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Wanderungen im Clubgebiet

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Wanderungen im Clubgebiet Von Prof. Dr. W. Qröbli ( Sect. Uto ).

Einer freundlichen Einladung der verehrten Redaction folgend, will ich von einigen Bergfahrten erzählen, die ich während einer Reihe von Jahren im Gebiete der Ringelspitze und der Grauen Hörner ausgeführt habe. Dabei muß ich gelegentlich den Bereich der Excursionskarte verlassen, da gewisse Theile der Blätter Elm, Laax und Chur mit Nothwendigkeit dem Clubgebiete zuzuweisen sind.

Es ist schon von Herrn Ingenieur Becker in der Einleitung zum Itinerar gesagt worden, und ich kann seine Bemerkungen nur unterstützen, daß das Clubgebiet bis jetzt nicht nach Verdienen besucht worden ist. In ihm oder an seiner Grenze liegen die vielbesuchten Kurorte und Sommerfrischen Ragaz und Flims, so daß man vermuthen möchte, es sei bis in seine tiefsten Schlupfwinkel durchforscht worden. Bewahre der Himmel! Wohl kommen z.B. bei schönem Wetter täglich Fremde von Ragaz nach Vättis ge- gangen, und noch mehr gefahren, aber die Mehrzahl hat es so eilig, wieder rechtzeitig zur Abendtafel zurück zu sein, daß selten sich Einer in 's romantische Kalfeuserthal verirrt. Und doch ist schon lange auf die Schönheiten dieses Thales hingewiesen worden. Es sei mir gestattet, zu citiren, was vor 30 Jahren ein Engländer, K. W. E. Foster, geschrieben hat :Das Kalfeuserthal ist eines der überraschendsten Thäler Europa's. Es ist natürlich schwierig, wo es so viel Schönes gibt, eine oder zwei besondere Gegenden herauszugreifen, die alle andern übertreffen. Aber wenn ich aufgefordert würde, die zwei Thäler zu nennen, die auf mich den größten Eindruck gemacht haben — und im Laufe meiner Wanderungen habe ich eine schöne Zahl gesehen — so würde ich das Anzascathal und das Kalfeuserthal auswählen. Ich weiß kaum, was ich am meisten bewundern soll: die glänzende Erhabenheit des einen, oder die wilde Größe des andern. "

Mögen diese Worte, denen ich nichts Besseres zuzufügen weiß, und die folgenden Zeilen etwas dazu beitragen, einer mit Unrecht vernachläßigten Gegend den verdienten Besuch zuzuweisen.

An die Spitze meiner Schilderungen stelle ich, wie billig, die Ringelspitze; ihr mögen dann einige der geringem Häupter folgen.

Die Eingelspitze 3251 m.

„ In der Ringelspitze erreicht der st. gallische Grund und Boden seine höchste Elévation und auch Graubünden zählt sie zu ihren hervorragendsten Gebirgshöhen. Obwohl aus verschiedenen Thälern, z.B.

dem untern Rheinthal, dem Oberland und Domleschg, sichtbar, tritt die Ringelspitze, von der Tiefe gesehen, doch nicht so imposant auf, wie andere Spitzen von gleichem Höherang, und dies hauptsächlich deßhalb, weil sie aus der Gebirgsmasse sich relativ nicht hoch aufthlirmt und in ihrer Nähe andere, nicht viel niedrigere Schwestern thronen. Ungefähr Mitte Wegs zwischen Ems und Reichenau sieht man sie in nordwestlicher Richtung über dem sogen. Augstberg oder dem Val Lavoi als eine scheinbar kleine Pyramide der hohen Gebirgswand aufgesetzt, welche schroff gegen den Ringelgletscher abfällt. An dieser ihrer pyramidalen Form, welche übrigens nach den verschiedenen Seiten wechselt, findet man die Ringelspitze aus den verwirrend zahlreichen Bergspitzen unseres Kantons bald heraus, und sogar vom entfernten Languard bei Pontresina fällt sie Einem sogleich auf. " ( Excursion nach der Ringelspitze. Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Neue Folge. 9. Jahrgang. ) Der geneigte Leser möge entschuldigen, daß ich mich schon wieder mit fremden Federn schmücke; es wird nicht mehr häufig vorkommen, denn die alpine Literatur über das Clubgebiet ist nicht sehr groß. Im Uebrigen kann er ja nur gewinnen, wenn ich Andern das Wort lasse, die das, was ich sagen will, schon besser gesagt haben. Die vorstehende Einleitung ist einem Aufsatze des Herrn Forstinspector Coaz entnommen, der im August 1863 mit den Herren Prof. Hiller und Dr. A. v. Planta den meines Wissens ersten Versuch machte, die Ringelspitze zu erreichen.

Die Gesellschaft übernachtete in Bargis und erreichte von da aus über Alp Lavadignas den Tschepp, 2943 m, um IO Va Uhr. Das Wetter war nicht gerade gllnstig, den ganzen Grat, der sich in nördlicher Richtung zur Ringelspitze zieht, umwogte eine undurchdringliche Nebelschicht. „ Nach einem kurzen Halt brachen wir wieder auf und wanderten längs der westlichen Seite des Gebirgsgrates gegen die Ringelspitze hin, genau die Grenze zwischen den schroffen, zerrissenen Verrucanofelsen und der darunter sich hinziehenden, mit Schutt bedeckten, steilen Kalkwand verfolgend. " Um Mittag wurde die nördliche, vergletscherte Seite der Ringelspitze erreicht. Der Wind hatte inzwischen die Nebel weggeblasen. „ Ein Blick auf die schroffe Pyramide, in welche die Ringelspitze endet, überzeugte uns sogleich, daß wir das uns gestellte Ziel, heute wenigstens, ohne alle Hülfsmittel nicht erreichen würden. Um indessen das Mögliche zu thun, erkletterten wir circa ein Drittel der Pyramide, wo wir einen kleinen Steinmann errichteten und, wie üblich, eine Flasche sammt Inschriften beilegten. " Auf dem Rückweg wurde vom Tschepp in 's Lavoi abgestiegen. Die Bemerkung des Herrn Becker ( Itinerar, pag. 30 ), daß Herr Coaz die Besteigung von der Ostseite aus versucht habe, muß auf einem Versehen beruhen. Ich erwähne das nur deßhalb, weil am angegebenen Orte gewissermaßen der Gegensatz zwischen dem eben geschilderten Versuche und der nun folgenden ersten Besteigung betont wird.

Am 9. Juni 1865 erreichte Herr G. Sand von St. Gallen, mit dem bekannten Führer Peter Eimer und einem seiner Söhne, zum ersten Mal die Ringel- spitze. So weit mir bekannt, ist über die Tour nie ein ausführlicher Bericht erschienen; im dritten Bande unseres Jahrbuches findet sich, pag. 15, einzig die Mittheilung der erfolgten ersten Besteigung, und auch Studer ( Ueber Eis und Schnee, 3. Abthlg., pag. 194 ) und das Itinerar enthalten nicht viel mehr. Ich kann hier nur noch aus dem Wahrzeddel, den Herr Sand auf dem Gipfel deponirte, beifügen, daß die Partie in der Anhoraalp, etwa 2V2 Stunden oberhalb Trins, tibernachtete, am Morgen um halb fünf Uhr aufbrach, den Gipfel in sieben Stunden erreichte und auf ihm anderthalb Stunden verweilte.

Am 24. September des gleichen Jahres erfolgte die zweite Besteigung durch Herrn Hauptmann Brun und Jäger Conrad Joos von Flims. Während einer Reihe von Jahren scheint der Gipfel nicht besucht worden zu sein, wenigstens wies die Flasche am 15. August 1878, als ich mit dem eben genannten Joos oben war, nur noch zwei Zeddel aus dem Jahre 1875 auf. Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die Besteigungen etwas zahlreicher geworden; das kleine Fremdenbuch, das Hr. Brun im Jahre 1882 angelegt hat, wies im Sommer 1887 einige zwanzig Einträge auf. Dabei sind auch die Besteigungen vor 1882 mitgezählt. In der großen Mehrzahl der Fälle ist bis jetzt der Weg über den Tschepp und die Westflanke der Ringelspitze gewählt worden; ich selbst habe ihn drei Mal gemacht, in den Jahren 1878, 1880 und 1886, die beiden ersten Male jeweilen mit einem Flimser Führer, das dritte Mal allein. Ich wähle diese dritte Besteigung zu einer kurzen Schilderung, weil sie mir noch am lebhaftesten im Gedäcbt'-niß ist, und weil ich mehr als früher vom Wetter begünstigt war. Zugleich mag der Leser hieraus-ersehen, daß bei normalen Verhältnissen die Tour keine allzu schwierige ist. Immerhin will ich damit nicht zu führerlosen Besteigungen angerathen haben: es ist ein großer Unterschied, ob man schon wiederholt einen Berg mit Führer bestiegen hat und es-dann nachher allein probirt, oder ob man einem unbekannten Berg auf den Leib rückt.

