Walserspuren | Club Alpin Suisse CAS
Soutiens le CAS Faire un don

Walserspuren

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Dem Andenken an J. Coaz gewidmet.

Von Manfred Szadrowsky.

J. Coaz berichtet schon 1865 im IL Jahrbuch des Schweizer Alpenclub über eine merkwürdige Beobachtung, die er bei topographischen Aufnahmen in der Landschaft Davos, in Arosa, Vals, Safien, Avers, im Rheinwald gemacht hat: die grosse Verwandtschaft der Ortsnamen mit solchen im Oberwallis fiel ihm auf. Er erkannte darin einen Beweis für die geschichtliche Überlieferung, dass die ersten Einwanderer in Davos freie Walser gewesen sind. « Diese haben die Ortsnamen von Oberwallis auf die entsprechenden Örtlichkeiten in Davos übertragen und so in ihrer neuen Heimat für sich und ihre Nachkommen eine ewige Erinnerung an ihre alte Heimat geschaffen. Der Davoser, der das Oberwallis besucht, muss von heimeligen Gefühlen ergriffen werden, so viele Namen seiner Landschaft ( die sonst nur noch sehr vereinzelt zuhinterst im Berner Oberland und in Safien und Avers gefunden werden ) hier wieder zu treffen, mit noch andern verwandten Verhältnissen, wie die Namen der Kirchen St. Leonhard und St. Johann und verschiedene Familiennamen, und so auch umgekehrt. » Als Beispiele erwähnt Coaz unter andern die Namen Jatzhorn, Schiahorn, Börterhorn, Kumma, Büel, Hubel, Tschuggen, Ritzen, Gadmen, Bodmen, Längmatt, Mädji, Tälli, Wildi, Stelli.

Durch die Verwandtschaft der Namen und der Mundarten und auch durch Urkunden und geschichtliche Überlegungen, besonders durch Forschungen von Erhard Branger, Karl Meyer und Iso Müller, ist die Herkunft der Walser aus dem Wallis endgültig bewiesen und in ihrem Verlauf aufgehellt worden.

Der Beitrag von J. Coaz ist, wie er es am Schluss seines Aufsatzes wünscht, tatsächlich eine « Anregung » für weiteres Forschen geworden.

Dem Andenken an J. Coaz widme ich darum als Enkel eines mit ihm befreundeten Mitgründers der Sektion Rätia eine namenkundliche Arbeit, die wiederum die Walser betrifft und in der Monatsschrift « Die Alpen » erscheint, welche die Reihe der Jahrbücher des S.A.C. fortsetzt. Ich tue es in ehrfürchtiger Erinnerung an den geistvollen Mann, der mir noch als fast Hundertjähriger in Chur von seiner Erstbesteigung des Piz Bernina erzählt hat.

Welche Freude hätte J. Coaz am Rätischen Namenbuch von Robert von Planta und Andrea Schorta gehabt: alle Orts- und Flurnamen Graubündens sind da in zuverlässigen und übersichtlichen Listen zur Schau gestellt. Bestätigt durch viele Hunderte von Namen fände er hier das Wallisertum der Walser und noch viel anderes, was er auf Grund frischer Erfahrung im Gelände in jenem Aufsatz « Über Ortsbenennung in den Schweizeralpen » skizziert hat.

In der Einleitung zum Rätischen Namenbuch weist A. Schorta auf Fährten hin, die dem Walsertum von Gegenden nachzugehen gestatten, wo jetzt keine Walser wohnen. Da und dort hat die Geschichte urkundliches Wissen über eingegangene Walsersiedlungen, zum Beispiel im Tavetsch, im Lugnez, bei Flims, bei Maienfeld. Andernorts erzählen nur Namen über frühere Walsersiedlung.

Nach Walsernamen in ganz rätoromanischen Gegenden Graubündens ( vorläufig im nordwestlichen Bereich des Landes ) zu pirschen, das ist zu verlockend, als dass man es lange verschieben könnte.

Vorsichtiger wäre es freilich, wenn man wartete, bis in einem weitern Band des Rätischen Namenbuches das gesamte urkundliche Namengut zur Verfügung steht. Auch ein dem bündnerischen ebenbürtiges Walliser Namenbuch müsste man eigentlich zur Hand haben, damit man immer und immer wieder auf die alte Heimat der Walser blicken und weisen könnte. Leider erst nach Abschluss der Arbeit hat der Verfasser Einblick genommen in die Walserschriften von F. O. Semadeni, die sehr wertvolle und aufschlussreiche Sammlungen urkundlicher und lebendiger Namen aus dem ganzen Bereich der Walliserwanderungen und -Siedlungen enthalten.

