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Alpwirthschaftliche Streiflichter

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Alpwirthschaftliche Streiflichter.

Von Dr. F. v. Tschudi.

In der Geschichte des Hochgebirges bildet die Art und Weise, wie der Mensch es kennen, beobachten und benutzen lernte, nicht das uninteressanteste Kapitel. Jahrhunderte lang erstreckte sich das Bereich der Kenntniss nicht über die Grenzen des benutzten Gebietes und noch bis auf Ebel's Zeiten wucherten selbst über dieses die abenteuerlichsten Vorstellungen, während die nicht besuchten und beobachteten Regionen fast in jeder Hinsicht ein completes Fabelreich blieben. Es ist ein charakteristischer Zug unserer Kulturperiode, dass sie die Fangarme ihrer theoretischen und praktischen Forschungen nicht nur bis zu den fernsten Küsten und Polhöhen, sondern auch bis zu den verborgensten Gletseherlaby- rinthen und zu den unzugänglichsten Jochen und Gipfeln ausstreckt.

Jedes Flecklein Erde soll dem erobernden Menschen dienstbar werden und mit wachsender Zuver* sieht enträthselt das Forscherauge das Werden und Vergehen der Gebirge und die imposanten Phänomene ihres Daseins. Auf ganz natürliche Weise ergab sich'dabei für die forschenden Männer die Nothwendigkeit einer Theilung der Arbeit und diese ist bereits so weit vorgeschritten, dass von den Alpen bald Göthe's Wort gilt:

In meinem Revier Sind Gelehrte gewesen: Ausser ihrem eignen Brevier Konnten sie keines lesen.

Wir denken dabei zufällig an einen befreundeten treffliehen Zoologen, der jeden Sommer im Gebirge zubringt, den Myode's-, Arvicola- und anderen Species seines Breviers mit unerhörter Ausdauer und Pfiffigkeit nachstellt, aber im Herbste kaum noch die Firnen und Pässe zu benennen weiss, die er überklettert hat, ohne von Pflanze, Gestein, Fernsicht und dergleichen Nebendingen auch nur die geringste Notiz zu nehmen. Der moderne Alpentourist lächelt über solche fanatische Priester der Wissenschaft und — macht seinerseits die Sache nicht viel besser. Er pflegt den Gletscher- und Gipfelcultus mit ritterlicher Passion und schwelgt mit kindlicher Harmlosigkeit in seltenen Naturgenüssen, während er grosse, wichtige Beobachtungsgebiete, die ihm schon als Kulturmensch und Bürger nahe liegen und für die es nicht sowohl eines wissenschaftlich geschärften, als vielmehr überhaupt nur eines gesunden Menschenauges bedarf, achtlos durchstreift.

Es sei uns desshalb vergönnt, die Aufmerksamkeit unserer lieben Clubgenossen in möglichst gedrängten

Schweizer Alpenclub30

Zügen auf ein solches Beobaehtungsgebiet hinzuweisen, das allen zugänglich ist. Unstreitig wächst der Werth und Genuss der Hochgebirgstouren für jeden Einzelnen in demselben Masse, in welchem seine Beobachtungen an Vielseitigkeit, an Schärfe und an praktischem Gehalte gewinnen.

Unsere Kunstsprache bezeichnet mit dem Ausdruck Alpen die bekannten Hochgebirgszüge in ihrem Gesammt-körper; die Sprache des Volkes dagegen versteht darunter ausschliesslich nur die grossen Weidegründe des Gebirges, zu denen sich die bezüglichen Waldgebiete als untergeordnetes Moment gesellen, und es ist gegen die übrigen, unwirthlichen Theile des Hochgebirges ( den wilden Berg ) so vollkommen gleichgültig, dass es unzähligen Gräten, Köpfen etc. nicht einmal einen Namen beilegt, während es das benutzbare und besuchte Gebiet bis zur letzten Wildheuplanke detaillirt benennt.

Die Alpen im Sinne der Volkssprache haben für die Schweiz eine unermessliche volkswirthschaftliche Bedeutung, die dem kaum klar ist, der in ihnen nur abgelegene magere Grasplätze oder botanische Fundorte oder willkommene Herbergsstationen sieht; ja wir dürfen mit besonnenem Nachdruck sagen, dass auf unseren Alpen ein höchst bedeutender Theil unseres Nationalwohlstandes mit beruht. Unser Land besitzt einen Flächenraum von etwa 11,080,000 Jucharten. Davon entfallen nicht weniger als 3,080,000 Jucharten auf den schuttfreien, nutzbaren Boden in der Höhe von. 3000—7000'ü. M., eine ungeheuere Fläche, welche zum grössten Theil von den Alpweiden und Vorbergen Qttaiemässen, Heubergen, Bergheimalen ) eingenommen wird. Rechnen wir die eigentlichen Alpen von 4000'ü. M. an, so dürfen wir ihrem Weidegebiete wenigstens ändert- halb Millionen Jucharten zumessen, also eine beinahe ebenso grosse Bodenfläche, als unser Acker-, Garten-und Rebengelände zusammen misst.