In der Zeit von 1878—1883 war ich fast jede » Jahr, theils im Sommer, theils im Frühling, nach Flims gekommen, wenn auch in der Regel nur für wenige Tage, und hatte die Gegend liebgewonnen. So kam es, daß es mich bei dem herrlichen Herbstwetter von 1886 bei allen Haaren zog, wieder einmal die Ringelspitze zu erklimmen. Ich war so glücklich, meinen Freund und Collegen Prof. Rebstein zum Begleiter zu gewinnen und in seiner Gesellschaft einige der genußreichsten Tage zu verleben. Samstag-den 2. Oktober trafen wir von Vättis her durch da » Kalfeu8erthal und über die Trinserfurka in Flims ein. Freund R. hatte diese Furka nicht ganz nach seinem Geschmacke gefunden und bezeugte anfänglich sehr geringe Lust, nach der Ringelspitze aufzubrechen. Am Sonntag Vormittag spazierten wir in den schönen Waldungen von Flims, hinunter zum reizend gelegenen Caumasee, an dessen südlichem Ufer die Ringelspitze sichtbar wird. Hier gelang es mir, meinen Gefährten, der mit Gewalt andern Gegenden zustrebte, umzu- stimmen. So brachen wir denn Nachmittags um drei Uhr auf, um noch bei Tag die Alp Lavadignas, unser Nachtquartier, zu erreichen. Ein ordentliches Sträß. chen führt uns in nicht ganz anderthalb Stunden an der hübsch gelegenen Kapelle Fidaz vorbei zum Weiler gleichen Namens, und bald durch schattigen Wald hinauf, zu dem mit Hütten übersäeten alten Seebecken von Bargis, 1548 m. Stetsfort hat man prächtige Aussicht nach Süden; sehr schön präsentiren sich Piz Michel, später Piz Beverin, die Berge des Safierthales und Piz Aul. Die Sonne brennt indessen so sommerlich heiß1, daß wir froh sind, jetzt im Schatten des Flimsersteines vor ihr geborgen zu sein. Gleich nachdem der Bach in Bargis überschritten ist, steigt der Weg steil durch Wald hinan zur Alp Lavadignas, deren obere Hütte, nicht ganz 2000 m hoch, wir um halb sechs Uhr erreichen. Als Nachtquartier ist dieselbe nicht sehr zu empfehlen; der Vorrath an Heu ist gering, um so größer die Zufuhr an frischer Luft, die zu allen möglichen Löchern hereinbläst. Obschon wir mit Decken nicht versehen sind, geht die Nacht leidlich vorüber, immerhin sind wir froh, mit erstem Tagesgrauen aufbrechen zu können. In 8k Stunden sind wir in Mirotta, dem obersten Stafel von Lavadignas, circa 2300 m hoch. Bis dahin führt ein nicht so übler Weg, immer auf der östlichen Thalseite, obwohl die Karte ( Blatt 406 ) nichts angibt. Während des Frühstückes erfreuen wir uns des herrlichsten Sonnenaufganges an den Bergen im Süden. Wir selbst sind durch die Wände des Tschepp noch lange vor der Sonne gesichert, die uns aber augenblicklich gar nicht so unangenehm wäre.Von hier aus zeigen sich nun auch die Ringel spitze und die westlich von ihr gelegenen Spitzen sehr sehen. Um halb 7 Uhr wird der Weitermarsch angetreten. In nahezu östlicher Richtung steigen wir bergan, erst noch über Grashalden, dann über Geröll nicht immer angenehmster Art, und erreichen in circa 2 Stunden das Plateau des Tschepp. Während dieses Anstieges entwickelt sich gegen Süden und Westen mehr und mehr die herrlichste Aussicht, in letzterer Richtung dominiren namentlich die Brigelserhörner, der Bifertenstock. und der Tödi. Ziemlich unnahbar sieht vom Tschepp her die Ringelspitze aus l ). Die Partie von Mirotta zum Tschepp ist nicht gerade der bequemste Theil der Tour und hat leider meinem Begleiter so zugesetzt, daß er sich mit dem Erreichten begnügen will. Es darf übrigens die Besteigung des Tschepp allein als eine lohnende, wenn auch etwas mühsame, durchaus empfohlen werden. Etwas bequemer, aber weiter, geht man von Mirotta in südöstlicher Richtung zum Tschepp hinauf. Man erreicht dann den Rücken in einer Höhe von etwa 2700 m und braucht noch eine gute halbe Stunde bis zur Höhe.

Ich war nicht gewillt, bei dem untadeligen Wetter .auf die Ringelspitze zu verzichten, und nahm nach halbstündiger Pause für einige Stunden Abschied von meinem Genossen. Der Weg ist kaum zu verfehlen, man folgt dem schon oben von Coaz erwähnten Bande, bis man nach Verfluß einer starken halben Stunde rechts oben den Gipfel erblickt. Bis dahin ist bei guten Verhältnissen absolut keine Schwierigkeit. Noch etwa 180 m sind jetzt zu erklettern. Die Verrucano- platten liegen zwar nicht gerade gunstig, bieten aber auch nicht sehr große Schwierigkeiten. Ich bin etwas %n früh in die Höhe gestiegen, so daß ich in die Einsattlung zwischen dem Hauptgipfel und einer etwas südlicher gelegenen, vielleicht 30 m niedrigem Spitze gelange.Von hier aus kann ich Freund R. beobachten, ich jauchze ihm zu, doch hört er mich nicht. Um 10 Uhr 45 Min., d.h. 45 Min. nach Beginn des Anstieges, erreiche ich, allerdings unab-sichtlich-, den südlichen Gipfel der Ringelspitze, der vom nördlichen, etwa 2 m höhern, durch eine Sie getrennt ist. Ohne langes Besinnen steige ich ein kleines Stück abwärts und bin um 10 Uhr 55 Min. auf dem höchsten Punkt, auf dem sich ein ziemlich kläglicher Steinmann befindet. Zuerst wird nach dem Fremdenbuch gefahndet, doch ohne Erfolg, es ist nichts da als ein kleines Fläschchen, in welchem ein Zeddel die Besteigung durch fünf Churer Herren am 29t August 1886 meldet ( Schweizer Alpenzeitung, ó„r; Jahrgang, Nr 11 ). In Flims erfahre ich dann Abends, daß die Flasche, die wir schon 1880 vom südlichen Gipfel herüberholten, sich wieder dort befindet. Die Flimser sind nämlich merkwürdigerweise der Meinung, daß der Hauptgipfel dem Zerfalle nahe sei, und haben daher in den letzten Jahren wohl in der Regel den niedrigem Gipfel bestiegen, der be- ztiglich der Aussicht, vielleicht abgesehen vom Blick in 's Ealfeuserthal, dem höchsten Funkt natürlich nichts nachgibt. Und nun zur Betrachtung dieser Aussicht, die gewiß eine der schönsten und heute auch nicht durch das kleinste Wölkchen getrübt ist. Ein Blick auf die Karte schon belehrt, daß die Ringelspitze eine vorzügliche Fernsicht bieten muß, da erst in 40km Entfernung sich höhere Berge finden. Ich schrecke vor der Aufgabe zurück, eine ausführliche Beschreibung der Rundsicht zu liefern, und begnüge mich, einige Hauptgipfel zu nennen: Piz Linard, Ortler, Piz Kesch, die Bergünerstöcke und über sie hinaus die Berninagruppe, weiter der Monte della Disgrazia, dann Rheinwaldhorn, Piz Terri, die Medelsergruppe, die meisten der großen Walliserberge, die Brigelserhömer und drüber weg das Finsteraarhorn, endlich Bifertenstock und Tödi.

Nach nicht ganz einstündigem Aufenthalte schicke ich mich zum Abstieg an, nicht ohne mich vorher zur Vorsicht zu ermahnen. Es geht übrigens über Erwarten gut, in noch nicht 25 Minnten bin ich am Fuße des Kegels und in weitern 20 Minuten begrüße ich Freund R., der bereits etwas in Besorgniß gerathen war. Ueber den Rückweg nach Flims, der etwas zu drei Stunden beanspruchte, habe ich kaum etwas zu bemerken.

Besteigung der Bingelspitze vom Kalfenserthale ans.