Auf eine Schwierigkeit ist zum voraus hinzuweisen.

Deutsche Wörter, die als Lehnwörter ins Rätoromanische aufgenommen worden sind, können in Namen nicht ohne weiteres als Walserzeugen gelten, können aber auch nicht ohne weiteres als solche ausgeschlossen werden.

Das Rätoromanische besitzt zum Beispiel das Wort bleis, bleissa « grasbewachsener Abhang zwischen Felsen ». Verschiedene Gründe sprechen entschieden für Entlehnung aus dem Deutschen ( s. Schweiz. Idiotikon, Bd. 5, 154 f. ): es ist ein altdeutsches Wort für eine « hervorscheinende Stelle », in den bündnerischen Walsergegenden haufenweise als Name vorhanden. Sind die Bleisas des Bündner Oberlandes Walserzeugen? Natürlich nicht alle: das im Rätoromanischen eingebürgerte Wort wurde immer wieder zur Bezeichnung von Orten herangezogen. Den Anfang der Entlehnung muss man aber doch in einigen ganz bestimmten Bleisen suchen und bei der Sachlage doch höchst wahrscheinlich in Bleisen, die clenNamen durch Walliser erhalten hatten.

Ähnliches gilt für rätoromanisch blut « nackt » und blutta « Lichtung », uaul « Wald », falla « Bärenfalle, Falle », hetta « Hütte » und andere eingebürgerte Wörter: eingewanderter Bezeichnungs- und Benennungsbrauch hat ihnen zum Bürgerrecht verholfen.

Schweizerdeutsch Figler bezeichnet ein ganz einfaches Schutzhüttchen für Schaf- und Ziegenhirten, das nur aus einer Steinplatte oder rohen Steinen, seltener aus Holz erstellt ist, auch eine kleine Herberge mit Feuerstätte auf abgelegenen Alpen, auch das Schlafgemach des Hirten unter dem Dach der Sennhütten, auch einen kleinen Stall oder eine Zufluchtsstätte für die Schweine auf den Alpen ( Schwln-, Süw-Figler ). Im Schweizerischen Idiotikon, Band 1, 689, ist das Wort nur für das Berner Oberland, das Wallis, Graubünden und das Glarnerland nachgewiesen. Das Unterengadinische kennt f öder « Herd, Feuerstätte in den Alphütten ». Wahrscheinlich liegt ein lateinisches Wort zugrunde ( vgl. ital. focolare « Feuerstätte » ). Plaun dal Fécler im Tavetsch, Feder digl Uaul ( Hütte ) in Somvix, Féclar ( kleine Hirtenhütte ) in Truns, Feder ( kleiner Heuschober ) in Morissen, mit dem Ton auf der Stammsilbe ( in der Gruob, also im Talbecken von Ilanz, lebt als Appellativum Ficler, Fidi ), zeigen doch wohl die Walliser- und Walsergestalt des Wortes, nicht eine bodenständig rätoromanische. Das e für i im Stamm findet man in Dutzenden deutscher Lehnwörter im Rätoromanischen.

Das i der Walliser- und Walserform Figler seinerseits vertritt ein älteres ü. Dieses erscheint in den einschlägigen Prätigauernamen: Függier in Klosters, Fügler in Saas und Luzein, Flügler in Furna und Conters ( hier auch Fügler ). Sie stehen der unterengadinischen Form föclér nahe. Im Bündner Oberland haben rätoromanische Gegenden das Wort von den Wallisern und Waisern: die Form Féclar, Feder mit der Stammbetonung deutet darauf hin.

Kurzum: einige Dutzend Bleisas, Fallas, Hettas und dergleichen berichten gar nichts über Walsersiedlung; aber eine einzelne Bleisa, Falla, Hetta, ein bestimmter Feder, die können Walserzeugen sein.

I.

Mit dem Domleschg und dem Heinzenberg dürfen wir uns nicht abgeben, wenn wir nicht sehr lang dort bleiben und aufs Weiterwandern verzichten wollen. Wie das Walsertum von Tschappina sich in die Dörfer am Berg und bis ins Tal hinunter ausgebreitet und auch in rätoromanisch bleibenden Dorfschaften Spuren gezeichnet hat, das bleibt einer besondern Darstellung vorbehalten.