Diese alpinen Weidegründe nähren während der Sommermonate unmittelbar 6—700,000 Kühe nebst etlichen hunderttausend Schafen, Ziegen, Schweinen und Pferden, dadurch aber mittelbar jedenfalls über eine halbe Million Menschen. Allein die volkswirthschaftliche Bedeutung der Alpen erstreckt sich nicht bloss auf den bestimmten Antheil, den sie der Gesammternährung der Bevölkerung darbieten; sie verzweigt sich in verschlungener Weise in der ganzen Existenz des Volkes. Indem nämlich die Alpen eine vorzügliche, wohlfeile und so ausgedehnte Sommerweide gewähren, setzen sie uns in den Stand, einen ebenso zahlreichen als ausgezeichneten Viehstand zu halten. Unsere Alpthäler sind die Stammsitze unserer berühmten Viehracen, die sich in der Grösse und Vielseitigkeit ihrer Leistungen den besten europäischen an die Seite stellen. Ohne die Alpenweiden wäre bei unseren Verhältnissen die starke und gute Fortzucht undenkbar. Ein starker und guter Viehstand ist aber anerkanntermassen das Fundament der Landwirthschaft überhaupt, und wenn unser Wein- und Obstbau erstaunliche Erträge liefert, wenn unser Getreidebau thatsächlich per Juchart eine bedeutend grössere Körnermasse abwirft, als in sämmtlichen Nachbarländern, so liegt der Grund davon wesentlich in der grosseil Dttngerproduktion, die der starke Viehstand ermöglicht, und erst in zweiter Linie auch in der verhältnissmässig starken Lebensmitteleinfuhr, die in letzter Instanz wieder der Bereicherung unsers Kulturbodens dient und nach angestellten Berechnungen jährlich etwa Zentner phosphorsauren Kalkes beträgt.

Bedingen so die Alpen direkte eine grossartig^ Milchwirthschaft und Fleischpfoduktion und setzen sie indirekte den Landbau der Niederungen in den Stand, weit reichlicher und vielartiger zu produziren, so ist ihr Antheil an der Volksernährung und am Volkswohlstand doppelt in Rechnung zu stellen. Mit diesen beiden Faktoren aber hängen die wichtigsten anderen des Volkslebens innig zusammen, die körperliche und geistige Gesundheit, die Bildung, die Freiheit. Es ist in alten und neuen Zeiten wiederholt ausgesprochen worden, wie sehr die Freiheit und Selbstständigkeit einer Nation mit davon abhängt, dass sie ihr Fleisch und Brod selbst erzeuge und dafür nicht auf ihre Nachbarn angewiesen sei. In rührender Einfalt sagt schon ein appenzellisches Mandat von 1771 bei Anlass der Theurung und Hungersnoth: Vielleicht ist die gegenwärtige Theurung und Mangel für Euch, liebe Männer von Appenzell, ein wahres Glück und der rechte Weg, den Reichthum unsers Landes zu erkennen. Weder Gold noch Silber sind wahre Reichthümer eines Staates; die edeln Früchte, womit die Erde unsre Arbeit lohnt, sind es allein. Die Erde ist unsre Ernährerin. Seht, liebe Männer, wie we/ gutes Erdreich noch unangebaut und öde in unserm Land liegt, und bedenkt, wie viel Kräfte Ihr von Gott empfangen habt, dasselbe fruchtbar zu machen! Dies soll also Euer erste* Augenmerk sein ) denn es ist das einzige Mittel, Euch von Euern Nachbaren unabhängig zu machen und Euch gegen den Hunger zu schützen. Fürwahr, wenn der Schweizer in seinen Hochgebirgen den Hort seiner Freiheit feiert, so ist das keine poetische Ueber-«ehwenglichkeit. Seine nationale Existenz hängt an ihnen mit tausend Fädeöj von denen freilieh viele urprosaisch, aber darum nicht minder zäh und belangreich sind, und wir können nur wünschen, dass die Einsicht in die nationalökonomisehe Bedeutung unserer Alpen unserem-ganzen Volke immer klarer werde.

Wäre sie es schon jetzt, so würde der faktische Zustand unserer Alpen und ihrer Bewirthung mit jener Bedeutung kaum in so bitterem Missverhältnisse stehen können, wie es wirklich der Fall ist.

Freilich hat es die Alpwirthschaft mit ganz anderen Schwierigkeiten zu thun, als jede andere Bodenkultur. Der Mensch kämpft in ihr mit gewaltigen Naturmächten einen unablässigen und hartnäckigen Kampf. Wie ein grüner Teppich sind jene Weidegründe hingebettet über die harten Flanken des Gebirgsgerüstea, hier in breitem Wurf und reicher Fülle, dort in schmalen Falten, oft eingeklemmt in anmuthige Thalmulden, und noch höher oben hangen nur noch einzelne verlorene Fetzen des Teppichs zwischen Gletschern und Flühen. In der Regel sind die obersten Reviere die am meisten gefährdeten; in manchen Lagen sind es aber die Mittelalpen nicht weniger.

Unter diese feindlichen Naturmächte rechnen wir in erster Linie die Verwitterung. Sie, die Schöpferin der fruchtbaren Erdkrume, die unaufhörliche Bereiterin der Pflanzenspeise auf dem ganzen Erdboden, tritt im Gebirge eben so sehr als Verwüsterin des von ihr befruchteten Geländes auf. * Ihre Diener sind die zersetzenden Gase der Luft, die Kohlensäure des Wasserfc und vor Allem der mächtige Frost, der seine Millionea Keile fort und fort in jede Ritze des Felsenkörpers treibt und Korn um Korn, Blättchen um Blättchen löst oder in grösseren Rissen und Fugen sich mit unwiderstehliche? Kraft dehnt, bis das Gestein gesprengt ist und sturzfrei wird. Selbst die Vegetation mit ihren unscheinbaren Flechten und Moosansätzen, ihren tief in die Felsenspalten eingreifenden Pflanzenwurzeln unterstützt die energische Thätigkeit der Verwitterung.