Schon bei Anlaß meiner ersten Besteigungen der Ringelspitze faßte ich den Plan, gelegentlich die Ersteigung von Norden her auszuführen, aber wie schoa bei so manchem meiner Projecte verstrichen die Jahre, ohne daß ich nur zu einem Versuche kam. Im Herbst 1886 lernte ich in Vättis den Führer David Kohler kennen und sprach mit ihm über die Möglichkeit der Besteigung, fand aber nicht gerade geneigtes Gehör. In Nr. 11 der Schweizer Alpenzeitung vom Jahre 1887 veröffentlichte die Section St. Gallen ihr Programm für die Excursionen des kommenden Sommers. Darin figurirte für den 7. August eine Tour auf die Eingelspitze, mit Abstieg in 's Kalfeuserthal. Jetzt Vurde die Sache dringend, denn so leichter Dinge wollte ich mir die Ausführung eines Planes, den ich schon so lange mit mir herumgetragen hatte, nicht vorwegnehmen lassen. Doch kam ich erst im August dazu, die Besteigung zu versuchen, hatte aber noch freies Feld, da glücklicherweise die Section St. Gallen die Excursion um acht Tage verschoben hatte. Am 6. August Nachmittags traf ich in Vättis ein. Führer Kohler war in den Bergen mit Heuen beschäftigt und kehrte erst am Abend zurück, so daß ich meine Absicht, noch gleichen Tages eine passende Hütte im Kalfeuserthale aufzusuchen, mußte fallen lassen. Als Kohler erschien, erklärte er sich zum Versuche-bereit, hatte auch gute Hoffnung auf Gelingen, da er sich die Gegend inzwischen etwas angesehen hatte. Mit einem gewissen Schrecken erfuhr ich nun noch, daß ich fast zu spät gekommen wäre, da Hr. Emil Huber von Zürich schon vor acht Tagen in der gleichen Absicht ausgerückt war und nur durch schlechtes Wetter veranlaßt wurde, sich mit dem Piz da Sterls zu begnligen. Unsere kleine Gesellschaft vermehrte sich durch den Zutritt von Hrn. Zimmermann, Wirth zur Lerche, der plötzlich Lust bekam, mitzumachen. Sonntag den 7. August verließen wir Vättis um 2 Uhr früh, waren um 4 Uhr in St. Martin und eine halbe Stunde später bei der Hütte zum Tiefen Wald. Hier verlassen wir den Hauptweg, steigen zum Wiesli hinan und dann pfadlos in nördlicher Richtung aufwärts. Von 5 Uhr 20 Min. bis 6 Uhr wird ein erster Halt, in einer Höhe von etwa 1900™, gemacht. Immer ziemlich steil ansteigend gelangen wir über Gras-und Schieferhalden in südöstlicher Richtung in einer Stunde zum Glasergletscher, wo wir uns über den weitern Weg entscheiden müssen. Es scheinen verschiedene Möglichkeiten zu sein, das Ziel zu erreichen. Ein großes, mit Schnee erfülltes Couloir zieht sich bis zum Gletscher auf der Nordseite der Ringelspitze hinan und ist jedenfalls in seinem untern Theile gangbar. Ein anderer Vorschlag ist, gegen den Piz. da Sterls anzusteigen, bis eine Höhe von vielleicht 2900 m erreicht ist, und dann unter dem Glaserhorn ( 3128 m ) durch zu traversiren. Wir entschließen uns,, es einmal mit dem Couloir zu probiren und, wenn es rathsam werden sollte dasselbe zu verlassen, die Felsen linker Hand zu erklettern. Ohne Mühe wird der sanft ansteigende Gletscher überschritten und der Anstieg im Couloir begonnen. Der Schnee wird bald sehr hart, die Steigung stärker, und da außerdem da » Couloir etwas steingefährlich aussieht, entschließen wir uns zum Uebergang in die Felsen. Die Ueberschreitung einer ziemlich tiefen Rinne, die sich fast durch das ganze Couloir zieht, macht uns ziemlich zu schaffen. Es ist gut, daß wenigstens ich mit einem Pickel versehen i bin, sonst wäre uns wohl nicht » Anderes übrig geblieben, als wieder ein beträchtliche » Stück abzusteigen, um weiter östlich die Felsen zu gewinnen. Um 8 Uhr 20 Min. betreten wir die Felsen und halten 20 Min. Rast, in einer Höhe von ziemlich genau 2700 m. In den Felsen, die vollständig schnee- und eisfrei sind, geht 's nun aufwärts, daß es eine wahre Freude ist; um 10 Uhr sind wir, 3100 m hoch, am Getscher und halten, da in der Nähe Wasser fließt, 20 Min. Pause. Ein paar Schritte noch einen Schneehang hinauf und vor uns steht die Ringelspitze » Unser Weg führt an einem kleinen See vorbei, etwa 15 m lang und 6 m breit, den ich schon vor &Jahren vom Gipfel aus beobachtete, der aber jeweilen nicht sehr lange zu bestehen scheint. Ohne jede Schwierigkeit wird der Gletscher überschritten und die Pyramide bis etwa 10 m unter dem Gipfel erstiegen. Nach einer kurzen Kletterei an der Nordostkante stehen wir um 11 Uhr auf dem Gipfel. Diese letzte Partie sieht etwas halsbrechend aus, verliert aber sehr von ihrer abschreckenden Wirkung, sobald man in die Nähe rückt. Hätten die Herren Coaz und Genossen dies gethan, so wäre ihnen mit zehn Minuten Arbeit der Sieg in den Schooß gefallen. Mein Erstes ist nunr zum südlichen Gipfel hinüberzusteigen und die Flasche mit den Zeddeln und dem Fremdenbuche dahin zu bringen, wo sie hingehört. Hoffentlich wird sie nun bleiben, wo sie ist; der höchste Gipfel ist noch solid genug, um manches Fremdenbuch zu überdauern. Um das zu glauben, muß man die Pyramide nur von der Ostseite aus ansehen, von wo aus sie noch einen sehr dauerhaften Eindruck macht. Es mag hier der Ort sein zu ein paar Bemerkungen Ober die Zugäng-lichermachung der Ringelspitze. In Flims hat man schon vor Jahren davon geredet, die Besteigung durch Seile zu erleichtern, und wieder macht Herr Meißer eine ähnliche Anregung in Nr. 11 des fünften Bandes der Schweizer Alpenzeitung. Es sollte mir leid thun, wenn in dieser Art etwas geschehen sollte; wir haben doch wahrhaftig bald Berge genug in Ketten und Banden und noch habe ich mich nicht zu der Meinung bekehren können, daß es Sache des S.A.C. sei, jeden Berg jedem Touristen zugänglich zu machen. Ein Hauptgenuß jeder größern Besteigung besteht doch darin, daß das Ziel nur mit Ueberwindung gewisser Schwierigkeiten erreicht werden kann, und die sind an der Ringelspitze nicht so groß, daß ihre Bewältigung nicht jedem halbwegs ordentlichen Bergsteiger gelingen sollte. Ich darf hier vielleicht bemerken, daß wir während der ganzen Tour das Seil nie verwendeten. Nachdem wir gegen anderthalb Stunden auf dem Gipfel zugebracht hatten, verließen wir ihn auf dem gleichen Wege, wie wir gekommen. Doch« hatten wir nicht die Absicht, wieder über die Nordwand in 's Kalfeuserthal abzusteigen, sondern gedachten, einen neuen Weg zum Taminsergletscher hinunter zu versuchen. Vorher eilte ich noch zu Punkt 3219, auf Blatt 14 der topographischen Karte ( Dufour ), hinüber. Die Clubkarte gibt hier eine Zahl 3127 an, von der man nicht recht weiß, wohin sie gehört. Ich möchte fast vermuthen, daß hier ein Versehen vorliegt und die Zahl 3217 oder 8227 heißen sollte. Zwischen der Ringelspitze und dem genannten Punkt 3219 klettern wir leicht ein Stück die Felsen hinunter und betreten dann einen Grat, der sich weit hinunter zieht und den Gletscher vollständig theilt. Die Excursionskarte stellt den obern Theil des Taminsergletschers nicht richtig dar. Wir glauben erst, den Gletscher gar nicht betreten zu müssen, sind aber, da der Grat in steilen Wänden endigt, gezwungen, uns rechts zu halten und noch etwa zehn Minuten ttber den Gletscher zu wandern. Der Weitermarsch führt uns, die gewaltigen Wände des Crap Matte zur Rechten, das Lavoi hinunter, bis wir es beim Balda-topf verlassen, um der Großalp zuzustreben, die wir 2 Stunden 20 Min. nach Verlassen des Gipfels erreichen. Nach längerem Aufenthalt geht 's pfadlos den steilen Wald hinab, zu den Hütten von Kunkels und hinaus nach Vättis.