Nur ein merkwürdiges Stück Boden auf der rechten Talseite, zwei Stunden oberhalb Almens am Berg, darf unsere Walsersuche nicht beiseite lassen, weil es ein Musterbeispiel einer verschollenen Walsersiedlung in rätoromanischer Gegend ist: die Maiensässe von Schall.

Da sind ein Spitzabial, ein Alpweg Höhgang, eine Bergwiese Eggi, Alpteile Vane, Bardi: allenthalben bei Waisern stösst man auf diese Namen. Vane ist ein walserischer Wang, Bardi ( wenn nicht ein Personenname vorliegt, etwa Barili, Bartholomäus ), eine kleine Barga « Heustall auf Bergwiesen » oder ein Bargli: das breite, überoffene ä der Walser ist für die Rätoromanen ein a.

Im Verzeichnis von Almens sind auch ein Tobel Val Brunna, eine Quelle Schwizer Trog, unter den urkundlichen Namen ein ,Schwitzer bidemli'und ein Stadel ,Stein ': Bidemli, Büdemli « Bödelein » heimelt besonders walserisch an.

Der Name Schall ist wohl auch deutsch, wenn auch nicht sicher ( lateinisch scala ist zur Deutung herangezogen worden ) und nicht eindeutig. Im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 8, 532 f., sind viele ähnliche Namen erwähnt. Es fehlt nicht an Namen, die mit Schalle(n ) « Schelle, Kuhglocke » zu tun haben ( man findet Beispiele im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 8, 536 ). Ferner kommt Schale(n ) im Sinne von « Kanal, Rinne, ausgemauertes Bett von Wildbächen » in Betracht: zum Beispiel im Hasletal bezeichnet man mit Schallen künstlich hergestellte Betten oder Kanäle für wilde Flüsse. Am besten stellt man aber auf das Nebeneinander von Schollberg und Schallberg ( zum Beispiel bei Sargans ) ab und auf den Schollbärg in St. Antonien: nach R. v. Planta hängt dieser Name mit dem Bergbau zusammen. Wir werden auf unsern Wegen überall nach Schall, Schalla, Scholla spähen ( im Unterengadin sind Berge mit dem Namen Schalambért in Remüs und Sent ). Auf ein paar Vorkommnisse in ganz walserischen Gegenden sei gleich jetzt hingewiesen: im Rheinwald Scholla in Medels ( was selber ein Bergbauname ist ), Schallagada in Nufenen, in Safien Schällergada. Avers hat im ,Madrisertal', im Madrlsch ( was selber ein Bergbauname ist ) den Alpteilnamen Walzaschdll, Walzerschall, also .Walser Schall' oder ,Val za Schall', wie etwa Zerfreila, Zafreila, za Freila in Vals, Zahütta, Zappört in Hinterrhein.

IL Das äussere Aversertal oder besser Avnertal, jetzt ganz rätoromanisch, hat einst in Ferrera eine Walsersiedlung gehabt.

Der Bergbau von Ferreraferrano, « Eisengrube, Eisenhütte » ) bot Anlass dazu. Die Namen Gruoba, HettaHitta, Hütta ) erinnern daran. Aus dem obern Avers, dem ganz walserischen, hat dasWalsertum talauswärts ausgestrahlt.

Von Ferrera, wie auch aus dem Obertal, können die unermüdlichen Leute dann den Weg ins Oberhalbstein hinüber und in den Rheinwald genommen haben, dem auch auf andern Zugängen Walser zuteil geworden sind.

In Innerferrera ( Calantgil ) kündet der Bergname Cuccalner von Waisern, die dort Ausschau hielten. Hat doch Schorta ( im Clubführer durch die Bündner Alpen, Bd. 6, S. 555 ) den Cucarnégl von Flix als kennzeichnend walserisch hervorgehoben. Der Name bezeichnet in Mittelbünden häufig steinige Alpweiden und Felsköpfe. Eine Erklärung findet man im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 2, 190: da wird Guggernell, Guggernälli « Dachfenster, Dachstübchen » auf Gugg-grenel zurückgeführt, worin französisch crénel ( créneau ) « Zinne, Schießscharte, Auszackung » stecke, was seinerseits wahrscheinlich mit deutsch Krinne, Schweizerdeutsch Chrinna, zusammenhange. Der Name meint demnach etwa eine « Ausschauzinne ». In Avers, Medels, Safien, Churwalden, Arosa, Maienfeld sind denn auch Berge, Bergköpfe, Hügel des Namens Guggernüll.