Die Früchte derselben liegen in allen an steile Zinnen gelehnten Alpen massenhaft da in den immer höher sich thürmenden, immer tiefer in den Weidboden hineinreichenden Schutthalden. Neben diesen regelmässigen Verschüttungen erzeugt der Verwitterungsprozess mitunter auch grosse Verwüstungen, umfangreiche Felsenstürze, unter denen ganze Alpen verschwinden. Die Sage von verschütteten Alpen findet sich in allen Theilen des Gebirges wieder, und gepflasterte Wegfragmente, die einst Kühen und Saumrossen dienten, heute aber zu Trümmer-und Gletscher wüsten fuhren, zeugen davon, dass viele jener Sagen keine Fabeln sind.

Mit der allgemeinen Verwitterung Hand in Hand arbeiten in besonderen Lokalen die wilden Bergwasser, welche besonders in den der Erosion am schwächsten widerstehenden Schiefergebirgen ganze Runsennetze ausfressen, oft auch die Lauinen und in nasskalten Perioden die vorrückenden Gletscher an der Zerstörung der Weidegründe. Weichen letztere auch in wärmeren Perioden wieder zurück, so bezeugen doch ihre zurückgelassenen Frontmoränen deutlich genug den Umfang ihrer Verwüstungen.

Sobald die Bergbewohner Bedacht nahmen, sich èie Alpweiden nutzbar zu machen, mussten sie sich auf einen Kampf mit diesen zerstörenden Naturmächten gefasst halten, und dieser Kampf sollte, denkt man, um so energischer sein, je grösser die wirthschaftliche Bedeutung der Alpen für ein Volk geworden ist. Ohne Zweifel reicht die Benutzung derselben bis ins frühe Alpwirthschaft.

Mittelalter hinein.Gegen Ende desselben war sie vorwiegend eine korporative, wie die Ordnungen, Alpbüchlein, Alpsatzungen, die bis in 's 14. Jahrhundert zurückgehen, beweisen. Vom 16. Jahrhundert an regeln solche Statuten die Bewirthschaftung in immer detaillir-terer Weise. Nehmen sie auch vorzugsweise Rücksicht auf die Festhaltung gewisser Rechts- und Nutzniessungs-verhältnisse, namentlich auf die zulässige Bestossung** ), so finden sich doch schon frühe auch einzelne Schutz-verordnungen gegen den Verfall und die Verwilderung der Weide; der Nutzniesser muss auf je zehn Stösse einen Tag hegen und zwei Tage schwenden etc. und der Alpmeister soll die Alp in Ehren halten, schützen und schirmen, wie sein eigen Gut. Freilich waren diese Alp-briefe nur ein unzureichender Schutz der Alpen und die Verpflichtungen wurden übel genug gehalten. Unaufhaltsam nahm Verschüttung und Verwüstung der Weidegründe zu und der allgemeine Verfall stellte sich je länger desto unläugbarer als besorgnisserregende Thatsache heraus. Haben doch einzig die Glarner Alpen nach obrigkeitlicher Schätzung vom Jahre 1636-1843 um 2260 Kuhatzungen abgenommen und sind auf 8800 Stösse herabgesunken!

Werfen wir einen Blick auf die heutige Pflege und Bewirthung unserer Alpen, so gewährt sie uns im Allgemeinen ein höchst unerfreuliches Bild, und es scheint

* ) Z.B. Schenkungsurkunde der Gamser Alpen an das Kloster St. Gallen vom Jahre 834 und noch früher zwei Verkaufe-urkunden über einen Drittheil des Käse- und Grasnutzens aus den Alpen zwischen Sunin und Cubin^ vom Februar 803.,

Fine Sommeratzung für eine Kuh heisst bald ein Stoss, bald ein Kuhessen, ein Gras, ein Kuhrecht u. s. w. unerklärlich, wie ein rüstiges und intelligentes Volk, das auf dem Gebiete der Landwirthschaft in den letzten fünfzig Jahren so entschiedene Fortschritte gemacht hat, auf dem engverwandten der Alpwirthschaft eher rückwärts gehen oder mindestens stehen bleiben konnte* wo es vor 400 Jahren stand.

Um gewisse Typen zu gewinnen, können wir die Jieutige Alpwirthschaft charakterisiren als rohe Raubwirthschaft, als pflegliche Wirthschaft und als Kunstwirthschaft.

