieden ), Glärnisch, Falknis, Camoghé, Moléson u. A.J.a in den Appenzeller Gebirgen sind diese vorwiegend, z.B. Sentis, Altmann, Camor, Fähnern, Schäfler, Gonzen u. A.

Ueber die Eigennamen der Bergspitzen habe ich mich theilweise bereits ausgesprochen. Ausser Farbe, Form, Wildstand, Höhe, Nähe von Alpen und Thälern, Aehnlichkeit mit alpwirthschaftlichen Gerathen und Erzeugnissen gab hier und da auch die Zeit des Durchgangs der Sonne über oder hinter der betreifenden Spitze Veranlassung zur Benennung derselben, z.B. Mittagshorn, Einshorn.

In jüngster Zeit endlich wurden auch mehrere Bergspitzen und andere alpine Orte mit Namen ausgezeichneter Führer, kühner Bergsteiger oder solcher Personen belegt, die sich durch ihre Verdienste in Erforschung der Alpenwelt hervorgethan. Diese persönliche Huldigung fand indessen doch nur im Berneroberiand- u. z.T.h. im Wallis Statt, dessen Gebirge von Touristen und Gelehrten bisher am meisten besucht und erforscht wurden; in anderen Kantonen ist dies nur ausnahmsweise oder gar nicht der Fall.

Neben den Namen der Bergspitzen dürfen wir diejenigen der denselben nächststehenden Gebirgsformen nicht unerwähnt lassen, nämlich die Kämme, Gräte und die tieferen Einsenkungen derselben. Kamm, franz. crête, ital. cresta, romanisch crasta oder craista, werden Bergeshöhen genannt, welche nicht in einer einzelnen Spitze kuhniniren, sondern wo mehrere kleinere, felsige Erhebungen von ziemlich gleicher Höhe sich nebeneinanderreihen. Die generelle Bezeichnung von Grat oder Rücken wird im Franz. mit Fil, im Ital. mit Filo oder Orlo, im Romanischen mit Spi oder Fil ausgedrückt, und die Einsenkungen der Gräte im Deutschen mit Sattel, Joch, Lücke, Thor; im Franz. mit Col, im Ital. mit Forcola, Forcella, Sella, auch Scatta; im Romanischen mit Fourcla, Fourcletta, Juvé, ( Schulter ) gegeben. Die Benennung Pass, franz. Pas oder Passage, ital. Passo bedeutet, dass die betreffende Grateinsenkung als Uebergang von einem Thal in das jenseitige benutzt werde, sei es zu Fuss, zu Pferd ( Saumweg ) oder mit Fuhrwerk.

Die Gletscher, ( franz. Glacier, ital. Ghiacciaia oder auch Vedretta, roman. Vadret, Glitschèr ) dem Schosse unserer Alpen eingebettet oder die höchsten Gräte und Spitzen um- lieber Ortsbenennung.

hüllend haben ihre Namen entweder von den Bergen, denen sie anliegen, häufiger von den nahen Alpen oder den Thälern, in deren Hintergrund sie sich bilden und durch deren Richtung ihr Zug bestimmt wird.

Statt dem Ausdruck Gletscher trifft man, besonders häufig im Berner Oberland das Wort Firn; in der Tödikette den Bündnerbergfirn. Mit dieser Bezeichnung will aber nicht gesagt sein, dass der betreffende Gletscher nur aus Firneis bestehe, ebensowenig als unter Gletscher nur Gletschereis verstanden wird.

Nachdem wir so einen, wenn auch nur flüchtigen Blick über die Benennung der Bergspitzen, Kämme, Gräte, Sättel und Gletscher der Schweizeralpen geworfen, fragt es sich, welche Namen den zahlreichen noch nicht benannten, aber benen- nenswerthen Oertlichkeiten gegeben werden sollen, und wie der Schweizer-Alpenclub diesen, ganz in seinen Wirkungskreis gehörenden Gegenstand zu behandeln habe, um Sinn und Ordnung in die Ortsbenennung zu bringen.

