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Bergfreude

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Von Charles Widmer.

Es ist mehr als ein halbes Jahrhundert her.

Das alte Baldernwirtshaus auf dem Uetliberg war das winterliche Stelldichein aller zünftigen Bergfexe der Stadt. Es waren immer « alle da ». Man kannte sich nicht, aber man frug nach einem, wenn er ausblieb. Man hatte « seine » Zeit, man hatte « seinen » Platz, man hatte « seinen » Schoppen. Man hatte vor allem « seine » Freude, die durch ein geheimnisvolles Band alle verband.

Und wegen dieser Freude ging man denn auch hin, ob sich auch keiner fragte, was sie wirklich war, und stieg auf den Berg alle Sonntagnachmittag, und wann es sonst noch anging. Fünfzigmal in einem Jahr, viele hundertmal in einem Leben. Und der Weg ist nicht langweiliger geworden mit der Zahl und die Freude nicht geringer.

Es wurde nur « Berg » verhandelt, deshalb wohl war man immer « Eins ». Dennoch: es kam jeder für sich, es hatte jeder sozusagen auch « seinen » Weg. Kein Verein, keine Scharen, keine Cliquen. Und wenn es dunkel geworden, verzog sich auch wieder jeder still für sich zu Tal, über den Höckler oder nach Leimbach hinunter. Es war hochinteressant und fast mysteriös. Keiner sah auf dem Heimweg vom andern mehr etwas.

Und waren doch auch keine Pedanten und Mucker, die zum alten Nievergelt hinaufpilgerten Sonntag für Sonntag, sondern es waren sehr erlauchte Herren, Professoren vom Poly und der Universität, seidene und baumwollene Notabein, gute Zunft und solide Hand.

Aber auf die Baldern brachte jeder nur « die Freude ». Keine Politik, keine Wissenschaft und keinen Kuhhandel. Nicht einmal die Erstersteiger, die Mannen vom Mürtschen, vom Biferten und vom bösen Faulen mochten ein anderes Motiv in die Stube bringen. Es war ihnen an der Baldernfreude, genug. Sie hatten das grosse Geheimnis des Berges enträtselt. Treffender, klarer als alle Physiologen, die sich seit einem Jahrhundert darum bemühen. Sie hatten verstanden, dass die Freude uns nicht nur auf die Berge ruft, sondern auch dorthin uns leitet und trägt. Sie hatten es errechnet und ausgemessen, dass es diese 500 Meter Steigung, diese knapp zwei Stunden Anstrengung und Durchhalten gerade brauchte, um dem Hirne, dem tüchtigsten Muskel, dem bewährtesten Sinne die solide Überzeugung beizubringen: nicht du weisst es, nicht du tust es, nicht du findest dich zurecht, sondern es geht alles aus viel tieferem und ältereingesessenem. Es geht alles ohne dein Zutun, es geht alles von selber. Und gerade dieses Besserwissen und Schnellerwollen, und Andersversuchen ist, was dich belastet und hindert und müde macht.

Sie wussten es aber nicht nur, dass alles weit hinter dem Willen und dem, was uns bewusst ist, hervorquillt, was nötig wird und wichtig für unseren Tag und unser Gelingen, sondern sie zeigten es auch und bewährten es in jenen kleinen Lebensbiegungen, die man heute so gern verachtet, weil sie nur ein bisschen Demut und Gehorsam und keine grossen Entschlüsse von uns heischen, wo wir aber gar oft allein die Freude streifen, die uns bestimmt. Und drum war es mir stets, die Baldernmannen seien auch im Hörsaal und an der Börse immer Bergsteiger geblieben und keine Professoren und Direktoren, und ihr Tritt und Griff führte auch dort unten immer... auf den Berg.

Und darum rutscht mir die lebendige Erinnerung, mit all dem Farbigen und Persönlichen, an jene fernen Baldern-Wintersonntage vor die Seele, wenn ich heute auf den Gipfeln, in den Clubhütten, in den Seilschaften so wenig Freude sehe und höre und immer nur die Technik, die Karte, den Rekord, den Fahrplan, die Hast, den vollgepfropften Rucksack, das unvermeidliche Kartenspiel.

So viel Äusseres, so wenig Inneres!

Und ich sehe, dass die meisten es doch nicht erfasst.