Leider ist die Raubwirthschaft in mehr oder minder ausgesprochener Weise die am meisten verbreitete, sie spricht sich aus durch Verwahrlosung, Gleichgültigkeit und die kurzsichtigste Selbstsucht. Es ist keine Rede Üavon, den verwüstenden Elementen ernsten Widerstand entgegenzusetzen und die kostbare Weide in Ehren zu halten, dem Weiterwuchern von Gestrüpp und Unkraut « u wehren, Steg und Weg ordentlich zu bessern u. dgl. Räuberisch, als ob es keine Zukunft gebe, greift sie Selbst die ihr anvertrauten Bodenschätze an, übernutzt, wenn nicht gewehrt wird, die angepflegte Grasnarbe und schändet den Bergwald, indem sie halbwüchsiges Holz, das ihr bequemer steht, niederschlägt, überreife und abgestorbene Stämme dagegen, deren Bearbeitung und Abfuhr etwas mehr Mühe kostet, verfaulen lässt, mit dem Brenn- und Hagholz verschwenderisch umgeht und wohl gar noch Heu und Streu abführt, obwohl ein altes Alpbüchlein richtig sagt: Wer sich erfrecht, Streue aus der Alp hinwegzuführen, soll als ein Dieb angesehen werden. Auch die hie da beliebt e Umwandlung der unteren Alpweiden in Heuberge, deren Futter ohne Dttngerersatz in 's Thal abgeführt wird, ist zur schlimmen Raubwirthschaft zu rechnen. Eine solche in Raub- wirthschaft stehende Alp verräth sich dem Besucher schon auf den ersten Blick durch ihre Unkraut-, Sumpf-und Gestrüppplätze, ausgefressenen Bachufer, Bodenabrutschungen und Abschwemmungen, umhergesäetes Gestein, durch den tiefen Schmutz um und in der lotterigen Hütte, durch die seit Jahrzehnden auf einander faulenden Düngerhaufen, durch das verwahrloste Vieh^ die lückenreichen Grenzhäge, durch den Mangel an hinreichenden oder überhaupt an Stallungen, an Schirmhütten und eingefriedeten Heuplätzen, durch den Verfall der Wege und Wasserleitungen.

Fragt man nach den Besitzern solcher verunehrter Alpen, so sind es gewöhnlich Gemeinden, Armenämter, mitunter auch reiche Kapitalisten, die aus grenzenloser Sorglosigkeit dem Verfall ihres Eigenthums zusehen. Die Sennen selbst sind blosse Pächter auf kurze Zeit oder arme Nutzberechtigte, denen an der Alp nichts liegt, und die das Wenige, wozu sie verpflichtet sind, so lässig und schlecht als möglich thun. Es geht eben in der Höhe, wie es vor Zeiten unten auf den Allmein-den zuging, nur noch etwas krauser. Diese Eigentumsverhältnisse erklären Vieles, ja das Meiste, warum hier Raub wirth schaft getrieben wird -, denn der gleiche Senn, der hier müssig dem wachsenden Schaden zusieht, ja mithilft, hält sein Heimgütchen im Thale ganz anders in Ordnung.

Die Zahl der pfleglich bewirfheteri Alpen ist seit etwa einem Jahrzehnd in den meisten Theilen der Schweiz in langsamem Wachsen begriffen. Die Art und der Grad der Pflege ist aber ausserordentlich verschieden und nicht selten in der einen Richtung auffallend entwickelt, in der anderen aber zurückgeblieben^ Im Allgemeinen charakterisirt sich die pflegliche Wirth- schaft durch möglichste Erhaltung und Pflege der vorhandenen Bodenschätze und durch grössere oder geringere Vermehrung derselben mittelst einer sorgsamen, den Naturverhältnissen entsprechenden Kultur.

Diese Sorgfalt spiegelt sich denn auch in der tüchtigen Viehhaltung und Milchwirthschaft und im Zustande der Com-municationsmittel ab.

Es gilt hier vor Allem die Erhaltung des vorhandenen Bodenkapitals nach allen Richtungen. Der Kampf mit den zerstörenden Naturmächten wird mit entschiedenem Nachdruck aufgenommen. Während des ganzen Frühlings and Vorsommers wird emsig geräumt, d.h. das in die Weide gefallene Gestein zusammengelegt und abgeführt, zu Ausfüllungen oder trockenem Gemäuer verwendet, in die Töbel geworfen oder am Fuss der Schuttkegel zu Dämmen aufgehäuft, um dem Vordringen der Verschüttung zu wehren. Zur Wahrung des fruchtbaren Bodens werden hie und da grössere Steinblöcke oder — ein freundlicher Anblick — grössere Felsenplatten mit Erde und Käsen bedeckt. Wildbäche und Runsen werden bestmöglich eingedämmt und verbaut, damit sie nicht die Weidegründe ausfressen oder überführen. In manchen Alpen sind in pfleglicher Absicht die Schafberge geschlossen worden. Diese liegen meist in den sterilen obersten, dem Grossvieh nicht mehr zugänglichen Revieren. Durch ihr Maul, das häufig die Pflänz-ehen mit der Wurzel ausreisst, und ihren scharfen Fusstritt entblössen die Thiere einzelne Stellen, veranlassen Rasenabsitzungen und lösen fortwährend Geröll, das in die Kuhalp hinunterstürzt. Der Alpwirth, der erkennt, wie wohlthätig die Erhaltung der Grasnarbe in den obersten Geländen ist, wie durch sie häufig der Felsverwitterung vorgebeugt, ja selbst das Entstehen von ide\- neren Lauinen verhindert wird, beschränkt die Schafweide willig auf unschädliche Lokale oder verzichtet ganz auf sie.

Aus gleichem Grunde und zum Schutz des Holzaufwuchses wird auch die Ziegenhaltung beschränkt oder ganz eingestellt.