Zwar hat die Natur unserer Alpen nichts mit den ihnen vom Menschen früher oder später gegebenen

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Namen zu thun, ihre Eigenthümlichkeit, ihre Grossartigkeit, ihre Schönheit bleibt dieselbe, ob Thäler und Flüsse, Absätze, Alpen, Hänge> Mulden, Sättel, Gräte, Bergspitzen und Gletscher unbenannt oder benannt seien, diesen oder jenen Namen, römischen, keltischen oder anderen Ursprungs tragen, auch ist der Genuss bei den unpassendsten, übelklin-gendsten Benennungen uageschwächt derselbe, kurz die Alpen stehen unabhängig und unberührt von den ihnen gegebenen Namen immer gleich naturschön, gleich urwüchsig da. Und es ist gut, dass dem so ist.

Aber der Mensch bedarf einer Hülfe, um sich in dem weiten, nach Formen und Bodenbeschaffenheit so reichen Gebiete der Alpen zurecht zu finden und sich seinen Mitmenschen gegenüber verständlich machen zu können. Die Ortsbenennung ist nicht nur dem Bewohner der Alpen, sondern Jedem, der sich mit denselben befasst, ein Bedürfniss, insbesondere dem Geographen, Natur- und Geschichtsforscher und Touristen. Desshalb kann es uns auch nicht gleichgültig sein, wie diesem Bedürfniss entsprochen werde, nicht gleichgültig soll es uns sein, ob die Benennung den Oertlichkeiten der Alpen angepasst sei oder nicht, ob dadurch das Ortsverständniss erleichtert oder erschwert werde, ob die Namen wohliautig seien oder unsern Gehörsinn unangenehm berühren, ob sie sprachrichtig seien oder fehlerhaft, lang oder kurz, volksthümlich oder landesfremd u. s. w.

Schreiber dieser Zeilen hatte als Mitarbeiter an dem eidgen. Atlas der Schweiz gute Gelegenheit, sich von der Unvollständigkeit der Ortsbenennungen der Alpen und von den in neuerer Zeit oft so willkührlich und unpassend gewählten Namen zu überzeugen, ohne ein Mittel gekannt zu haben, diesem Uebelstand im grossen Ganzen abzuhelfen, denn es war keine competente Macht vorhanden, diesen Ge- genstand in ihr Bereich zu ziehen.

Diese nationale Macht, m. HHrn., welche nur eine moralisch durchdringende sein darf, glaube ich im Schweiz. Alpenclub gefunden zu haben, und stellte daher der Sect. Rhätia den Antrag, der Generalversammlung in Basel die Aufnahme dieses Gegenstandes unter ihre Verhandlungen zu empfehlen mit dem Bemerken, dass die Sectionen die passendsten Organe zur gründlichen, richtigen und beförderlichen Lösung dieser Aufgabe sein dürften.

Dieser Antrag fand, wie Sie wissen, bei der Generalversammlung Aufnahme, und es wurde das Central-Comité mit einer diesfälligen Vorlage an die Generalversammlung in Chur beauftragt. Diese Vorlage kann sich begreiflicherweise nur mit den Mitteln und Wegen befassen, mit und auf welchen der Verein zweckentsprechend vorzugehen habe, auf den Gegenstand selbst näher einzugehen liegt weder in seiner Aufgabe, noch dürfte die Generalversammlung gewillt und geeignet sein, speciell mit demselben sich zu befassen.

Um nun dessen ungeachtet zu einer zweckentsprechenden Beschlussnahme zu gelangen, ist es nöthig, dass die Ortsbenennungen in den Alpen von den einzelnen Sectionen zum Voraus besprochen, und die Sectionsabgeordneten bereits sachvertraut zur üblichen Vorversammlung sich einfinden. Diese Besprechungen zu veranlassen und etwas Material zu denselben beizutragen, ist der Zweck vorliegender Arbeit..

Gehen wir nun zur Beantwortung der Frage über, welche Namen den bisher noch nicht benannten wichtigeren Oertlichkeiten in den Schweizer Alpen gegeben werden sollen.