Unsere Tour wird am 17. August mit einer kleinen Veränderung im Aufstieg ( Vermeidung des Couloirs ) von vier Mitgliedern der Section St. Gallen wiederholt, und ferner am 23. September von Herrn Emil Huber und zwei Begleitern. Zum Abstieg benutzte die letztere Gesellschaft den Weg über den Tschepp. Im Sommer 1888 ist die Ringelspitze überhaupt nur einmal bestiegen worden.

Winterbesteigungen. Einen ersten Versuch, die Ringelspitze zu ungewöhnlicher Zeit zu erreichen, machte ich im Frühling 1880, als ich mich beim schönsten Wetter eine Woche in Flims aufhielt. Am 23. März verließ ich mit Hrn. Hauptmann Brun und 2 seinem Sohne Johann um halb 4 Uhr Flims und erreichte um 7 ühr Mirotta. Bis hierhin war ich schon drei Tage vorher mit Johann Brun vorgedrungen, um die Schneeverhältnisse kennen zu lernen. .'Die Kälte war sehr intensiv, so daß uns der Wein sofort am Glase gefror. Der Aufstieg zum Tschepp machte un& stellenweise ziemlich zu schaffen, wir brauchten beinahe drei Stunden. Auf dem bekannten Wege drangen wir bis gegen den Fuß der Pyramide vor ( die beiden Brun noch ein Stück weit ohne mich ), entschlossen uns dann aber zur Rückkehr, da wir voraussichtlich den Gipfel erst gegen 4 Uhr erreicht hätten. Um halb 7 Uhr waren wir wieder jn Flims.

Zwei Jahre später führte Herr Brun mit seinem Sohne Rudolf die Besteigung aus. Das Fremdenbuch auf dem Gipfel enthält darüber folgenden Eintrag: 1882, 18. März, Hauptmann Brun und Sohn Rudolf bestiegen den Ringel unter großer Gefahr und Anstrengung in zwölf Stunden ab Flims. Der Ringelkopf war ganz mit Schnee und Eis bedeckt; es mußten sehr viele Stufen geschlagen werden. Wetter sehr schön, kalter, eisiger Wind.

Eine weitere Winterfahrt führten Hr. Emil Huber und ich am 5. Januar 1889 aus. Dabei wurde zum ersten Male der Abstieg in 's Kalfeuserthal vollzogen. Wir hatten es eigentlich nicht sowohl auf die Ringelspitze abgesehen, als auf den Uebergang votn nördlichen Ringelgletscher zum Glaserhorn ( Punkt 312R der Excursionskarte ). Bei genügender Zeit sollte natürlich auch die Ringelspitze mitgenommen werden. Wir erreichten, von Chur her kommend, am 4. Januar mit Einbruch der Nacht die obere Hütte von Lavadignas. Den ersten Schnee trafen wir im Fidazer Walde, in der Nähe von Belmont, doch war der Weg bis gegen Bargis hinauf noch meist frei. In Bargis lag ziemlich Schnee, dagegen war der Abhang von Lavadignas wieder zum großen Theil aper. Bei unserer Ankunft in Lavadignas hatten wir eine Temperatur von —12°, so daß wir nicht ohne Besorgniß dem Aufenthalte in der, wie schon früher erwähnt, ziemlich elenden Hütte entgegensahen. Glücklicherweise war Holz in reichlichem und Heu in genügendem Maße vorhanden. So gut es anging, wurden die größten Löcher verstopft, dann saßen wir bis nach 11 Uhr am Feuer, brieten einige Kartoffeln und Aepfel, die mein Gefährte seinem unergründlichen Rucksacke entnahm, und kochten in ziemlich defectem Geschirr Chocolade. Die Nacht ging gar nicht so schlimm vorüber, früher, als wir dachten, war 4 Uhr vorbei und die Zeit zum Aufstehen gekommen. Nach eingenommenem Frühstück verließen wir um halb 6 Uhr beim klarsten Sternenhimmel die Hütte und erreichten, jetzt meist über Schnee, in einer Stunde Mirutta. Auf die Laterne konnten wir nun verzichten, denn schon fingen die Steine an zu erbleichen und machte sich der nahende Tag bemerklich. Zum Tschepp hinauf hatten wir noch einige schneefreie Halden, bald aber mußten wir mit schlechtem Schnee kämpfen, so daß wir erst nach 9 Uhr oben waren. Nachdem Freund Huber einige photographische Aufnahmen gemacht hatte I ), sollte ein zweites Frühstück folgen, dasselbe fiel aber ziemlich mager aus, da fast alles Essen und Trinken gefroren war. Der Weitermarsch bis an den Fuß des Ringelkopfes bot durchaus keine Schwierigkeiten, beanspruchte aber des fast durchweg schlechten Schnee's halber, statt einer guten halben Stunde, gegen zwei Stunden. Die Besteigung der Pyramide über die Westseite, wie sie von Flims aus gewöhnlich gemacht wird, erwies sich der vereisten Felsen wegen als zu zeitraubend, nach kurzem Versuche entschieden wir uns zum Angriff von der Nordseite her. Ein kleines Stück mußte abgestiegen werden, dann ging 's wieder unschwierig, in nördlicher Richtung ansteigend, zum Gletscher hinauf, den wir um 12 Uhr 45 Min. betraten. Die Erkletterung des obersten Kegels war nicht wesentlich schwieriger als im Sommer, in zwanzig Minuten vom Plateau aus war der Gipfel bezwungen. Unsere anfängliche Absicht, zum Glaserhorn hinüber zu gehen, hatten wir längst aufgegeben. Auf der Südseite läßt sich dieser Uebergang allem Anschein nach nicht anders bewerkstelligen, als daß man ganz zum Gletscher hinuntersteigt, und auf der Nordseite muß man, wie wir von früher her wußten, an sehr steilen Hängen unter dem Glaserhorn durch traversiren, und kann wahrscheinlich erst in der Nähe von Punkt 3091 zum Grat aufsteigen. Der Uebergang ist also in strengem Sinne nicht möglich, oder mindestens sehr schwierig. Die Aussicht war so ziemlich untadelhaft, doch veranlaßte die Temperatur von —11°, verbunden mit ziemlich heftigem Wind, zunächst Freund Huber zur Abkürzung seiner photographischen Auf- nahmen, und dann uns, nach halbstündigem Aufenthalt den Rückzug anzutreten. Wir entschlossen uns zum Abstieg in 's Kalfeuserthal, in der Hoffnung, noch vor Dunkelheit den Glasergletscher zu erreichen. In kürzester Zeit waren wir den Kegel hinunter geklettert, hatten den Gletscher, am abgelaufenen kleinen See vorbei, überschritten und begannen den Abstieg über die Nordwand, der zunächst ganz gut von Statten ging, so lange wir den schneefreien Grat verfolgen konnten. Bald aber sahen wir uns genöthigt, ihn zu verlassen und steile Schneehänge zu betreten. Freund Huber rückte stufenhackend vor, so weit das Seil reichte, dann ich jeweilen nach, und so gelangten wir langsam, aber sicher in die Tiefe. Ich kann nicht umhin, meinem Gefährten für die Art und Weise, wie er während der ganzen Zeit Stufen schlug, meine Anerkennung auszusprechen. Gelegentlich und als angenehme Abwechslung kamen wieder Felspartien. Um 4 Uhr ungefähr waren wir in der Nähe der Stelle, wo bei der ersten Ersteigung von Norden her das große Couloir verlassen und die Felsen betreten wurden. Ich war übrigens im Augenblick der Sache nicht ganz sicher und erkannte erst später, daß ich mich nicht getäuscht hatte, und wir hielten uns daher mehr rechts, um dem Wege der zwei spätem Besteigungen zu folgen. Wahrscheinlich geschah das aber etwas zu früh und bewirkte nun, daß wir noch in eine ziemlich schwierige Situation kamen, bis es uns endlich gelang, von den Felsen loszukommen. Eine Rutschpartie führte uns schleunigst zum Gletscher hinunter, der ohne weitere Fährlichkeiten überschritten und um 5 Uhr verlassen wurde. Der weitere Abstieg nahm noch einen ziemlich abenteuerlichen Charakter an. Nur hinunter, war jetzt unsere Losung. Bald ging 's durch schneeerfüllte Bachrinnen, bald durch Geblisch hindurch mit, wie man sich denken kann, höchst vorzüglichem Schnee und gelegentlich auch wieder bessere Abhänge hinunter. Die Hauptsache war, daß wir noch vor 7 Uhr bei der Hütte vom Tiefen Wald anlangten und nun nach St. Martin einen ordentlichen Weg verfolgen konnten. Kurz vor St. Martin geriethen wir noch in die Ueberreste einer der großen Lawinen des letzten Frühlings. Noch waren aber unsere Mühsale nicht überstanden; der Weg nach Vättis hinaus war zum großen Theile vereist, so daß wir öfters mit dem Boden in unangenehme Berührung kamen und manche Stellen nicht anders als kriechend oder rutschend überwinden konnten. Um 9 Uhr endlich erreichten wir Vättis.