Eine Bergwiese von Innerferrera hat den Namen Sutgdncs: das heisst wohl « unter den Gängen »; mit Gang, Gang ist oft ein Durchgang in unwegsamem Gebiet bezeichnet, etwa ein Grasband, zum Beispiel Gang in Haldenstein, Untervaz, Hochgang in Trimmis, Hohgang in Chur.

In Innerferrera ist ferner ein Feldweg mit dem Namen Veia als Stecs. Das deutsche Wort Stig « Steig, Weg, Pfad » ist im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 10, 1519 ff., haufenweise in Flurnamen belegt; auch in Graubünden ist es zu Hause. Zum Beispiel in Obersaxen sind ein Pfaffastigg und Tebelti-stigg, in Calfreisen ein Stig ( Steig ), ebenso in Jenins. In Tamins kommt Fuossstig als Name vor. Wahrscheinlich aber handelt es sich in jenem Namen um Stock oder Stück.

In Ausserferrera heimeln mehrere Weiden- und Wiesennamen ganz walserisch an.

Da ist ein Alpteil Clegher, sicher nichts anderes als droben im Avers G'liger, G'ligert in den Namen Crestagliger, Leng Gligert, Under Gligert, Fräner Gligert, Podestdtgliger: Lagerplätze für Weidevieh sind es.

Nuegl di Bercli mag zu Gebirg, Pirg gehören: Pirg kommt zum Beispiel in Hinterrhein vor, auch Püschapirg, Stüdapirg, in St. Martin Rinderpirgg. Es kann aber auch Buch, Birchli « Birkengehölz » vorliegen.

Die Alpteilbezeichnung Vonna entspricht mehr einer walserischen Wanna als rätoromanischem Von; sie hat viele Schwestern in Walsergegenden, wie in Avers Ober Wanna, Lücherig Wanna, auch in Hinterrhein, Safien, Davos, Tschiertschen und andernorts Wanna.

Die Alp Mos in Ausserferrera, Mos dafóra, Alpteil Moséts haben Gegenstücke zum Beispiel in Avers, Vals, Tomils; ursprünglich wird sumpfiges Gelände gemeint sein. Romanische Grundlage für Mos ist aber sehr wohl möglich.

Der Weidename Plaz i Gdrma könnte, romanische Deutung vorbehalten, walserisches Gadma sein, was in Avers nicht fehlt und auch sonst häufiger Name ist.

Das Maiensäss Lavenzüg in Ausserferrera entspricht dem Lauazugg ( Lawinenzug ) in Avers, Splügen und andernorts.

Im Weidenamen Encunter la Schëia steckt wie in den Avner Namen Sctiia, Schiahora, die auch sonst häufig sind, das Wort Schla « dünne Latte, Zaunlatte »: es ist auch andernorts in der Schweiz beliebt in Bergnamen, zumeist für scharf aufragende Spitzen.

Matta ist eine Weide in Ausserferrera wie in Avers und andernorts.

Die Weide Mittelberg entspricht dem Mütelbärg in Avers; auch das Maiensäss Méttel in Ausserferrera enthält das Eigenschaftswort mittel oder das mittelhochdeutsche Hauptwort mittel « Mitte ».

Stelli ist entweder ein Ort, wo sich Schafe und Ziegen verklettern, oder ein Lagerplatz für das Vieh ( das Schweizerische Idiotikon, Bd. 10, 53 ff., berichtet ausführlich darüber ).

Stala ist wohl das aus dem Deutschen ins Rätoromanische aufgenommene Wort stalla « Stall », also kein sicherer Walserzeuge.

Studa in Ausserferrera, Val la Siuda, Piatta la Studa gehen auf Stauden, Gebüsch, wie in Avers Hinder da Stada, In den obera Stada, in Hinterrhein Stüdapirg, in Nuf enen Stüda, StUdabärg, in Medels Stüdaboda.

Val di Trit ( Wald ) entspricht dem Tritt ( Bergwiesen, Wald ) in Avers. Tritt ist auch sonst häufig, zum Beispiel in Nufenen, Sufers, Maienfeld, Seewis, Schiers: meistens sind schmale Weglein, Viehweglein gemeint.

Eine Hell, eigentlich « Hölle », ist in Ausserferrera wie in Avers, Vals, Schiers, Fideris, St. Antonien und andernorts: es sind gewöhnlich Abgründe, Felsschründe.

