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Briefe aus Island

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Von Andreas Heusler f

Mit 1 Skizze.Basel ).

Einleitung.

Reykjavik, 3. Juli 1895.

« Wir schrieben Ihnen am 13. vorigen Monats » ( um geschäftsmässig zu beginnen ), wann und ob überhaupt isländische Schreiben Euern Kontinent erreichen, das weiss der Himmel! Jetzt haben wir eine herrliche, siebzehn-tägige Landreise hinter uns. Ein Führer, ein Pferdejunge, in summa neun Pferde — kleine, struppige, starkmähnige Biester, die köstlich traben und galoppieren, klettern wie Maulesel, aber ihre wahre Vortrefflichkeit beim Durchwaten der einen Meter tiefen Ströme zeigen. Die Landschaft ist von A bis Z über alle Beschreibung herrlich, heisst das, wenn sie nicht in den Wolken steckt; wenn Beleuchtung vorhanden ist. An drei bis vier Tagen war das nicht der Fall, war es schlechthin grau und braun und nass und quatschig; dann musste eben das Vergnügen des Reitens an sich nachhelfen. Die Strapazen sind ohne Vergleich geringer als die auf unserer norwegischen Reise. Da wir Konserven und andern Ballast bequem auf Packpferden mitführen können, sind wir nie auf so schmale Kost gesetzt wie dort im Tromsö-amte; das Reisen ermüdet am ersten Tage, dann nicht mehr ( wir machten verhältnismässig kleine Tagereisen, selten mehr als sieben Stunden im Sattel; denn die Pferde wollten geschont sein — Mietgaul ist Mietgaul, sogar in Island ). Zu « Fuss » gehen ist den Isländern sozusagen unbekannt. Auch auf die Berge mussten die Tiere mit, soweit es irgend anging; auch wenn man doppelt so rasch und bequem auf eigenen Beinen vom Fleck gekommen wäre. Bei der Hekla quälten wir die Pferdchen bis zu halber Höhe hinauf; da es früh im Jahre war, hatten wir noch 3% Stunden, meist über Schnee, hinaufzugehn. Der Berg ist recht tüchtig und tut für seine Höhe ( über der Ebene etwa so viel wie der Rigi über dem Vierwaldstätter See ) alles Denkbare an hochalpiner Grossartigkeit. Aber das Schönste und Eigenste an dem isländischen Südlande sind einerseits die grossen, weiten Gras- und Sumpfebenen, aus denen da und dort, in der Ferne, inselgleich eine felsige Berggestalt aufragt, während am Horizont hin die flachen oder sanftgewölbten Linien riesiger Gletscher in milchigem Weiss hinziehn. Das hat ganz unsägliche Stimmung. Und anderseits die ausgebrannten, braun-violetten Vulkanlandschaften — Täler und Berge in verwegenen Formen, alles verhältnismässig klein und fremdartig, mit merkwürdigen Silberlichtern — so wie man sich allenfalls den Mond denkt. In einer solchen Landschaft liegt Reykjavik, nur dass hier noch ein Küstenpanorama von reichster Zusammenstellung herzukommt. An die Alpen wird man noch weit weniger erinnert als im nördlichen Norwegen; es ist ja ein Land ganz andrer Entstehung, alles ausgespien, keine Ketten und Faltenbildung. An Fülle der Bilder, die sich dem Maler geradezu entgegendrängen, kann von den Ländern, die ich kenne, nur Italien mit Island sich messen. Aber es müssten allerdings BRIEFE AUS ISLAND.

echte Künstler sein, keine Öldruckfabrikanten; denn der Zauber der Landschaft liegt mehr in Flächenkontrasten als in der Silhouette. Weshalb denn auch die landläufigen Photographien wenig Ersatz bieten.

Die Bauern hier sind ein ganz merkwürdiges Volk. Wenn ich erwartete, sie dem Norweger ähnlich zu finden, so täuschte ich mich. Sie haben gar nicht dessen kindliche, liebenswürdige Dumpfheit und Begrenztheit. Sie sind äusserst geweckte Köpfe, sprechen gewandt und in einem Tempo, dass es dem armen Fremdländer nur so vor den Ohren schwirrt, stecken voller Humor, haben Freude am Spott, sind auffallend wenig religiös, leben in ihren alten Sagas, reagieren auf jede Anspielung aus den Eddaliedern; wissen in der deutschen Geographie und Geschichte gut Bescheid, haben daneben mehr oder weniger starkes Interesse an ihrer Politik und — Dänenhass. Es sind geborene Republikaner. Ich glaube das Wort Freiheit hat für sie noch mehr Erregendes als für den währschaftesten Eidgenossen. Leider fehlt ihnen das eine, Grosse: der Nerv zur Arbeit. Sie betrachten entschieden das Nichtstun als den Normalzustand, das Arbeiten als periodische Ausnahme — auch darin noch die richtigen alten Germanen. Ich weiss nicht, ob sie in aufsteigender Linie begriffen sind. Vieles macht mir vorläufig eher den Eindruck von Décadence eines stark begabten Volkes; doch muss ich mir das noch fernerhin angucken.