Fassen wir die Alpen als Ganzes in 's Auge, so müssen wir zunächst Benennungen haben für die Gebirgsgruppen,

dann für die Hauptachsen der Gebirgsketten* ), für die Nebenketten und ihre weitern Verzweigungen. Bei mehreren bereits benannten Ketten und Kettengliedern sind die Grenzen derselben genauer festzusetzen. Wir befinden uns hier überhaupt auf einem noch wenig bearbeiteten Boden, und man muss sich wundern, dass derselbe so lange brach liegen gelassen wurde.** )

Die Gebirgsgruppen sind, nach meiner Ansicht, am passendsten nach der höchsten Erhebung derselben zu benennen, und die Gebirgsketten nach der Gebirgsgruppe. von der sie auslaufen, und dem Berge, in dem sie enden, unter Beifügung der Hauptrichtung nach der Himmelsgegend. Verbindet eine Kette zwei Gebirgsgruppen, so soll sie die Namen beider tragen. Geognostische Theorien können hierbei im Allgemeinen nicht in Betracht gezogen werden, sondern einzig nur die absolute Höhe der Gebirge, verbunden mit ihrer Ausdehnung in die Breite oder überhaupt ihre orographisehe Erscheinung. Indessen sind die Gruppirungen und Abgrenzungen nicht immer so leicht, wie man auf den ersten Blick meinen möchte, in welchen Fällen der geognostische Bau des betreffenden Gebirges allerdings von entscheidendem Einfluss sein dürfte.

Uns bei dieser Arbeit strikte nur an die Schweizergrenze halten zu wollen, wäre ebenso einseitig als unwissenschaftlich. Ein anderes ist es, ob die Nebenstaaten unsere Benennung für ihren Theil der Alpen annehmen wollen,

* ) Der Ausdruck Kette ist nichts weniger als gut gewählt, aber so allgemein in den Sprachgebrauch übergegangen, dass wir es nicht wagen von demselben abzugehen.

Die Schweizerkunde von H. A. Berlepsch enthält eine fleissige Bearbeitung des vorhandenen Materials über Ortsbenennungen in der Schweiz.

J. Coaz.

und dieselben richtig anwenden. So sollte z.B. der so gebräuchliche, aber oft unrichtig angewandte generelle Name „ Hörn " dem Gegenstand, dem er entlehnt ist, entsprechend nur steilen, felsigen, pyramidenförmigen Spitzen gegeben werden, vorzüglich solchen, deren eine Seitenkante kürzer, daher auch steiler ist als die andere. Das hierfür entsprechende Wort im Franz. wäre Dent, im Ital. corno, im Roman, corn.

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Mit dem Namen Na-

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deln ( franz. Aiguilles, ital. Aguglie, rom. Aguo-glias ) könnten diejenigen Formen von Bergspitzen belegt werden, welche in schmalen und verhältnissmässig langen Pyramiden scharf auslaufen, mit Kopf ( franz.T.ête ) diejenigen, welche sich I kopfförmig abrunden und P bei noch flacherer Abrundung und grösseren Dimensionen Kuppe oder Kuppel.

Thurmförmige tragen schon jetzt die Namen Thurm, Tour, Torre, rom. Chaste ( Schloss ).

Bei Bergen, die in keiner der obigen oder sonst eigenthümlichen Formen enden, könnten

Der Ausdruck Berg fasst die gesammte Masse einer Gebirgserhebung von der Ebene oder der Thalsohle bis zu deren Gräten und Spitzen in sich und eignet sich daher nicht zur generellen Bezeichnung der höchsten Spitze allein.

Bei der Wahl der Eigennamen der Bergspitzen müssen Wiederholungen, die so leicht irre führen, besonders in derselben Gegend, vermieden und desshalb die Bezeichnung nach Farbe, z.B. Schwarzhorn, Weisshorn, deren wir ohnedem bereits eine grosse Anzahl besitzen, nur mit Vorsicht gebraucht werden.

Die Form der Bergspitzen ist zwar schon beim generellen Namen benutzt worden, doch bietet auch sie noch Anhaltspunkte für die Eigennamen, z.B. Gespaltenes Hörn ( im Berneroberland ), Piz Fess ( im rom. Lugnez ). Indess zeigen die Bergspitzen bekanntlich oft verschiedene Formen, je nachdem man sie von einer Himmelsgegend in 's Auge fasst, wesshalb man in solchen Fällen zur Benennung immer diejenige Seite wählen sollte, wo das Hauptthal und die bevölkertsten Ortschaften liegen. Dies gilt auch von der Benennung nach dem Stande der Sonne. Besser ist es aber, man wählt solche Namen, welche auf alle Seiten der betreffenden Bergspitzen passen, und dazu gehören im Allgemeinen namentlich die petrographischen, geologischen und botanischen Eigenthümlichkeiten der Bergspitzen; ferner auffallende meteorologische Erscheinungen, Schneewehten, Nebelbildungen etc.