Flüei ( Wiese ), Sut il Crap di Ftûei ( Maiensäss ) in Ausserferrera ist walse- " risches Flüeji, Flüeli, entspricht also den Flüa ( Felsen ) in Avers, der Flua und besonders dem Flieli in Obersaxen, der Flua und dem Flüeli in Valendas, dem Flüeli in Tenna: auf Felsen ist ja auch mit dem Wort crap hingewiesen.

Sur i Feld mag dem Avner und St. Antönier Namen Fell entsprechen. In Ausserferrera ist an Ort und Stelle eine Wiese, in Avers eine Heuriese und Fels. In Vals kommt Fellbalma ( Fels ) vor, auch Fellimatt, in Jenins ein Tobel Hundsfelli. Das Zeitwort feilen « zum Fallen bringen » liegt zugrunde.

Bei einer Wegkehre ist in Innerferrera der Name Crants; in Ausserferrera kommt Crancs vor, wohl das schweizerdeutsche Wort Chrank « Krümmung, Strassenkehre ».

Gribel ist Name von Bergwiesen in Ausserferrera. In Avers kommt Crippelti, in Mutten die Mehrzahl Grippia für Felsköpfe vor, in Schiers Höch-grüppli für einen Ort mit Fels und Wald. Der Namensform von Ferrera ent- spricht am genauesten G'rlbel « Geröll, steiniges Land » im Maderanertal. Im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 6, 71 und 1197, findet man ein Walliserwort rüb, rüb, rupp mit der Bedeutung « rauh, kraus ». Freilich ist auch an rätoromanisch grep « Fels » zu denken, was zum Beispiel in Tavetsch in vielen Namen vorkommt.

Crun di Cheta enthält wohl althochdeutsches giketti « Grube, Grab », Schweizerdeutsch Cheti, G'cheti « offener hölzerner Kanal, hölzerne Rinne, Känel ». Kett heisst zum Beispiel ein Mühlkanal in Chur, Kettbach ein Bach in Cazis, Kött ein Känel in Furna.

Biel, Val di Biel, Pro di Biel entsprechen dem Büel in Avers, Biel in Obersaxen; Davo i Biel enthält noch das Wörtchen i(n ), wie Sur i Feld: die Romanen empfanden Vorwort und Hauptwort zusammen als Namen.

Mit den Waisern mag_auch der Maiensässname Bot di Jörli zu tun haben; im Hausnamen Tgea di Orli steckt wohl derselbe Männername. In Avers trifft man auf Jörelisch Gada ( neben Jörisch Gada, Jörisch Hüs ).

III.

Ein ,Matthelte'enthält ein Bergeller Notariatsprotokoll von 1565 für die Gegend von Stalla ( Beiva, Bivio ). Dieses ,Matthelte'lebt, wie A. Schorta im Clubführer durch die Bündner Alpen, Bd. 6, S. 564, einleuchtend dartut, im Bergnamen Piz Materdèl fort. Das -l am Ende kann eine « bergellisierende » Weiterentwicklung sein ( für die sich in Beiva zahlreiche Beispiele finden ); aus ,Mateldel' wäre dann durch Dissimilation Materdel geworden.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Walser aus Avers über den Stallerberg kamen und zeitweise in Stalla siedelten.

Schorta weist denn auch auf den Namen Crina hin, der ein Bächlein am Septimerpass bezeichnet: das ist das deutsche Wort Chrinna, das eine Rinne, eine Vertiefung im Boden, eine Bergschlucht, eine Einsattlung zwischen Bergen bezeichnet. In Avers fehlt es nicht. In Haldenstein führt ein Felsen-aufstieg durch eine Chrinna; auch in Castels ( St. Antonien ), Luzein, Pagig und andernorts kommt der Name vor, in romanischen Gegenden häufig Crena.

Im Clubführer steht auch die Bezeichnung Cranc del Set für scharfe Kehren an der alten Septimerstrasse: man erinnert sich an Crancs, Crants in Ferrera, Schweizerdeutsch Chrank « Krümmung, Strassenkehre ».