Arnarholt, 19. Juli 1895.

Wir sitzen hier unter warmer Sonne im Gras und erleben einen behaglichen Ruhetag bei liebenswürdigen Wirten, den Geschwistern unseres Führers Gudmundsen. Am 15. gelang die Besteigung des Eiriksjökuls, die erste, wie es scheint. Die Schwierigkeiten waren gleich null, kein Axthieb fiel. Aber keinerlei Aussicht belohnte uns, denn in dem dicken Nebel mussten wir ordentlich nach dem Gipfel tasten, der die Gestalt einer weiten Firnebene hat. Die beiden letzten Tage waren strahlend schön, und die Gletscherkuppen blickten wieder aus ihrer duftigen Ferne auf grünes Stromland und zackige Bergreihen nieder. In den nächsten Tagen geht 's westwärts, auf die schmale lange Halbinsel, Snaefellsnes, hinaus.

An Bord der Thyra, im Reykjarfjördur Nordisland, 14. August 1895.

Soweit meine kalten Hände es erlauben, will ich Dir noch etwas von unserem Erlebten erzählen. Wir sind auf der Rückfahrt vom Nordlande nach Reykjavik, und diese Fahrt dauert ( wenn 's gut geht ) neun Tage, dieweil man alle 50 Kilometer in ein Fjördchen einbiegt und einen halben Tag liegen bleibt. Ob eine Sonne noch am Himmel ihres Amtes pflegt, ist mir fraglich: zu sehn bekommt man nur die feuchten Nebelmassen, die über die langen Basaltstufen herschleichen und dann und wann unser Schiff so dicht einwickeln, dass das ängstliche Nebelhorn unausgesetzt arbeitet.

Man hat innerlich mit Island abgeschlossen; das viele Schöne und Merkwürdige, das sich in den zwei Monaten zusammendrängte, fängt an, sich zurechtzusetzen und Proportionen zu bekommen. Doch würde ich noch dankbar jeden klaren, sonnigen Blick auf die Küste von der See aus entgegennehmen, und besonders der schönste Schneeberg Islands, der Snaefellsjökull, würde mir leid tun, wenn er sich uns Vorüberfahrenden ungnädig verschleierte.

Denn G. und ich, wir beide, haben glorreich auf seiner Spitze gethront, und so könnten wir jetzt mit doppelt verständnisvollen Augen an ihm hinauf gucken.

Mit dem andern Gletscherberg, den ich auf dem Programm hatte, dem Eiriksjökull, dessen Besteigung ich Dir schon kurz gemeldet habe, verlief es folgendermassen:

Wir waren am späten Abend, am 13. Juli, in Kalmantunga angekommen: es ist der oberste Hof in dem langen Tale, das westlich in den Borgarfjord ausmündet ( unter 64% Grad nördlicher Breite, Südwestisland ). Als der folgende Morgen klar aufstieg, konnte man eine Ecke des Eiriksjökulls hervorgucken sehn; ich betrachtete ihn genau mit dem Glase und war erstaunt, nichts von steilen Felsmauern zu gewahren, sondern nur Schutt- und Geröllhalden, die anscheinend an der ersten besten Stelle den Aufstieg zu den flachen Eisgewölben erlaubten. Auf der Karte hatte nämlich der Felsgürtel, der die Gletscherscheibe umschloss, unheimlich schwarz ausgesehen; Isländer, die ich nach dem Aussehen des Berges gefragt hatte, schilderten ihn so: senkrechte Wände, darüber welliges Schneefeld. In Reykjavik lächelte man ungläubig, als unser Führer Korgninur davon geplaudert hatte, ich würde den Berg versuchen, und darum tat ich selbst dergleichen, als wollte ich mir ihn eigentlich nur von unten ansehen.