In diese Gruppe gehören die bereits bestehenden Namen: Plattenhorn, Kalkhorn, Faulhorn, ferner Wetterhorn, Windgelle.

Die Orientation wird wesentlich durch solche Namen erleichtert, welche von den nächstgelegenen Pässen, Alpen,

lieber Ortsbenennung.All

Thälern, Flüssen und Ortschaften entlehnt sind. Ist die Bergspitze begletschert, so können auch die Gletscherbildungen bezeichnende Namen bieten. Der hier und da vorkommende Ausdruck Schild kommt von Schneeschild her, und Gletscherhörner ( P. vadret ) haben wir bereits eine ziemliche Anzahl.

Eine Menge Namen von Bergspitzen sind bildlich angewandt und einer lebhaften Phantasie entsprungen, z.B. die schönen Namen: Finsteraarhorn, Silberhorn, Monte rosa. Weit entfernt, solche Namen auszuschliessen, würde ich dieselben mit in erste Linie stellen und selbst der Sagenwelt Zutritt gestatten.

Dagegen kann ich mich mit der Uebertragung von Personen-Namen auf Bergspitzen im Allgemeinen nicht befreunden. Es ist nach meiner Ansicht eine Anmassung unserer Generation, Gebirge, die hunderttausende von Jahren älter sind als wir und uns um ebenso viele Jahre überleben werden, mit unserem flüchtigen Leben in unzertrennliche Verbindung bringen zu wollen. Hüten wir uns vor einer Manie, wie solche in der Naturgeschichte und namentlich bei der Benennung von Pflanzen eingerissen ist. Die Pflanzennamen bilden jetzt eine wahre Musterkarte der verschiedensten Personen-Namen aus bald allen bekannten Sprachen, ohne dass damit der Wissenschaft gedient wäre, wohl aber wird hierdurch die richtige Aussprache und das Einprägen derselben in das ohnedem genug geplagte Gedächtniss möglichst erschwert. Unsere Alpen möchte ich vor solchem Missbrauch gewahrt wissen. Ausgezeichnete Schweizer, die sich um das Vaterland Verdienste erworben, die leben wärmer im Herzen des Volkes fort, zu dessen Wohlergehen sie beigetragen, als auf den hohen, kalten Olympen. Sehr wünschbar ist es, dass ausser den Bergspitzen auch die wichtigeren Gräte, Grateinsenkungen, Sättel etc. benannt werden, und zwar kann dies auf ähnliche Weise wie bei den Bergspitzen geschehen.

Ausserdem können hier Anlagerungen von Felstrümmern und erratischem Gestein, geschichtliche Momente zu passenden Benennungen behülflich sein.

Die Gletscher endlich werden am besten nach dem Thale benannt, in dem sie sich entwickeln oder aber, wenn es kleine Gletscher sind, welche die Thalsohle nicht erreichen, nach dem Berge, dem sie anliegen. Nicht unbenannt dürfen die wichtigeren Moränen bleiben, wobei man hauptsächlich ihren Ursprung in 's Auge fassen sollte.

Es würde mich zu weit führen, auch noch die Benennung der übrigen wichtigeren Oertliehkeiten in den Alpen in diese Arbeit hereinzuziehen, wie Gebirgsvorsprünge, Hangrücken, Mulden, Wannen, Kessel, Teller, Rufen, Erdschlipfe, Lawinenzüge und endlich die Benennung der Gewässer. Wie bereits gesagt will mit diesen Zeilen nur ein Ueberblick über dieses noch neue Gebiet der Ortsbenennung in den Alpen und einige Ansichten gegeben werden über Behandlung dieses Gegenstandes. Gründlichere und allseitigere Studien desselben, namentlich in den so werthvollen Monographien, werden hoffentlich folgen, wozu die Anregung gegeben zu haben ich mich glücklich schätzen würde.

* ) Herr Landamann Palioppi in Celerina hat ein reiches Material von romanischen und keltischen Ortsnamen in Bünden gesammelt. Nächstens soll eine Arbeit hierüber erscheinen.

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