Neben dem Räumen bildet das Reuten, Schwenden eine noch selten ganz durchgeführte Aufgabe der pfleglichen Alpwirthschaft. Dieses erstreckt sich theils auf die Vertilgung von nutzlosem Gestrüpp ( Alpenrosen, Heiden u. dgl. ), das im einen Jahre ausgerodet und im folgenden in dürrem Zustande verbrannt wird, theils im Ausraufen von Un- und Giftkräutern aller Art, als Alpenampfern und Bühnen, die breitblätterig auf den Fettstellen um die Hütten wuchern, und von Eisenhüten und Germern ( Veratrum ), durch deren officinelle Wurzeln sich ein hübsches Stück Geld und jedenfalls der verwendete Taglohn doppelt verdienen lässt. Manche Alpen sind durch fortgesetztes Räumen und Reuten um viele Kuhatzungen verbessert worden und gewähren einen freundlichen, wiesenartigen Anblick.

Das Hauptaugenmerk aber richtet die pflegliche Wirthschaft auf die Düngung, die laut alten Reglementen in vielen Theilen des Gebirges offenbar früher allgemeiner und sorgfältiger betrieben wurde, als in neuerer Zeit. Es ist höchst verwunderlich, wie wenig im Allgemeinen die Einsicht von der Nothwendigkeit der Alpendüngung verbreitet ist, und in manchen Gegenden lacht man dem, der davon spricht, geradezu in 's Gesicht—und zwar Leute, die von der Nothwendigkeit der Acker- und Wiesen-düngung fest überzeugt sind und sie auch üben. Es gibt da oben immer Gras, die Natur hilft sich selbst, heisst es. Allein die Fruchtbarkeit der Alpengrasnarbe beruht natürlich genau auf den gleichen Gesetzen der Wieder- erstattung entzogener Pflanzennährstoffe wie die Fruchtbarkeit der Wiesengrasnarbe und des Ackers, nur etwa mit dem Unterschiede, dass jene eine verlängerte Ruheperiode hat, dass sie als minder produktiv einer geringeren Ausnutzung ausgesetzt ist und dass die Verwitterung der mineralischen Bodenbestandtheile, z.B. der alkali- und phosphorsäurereichen Kreidekalke, Mergel und Thonschiefer, umfassender und kräftiger vor sich geht, als im Tieflande.

Nun ist freilich auch richtig, dass der den Heerden entfallende Dünger, der jenen Wiederersatz grösstentheils enthält, ebenfalls auf der Alp zurückbleibt; aber wie? und wo? Gibt es ja Raub-wirthe, welche den aus den Ställen geräumten Dünger durch Jahrzehnde unbenutzt aufhäufen, ja sogar den auf den Ruheplätzen und Lägern sich ansammelnden in hellem Blödsinn über die Felsen hinunter werfen. Der pflegliche Wirth dagegen wendet und zertheilt den auf der Weide liegenden, während er mit dem im Stalle gewonnenen und durch Streu vermehrten eine eingefriedete Alpwiese anlegt, deren Heuertrag ihm bei frühem Schneefall, heftigem Frost oder Hagelschlag eine vortreffliche Aushülfe gewährt. Mit Freuden bemerkt deï Bergwanderer, dass die Zahl solcher köstlicher kleiner Alpwiesen sich von Jahr zu Jahr mehrt. Immerhin liesse sich durch sorgfältiges Räumen der Melk-, Tränk-und Ruheplätze, durch Abgraben der um die Hütten und Ställe aufgehäuften hochfetten Erde die Düngermenge noch reichlich vermehren, und wenn dann der abgegrabene Hüttenplatz mit zusammengelesenen Stei-ßen festgestampft oder so gepflastert würde, dass Regenwasser und Unrath abfliessen können, so gewänne da » Ganze ein reinlicheres und freundlicheres Aussehen. Auf einer gut bewirtheten Alp verschwinden die « auern Sumpfplätze immer mehr und werden durch Auffüllung oder Ausdolung mit zusammengelesenem Gestein trocken gelegt.

Ebenso werden Wege und Stege sicher und bequemer eingerichtet und Abgründe gehörig verschirmt.

Einen besonders werthvollen Bodenschatz der Alpen bildet der Wald, wo er noch vorhanden und nicht bereits einer barbarischen Raubwirthschaft erlegen ist. Wie es im Allgemeinen richtig ist, dass in ganzen Ländern die Existenz des Menschen an die Existenz der Wälder geknüpft ist, so auch in den Alpen, und wie in den unteren Regionen die Fruchtbarkeit und der Schutz des Bodens und damit die Bewohnbarkeit der Gegend in dem gleichen Masse abnimmt, in dem die Wälder verschwinden, so geschieht es auch in der Alpregion und zwar in vielleicht noch ausgeprägterer Weise. Denn der Hochgebirgswald trägt mehrseitig in noch höherem Grade die Bestimmung des Schutzes des Kulturbodens in sich, als der Tieflandswald. Daher auch überall die trübselige Erfahrung, dass entwaldete Alpen in erschreckendem Masse verwildern, dass die dünne, entblösste Erdkrume, schutzlos den rauhen Winden, den sengenden Sonnenstrahlen, der Gewalt der Hoehgewitter ausgesetzt, unfruchtbarer wird, rascher ausdorrt, durch Platzregen sich abschwemmen lässt, dass die von keinen Waldsäumen mehr beschützten Weidgründe durch Steinschläge und neu entstehende Lauinen verschüttet, dass die eben so schutzlosen Ufer der Wildwasser immer mehr unterhöhlt und ausgefresaen werden. Während die Raub wirthschaft in dem Wahne, 4er Wald mache die Weide nass und kalt, zu ihrem unermesslichen Schaden ihn überall zurückdrängt oder gänzlich zerstört, erkennt die pflegliche Wirth« schaft in ihm einen Faktor, der den Bodenwerth der Alp verdoppelt, und sie schont, schützt und ergänzt ihn nach Kräften.