Der mächtige Trieb, all das, was wir von Muttern haben und noch viel weiter her, die an gleicher Stelle mit dem gleichen geladenen Kameraden, das freie Wochenende und das schöne Wetter genügen eben nicht. Wir werden nicht als Bergsteiger geboren, sowenig man als Künstler oder Dichter geboren wird.

Irgendwo muss erst der göttliche Funke überspringen. Irgendwann, am unerwartetsten Orte, bei der gleichgültigsten Bewegung haben wir auf einmal etwas abgeguckt. Es ging ganz anders, als ich wollte. Irgendwo stehen in unserem Leben die Baldernmannen und geben uns ihre triviale oder paradoxe Unterweisung, nehmen uns den Handstock aus den Fingern und werfen ihn in die Fallätsche hinaus, illustrieren uns, wie Stundenhalte und Weglabungen an den Brunnen und Bördern Marode schaffen und Untaugliche entlarven, beweisen mir, dass die Abkürzungen Täuschung sind und Dummenfallen, wo man das Schöne verpasst und das Liebe verfehlt. Sie lehren mich mit stummem Beispiel, wie man den Bergschritt wohlig einnestelt zwischen Puls und Atmung, dass es eine Lust wird zu wandern und man das Denken weit wegstellt, um sie nicht zu stören. Sie wussten, dass die rechte Seite immer die gute Seite ist in jedem Tun und am Berge besonders, dass aber auch in jedem etwas schwingt und raunt, das ihn rechts herum nach Hause führen möchte und dem Ungläubigen zur Irrung wird und zum Verhängnis. Auf der Baldern auch wurde schon vor einem halben Jahrhundert ausgeheckt und erkannt, dass man des Nachts paradoxerweise viel weiterkommt als bei Tag und sich auch viel weniger verirrt als bei Nebel und Schneetreiben und selbst am hellen Tag.

Auf der Baldern lernte ich die goldene Weisheit, dass man zu zweit immer ins Schwitzen und Disputieren gerät, während man zu dritt in gehor-samer Unbewusstheit Schweiss und Zorn erspart. Selbst dass ein gutes Marschlied nie im 4/4, sondern stets im 3/4 oder 6/8 Takt schreiten muss, haben die alten Herren schon damals entdeckt und gewusst, dass sonst bei jedem Takt eine kleine Lücke kommt, wo du etwas dazutun musst, und die Soldaten des Weltkrieges haben unbewusst das gleiche herausgefunden und sich die gloriose Exzenterscheibe des ungeraden Taktes zunutze gemacht, wo keine Willens- korrektur mehr herzukam und man stundenlang mit dem « Unbewussten » läuft, das unermüdlich ist. Wer tausend Tage und Nächte mit unsern Regimentern durch die Juratäler marschiert ist, weiss, warum « Drunten im Unterland » und « Soldatenleben... », « Pfanneflick » und « Am Golf von Biscaya » beim Soldaten unsterblichen Bestand haben.

Kurz, eine unerschöpflich reiche Goldader feinster psychologischer Erkenntnis lag damals abgedeckt zutage und summierte sich zu überquellender, herrlicher Bergfreude, von der man ein langes Leben lang mit vollem Löffel schöpfen kann, ohne dass sie weniger wird; ergänzte und türmte sich wohl zur Freude in jedem Sinne, zur Freude überhaupt... hätte ich fast gesagt, wenn mir nicht jene liebe illustre Bergsteigergilde auf der Baldern nochmals vorgekommen wäre in ihrer radikalsten und konsequentesten Funktion, deren Auswirkung uns deshalb gerade um so unbewusster und naturgesetzlicher erscheinen muss: Es fehlten auf der Baldern damals die Frauen, sie fehlten vollständig. Es war auch keine Jugend da. Dafür war immer eine Menge Hunde dort, die man als Schrittmacher mitgenommen.

