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Altels

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In undurchdringlichem Grau Italien und die Ostwand, die Schweiz verborgen hinter wogenden Wolkenungetümen, doch unter einem Fenster blauen Himmels Nordend, Silbersattel, Dufourspitze und die oberen Hänge des Monte-Rosa-Gletschers, unsere Abstiegsroute. Noch gänzlicher als das erstemal war mir die Schau vom Nordend versagt. Aber die Ostwand, die grosse, unvergleichliche, war uns zuteil geworden, dank Alexander Taugwalders Meisterschaft in freudvollem Aufstieg trotz Nebel und Winter. Und die Berge sind grösser an solchen Tagen und nicht minder liebenswert als im wolkenlosen, verklärenden Sonnenglanz.

An der Dufourspitze sind die drei Österreicher im Abstieg; sie haben wohl mehr gewagt als wir mit ihrem Eisaufstieg im Nebel, haben übrigens für die relativ kurzen Felsen zuletzt fünf Stunden gebraucht.

Unser Abstieg geschah wieder in Nebel und Schneegestöber, aber fast ohne Irrgänge. An den steilen, rutschigen Schneehängen vor und nach dem Silbersattel war es mir angenehm, zwischen Taugwalder und Bearth eingerahmt zu sein, doch mit den Spuren der Dufourroute wich die letzte Spannung von uns. In drei Stunden erreichten wir die Betempshütte, und nach einer Erfrischung eilte ich mit Taugwalder im scheidenden Tageslicht über den Gletscher dem heimatlichen Tale zu. Der Arvenduft unter der Riffelalp ist die letzte schöne Erinnerung der grossen Nordendüber-schreitung, die um Mitternacht in Zermatt ihr Ende fand.

Alteis.

Von Hans Moldenhauer.

Als wir am 16. September 1933 aus der Bahnhofhalle Kandersteg treten, ist es schon Nacht. Über der Berge blauschwarzen Schattenrissen funkeln die Sterne. Wir frösteln vor herbstlicher Kühle und innerer Erregung. Gilt es den kleinen Kletterzacken des Tschingellochtighorns oder dem himmelhohen Riesen Alteis? Ein Bergführer, Clubkamerad meiner dort beheimateten C. Sektion, gibt Auskunft: noch wenig Neuschnee auf den Höhen. Aber er warnt doch vor der Alteis, die auf dem beabsichtigten Wege « nicht interessant » sei und nur ganz selten aus der Spitalmatte bestiegen werde. Unser Entschluss ist bald gefasst: wenn wir auch die Höhe und Eintönigkeit des Anstieges fürchten müssen, so reizt uns ebenso die Aussicht, am Sonntag dreieinhalbtausend Meter über unserer alltäglichen Ebene zu stehen, und das Fehlen eigentlicher Schwierigkeiten gibt meinem Freunde die Möglichkeit, die in langer Krankheit der Anstrengung entwöhnten Muskeln zu erproben.

Um 9 Uhr abends sind wir auf dem Weg zur Spitalmatte. Sie liegt 800 Meter über Kandersteg am Westfuss der Alteis. Wir verfolgen den steilen Saumweg zum Gemmipass. Kehre um Kehre sinkt hinter uns zurück, und der Blick fällt bald tief hinab auf die Lichter der Menschen, schwingt freier sich empor zu den Lichtern des Himmels. Durch den schweigsamen Wald geht der Nachtwind und kühlt uns die Schläfen. Hoch herein leuchtet das ewige Eis. ?'War es denn erst heute morgen, dass wir am Schreibtisch den Nutzen des Geldes berechneten? Und schreiten doch jetzt voll Gelöstheit in den Herzschlag der Weltl Nach einer Stunde des schnellen Steigens verflacht sich der Weg. Der Lichtschein unserer Laterne tastet verloren über Hügel der Spitalmatte. Die Suche nach einer der Viehhütten geben wir bald auf, denn wir sind müde genug nach Arbeit des Werktags, nach Stunden der Reise, nach eiligem Aufstieg, müde genug, um die Ruhe zu finden auf kärglichem Gras des Gebirgs. Einige Bissen zum Nachtmahl, ein Schluck aus dem Gletscherbach. Den Wecker gestellt und den Kocher gerichtet. Hinein in die wärmende Hülle des Schlafsacks. Drehen und Rücken, bis der Körper sich an das harte Lager gewöhnt. Ein gutes Wort noch von Freund zu Freund. Den Blick hoch hinauf zum bleich schimmernden Firndom der Alteis — noch weiter ins klingende All. Das sinkt jäh hernieder und braust wie die Wasser, umschlingt dich und stürzt dich in traumlosen Schlaf...

3 Uhr in der Nacht. Frierendes Erwachen. Erschrockener Fall aus silbernem Sternenschiff hinein in die taufeuchten Wiesen. Erschauern des Körpers. Und Gähnen: war'ich zu Hause, im Bett!... Wolkenstreifen am Himmel. Nichts mehr von stählerner Bläue und nachtschwarzem Samt, die den Abend gemalt. Lau streicht die Luft durch das Tal. Hans sagt: « Das Wetter schlägt um! » — Drüben, unter dem felsigen Dreikant des Rinderhorns, tanzt ein Lichtlein in ungleichmässigem Takt durch das Dunkel. Das ist eine Gruppe, die auf das Balmhorn geht. Um 4 Uhr stehen wir auf. Zögern und Unlust beherrschen die Stunde. Schweigend schnüren wir die Schuhe, packen den Rucksack, kochen den Morgentrunk auf ärmlicher Flamme, verbergen den Schlafsack im nahen Geröll. Über dem allem wächst grauend der Tag.