Sie nutzt vor Allem reifes und abgängiges Stammholz, zieht auch das Reisig zu Rathe, sucht sorgfaltig namentlich den obersten Waldsaum in einem gegen Lauinen, Gletscherbrüche und Steinschläge widerstandsfähigen Zustande zu erhalten, ersetzt die holzfressenden Dürrhäge thunlichst durch trockene Mauern, Graben oder lebende Hecken und friedet junge Kulturen zum Schutz gegen das Kleinvieh ein. Weniger Pietät beweist sie gegen die einzelnen, in der Weide stehenden, oft so malerischen Wettertannen, welche in manchen Gebirgen sogar unter dem ausdrücklichen Schütze des Gesetzes stehen, da sie bei Hagelschlag den Heerden Unterkupft gewähren. Allein sie sind nicht selten eine grosse Gefährde; Hirten und Vieh wurden schon öfter unter ihnen erschlagen, wenn auch der Volksglaube wähnt, der Strahl treffe nie eine Wettertanne.

Wie an der Pflege der Bodenschätze, erkennen wir diese Wirthschaftsstufe auch an der ganzen Viehhaltung und Milchwirthschaft. Vor allen Dingen hält sie auf ausreichende Stallung, theils zum Schütze des Viehs selbst, theils zu ergiebiger Düngergewinnung, und verwendet zu diesem Behufe, wie auch zu den Hütten^ gewiss in den meisten Fällen ( mit Ausnahme der Bedachung ) weit vortheilhafter Stein, als Holz. Immer allgemeiner erkennt man, dass eine Kuh, welche schutzlos allen Unbilden der Witterung preisgegeben ist, in der Hitze vom Insektenstich verfolgt wird, bei Frühschneefall tagelang hungernd vor der Hütte im Schnee stehen muss oder in herben Frostnächten auf freier Weide vom Reif ganz überzogen wird, weder so gesund noch go milchergiebig bleiben kann, wie wenn sie in solchen Zeiten im Alpstalle auf der Streu liegt und der Senn ihr einen Arm voll Bergheu zu reichen vermag.

Sind Ställe und Futter da, so braucht auch das Vieh nicht die Schneeflucht in die Alpwälder zu nehmen, ,deren Jungholz bei solchen Anlässen arg verbissen wird. Auch für gutes und hinlängliches Trinkwasser, das in manchen Alpen fehlt und doch eine Hauptbedingung für die Gesunderhaltung der Thiere bildet, werden weder Kosten noch Mühe gescheut und, wie in manchen Jura- und Walliser Alpen, die Quelle stundenweit an Felsen und über Töbel hergeleitet.

Die Besitzer der pfleglich bewirtheten Alpen sind bald reiche Gemeinden, bald intelligente Privatkorpo-rationen oder einzelne thätige und geweckte Privaten, welche ihr Eigenthum selbst bewerken oder doch wenigstens sorgsam beaufsichtigen.

Mitunter geht die pflegliche Bewirthung in einzelnen Zweigen in die dritte Stufe, die eigentliche Kunstwirthschaft über, welche aber, vollständig aus- und durch-gebildet, zu den seltensten Erscheinungen gehört. In ûvt Kunstwirthschaft spricht sich die Tendenz der Schonung und Erhaltung der Bodenschätze noch energischer aus, daneben aber auch die weitergehende, diese Schätze auf künstlichem Wege zu mehren und in vielseitigerer Weise nachhaltig auszubeuten. Sie erfordert den höchsten Grad von Intelligenz und Energie, wie die freie Wirthschaft im Ackerbau, und daneben eine erhöhtes Bet iebskapital. Wir finden sie daher nur bei einzelnen wohlhabenden Privaten gehandhabt und erst in neuester Zeit befolgt.

Gewöhnlich — und auch am zweckmässigsten — beginnt sie mit Erstellung einer sichern und bequemen Communikation durch das ganze Territorium, wo mög- lieh eines sanft ansteigenden Fahrweges von der untern Grenze bis zur obersten Hütte, und mit der Herstellung zweckmässiger Gebäude nach den Bedürfnissen eines rationellen Betriebes.

Zu diesem Behufe erscheint oft die Anlage eines einfachen Kalkofens auf der Alp selbst vortheilhaft, indem dieser die Errichtung dauerhafter Steinbauten erleichtert und unter Umständen auch Düng-kalk liefert.