Wo blieben wohl in jener Zeit die Frauen und Mädchen, was tat die Jugend? Wir haben keine Antwort auf die Frage. Wir tun sie nur, um das Urgewaltige eines Naturgeschehens zu unterstreichen, mit dem eine ganze Menschheit Sinn und Herz auf einmal auf die Berge zu heben gezwungen war. Kaum zwei Jahrzehnte hat es gedauert, und unsere verlorensten Alpeinsamkeiten, die vor Entlegenheit ihren eigenen Namen vergessen, werden nun in Scharen durchwandert, der Sommer genügt schon lange nicht mehr, um dem Bergtrieb zu genügen. Nicht Witterung noch Jahreszeit setzen ihm mehr eine Schranke. Kein Gipfel ist noch jungfräulich, keine Wand mehr undurch-stiegen, kein Wagnis und Schrecknis mehr unausgelöffelt.

Und wenn früher einer auszog, um dem geheimnisvollen Rufe zu folgen, so sind es heute Hunderttausende, die dem seltsamen Befehle gehorchen und die gleiche Freude suchen und etwas heimsen wollen, was ihnen gehört. Wir finden es auch in der Ordnung, dass in diesem Zuge Mann und Frau nun längstens in voller Parität datstehen.

Diese Freude ist aber ein Naturziel und nicht eine menschliche Errungenschaft. Mit der Begeisterung allein, mit dem Schwärmen und Singen können wir sie nicht eintun. Noch weniger mit Gewalt erzwingen oder mit List und Tücke erkaufen. Sie muss vielmehr auf dem ewiggleichen und langen Demuts-und Gehorsamswege mühsam verdient und erwartet werden, den die Natur uns vorgezeichnet. Und wenn wir auf die Berge steigen, so durchlaufen wir Stufe um Stufe eigentlich den ganzen Werdegang der Kreatur. Wir kämpfen den endlosen Kampf der Materie mit der Idee, von dem, was will, mit dem, was nicht will. Wir stellen hundert Organe bereit. Wir laufen damit an tausend Unzulänglichkeiten, bis alle Muskeln nicht mehr können, alle Knochen und Bänder schmerzen und « Halt » rufen, bis das Herz streikt und die Lunge den Faden verloren, bis jede Schweissdrüse protestiert, bis Auge und Ohr und alle Sinne schreien: « Obacht und Zurück » und Hirn und Gedächtnis und Nerven uns Unterstände und Ausweichestellen zeigen möchten und Vorwände liefern und Ausreden, um heimzukehren und auszukneifen.

Staunend, widerstrebend konstatieren wir dann auf einmal, dass es doch gegangen und immer noch geht. Wir werden es gewahr, dass Impuls und Entschluss nicht mehr von dem kommen, was unsere Sinne fassen und was unsere Erfahrung weiss, sondern dass jede Bewegung, jede Wendung, jeder Schritt, jeder Griff von viel tieferer Stelle gestartet sind. Plötzlich übergangslos ist etwas eingeschnappt und steuert unsere Arbeit von ganz anderer Stelle aus, als wir es gewohnt. Unser Schwindel ist wie durch Zauber weggeblasen. Wir wissen auf einmal von einem neuen Gleichgewicht, von heimlichen Schwingungen und einem seltsamen Tempo, die wir nie gelernt. Und die Muskeln werden nicht mehr müde, weil ich nichts mehr dazu zu tun brauche, und den Weg weiss ich nun « auswendig », das heisst aber gerade « inwendig » und nicht von den Augen aus und von der Besinnung. Dann werde ich es inne, dass ich stille, unermüdliche Helfer in mir habe, die mir eine ganz andere Zugänglichkeit an den Berg erlauben, die mich viel tiefer, viel intimer an den Fels, an das Eis heranlassen, und ich fühle auch, dass das solider Besitz ist, naturgesetzlich und in meinem Blute vorgesehen.