Dass weiter unten im Oberhalbstein Walser siedelten, weiss die Bündnergeschichte schon lange. Die Sprachforschung ist vor kurzem wieder durch das Buch von Mena Grisch über « Die Mundart von Surmeir » ( Bd. 12 der Reihe Romanica Helvetica, S. 3 f., S. 14 ) darauf aufmerksam geworden. Im 12. Jahrhundert und auch später noch haben das Kloster St. Luzi zu Chur und die Herren von Rietberg als Träger bischöflicher Lehen ( im 13. und 14. Jahrhundert ) deutsche Bauern an verschiedenen Orten des Oberhalbstein angesiedelt, so in Flix, Sblox ( bei Mühlen ), in Val Faller, Val Nandro, Val d' Err, in Roffna und Sur. Diese Walserkolonien hangen teils mit den Bergwerken ( in Val d' Err, vielleicht auch in Flix ), teils mit dem Pass zusammen. Noch im 16. Jahrhundert wurden die Leute am Nordfusse des Septimer, die den Pass frei und offen zu halten hatten, « die von Splux » ( Sblox ) genannt, und in Sur wurde noch 1545 unterschieden zwischen den « Walisern », die während des ganzen Jahres, und den « Wallen » ( Romanen ), die nur zeitweise in Flix wohnten. Die Einwohner von Sur sind nach M. Grisch zum Teil romanische Nachkommen von Waisern, die einst die Alp Flix bewohnten.

Was nun die Namen von Flix betrifft, ist zuerst an den schon erwähnten Cucarnégl zu erinnern, dessen Name nach Schorta durch die Walser eingeführt worden ist.

Nach demselben massgebenden Gewährsmann kann ferner Tga d'Meir, Tgadmecr, Name einer Häusergruppe von Flix, einen walserischen Meierhof oder ein Meierhüs übersetzen ( wenn es nicht ein « gemauertes Haus » bezeichnet im Gegensatz zum Holzhaus der Walser, also lateinisch casa und murus enthältder Wiesenname Pro da las Meers weist denselben Weg.

An Walser und Bergbau erinnern die Wiesennamen Vàlzer davains und Tgaschóllar ( zur Namengruppe Schall ): ,Scholler'besorgten wohl das Zerschlagen der erzhaltigen Gesteinsbrocken ( schollen heisst zum Beispiel in der Bündner Herrschaft « die Erdschollen zerschlagen nach dem Pflügen » ).

Im Namenverzeichnis von Sur findet man auch Gruba für eine ehemalige Eisengrube, Recta ( für Rita ), Tobel ( wirklich für ein Tobel ) und Ual digl Tobel für den Dorfbach, ferner Felsa dal Fadalocs für Felsköpfe, Canzla für Bergwiesen: Chanzla kommt zum Beispiel in Vals, Obersaxen, Valendas vor.

Töbels ist auch Name im Gebiet von Mulegns ( Mühlen ), wohl in Val da Füller, was selber mit der Betonung Fâller ( für romanisch Fallerà, Farréra = ferrarla ) eine Verdeutschung kundtut, ferner Plan da Heita.

In Rona ( Roffna ) ist der Name Fancs zu beachten, der wohl der Bezeichnung Ifnjfang « Einhegung, eingehegtes Land » entspricht, die häufig vorkommt, zum Beispiel in Nufenen, Splügen, Jenaz, St. Antonien, Klosters, Davos, Arosa, Tschiertschen; in Safien ist ein Maiensäss Fang.

Auch im Gebiet von Tinizong ( Tinzen ) trifft man auf einen Wald Got digl Fanc und eine Holzriese Fastatg digl Fanc ( vielleicht liegt Wang, Wäng zugrunde ), ferner auf Hettas ( alte Schmelzhütte ), eine Schäferhütte Etta digl Taschign, einen Ual da Fine.

Der Wiesenname Bürs und Waldname Sur Bürs zeigen das altdeutsche Wort-Bür « Haus, Hütte, Milchkammer, Käsespeicher », das im Schweizerischen Idiotikon, Bd. 4, 1512, ausgiebig belegt ist, zum Beispiel für das Wallis.

Windégg ist vielleicht nicht alt, hat aber immerhin Gegenstücke in Churwalden, St. Antonien, Davos: Windegga als Namen für Felsköpfe oder Hügel.

Ein Wald heisst Falla, eine Geröllhalde Crap la Falla. Deutsch Falle ist von den Romanen ziemlich früh für « Bärenfalle, Gemsfalle » übernommen worden; für die « Kleine Falle » bildeten sie Falotta ( als Name einer Bergkuppe verzeichnet ). Da ist also nicht ohne weiteres auf Walser zu schliessen.

( Fortsetzung folgt. )

Feedback