Die Bodenverbesserung betreibt sie durchgreifender und rationeller, als die oben geschilderte Wirthsehafts- stufe. So sehen wir die Entwässerungen nicht nur durch Steindolen, sondern bereits auch durch die besser wirkenden und dauerhafteren Unterdrains in Angriff genommen und eben so auch Bewässerungen ausgeführt. Letztere, im Tiefland ein hochwichtiges Hilfsmittel der Wiesenwirthschaft, stösst im Hochgebirge auf zahlreiche und eigenthümliche Schwierigkeiten, ist aber in gewissen Lokalen, deren dünne Bodenkrume einer energischen Insolation ausgesetzt ist, geradezu die Bedingung einer ergiebigen Weidevegetation. Am vielseitigsten aber bethätigt sie sich in der Düngerproduktion und Düngerverwendung, indem sie namentlich auch den flüssigen Viehdünger, der in der tiefländischen Wiesenkultur eine so grosse Rolle spielt und auf den westschweizerischen Alpen weit häufiger als auf den östlichen und südlichen benutzt wird, möglichst reichlich erzeugt und nicht selten von den Ställen aus durch guterfundene Vorrichtung in die tiefer liegenden Striche leitet. Der kunstwirthschaftliche Betrieb bietet überdiess häufige Gelegenheit zur Kompostbereitung, z.B. bei den Weg- und Hochbauten, bei Rodungen und Auflehnungen, bei Räumung der Läger und Melkplätze, wo die ausgehobene rohe und humose Erde, gemischt,

Alpwirthschaft.

mit Abfallen und ausgerauften Unkräutern, Asche, Kalk versetzt, auf Haufen geschlagen und mit Jauche begossen, das Düngermaterial in werthvoller Weise vermehrt. Hin und wieder sehen wir auch andere Hülfsdün-ger benutzt, z.B. den im Molassegebirge häufig anstehenden und mit Kalk- und Nagelfluhbänken wechselnden Mergel, der sich, wenn die Aelpler ihn besser kennten, weit häufiger sowohl rein aufstreuen als zu Komposthaufen benutzen liesse. Selbst der theure Guano hat bereits seinen Weg in die Vor- und untern Alpen gefunden ( z.B. im Glarner Land und Emmenthal ), allein weniger im Dienste der eigentlichen Alpwirthschaft, als in dem von Bodenfruchtculturen und zur Verbesserung der Heuberge, resp. Umwandlung der Magere in gutes, zweischüriges Wiesland. Eignet sich auch dieser kom-pendioseste aller Dilngstoffe schon seines leichten Transportes wegen gut für die Alpwirthschaft, so lässt ihn doch der hohe Preis nur in bestimmten Fällen als wirklich vortheilhaft erscheinen und selbst der rationelle Betrieb wird im Allgemeinen bei Mist und Jauche, Mergel und Kompost seine Rechnung besser finden und die Produktionsfähigkeit des Bodens zu steigern vermögen. Die Kunstwirthschaft hat sich auch schon in acker-baulichen Kulturen versucht und bereits seit einigen Jahren den Pflug in die unteren Alpen geführt. Man hat darüber gestaunt und gelacht. Unbestreitbar gedeihen Körnerfrüchte, Klee, Rüben, Kartoffeln in vielen Lagen, z.B. Graubünden, Wallis, noch bei 5000'über Meer, ebenso verschiedene Gemüsepflanzen; allein es dünkt uns, dass sie auf der eigentlichen Alp doch nicht an ihrer Stelle sind. Das rauhe Klima und die kurze Vegetationszeit lässt sie offenbar zu keiner sichern und ergiebigen Entwicklung gelangen und überdiess verviel-

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faltigen sie den Betrieb in unvorteilhafter Weise und zehren am Dünger auf Kosten des Weidelandes, besonders wenn die Produkte abgeführt werden. Dessen ungeachtet wird die Kunstwirthschaft doch in gewissen Fällen den Pflug auf der Alp behufs Bodenmelioration mit grossem Vortheil verwenden. So wird auf nassen Gründen nach der Entwässerung die versauerte und verfitzte Grasnarbe oder hartnäckig verunkrauteter Boden mit dem Pfluge bequem geschält, dann umgebrochen, die geschälte Narbe mit Reisig verkohlt und als Dünger ausgestreut, worauf die Furche vorübergehend mit Hafer oder Klee bestellt und dann in fruchtbarem Zustande dem Weidebttrieb zurückgegeben wird. Immerhin wird auch diese Wirtschaftsweise ihre Haupt-kulturaufgabe in der Anlegung und Ausdehnung der Alpwiesen und in der Wiederanblümung kahler und entblösster Weidestellen sehen.

Natürlich wendet die Kunstwirthschaft auch dem Alpwalde ihre sorgfältige Aufmerksamkeit zu und verwendet die Erfahrungen der Forstwirtschaft namentlich beim Schutz, der Durchforstung, dem Hieb, der Streunutzung und den Kulturen. Die obersten Alpen stellen der Wiederaufforstung meistens ungeheure Schwierigkeiten entgegen, allein die Versuche der Gemeinde Samaden in Val Campagna beweisen, dass unter Umständen selbst bei 7000'über Meer noch eine Wieder-bepflanzung steiler, zur Weide untauglicher Hänge ( an denen Tessin und Wallis bekanntlich so reich sind ) möglich ist. Neben der Rothtanne empfiehlt sich hie/u die Alpföhre, Arve und Lärche. Letztere eignet sich auch trefflich zu ganz lichter Bepflanzung guter, aber kahler, der Sonne und den Winden allzu sehr ausge-«etzter Weidestriebe, indem sie nicht nur raschwüchsig ein besonders werthvolles Holz liefert, sondern auch den Graswuchs kräftig fördert.