Dort aber will die Natur den Menschen haben, mit allen Mitteln, mit aller Unerbittlichkeit. Und sie braucht den Berg dazu. Vor allem den Berg. Sie legt uns die Bergfreude auf die Herzkante, dass wir nicht rasten, ehe wir das ganze Tier ins uns abgelegt haben, das Adlerauge, die Löwenstärke und die Affenbehendigkeit, die Krallen, die Panzer und die schnellen Hufe, und jenseits allen Scharfsinns und der Routine nur noch den Schöpfungsrhythmus laufen. Da aber finden wir wieder den herrlichen Bergkatechismus meiner Baldernfreunde, der uns heimlich anwies, wo wir unseren nimmermüden Eigentakt entdeckten, wo die Anstrengung wie eine schwere Decke von uns abfiel, wo wir die sichersten und besten Wege fanden, die immer auch die schnellsten waren, wo alles von selber ging und die helle Freude obenauf kam mit dem 100 %igen Glück. Tatsächlich! Es sind stille Adern, geschickte Nervenklümpchen, emsige Hormone, unbestechliche Treuhand stellen da, in unserer Körperlichkeit, die immer den Erfolg haben, die Gesundheit und das Erbe... wenn wir nicht dreinfahren mit Besserwissen und Anderswollen, und was wir vor dem schnellsten und geschicktesten Tiere, vor dem behendesten und stärksten Wilden voraushaben, endgültig und uneinholbar, das beruht auf diesem neuen Organ. Die Hörner, die Panzer, die Reisszähne, die Pfauen-feder, der Elefantenrüssel sind schon untauglich geworden in der Natur, genau wie die Routine des Draufgängers, die Rücksichtslosigkeit des Grosszügigen, die Bereitschaft und der Lebensraum des modernen Schlagwortes. Es war alles die Ausrüstung für das Bleiben, für das Behalten, für das Heute. Das Menschenorgan ist aber schon ganz auf das Morgen, auf das « Weiter » eingestellt. Besser, ehrlicher gesagt: auf die Freude. Die Wissenschaft sagt es uns heute selber. Wir sind zur Freude geschaffen. Die gleiche Clearingstelle in unserem Leibe, welche die stillen Zügel unserer ganzen Lebensordnung in Händen hat, ruft wohl der Lust und dem Triebe, aber nur, um sie beim Menschen wieder sogleich zu löschen und sie jenseits alles Sinnlichen auf vorgesehener Bahn umzuleiten in Arbeitsimpuls, in Wegfindung, in Seele und Geist. Und wir wissen es eigentlich noch viel präziser. Wir löffeln unsere Suppe nicht wegen der Vitamine. Wir trinken unser Glas nicht wegen der Kalorien und gehen auch nicht zur Liebsten wegen des Stammbaumes, sondern wegen der Freude.

Bergfreude bedeutet aber die oberste Stufe aller Freude. In ihr erst wird der hinterste Winkel, die letzte Zelle, die versteckteste Ader und das geringste Hautfetzlein unserer Körperlichkeit entmaterialisiert, vergeistigt. In ihr allein auch all das, was Mensch heisst zur lebendigen Antenne des Göttlichen.

Der Imperativ aber, gewaltig und unwiderstehlich, zu ihr zu gelangen, liegt in meinem Blute und macht mein bestes Menschentum aus, die Vollkommenheit in jedem Sinne.

So ahne ich denn, dass dieser Pfad, dieser Grat, diese Folge von Griffen und Tritten längstens mein sind und vorgesehen. Die so eigenen Alpeinsamkeiten und steinernen Einöden, die erhabenen Gipfel, sie passen irgendwie genau zu etwas in uns, Zacke für Zacke, und ein impulsives Hochgefühl dichtet sich zu einer Erfülltheit, zu einer engen Zugehörigkeit zum Berg.

Und während das Meer oder die Wüste, die Musik oder die reife Müdigkeit des Arbeitstages das Menschliche in uns verflüchtigen, von einer Erfüllung wegtreiben, auflösen, entleeren, dass alle Wesenheit entschwebt und wir in ihnen immer etwas verlieren, füllt der Berg, beschenkt und erfüllt.

Er macht alles persönlich, wichtig und wesentlich. Stolze Adern, solide Zentralen, liebe Erfüllungsorte melden uns unser Können, unsere Brauchbarkeit und unseren Wert, eröffnen uns den verlorengegangenen Sinn unseres Daseins. Vernichten vor allem das grausige Gespenst von der Nutzlosigkeit des Einzelnen, das den Gewalthabern den ersten Vorwand abgibt, um die ganze Welt anders aufzustellen und die geraden Ordnungen der Natur durch Willkür zu fälschen.

So gelangen wir zu unserer Schlussfolgerung und zu einer festen Definition unserer Bergfreude. Sie ist eigentlich die Fassung, welche die strenge Wissenschaft schon lange ausgehoben und geprägt hat, sich aber immer scheute, es einfach und ehrlich und in unserer Sprache zu sagen: Der Berg, sein Lohn und seine Freude stellen das Individuum wieder her, das die brutale Gewalt unserer Zeit, die rücksichtslose Macht vernichten und austilgen will, die aber auch moderne Kultur und einseitige Technik verfolgt und anfeindet, ja sogar unsere heutige Erziehung und Religion nicht mehr duldet und kennt. Die Bergfreude stellt das Individuum wieder her.