Zum Schlüsse noch einige Bemerkungen über die verschiedenen Wege zur Ringelspitze, deren es nach dem Vorstehenden im Wesentlichen drei gibt, nämlich:

1 ) Von irgend einem der Ausgangspunkte Flims, Trin8, Reichenau oder Vättis auf den Tschepp, dann in nördlicher Richtung bis zum Fuß der Pyramide und an ihrer Westflanke zum Gipfel.

2 ) Von Tamins oder Vättis zum Taminsergletscher, dann östlich der Ringelspitze zum Gletscher auf ihrer Noi'dseite und über die Nordostkante zum Gipfel.

3 ) Von Vättis in 's Kalfeuserthal und Ersteigung über die Nord wand.

Die Wege 2 und 3 haben den letzten Anstieg gemeinsam, der erste Weg ist, wenigstens in den oberen Partien, gänzlich von den andern verschieden. Nach meinen Erfahrungen dürfte es sich fast empfehlen, auch diesen dahin abzuändern, daß man ebenfalls das nördliche Gletscherplateau gewinnt, so daß dann alle Wege im obersten Stück übereinstimmen würden.

Was endlich die Schwierigkeiten anbetrifft, so werden die Routen 1 und 2 ungefähr im gleichen Range stehen, etwas heikler wird der nördliche Aufstieg sein. Bei günstigen Verhältnissen wird es jedem, einigermaßen berggewohnten Touristen gelingen, von allen Seiten her zum Ziel zu gelangen.

Aus der Gruppe der Granen Hörner.

Mehr zufällig als absichtlich bin ich dazu gekommen, einen Theil meiner Sommerferien im Clubgebiete zu verbringen. Meine Absicht war eigentlich gewesen, die während der Sommer 1886 und 1887 im Dauphiné ausgeführten Besteigungen zu einem gewissen Abschluß zu bringen, und ich war daher sofort nach Beginn der Ferien dorthin abgereist. Ich hatte noch das Glück, zwei der schwierigem Touren zu vollführen, wurde dann aber durch anhaltend schlechtes Wetter, das größere Besteigungen für einige Zeit unmöglich machte, veranlaßt, nach Hause zurückzukehren und mehr in der Nähe noch einige Fahrten zu unternehmen.

Montag den 23. Juli traf ich Mittags mit dem Schnellzug in Sargans ein, in der Absicht, während der nächsten Tage allein einige Streifereien in dem mir wohlbekannten Gebiete des Piz Soi auszuführen,, und dann von Vättis aus mit dem Führer David Kohler die Ringelspitzgruppe weiter zu erforschen. Ich war schon wiederholt von Mels aus über Wangs zu den Alpen Mugg und Gaffia und von da zum Wildsee und Piz Soi gelangt, und gedachte daher heute wieder einmal einen neuen, wenn auch etwas weitern Weg einzuschlagen, nämlich den über den Vilterserberg. Beide Aufstiege, über den Wangser Vorderberg sowohl als über den Vilterserberg, sind sehr lohnend, da man sich beständig und in immer wachsendem Maße des schönen Blickes in 's Rheinthal erfreut. Ich ziehe irgend einen der Aufstiege von Norden her denen über Valens zur Alp Lasa oder von Vättis in 's Tersol vor. Den Weg von Weißtannen über Lavtina kenne ich aus eigener Erfahrung nicht. Ein halbstündiger Marsch führt vom Bahnhof Sargans zum Dorfe Vilters, hinter welchem sofort die Steigung beginnt. Heute müssen übrigens die Genüsse,, welche der Weg über die schönen Wiesen des Vil-terserberges bietet, redlich verdient werden, denn-selten erinnere ich mich, bei solch'drückender Hitze marschirt zu sein. Im Untersäß der Vilterseralp, der augenblicklich leer steht, wird ein kurzer Aufenthalt gemacht. Man überblickt das Rheinthal bis zum Bodensee hinunter und genießt eine sehr hübsche Ansicht der Churfirsten- und Alvierkette, der drei Schwestern, des Falknis und anderer Berge mehr. Der Weg zum Obersäß, 1693 m, der nicht mehr sehr ausgeprägt ist, so daß ich mich schließlich noch etwas verlaufe, erfordert nicht ganz eine Stunde. Die Sennen machen erst einige Schwierigkeiten wegen des Ueber-nachtens, da sie nicht eingerichtet seien und wenig Heu und Decken hätten. Indessen weiß ich ihre Besorgnisse zu beschwichtigen und kann mich über die weitere freundliche Aufnahme nur rühmend aussprechen. Das Wetter läßt sich leider nicht zum Besten an, des Abends und während der Nacht fällt ziemlich starker Regen.

Am 24. Juli früh stecken alle Höhen im Nebel, so daß für den heutigen Tag die Aussichten nicht sehr groß sind. Doch wollen wir sehen, was sich machen läßt. In etwas zu zwanzig Minuten wird der recht hübsch gelegene Viltersersee ( 1902 m ) erreicht; dann geht 's in südwestlicher Richtung die Hänge hinan. Sehr interessant ist der Blick in das Valeiser-tobel. Mit der Aussicht ist es jetzt übrigens vorbei, da die Region des Nebels betreten wird, der allmälig so dick wird, daß ich eine kleine Wasserfläche, zu der ich in 50 Minuten vom Viltersersee aus gelange, mit einer gewissen Enttäuschung für den Wangsersee ansehe, der noch ein geringes Stück weiter südlich liegt. So wie die Verhältnisse jetzt liegen, hat es keinen Zweck, gegen den Wildsee vorzurücken; ich entschließe mich, zur Lasaalp abzusteigen und dort abzuwarten, auf welche Seite sich das Wetter zu wenden gedenkt. Die Entscheidung läßt heute lange auf sich warten, und da der Nebel in der Höhe auch gar nicht weichen will, trete ich um 9 Uhr den Weg nach Valens an. Kaum bin ich einige Minuten gegangen, so bricht die Sonne durch und veranlaßt mich, zur Hütte zurückzukehren und der Sonne noch « ine halbe Stunde Frist zu geben, um dem schlechten Wetter den Sieg abzugewinnen. Das seheint ihr auch zu gelingen; zwanzig Minuten vor 10 Uhr breche ich auf und erreiche um 11 Uhr die Wildseelücke ( 2515™ ). Der überraschende Ausblick, der sich hier auf den " Wildsee und die gegenüber liegenden Hörner bietet, wird Jedem, der ihn je genoß, unvergeßlich bleiben. Ich darf es wohl unterlassen, hier weitere Worte darüber zu verlieren, da die Theobald'sche Schilderung in den Naturbildern aus den rhätischen Alpen auch in unser Jahrbuch übergegangen ist ( Der Piz Soi, von Frei-Geßner, IL Jahrgang, pag. 244/54 ). Der Wildsee ist heute noch völlig mit Eis und Schnee bedeckt, nur die Ränder fangen an, allmälig frei zu werden. Meine Absicht ist jetzt, die Gipfel südlich der Lücke ( 2688 m bis 2649 m ) zu besteigen, dann den Piz Soi zu besuchen, und entweder in Tersol oder Lavtina Nachtquartier zu nehmen. Um halb 12 Uhr beginne ich den Aufstieg zu Punkt 2688, der bis in die Nähe des Gipfels keine Schwierigkeiten bietet. Die Sonne kann heute keinen entschiedenen Sieg erringen, nach kaum einer Viertelstunde muß ich für kurze Zeit unter den Felsen Schutz vor Regen und Schneeriesel suchen. Lon 12 Uhr stehe ich am obersten Gipfel, noch etwa 6™ unter der Spitze. Diese letzte Partie ist nicht ganz leicht; auf der Ostseite gelingt es schließlich, hinaufzukommen. Ich trage « in paar Steine zusammen und lege eine Karte mit Name und Datum bei. Nahezu zwei Stunden, allerdings mit ziemlich viel Pausen, werden nun für den Uebergang zu Punkt 2649 verwendet. Die ganze