Nachmittags brachen wir auf: ich, Korgrünur, der Pferdejunge, ein alter Knecht vom Hofe. Dieser galt als wegekundig, d.h. er hatte einmal einen Engländer auf die Höhe des « Klippengürtels », besser: der Geröllhalde, hinaufbugsiert, und dort hatte die Expedition wegen Erschöpfung ein frühes Ende gefunden. Es stellte sich auch heraus, dass die Wegekenntnis des Alten mangelhaft zugleich und überflüssig war, man brauchte eben einfach nur der Nase nachzugehen. Ein fünftes Pferd trug Zelt und Decken, ein sechstes Bergapparat und Proviant.

Der Abend liess sich nicht übel an: bei eisigem Nordwind deckten nur dünne, helle Wolken den Himmel. Die Aussicht vom Zeltplatz war eingeengt: vor uns ein ziemlich junges Lavafeld, noch ohne Vegetation, wüst, grau und schmutzig aussehend, von dem Fluss in mehreren Armen durchschlichen. Dahinter, in einer Stunde Abstand, eine 700 Meter hohe Pyramide, graubraun, schuttbedeckt. Linkerhand die obersten Ränder des Firnplateaus, an denen Tags vorher der Weg vorübergeführt hatte. Rechts und hinter uns versperrten sanfte Abhänge den Blick nach dem eigentlichen Bergstock.

Wir kampierten mit Kakaokochen, schlechtem Schlaf, wieder Kakaokochen, und wie die Isländer nun einmal sind, mussten die Pferdchen wieder mit auf den Weg, und sei es auch nur für % Stunden — insofern nützlich, als, wie immer so auch hier, ein paar Flüsschen zu überschreiten waren.

Kurz nach 8 Uhr also standen wir auf eigenen Füssen. Es ging sänftig-lich in ein Flusstälchen hinein, die Vegetation hörte auf, der Nebel wurde so dick, dass wir uns vorläufig hinsetzten und unsere Chancen überdachten. Dann legten wir ein steileres, steinigeres Stück hinter uns: der Bach blieb unter uns zurück. Nachdem wir abermals eine Weile gewartet hatten, ob das Gewölk vielleicht einen freundlicheren Durchblick vergönnen wollte, stiegen wir vollends auf den sogenannten Klippengürtel hinauf; hiebei gab es ja, das ist nicht zu leugnen, ein paar Stellen, vielleicht 12 Meter zusammen, BRIEFE AUS ISLAND.

wo man ein bisschen aufpassen und da und dort eine Felsleiste umklammern musste. Aber jeder, der einmal auf einem mittleren Alpenberge war, würde hier, ohne nach rechts oder links zu blicken, ganz einfach hinaufspaziert sein. Das Gestein war nämlich Lava, und einen besseren, ungleit-bareren Kletterfelsen gibt es nicht. Charakteristisch ist es nun, dass meinem Korgrünur, einem geübten Reiter und erprobten Seemann, dieser Aufstieg den tiefsten Eindruck machte, und dass er sich nicht bewegen liess, beim Abstieg denselben Weg zu nehmen. Er fragte mich ernsthaft, ob es in den Alpen Schwierigeres gebe. Dies zeigt, dass das Bergsteigen mehr Sache der Gewöhnung ist, als man denken sollte. Wir waren jetzt etwa 500 Meter über dem Ausgangspunkt, 800 über dem Meer. In dem heillosen Nebel konnte man nur erkennen, dass ein ausgedehntes Steinplateau vor uns lag. Wir durchquerten es, unserm Instinkte folgend. Nach einer Stunde trat ein neuer Geröllhang vor uns heraus und dahinter der Anfang der Gletscher- beziehungsweise Firnhaube. Die ersten Halbstunden auf dem Schnee waren ziemlich steil. Als wir uns dann von dem Felsrand entfernten und direkt in den Jökul-zirkus hineinsteuerten, wurde es flacher. In den Augenblicken, wo der Nebel weggeblasen wurde und wir etwa y2 Stunde rings um uns her schauten, hatten wir ein sehr eigenartiges Bild: rechts und links rundete sich die schneeweisse, von nichts unterbrochene Fläche wie eine'geometrisch regelmässige Kugel empor, und man bekam eine Ahnung, in welcher Richtung das oberste Gewölbe der Kugel zu suchen sei. Wir seilten uns an, und Korgrünur mit seinen 230 Pfund brachte es wirklich fertig, drei- oder viermal bis an die Brust in eine kleine Spalte zu sinken.