Die warme Flut, die zum Herzen steigt, die die Ermüdung wegspült, die immer das nächste schon weiss und mit innerem Sinn den Weg sich bahnt über Platten und Gräte, auf herrliche Gipfel, es ist der schönste Sieg des Geistes über die Materie. Dort erst streifen wir das Tier ganz ab. Dort allein erleben wir das Letzte und Schönste, nämlich dass es weiter geht als Schlauheit und Technik, als Stahl und Beton, und werden inne, dass unser sind die seligen Gefilde des « morgen » und der reiche Goldrand der Zukunft. Und wir haben die Marschroute und den Beweis, dass die Natur nur für ihn sorgt und ordnet und ausliest, der diese Freude begehrt und sucht, dass sie immer einzig für dieses'Individuum schafft und stapelt und nie für einen Staat oder ein Volk oder eine Rasse.

Und wenn wir statt Individuum es noch treffender, noch ehrlicher und traulicher sagen wollen: warum ein Blut, ein Gewissen, warum eine falsche Gemeinschaft, eine Zelle, ein Gewebe, eine Konstitution einschieben, wenn doch ein Ich da ist, am nächsten bei der Natur und bei Gott! Wenn doch eine Freude da ist, so tief und heiss, die der Mensch durch alle Schlagworte hindurch allein sucht mit jeder Fiber seines Körpers und wiederholen möchte mit jeder Falte seiner Seele. Die ihn aber auch am engsten an seinen Nächsten kettet, am dauerhaftesten mit seinem Mitmenschen solidarisch macht.

Denn in dieser Freude allein finden wir uns selber und durchfahren nochmals die dämonische Geburtsstunde des Lebens, sind wieder bedingungslos eingefügt in die selige Schwingung des Alls, wo unser Geist noch keine andere Kennung braucht, kein Licht, kein Ton, kein Schwerpunkt uns Scheidungen bringt und wo wir, wach und bewusst, wie in den Armen der Mutter an den Anfang des Diesseits zurückdürfen, wo alles von innen geht.

Warum waren wohl fast alle hervorragenden Chirurgen auch bedeutende Alpinisten? Warum finden wir unter den grossen Musikern, Pianisten so zahlreiche erstklassige Felskletterer? Sie sagen es uns überzeugend: « Weil wir denselben herrlichen Takt, denselben wunderbaren Stil dort wiederfinden. Weil wir mit dem gleichen inneren Sinn an den lebendigen Organismus, an das Instrument herankommen wie an den Berg. » Der Berg aber, verleiht die Freude am reinsten, und er schenkt am meisten davon.

Deshalb wird ihr Ruf mächtiger, nachhaltiger und unwiderstehlicher von Generation zu Generation, für den einzelnen wie für die Gesellschaft, er übertönt schon lange Geltungstrieb und Ehrgeiz, er sitzt tiefer als Sättigungs-lust und Minne.

Und wenn wir endlich unsere Bergfreude von ganz nah unter die Lupe nehmen, wenn wir genau wissenschaftlich oder, ebensogut, rein menschlich in unserem Wollen und unserem Tun die feinen Linien finden, wo Aufstieg und Entartung sich heimlich scheiden, so dürfen wir beglückt und überzeugt noch beifügen: die Bergfreude ist nicht nur ein Gottesgeschenk. Sie ist vielmehr des Menschen Weg, sie ist seine Bestimmung. Hier geht es weiter. Hier allein!

Und wenn ich auch wieder hinunter muss von meinen Gipfeln und Gräten zu den armen, kleinen Menschendingen, so trage ich doch den unverbrüchlichen Glauben mit mir, dem einst Javelle die wunderschöne Fassung gegeben: « Ich kann mir ein besseres Jenseits nicht denken ohne den ruhsamen Frieden der höchsten Alpentäler, ohne die stolze Weltentrücktheit der weissen Firne, ohne die ewige Hoffnung auf eine Bergfahrt, die nie zu Ende geht. »

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