Mittwoch den 25. Juli verlasse ich um 6 Uhr mit David Köhler das einfache, aber gut gehaltene Gasthaus zur Lerche, für einige Tage mit Proviant wohl ausgerüstet. Heute soll 's dem Sazmartinhorn, 2848 m, gelten. Eine Zeit lang begleitet uns Herr Bezirksförster Bächtold, der den Bau der eben zu erwähnenden Straße zu überwachen hat, und sich jetzt mit dem Kreisförster auf die Alp Brändlisberg wegen eines Holzschlages begibt. Der gewöhnliche Weg in 's Kalfeuserthal, der sich bis St. Martin auf dem rechten Ufer der Tamina befindet und die unangenehme Eigenschaft hat, bald aufwärts und bald wieder abwärts zu gehen, wird etwa eine Viertelstunde weit verfolgt, dann benutzen wir das neue Sträßchen, das bis zum Gigerwald angelegt wird und augenblicklich bis auf ein Stück von vielleicht zehn Minuteu nahezu vollendet ist. So viel ich weiß, wird es durch den Kanton gebaut, der hier Waldungen besitzt. Eine Fortsetzung, wenigstens bis St. Martin, steht hoffentlich in nicht allzu weiter Ferne. Das Sträßchen überschreitet bald die Tamina und steigt dann allmälig durch schönen Wald bergan. Noch sind wir keine Stunde unterwegs, als wir den Bach aus dem Tersol überschreiten und die prächtigen Wiesen von Gigerwald betreten. Auf unserer Thalseite erheben sich die gewaltigen Felswände des Gigerwaldspitzes und des Gelben Berges, gegenüber die nicht minder großartigen der Orgeln und der Gipfel östlich der Ringelspitze, und im Rückblick endlich zeigen sich die Massen des Calanda. Sofort geht 's nun steil und immer steiler in 's Tersol hinein, auf einem Weg, der gelegentlich kaum zu erkennen ist, aber an Romantik seinesgleichen sucht. In der Nähe des kleinen Baches, der vom Gigerwaldspitz herunter kommt, wird ge- frühstückt und dann noch eine halbe Stunde lang-thaleinwärts gestiegen, bis man fast eben zu den Hütten von Tersol hinein sieht. Jetzt geht es sehr steil die Grashalden zur Linken hinan, zum Schönbühl, der seinen Namen mit Recht führt, dann, nicht mehr so anstrengend und in der obersten Partie etwa » nach Norden umbiegend, zum Grat und zuletzt, vielleicht 20 m abwärts, zum Signal des Giger wald spitzes,. 2296 " ', der in gigantischen Wänden zum Kalfeuserthal abfällt. Nach zwanzig Minuten Aufenthalt treten wir, zehn Minuten nach 10 Uhr, den Weitermarsch zum Sazmartin an, der so ziemlich vorgezeichnet ist,, da man im Großen und Ganzen einfach dem Grate zu folgen hat. Bis zu Punkt 2582 ist es ein sanftes,, fast müheloses Anateigen, immer mit herrlichem Blick in die umliegende Bergwelt und die Thäler Tersol und Kalfeusen. Jetzt verläßt man den Grat und hält sich am westlichen Abhang, doch ohne, je weit von ihm, dem Grat nämlich, abzukommen. Bei Punkt 2658 betritt man ihn wieder. Diese Stelle kann auch, ohne besondere Mühe, direct vom Tersol au& erreicht werden. Wir halten eine stündige Mittagsrast und erreichen dann in einer halben Stunde, immer dem Grate entlang, mit etwas Kletterei den ersten Gipfel des Sazmartin, der circa 10 ' " niedriger al* der Hauptgipfel und von ihm durch eine ziemlich beträchtliche Lücke getrennt ist, deren Ueberwindung~ indessen nichts auf sich hat. Um halb 2 Uhr stehen wir, vermuthlich als die Ersten, auf dem Sazmartiu-horn. Unsere erste Arbeit ist die Herstellung eines ordentlichen Steinmanns, dann geht 's an die Muste- rung der Aussicht, die heute bei dem hellen, allerdings etwas windigen Wetter nichts zu wünschen übrig läßt. Die Fernsicht ist, wie zu begreifen, so-ziemlich diejenige des Piz Soi, bedeutende Verschiedenheiten können sieh nur für die nächste Umgebung zeigen. Recht hübsch präsentirt sich ein Theil des Dorfes Weißtannen, das vom Piz Soi nicht gesehen werden kann. Nach Süden und Westen ist die Fernsicht so ziemlich verhindert durch die Ringelspitz-und Sardonagruppe, die sich dafür in nächster Nähe um so schöner zeigen. Ausgedehnter ist der Blick gegen Osten und Südosten, ich erwähne einige der Hauptgipfel, soweit ich sie überhaupt erkennen konnte r Rothe Wand, Scesaplana, Silvrettagruppe, Piz Linard, Piz Kesch, Piz d' Aela und Piz d' Err. Die vielen kleinern Gipfel im Norden und Nordwesten sind natürlich fast alle zu sehen, da der Piz Soi kaum etwas zu verdecken im Stande ist. Wir studiren auch etwas die verschiedenen Zugänge zu unserm Gipfel und erkennen zunächst, daß der Uebergang zum Piz Soi sich ganz wohl ausführen läßt. Da der verbindende Grat ziemlich tiefe Lücken aufweist, muß man allerdings beträchtlich in die Tiefe steigen. Der Abstieg in'& Piltschina und damit nach Weißtannen bietet ebenfalls keine Schwierigkeiten. Am leichtesten ist aber jedenfalls der Zugang über den westlichen Grat, den wir für den Rückweg wählten. Wer also von Vättis aus die Tour möglichst bequem machen will, wird sich nach St. Martin begeben, dann zur Alp Brändlisberg hinauf und in nördlicher Richtung zum Grat zwischen Sazmartin und Punkt 2730. Der von uns.

eingeschlagene Weg ist aber gewiß der interessantere. Wenn ich endlich noch Sazmartin und Piz Soi mit einander vergleichen soll, so ist, wie oben bereits bemerkt, bezüglich der Fernsicht kein nennenswerther Unterschied, doch der Vorzug eher auf Seite des Piz Soi. Das Sazmartinhorn dürfte dagegen bezüglich der nähern Umgebung in erster Linie stehen. Im Ganzen aber würde ich eine Tour auf den Piz Soi vorziehen wegen der zahlreichen See'n, die man zu besuchen Gelegenheit hat. Es empfiehlt sich dann freilich, wenn der Sommer nicht ganz günstig ist, bis in den August hinein zu warten, um alle See'n offen zu finden. Wählt man den Weg über die Vilterseralp und den Abstieg über Schwarzplangggrat und Gami-dauerkamm, so kommt man an nicht weniger als sechs See'n vorbei und genießt während des Aufstieges sowohl als des Rückweges die herrliche Aussicht in 's Rheinthal. Um halb 3 Uhr begeben wir uns auf den Rückweg. Mit Leichtigkeit ließe sich Punkt 2730 m besteigen, doch sind wir heute zu bequem dazu und haben zudem noch einige Stunden Marsch vor uns, bis wir unser Nachtquartier, die Hintere Ebene, erreichen. Ueber Schnee und Geröll und von zahlreichen Murmelthieren bewohntes Gelände geht 's hinunter und hinüber zu den Zinerböden. Beinahe glaubten wir, einen „ Munk " fangen zu können. Wir hatten ihn überrascht, er flüchtete sich auf ein Schneefeld und verschwand plötzlich. Wir dachten, er habe sich nur geduckt, eilten hinzu und waren nicht übel erstaunt, zu sehen, wie die Thiere sich durch den gewiß noch 2 m tiefen Schnee eine Röhre gegraben hatten. Um 4 Uhr gelangen wir zur obern Malanseralp, 1990 m, und halten uns eine Stunde auf, bis sich die jetzt sehr drückende Hitze etwas gemildert hat. Dann führt uns ein Marsch von anderthalb Stunden über die Plattenalp hinunter zur Brenn-hütte und zur Hintern Ebene, 1780 m ( Blatt Elm ).

Die westliche Ringrelspitzgruppe.

Während der Nacht vom 25. auf den 26. Juli trat wieder Regenwetter ein, so daß wir uns dazu bequemen mußten, einen Tag in der Sennhütte zu verbringen. Um die Zeit zu vertreiben, wurden allerlei ungewohnte Beschäftigungen unternommen. Das Holzspalten sagte mir noch ziemlich zu, dagegen steckte ich das Treiben des großen Butterfasses, als meinem Rücken zu wenig zusagend, bald auf. Am unterhaltendsten war es, dem Sennen bei seiner Arbeit zuzuschauen. Leider sind die Kenntnisse, die ich mir damals aneignete, schon alle wieder verschwunden, und der geneigte Leser braucht also keine Angst vor einem alpwirthschaftlichen Vortrage zu haben.