Wo hochstämmiges Holz nicht gedeihen will, namentlich am obern Waldsaum, lässt sich häufig wenigstens Staudenholz aufbringen, auf Kalkgebirge die Legföhre, auf Schiefer die Zwergerle. Letztere, leichter gedeihend, wird hin und wieder auch höchst zweckmässig zur Verschirmung der Weidesäume au gefährlichen Abgründen ( wie auf Val Tusch gegen Lavtina ) verwendet und zu diesem Behufe in breiten, dichten Bändern ausgepflanzt. So erzieht sich der Kunstwirth da noch Nutzholz, wo der Raub-wirth sein Holz an kurzdauernde Hagungen verschwendet. Da erfahrungsgemäss die im Tieflande erzogenen Waldpflanzen in den Alpen oft stocken, so haben einzelne Besitzer auf den Alpen selbst kleine Baumschulen angelegt ( z.B. auf den Churer Alpen, auf Zimmerstal-den bei Schwyz etc. ) und erziehen sich ihren Bedarf an Ort und Stelle.

Zur Schonung der Holzvorräthe werden in neuester Zeit auch vorhandene Torflager ausgebeutet. Den ersten Alpentorf sahen wir 1852 an der Ausstellung in Stans und hören mit Vergnügen, dass zuerst auf Alp Gross-imberg im Entlebuch und seither auch auf Oberwaldner Alpen Torf gestochen und gebrannt wird^ was sich wohl manche Aelpler, die ihren Brennbedarf stundenweit auf dem Rücken herschleppeu müssen, merken werden. Eben so mögen sie sich die ( freilich noch seltene ) Anwendung geschlossener Feuerherde merken, welche kaum die Hälfte des Brennmaterials bedürfen, das die offenen Feuergruben verschlingen.

In der Viehhaltung treffen wir bei der Kunstwirth-8chaft auf noch grössere Sorgfalt, als bei der pfleglichen. Der intelligente Eigenthttmer erkennt in der Racemuchi keinen grössten Vortheil.

Dagegen liegt die Methode der Abätzung auch auf dieser Stufe fast allenthalben noch im Argen. Am schlimmsten ist sie überhaupt da, wo grosse Alpen gar nicht abgetheilt sind und die Heerden von der Auffahrt an sich beliebig über oft stundenlange Reviere ausbreiten. Aeltere Alpordnungen verkannten den Vortheil so sehr, dass sie sogar ausdrücklich und bei Busse geboten, dem Vieh den freien Lauf s« lassen, bis es acht Wochen in der Alp gewsen, und soll Keiner hüten dürfen als beim Gatter, durch den man in die Alp fahrt. Die schlimmen Folgen der freien Weide verrathen sich dem Besucher beim Betreten der Alp schon, besonders aber in der Nähe der Hütten und Ställe.Von hier aus hat sich das Vieh strahlenförmig nach allen Seiten Dutzende von Wegen ausgetreten, auf denen es täglich zum Weidgang auszieht und die bei schlechtem Wetter sich tief versumpfen, worauf die Thiere neue austreten. Durch diese massenhaften Wege wird ein beträchtlicher Theil des besten Weidebodens ruinirt und der Gras prod uktion entzogen. Nicht minder wird durch die freie Weide eine Menge Futter zertreten und beschmutzt, und die Zerstreuung des Viehs über alle Höhen und Gräte macht auch das Melken höchst tnühselig und zeitraubend. Etwas besser steht es auf solchen Alpen, die in Staffel oder Schläge getheilt sind, allein auch diese sind viel zu umfangreich und zeigen die bemerkten Uebelstände nur in etwas geringerem Grade. Früher oder später wird der rationelle Alp-wirth dazu kommen, statt der freien die Hutweide einzuführen und den Boden nach einem gewissen Plane Platz um Platz abzuhüten, ähnlich wie die Bergamasker Schafhirten von jeher ihre Pachtalpen abgehütet haben. auf'Auf diese Weise ist er im Stande, das Vieh täglich auf frische, unberührte Weidstellen zu führen, und wird den abgeweideten Zeit gelassen, ihre Vegetation zu erneuern, bis die Reihe wieder an sie kommt;

der Boden wird besser geschont und der abfallende Dünger besser zusammengehalten.

Wohl die geringsten Fortschritte hat die Kunstwirthschaft noch in der Melkerei gemacht. Hie und da wird die Schotte, nachdem ihr der Butter-, Käse- und Zieger-gehalt entzogen ist, noch auf Milchzucker eingedampft, was aber nur bei billigem Brennmaterial vortheilhaft ist. Ohne Zweifel dürfte die Darstellung ganz feiner Käsesorten, nach dem Muster berühmter und theuer bezahlter ausländischer, eine einträgliche Aufgabe der industriö-sen Alpwirthschaft sein.

Das Alppersonal hat bei dieser Wirthschaftsstufe den schwersten Dienst. Es wird auf den nothwendigen Bedarf eingeschränkt, mit kräftiger, arbeitswilliger Mannschaft besetzt und ihm nicht Zeit gelassen, viel in den Hütten und Weiden herumzufaulenzen, um nur im Herbst recht rund und fett herausgesömnaert zu Thal zu fahren. Es ist aber keine leichte Sache, die rechten Leute zu finden und das allenthalben noch herrschende Vorurtheil zu überwinden, auf der Alp pressire es mit dem Arbeiten ganz besonders langsam und man sei von jeher nicht wegen dem Schaffen, sondern wegen dem Stark-werden z'Alp gegangen.

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