Reichlich eine Stunde gingen wir noch vorwärts, als von unzweideutiger Steigung schon nichts mehr zu bemerken war. Wir legten schliesslich die Stöcke auf den Schnee und fanden keine Steigung nach irgendeiner Seite. Der Nebel lichtete sich nicht mehr völlig: in den relativ klaren Augenblicken sahen wir vor uns ein einförmiges Schneefeld ohne jeden ausgesprochenen Gipfel. Dabei liessen wir 's denn bewenden.

Ich halte den Eiriksjökull für ein Firnplateau von 2 bis 3 km2 Ausdehnung, 1650 m ü. M. Nach allen Seiten zunächst sanft abgedacht, dann etwas steiler. Der Schnee- und Eiskomplex insgesamt dürfte 50 bis 60 km2 gross sein. Eine, mit den Alpen verglichen, sehr seltsame Gestaltung! Denke Dir einmal auf den Siegfriedskärtchen ( 1: 50 000 ) ein derartig plumpes Biest, so ausgedehnt bei so geringer Höhe und so simplem Relief. Zwei Tage darauf, von dem fernem Flachland, stellte sich die Silhouette des Berges folgendermassen dar:

( Die punktierte Linie wäre etwa unser Weg, doch so, dass der scheinbar spitze Winkel bei x tatsächlich ein sehr stumpfer war, weil es von dort an stark nach hinten geht. ) Unsere Spuren in dem weichen Schnee waren uns dienlich, den Rückweg zu finden; denn der Nebel wurde immer unbeschränkter; unten im Tal goss er gehörigen Regen auf uns herab. Um 9 Uhr abends waren wir in Kal-manstünga zurück. Die Bauersleute waren in dem genannten Hofe ganz besonders nett. Der Bauer, ein frischer, feuriger Kerl von etwa 35 Jahren, schlank, rotbärtig, sprach mit mir wie ein « gebildeter » Mann über alle möglichen Dinge und hatte die Liebenswürdigkeit eines Gentleman. Er besass ein prächtig geschriebenes Kollegienheft über Landwirtschaft, das er selbst einst in einer privaten landwirtschaftlichen Schule nachgeschrieben hatte. Prof. Ferdinand Vetter aus Bern war auch einmal in Kalmanstünga gewesen: auf Grund dieser und meiner Bekanntschaft tat der Bauer den nachdenklichen Ausspruch: er glaube, von allen Ausländern verstünden sich die Schweizer am besten mit den Isländern.

Am 20. Juli machten wir eine quasi Probetour: auf die Baula. Es ist dies ein Berg, der auf Island nicht seinesgleichen hat: anderes Gestein, nämlich hellgelber, ins Rötliche spielender Liparit ( ein ebenfalls in letzter Linie vulkanischer Stein, der in scharfkantigen Platten und prismatischen Blöcken splittert, äusserst sprödeandere Form, nämlich eine vierkantige Pyramide, die von gewissen Seiten ganz das Aussehen einer ägyptischen hat: die Steilheit mag die gleiche sein, und die Farbe stimmt dazu. Die eigentliche Pyramide, die ohne jeden Grashalm ist, über und über mit dem kantigen Getrümmer bedeckt, ist 400 m hoch oder wenig mehr; darunter ein Fussgestell von derselben Höhe, Geröll mit spärlicher Weide, Schutt, Bachrunsen. Die Gesamthöhe ü. M. ist 912 m. Du musst nicht lachen — unter den Blinden ist der Einäugige König; d.h. die Baula dominiert in wirklich grandioser Weise ein ausgedehntes Flachland, das von Flüssen durchschlängelt, von Basaltrücken gegliedert wird: sie bildet den höchsten Pfeiler der nördlichen Begrenzung; im Westen verläuft 's in den Borgarfjord und die offene See; im Osten schliesst der Eiriksjökull mit mehreren Gletschernachbarn, im Süden eine Kette von ca. 800 m Höhe, aber sehr verwegenen Formen. Wir hatten einen Prachtstag. Zuerst gab 's 4% Stunden Ritt — ganz entzückend schöne und wechselnde Bilder, z.B. eine junge, pechschwarze Lava, durch die kalte, spiegelhelle Flüsschen durchbrachen. Das Getrümmer erprobte so recht die Balancierkunst, bisweilen schickten sich ganze Kubikmeter unter einem zum Rutschen an; beim Abstieg — wo das Naturgesetz in Geltung trat, dass man den leichteren Weg zu wählen glaubt und den bösen nimmt — wurde es verzwickt: Korgrünur kam nicht vom Fleck, hing hoch über uns an der Trümmerwand; als eben einmal G. in seiner Fallirne tra versierte, lösten sich von ihm Blöcke, darunter einer zwei Kopf gross, und es folgten Sekunden bängster Spannung, bis die üblen Kerle ein paar Meter neben G. vorbeigepoltert waren. Item, die ganze Tour und zumeist die Aussicht waren so herrlich, dass wir den Tag als einen der besten auf Island verzeichnen. Nebenbei gesagt: man gewöhnt sich bei dieser Art zu reisen wunderbar an Strapazen; wir waren doch nach den acht Stunden im Sattel und den vier Stunden beschwerlichen Kraxeins nicht die Spur müde.