Am frühen Morgen des 27. Juli war noch nicht an Aufbrechen zu denken; erst gegen 8 Uhr durften wir 's, mit einiger Aussicht auf Erfolg, wagen, unsern Marsch anzutreten und uns von dem gastfreundlichen Sennen zu verabschieden. Unser Plan war vorläufig nur der, von der Trinserfurka aus ( im Blatt Elm ohne Benennung, aber mit der Höhenangabe 2489 m versehen ) die Gratwanderung bis zum Piz da Sterls, 3115 m, auszuführen. Ueber die Fortsetzung hatte ich bis jetzt kein Wort verloren, ich gedachte erst auf 3 dem eben genannten Gipfel mit meinen weitern Absichten herauszurücken, die darin bestanden, bis zur Ringelspitze vorzudringen. Ueber die Weiden der Hintern Ebene und der mit ziemlich viel Pferden befahrenen Sardonaalp gelangen wir in sanfter Steigung zur Vereinigung der zwei südlichsten der Bäche, die dem Sardonagletscher entspringen, und steigen dann ziemlich steil den zwischenliegenden Hang hinan* Zahlreiche Schafheerden beweiden das ganze Gebiet im Hintergrunde des Kalfeuserthales und hindern uns durch ihre Zudringlichkeit gelegentlich am Weiterkommen. Die Trinserfurka muß früher ziemlich häufig-begangen und auch, zum Mindesten mit Schafen, befahren worden sein. Wenn man in die Nähe der Felswände gelangt, erkennt man ganz deutlich die Spuren eines ziemlich breiten Weges, der sich schräg hinauf zur tiefsten Stelle der Einsattlung zieht. Von Jahr zu Jahr wird jetzt der Uebergang schlimmer, da Niemand mehr ein Interesse hat, den Weg einigermaßen im Stande zu halten. Doch kann man nicht sagen, daß die Passage dem Fußgänger Schwierigkeiten biete, sofern nur wenigstens die Felsen schneefrei sind. Immerhin ist Vorsicht am Platze. In einer Höhe von circa 2300 m betritt man die Felsen und steigt in südöstlicher Richtung zur Paßhöhe hinan. Genau zwei Stunden nach Verlassen unseres Nachtquartiers sind wir oben. Ich darf hier vielleicht die Bemerkung einschalten, daß der Aufstieg über den Sardonagletseher zum Segnesgletscher ganz gut gemacht werden kann. Ohne jegliche Schwierigkeit gelangt man auf das Trinserhorn, 3028™, das auch von der Trinserfurka aus erklettert werden kann. Nach kurzem Aufenthalt beginnt nun die Wanderung über den Grat, die bei hellem Wetter eine äußerst genußvolle sein muß. Wir haben es heute leider nicht sehr gut getroffen, nur gelegentlich ist uns ein Blick in 's Kalfeuserthal hinunter vergönnt, und zudem herrscht meistens heftiger Wind. Zunächst folgt man ziemlich genau dem Grat, später muß man sich größtentheils auf der Nordseite halten. In vierzig Minuten ist der Piz Sax, 2793 m, erreicht. Die Fortsetzung bis zum Piz da Sterls bietet nicht die mindeste Schwierigkeit. In anderthalb Stunden befinden wir uns auf einem kleinen Plateau, kurz vor dem Piz da Sterls, etwa 3000 m hoch, und halten Mittagsrast von 12 Uhr 20 Min. bis 12 Uhr 50 Min. Eine Viertelstunde später stehen wir auf dem Piz da Sterls, dessen oberster, blockförmiger Gipfel ( ähnlich dem des großen Spannortes, nur etwas größer ) noch eine kleine Kletterei erfordert. Wegen der Aussicht brauchen wir uns nicht lange aufzuhalten; nicht einmal die Ringelspitze können wir heute sehen. Ueber die erste Besteigung des Piz da Sterls ist mir nichts bekannt; von Jägern ist er gewiss schon lange besucht worden, sowohl von der Bündner- als von der St Gallerseite aus. Nach einer Notiz in Nr. 5 des 14. Bandes der Neuen Alpenpost, die aus dem Werdenberger stammt, hat Herr Ingenieur Simon mit den Führern Tischhauser von Sevelen und Bugg von Sargans am 14. Juli 1881 den Piz da Sterls vom Kalfeuserthal aus erstiegen. Die Bemerkung, daß die Besteigung die erste von Norden her gewesen sei, kann höchstens in dem Sinne richtig sein, daß sie die erste durch Touristen war. David Kohler versichert mich, schon in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre oben gewesen zu sein, und zwar von Norden her. Von Flims aus ist der Gipfel jedenfalls schon wiederholt durch Touristen bestiegen worden. Auch die Notiz am Schlüsse des Becker'schen Itinerars, daß ein Tarif nur für das Gebiet der Section Alvier bestehe, ist nicht richtig. Die Fiihrergesellschaft Flims, mit Hrn. Hauptmann Brun als Führerchef, hat im Sommer 1879 reit Bewilligung der Section Rhätia einen Tarif veröffentlicht. In demselben figuriren z.B. der Piz da Sterls mit 18 Fr., die Ringelspitze mit 30 Fr., der Segnespaß mit 15 Fr. u. s. f. Jetzt rücke ich Kohler gegenüber, der übrigens bereits eine Ahnung zu haben scheint und sofort einwilligt, mit meinem Plane heraus, noch weiter gegen die Ringelspitze vorzudringen. Wenige Schritte nach Verlassen des Gipfels betreten wir ein sanftgeneigtes Schneefeld, das uns in noch nicht zehn Minuten zur tiefsten Einsattlung zwischen Piz da Sterls und Punkt 3091 führt. Hier findet sich, ganz ähnlich wie auf der Nordseite der Ringelspitze, nur etwas kleiner, ein Seelein, in einer Höhe von ziemlich genau 3000 m, das auf der Südseite an die Felsen angrenzt und vermuthlich im Spätsommer nicht mehr vorhanden ist. Weiter gegen die Ringelspitze hin, als wir jetzt sind, ist wahrscheinlich noch kein menschlicher Fuß gedrungen. Zunächst ist 's übrigens Spaziergang; in zehn Minuten ist Punkt 3085, der etwas abseits liegt, erreicht, und eine Viertelstunde später Punkt 3091.

Auf beiden errichten wir kleine Steinmänner. Der Uebergang zu Punkt 3128, der auf der Excursionskarte ohne Namen ist, dagegen auf dem Säntispanorama von Heim und dem Alvierpanorama von Simon den gewiß passenden Namen Glaserhorn trägt, scheint etwelche Schwierigkeiten zu bieten. Eine Strecke weit geht 's noch ganz gut, dann finden wir es angezeigt, uns durch das Seil zu verbinden. Wir sind genöthigt, auf der Südseite ein Stück in die Tiefe zu steigen, um ein Schneeband zu erreichen, das uns dann wieder zum Grat hinauf führt. Sowie derselbe erreicht ist, geht 's wieder leichter, kurz vor 3 Uhr, noch nicht eine Stunde seit Verlassen des Punktes 3091, ist das Glaserhorn unser. Wie es mit der Fortsetzung zur Ringelspitze steht, können wir des Nebels wegen nicht genau beurtheilen; jedenfalls werden sich uns bedeutendere Schwierigkeiten in den Weg stellen. Da die Zeit außerdem schon ziemlich vorgerückt ist, wollen wir uns mit dem Erreichten begnügen. Nach Flims hinunter haben wir aber noch übrige Zeit und halten uns daher fast eine Stunde auf dem Gipfel und in seiner Nähe auf. Gegen 4 Uhr beginnen wir den Abstieg auf das Gletscherchen südwestlich des Glaserhorns, der sich leicht vollziehen läßt. Von dem kleinen See, 2622 m, ist poch nicht » zu sehen; bis gegen Mirotta hinunter ist noch fast Alles mit Schnee bedeckt. Der weitere Weg nach Flims ist im Vorhergehenden schon so oft erwähnt worden, daß ich mich begnüge zu notiren, daß wir 6 Uhr 40 Min. in meinem alten Standquartier, Hotel Bellevue, eintreffen.

Die östliche Ringelspitzgrnppe.