« Ab 5 Uhr 15. Über den Schwarzbach, durch eine Mulde im Zagenwald hoch auf steilen Matten. Dann in schiefrigem Geröll sehr rasch hoch. Noch steiler über Neuschnee und lose Blöcke mühevoll zu Punkt 2975 Meter. » So heisst es im Fahrtenbuch über die ersten zwei Stunden. Sie waren, voll grausamer Plage am steilen Sockel des Berges, vielleicht schon entscheidend für diesen Tag. Nun sitzen wir rastend auf felsigem Erker. Das Morgenrot im Osten ist verblasst — der Nebel am Gipfel, die Wolken im Westen sind aber geblieben, sind mächtig gewachsen. Dann gehen wir weiter, jetzt ganz hingegeben dem Rhythmus des Steigens, dem Rausch zwischen Tiefen und Höhen. Das ist der Eindruck der Alteis: Eintönigkeit bis zur Grossartigkeit!

Ungebrochen sind Grate und Hänge. In stets gleichbleibender Steilheit zieht unser Weg hinan, ob er aus Schutt oder Fels oder Eis sich formt. Längst sind wir dem Bann dieses Berges zu eigen. Die Schuhe mahlen den splittrigen Schiefer der Hänge, sie scharren über Platten einer sperrenden Felsstufe, ritzen die Blöcke eines scharfkantigen Grates. Der Blick sinkt in den Abgrund der Südwand, wo geisterhaft Nebel quillt; er streicht über die hängenden Gletscher des Balmhorns, des Rinderhorns und weit, weit hinüber ins Walliser Reich. Da stehen sie auf, seine Grossen, und winken und grüssen durch ziehende Wolken. Fern aber im Westen ragt einer hoch über alle hinaus, verkündet, ein König, die Wahrheit gesammelter Kraft: das ist der Mont Blanc!

Die Kuppel der Alteis zeigt silbernes Eis. Steil und doch wiederum auch nicht so steil, dass wir — auf Steigeisen gehend — gehauener Stufen bedürften. Wir sind schon recht müde, doch zwingt sich der Körper, des Gipfels Nähe ahnend, das Letzte noch ab. Wo Neuschnee in dicken Schollen das Blankeis bedeckt, weichen wir aus; denn hohl schallt das Schneebrett unter dem spurenden Schritt. Aus wehenden Nebeln erhebt sich das dunkle Gebälk des Signals. Da springen wir an zum letzten Sturm. Mit schleppendem Seil steil zum Gipfel hinauf, dass uns das Herz fast vergeht. Wir setzen uns ein, verschwenden uns ganz. Und fühlen im Zittern der keuchenden Lungen, im Schmerz, der die stampfenden Schenkel durchreisst, im frostigen Wind, der den Gipfel peitscht, im höhnischen Nichts dieser Einsamkeit — den Sinn jeder sinnlosen Tat!

Da stehen wir nun, noch vom Steigen beschwingt und gelähmt von der plötzlichen Ziellosigkeit. Die Sonne zerteilt, uns zu scheinen, das dichte Gewölk. Auf spiegelnder Bahn fährt das Auge den Eissturz der Nordwand hinab, ertrinkt dann im Schatten der dunstigen Tiefe. Muss, um die Höhe zu schätzen, denn immer das Tal um uns sein? Wo wartet auf Erden der selige Ort, der erhaben uns macht und doch voll friedhafter Demut zugleich? Sind wir jetzt Sieger auch, wir wissen doch, dass nicht dem Berge der Kampf und die Mühe gegolten. Möge im Ringen um höheres Ziel Licht und Erkenntnis zum Sieg uns geleiten!

Schwer wie Gedanken am Gipfel der Alteis brauen die Wolken im Rhonetal. Die Sonne sticht auf den glitzernden Eishang, wo wir die Spuren des Aufstiegs verfolgen. Gewitterhaft strudeln die Nebel am Felsgrat. Die Höhe, so mühsam errungen, wir geben sie preis. Schon steht der Berg wieder riesig und himmelhoch wie nur je. Wir fahren die steinigen Hänge hinab, wir springen hinein in den Wald. Weich federn die Schritte auf Polstern von Moos; es duftet wie Honig und leuchtet wie Blut. Wir singen und lachen und staunen nicht lang, als hoch hinter uns ein Gletscherbruch kracht und den sonnigen Raum durchbrüllt...

Ein heiterer Talweg im ruhigen Mittag.

Der Abschied fällt leicht, denn die Sonne erlischt. Herbstgraue Wolken umhüllen die Wände. Rasch wächst die Nacht mit dem Wettersturz. Durch klatschenden Regen rollt ehern der Zug. Lichter und Lärm. Zuruf und Winken. Vorüber, vorbei. Wir schlafen wie tot zwischen Rauch, Schmutz und Menschen. Um 3 Uhr des Morgens bin ich daheim. Der Werktag steht auf. Die Räder erdröhnen. Im Gleichmass der Arbeit steht kämpfend der Mensch.

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