, V BRIEFE AUS ISLAND.

An Bord der Laura, im Skagerrak, 31. August 1895.

Kurz nachdem ich Dir das letztemal geschrieben hatte, wurde das Wetter wunderschön: es war gerade da, wo wir die eigentliche Nordküste verliessen und um die Nordwestspitze Islands herumfuhren. Dort gibt es auch ein Kap Nord ( d.h. auf Island führt es den schlichten Namen Horn ). Es hat nicht die majestätische, massive Einfachheit des norwegischen; es ist mehr eine effektvoll gezackte Kulisse, die Wände buchstäblich senkrecht. Die Höhe mag dieselbe sein. Am 19. August kamen wir unerwarteterweise noch ein letztes Mal auf isländische Pferdchen: wir lagen vor einem Kauf-städtchen im Breidifjord, gingen an Land; ich fragte einen dänischen Kaufmann, ob man wohl bei irgend jemand Pferde für einen kleinen Ausflug mieten könne; er stellte uns sofort seine eigenen Leibpferde zur Verfügung, und sein Junge ritt als Führer mit. So konnten wir uns noch eine Gegend ansehen, die in der ältesten Geschichte Islands eine grosse Rolle spielt und landschaftlich reizvoll ist. Es hatte etwas Rührendes: als wir bei einem Bauern abstiegen, um Kaffee zu trinken und einen Huf zu beschlagen, waren wir dem Manne dem Namen nach schon bestens bekannt, weil wir einen Monat vorher in der Nähe durchgezogen waren, und unsere Snaefellsjökulltour ruchbar geworden war. Er behandelte uns gleich wie gute Freunde, war eifrig, uns die Kirche ( mit ein paar alten Leuchtern ) zu zeigen, uns auf den nahen Felsenhügel zu führen usf. Schon der Gedanke könnte zu einer zweiten Islandreise reizen, dass man überall wie ein alter Bekannter aufgenommen würde.

Um den Snaefellskjökull sind wir mitten in der Nacht herumgefahren, und das bedeutete in dieser vorgerückten Jahreszeit schon dunkel: man sah nur matt die weisse Fläche vor dem Sternenhimmel. Gleichzeitig aber erzitterten am Himmel die langen, schleierähnlichen Streifen des Nordlichts. So hat man davon auch noch eine Ahnung bekommen.

Zum Schluss hat uns die Reykjaviker Landschaft noch vier Tage lang in wonnigstem Sonnenglanze gestrahlt, und jedesmal, wenn ich aus den Gassen an den freien Strand hinunter oder auf die kleine Anhöhe hinauf trat; war ich neu erstaunt über die unfassliche Schönheit dieses Panoramas.

So ziemlich das letzte, was uns bei der Abfahrt am 23. noch nachschaute, war das zierliche weisse Gebilde unseres Snaefellsjökulls, wie eine Insel aus der blauen Meeresfläche, 120 km entfernt. Dann wurde es trüb, und bald kamen die Nacht und die Seekrankheit — aber, diesmal ging 's ohne Sturm ab, und die Fahrt nach den Färöer dauerte zwölf Stunden weniger. Die Landschaft bei Granton kam uns unglaublich schmierig und schwer in den Farben vor. Ich weiss nicht, wie weit es an dem britischen Fabrikruss liegt. Auf Island hat alles eine delikate Zartheit, ganz seltsam — man möchte es immer nur aquarelliert sehen.

Ein Teil dieser Schilderungen ist vor bald 50 Jahren in einer lokalen schweizerischen Zeitung erschienen. Er ist in der vorliegenden Brieffolge eingeschlossen. Der Hinweis auf Norwegen bezieht sich auf eine gemeinsame Wanderung durch das Innere Norwegens des Schreibers mit dem Einsender.Alfred Sarasin.

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