Die Tage vom 28. und 29. Juli sollten der Erforschung der Berge östlich der Eingelspitze gewidmet sein. Bald nach 6 Uhr verließen wir Samstag den 28. Juli Flims und erreichten bei gemächlicher Wanderung um 12 Uhr den Tschepp. Wir hatten es in erster Linie auf die unbenannte Spitze 3107 m abgesehen. Der ziemlich scharfe Wind veranlaßte uns, nicht auf dem Tschepp die Mittagswst abzuhalten, sondern vorher über das Schneefeld nordöstlich des Tschepp, soweit nöthig, abzusteigen. Während der Mittagspause hatten wir Muße, uns über das weitere Vorgehen schlüssig zu machen. Wir waren getheilter Meinung. Kohler wollte zur Lücke zwischen den Punkten 3107 und 3061 ( Simel der topographischen Karte ) hinüberhalten und von da aus beide Gipfel gewinnen; ich wünschte, sofort zum Grat östlich der Ringelspitze aufzusteigen und über den ganzen Grat, der von hier aus sehr leicht aussah, wegzugehen. Auch Kohler war der Meinung, daß sich nichts Besonderes mehr in den Weg stellen würde, sobald der Grat erreicht sei. Ich bestand auf der Durchführung meines Planes, weil mir daran lag, die Gratpartie auszuführen, und ich befürchtete, daß wir nach Besteigung der beiden Gipfel schwerlich mehr dazu geneigt sein würden. Um 1 Uhr setzten wir uns wieder in Bewegung, und zwar zunächst in nordöstlicher Richtung, bis wir Gelegenheit fanden, über Felsen auf den östlichen Theil des Taminsergletschers hinunter zu steigen ( etwa beim g des Wortes Taminsergletscher der Clubkarte ). Etwas vor 3 Uhr erreichten wir den Grat, in einer Höhe von circa 3040 m, nicht weit von dem großen Abfalle der östlichen Ringelspitze ( 3219 m auf Blatt 14 der topographischen Karte ), und begannen nach kurzem Aufenthalte den Uebergang zu Punkt 3107, der nach meiner Meinung die höchste Stelle des östlichen Grates bildet. Sehr bald zeigte sich, daß wir den so unschuldig aussehenden Grat unterschätzt hatten. Eine Strecke weit ging 's noch ganz angenehm direct auf der Kante, dann mußte der südliche Abhang betreten werden, der durch glatte Platten in der ungünstigsten Lage gebildet ist. Nach Norden fallen die Felsen bis in bedeutende Tiefe nahezu senkrecht ab. Die wiederholten Bemerkungen Kohlers, unser Vorrücken werde jetzt nächstens zu Ende sein, ärgerten mich zwar, erwiesen sich aber nur zu bald als richtig. Nach einer halben Stunde fanden wir uns, Angesichts eines ziemlich tiefen Einschnittes, veranlaßt, den Rückzug anzutreten. Ich hege übrigens keinen Zweifel, daß der Uebergang möglich ist, nur wird es zweckmäßig sein, sich einen schönen, warmen Tag auszusuchen und bei Zeiten an Ort und Stelle zu sein. Leicht wird er nicht sein. Wir hatten im Sinne gehabt, morgen die Orgeln zu besuchen, wegen des heutigen Mißerfolges nahmen wir nun die Gipfel des heutigen Programmes und dazu noch den Schafgrat für morgen in Aussicht und begaben uns zur Großalp zum Uebernachten. Die Lawinen des letzten Frühjahrs haben einen der beiden großen Ställe total zerstört, und zwar nicht direct durch Schnee, sondern durch Luftdruck. Man kann eigentlich kaum begreifen, wie der eine der Ställe so zertrümmert werden konnte, während: die nur wenige Meter entfernten übrigen Gebäulichkeiten ganz unverletzt blieben. Der Himmel wird gegen Abend ganz klar, wenn nicht Alles täuscht,, so wird der letzte Reisetag ein schöner sein.

Sonntag den 29. Juli wird um 4 Uhr, bei ziemlich frischem Wetter, wieder in 's Lavoi hinein marschirte In der Nähe von Punkt 2321 setzen wir über den Bach und steigen den Abhang westlich des Schafgrates hinein. An einigen auffallenden Felszacken,, den drei Thürmen, vorbei kommen wir in die Nähe von Punkt 2620 und mit Leichtigkeit auf den Gipfel,. 2766 m, der uns bereits eine prächtige Aussicht gewährt. Nach Errichtung eines Steinmannes geht 's zu Punkt 2620 hinunter, von wo ein sehr steiler Abstieg in 's Ochsenthäli führt, und ohne Säumen zum Simel hinauf, erst über Schneefelder, dann über Fels. Irn Spätsommer wird man gar keinen Schnee betreten, müssen. Kurz vor 9 Uhr, starke anderthalb Stunden seit Abmarsch vom Schafgrat, ist Punkt 3061 der Clubkarte erreicht, der auf der topographischen Karte-des Kantons St. Gallen und auf der topographischen Karte der Schweiz den Namen Simel führt, den ich beibehalten will. Ein stattlicher Steinmann, herrührend von der Triangulation der Vierzigerjahre, krönt den'Gipfel. In Vättis konnte ich keinerlei Auskunft erhalten, wann und von wem der Simel bestiegen wurde. Ich vermuthe fast, daß unsere Besteigung seit der Triangulation wieder die erste war. Eine wundervolle Aussicht, die derjenigen der Ringelspitze kaum nachsteht, belohnt in reichlichem Maße die verhältnißmäßig; geringen Mühen der Besteigung. Ich möchte hiermit die Aufmerksamkeit der Clubisten auf diesen so leicht zu erreichenden Punkt hingelenkt haben, insbesondere derjenigen, die sich nicht an die Ringelspitze machen wollen. Ich kann mich enthalten, auf eine ausführliche Schilderung der Fernsicht einzugehen, die ja mit derjenigen des Ringelkopfes im Wesentlichen identisch ist. Der letztgenannte Gipfel verdeckt einen Theil der Glarnerberge zwischen Tödi und Glärnisch, die beide sichtbar sind. Von Ortschaften ist von fast allen Gipfeln der Ringelspitzgruppe aus nicht viel zu sehen. Vom Simel aus erblickt man einen Theil von Thusis, zum Mindesten einen Thurm, dann das aus dem Brande wieder erstandene Sils, kenntlich an den neuen Ziegeldächern, und endlich die Kapelle von St. Martin, in der gerade jetzt der jährlich stattfindende Gottesdienst abgehalten wird. Durch das gute Fernrohr, das Kohler als eifriger Jäger immer mit sich führt, kann man ganz prächtig beobachten, wie sich die Leute vor der Kapelle aufgestellt haben. Der Aufenthalt ist so herrlich hier oben, daß wir erst um halb 11 Uhr den Uebergang zu Punkt 3107 antreten. Wir haben zunächst in die Lücke zwischen Simel und dem neuen Gipfel abzusteigen, die etwa 100 m tiefer ist: dann geht 's nahezu horizontal, etwa eine Viertelstunde lang, über ein ziemlich steiles Schneefeld hinweg und schließlich hinan über Platten, die fast durchweg gute Griffe bieten. Es ist gerade Mittag, als wir den Gipfel erreichen. Von hier aus erblickt man ein Stück der Straße unterhalb Vättis und ebenso derjenigen zwischen Reichenau und Ems, ferner das Dorf Bonaduz. Aus dem nicht sehr reichlieh vorhandenen Material wird ein Steinmann hergestellt, der allerdings mit seinem Nachbar den Vergleich nicht aushalten kann, aber eben doch auf ihn herabsieht. Die Zeit hätte wohl noch gereicht, um wenigstens eine der Orgeln zu besuchen, doch sptiren wir die Strapazen der letzten Tage etwas und verzichten für heute auf Weiteres. Um nach Vättis zu kommen, gehen wir nicht zur Großalp zurück, sondern schlagen den bedeutend nähern Weg in 's Ramuz ein, der allerdings noch etwas Klettern erfordert. Nachdem wir von der Simellücke etwa 200 m heruntergestiegen sind, gehen wir so ziemlich in östlicher Richtung, bis es möglich ist, dem obersten Theile des Ramuzbaches entlang in die Tiefe zu klettern. Um 2 Uhr 20 Min. sind wir in der Thalsohle und können bald einen kleinen Schafweg auf der rechten Thalseite verfolgen, der uns in einer kleinen Stunde zur obern Hütte von Lavaz, 1659 " ', führt. Um 5 Uhr treffen wir, nach fünftägiger Abwesenheit, wieder in Vättis ein, wo man schon am Freitag geglaubt hatte, wir seien verloren gegangen. Ein Telegramm von Flims aus kam gerade recht, um Nachforschungen zu verhindern.

Zum Schlüsse erfülle ich noch die angenehme Pflicht, meinem Führer, David Kohler, das beste Zeugniß auszustellen und ihn allen Bergsteigern als tüchtigen, ortskundigen und bescheidenen Mann zu empfehlen. Und endlich muß ich den freundlichen Leser, der mich hier auf meinen Wanderungen begleitet hat, um Nachsicht bitten und ihn einladen, bei Gelegenheit sich das Clubgebiet auch etwas anzusehen. Die Genüsse, die er findet, werden ihn, wie ich hoffe, für die Langeweile, die ihn beim Lesen vorstehender Beschreibungen beschlichen haben mag, genügend entschädigen.

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