Caspar Dilger
Die ältesten Heidenhäuser sind, wie das Dilgerhaus, nur einstöckig und haben nur eine Stube mit gewölbter Decke. Die Höhe der Kig. 25. Heidenscheune auf der Platten ob Flirren.
Binde vom Fussboden beträgt beim Heiden- haus in Burgen in der Mitte 1,7 m, die Höhe der Decke in den Ecken nur 1,5 m, so dass ein mittelgrosser Mann nicht aufrecht stehen konnte. Die Leute haben also damals noch sehr primitiv gewohnt.
Die grössern Heidenhäuser in der Blattmatten und Im Feld bilden eine neuere und höhere Stufe.Vergeblich aber sucht man nach einer Jahrzahl auf der Binde oder, wenn sich eine solche findet, so lässt diese den spätem Einbau erkennen, wie das z.B. häufig bei den Öfen vorkommt.
Caspar Dilger.
An das zierliche, in einen grünen Wiesenhang gedrückte Heidenhaus in Hofstetten ( Fig. 26 ), wo daneben im Mai eine herrliche Tulpe ( Tulipa australis ) den Rasen schmückt, knüpft sich ein Räuberroman, der noch heute in den Herzen der Bergbewohner fortlebt. Das Haus heisst heute noch allgemein das « Dilgerhaus ». Hier wohnte Caspar Dilger; er sei ein « Engelländer » gewesen. Der Name Dilger ist jedoch in Süddeutschland verbreitet. Hansjakob führt in seinen Schriften den Namen mehrfach an. Deshalb ist eine andere Version wahrscheinlicher, die sagt, dass Caspar Dilger, ein Deutscher, als Soldat in englischen Diensten gestanden habe und als Deserteur nach Törbel gekommen sei. Die Chronik berichtet:
« Im Jahre, da man zählte 1533 nach dem grossen Tod und Sterben der pestilenz wurde Caspar Dilger mit anderen so am Berg Törbel oder Burgen Gut gekauft oder Weiber genohmen in das Burgrecht aufgenommen. Er erkannte sich für zwei Zinsgulden. » Trotzdem Dilger ein Fremder war, kam er nach und nach zu Ansehen und war beliebt; er wurde sogar in den Rat gewählt und baute sich im « Steckenkehr », etwas unterhalb des Dorfes, am begangenen Wege nach Im Feld ein Haus, dessen Grundmauern letztes Jahr abgetragen wurden. Beim zweiten grossen Tod übernahm er als Ratsmitglied den Transport der Leichen von Törbel nach Stalden, da Törbel damals in Stalden kirchgenössig war. Fast das ganze Dorf starb bei dem grossen Sterbet. An einem einzigen Tage gab es oft mehrere Leichen. Die Gemeinde stellte dem Dilger zum Leichentransport ein Maultier zur Verfügung. Aber trotzdem war er nicht imstande, die Leichen alle mit der nötigen Raschheit in das Tal zur Beerdigung zu schaffen. Er « tischete » sie vorübergehend in dem Zehntenstadel auf dem Stalden auf und brachte sie nach und nach in den Kirchhof hinab zur Bestattung. Die Leichen wurden zum Transport in ein Leintuch eingenäht und quer über den Tragsattel des Saumtieres gelegt. Dem Totengräber F. G. Siebter.
gehörte als Lohn das Leintuch. Er habe die Leintücher in dem Stadel alle ausgebreitet aufeinandergelegt; schliesslich hätte der Leintücherhaufen die Höhe von einem Klafter erreicht. Von der zahlreichen Bevölkerung des grossen Dorfes seien schliesslich nur acht Personen übriggeblieben, darunter auch Dilger. Als die Seuche zu Ende war, hätten diese in der Stube in der obern Wichji zusammen an einem runden Tisch, der vom Posthalter jetzt noch gezeigt wird, zu Abend gespiesen.
Bei dem Leichentransport verrohte Dilger derart, dass ihm nichts mehr heilig war und er sich an Leib und Gut anderer vergriff. Auf dem Weg bei seinem Hause vorbei raubte er, was er konnte. Des Nachts spannte er von seiner Stube aus eine Schnur über den Weg und verband diese mit einer Glocke ob seinem Bette. Wenn jemand vorbeiging, läutete es, und ahnungslos beraubte und mordete er den Wanderer und brachte den Toten hernach mit den Leichen des Dorfes ins Tal zur Beerdigung. Schliesslich wurden seine Taten aber ruchbar, weshalb er sich genötigt sah, seinen Wohnsitz nach dem still und abseits gelegenen Hofstetten zu verlegen, wo er in dem oben erwähnten Hause wohnte. Dasselbe stand damals oberhalb des Fussweges, etwa 30 m mehr südlich, neben einem grossen, 3—4 m langen und 2—3 m breiten Felsblock. Der Eingang führte über sechs in den Stein gehauene Stufen seitlich in die Hütte. Der Felsblock liegt heute noch da, und man sieht deutlich die Stufen des Eingangs am Rande eingehauen. Am obern Ende des Steins ist eine etwa 40 cm tiefe und ebenso weite, runde, schüsselartige Vertiefung in den Stein eingehauen. Sie heisst im Volke Dilgers Suppenschüssel ( Fig. 27 ). Dilger habe aus diesem Loch die Suppe gegessen. In Wirklichkeit ist es ein « Weizstampf », in welchem vordem die Weizenkörner mit einem hölzernen Stampfer von der rauhen Schale befreit und zu Suppenkörnern zubereitet wurden. Neben dieser Vertiefung findet sich ein kleineres, etwa faustgrosses Loch. Mancher Archäologe wäre vielleicht geneigt, diese Löcher als vorhistorische Zeichen zu deuten. Von dem Dilgerhaus in Hofstetten unternahm der Mörder seine Streifzüge, ohne dass diese vorerst allgemein bekannt wurden. Er war bei seinen Nachbarn geschätzt. Der Schallerchristi in der Bine nahm ihn sogar als Gvattermann. Hie und da drang jedoch trotz alledem ein böses Gerücht unter das Volk, und man fing an, sein Tun und Treiben mit Misstrauen zu beobachten. Aber man fürchtete den Mann, weil er als unbezwingbar galt.
Eines Tages kam der Schallerchristi von Birchen her in Hofstetten vorbei. Dilger sah ihn von ferne kommen und beschloss, ihn zu morden, weil der Schallerchristi von Dilgers Taten zu viel wusste. Er wollte ihn deshalb rechtzeitig unschädlich machen. Dilger ging ihm entgegen und grüsste ihn freundlich. Böses ahnend, erwiderte der Schallerchristi, der selbst ein Riese war, den Gruss, gab Dilger die Hand und sagte: « Gueti Frind ferggen ( führen ) enand! » und fasste Die Vispertaler Sonnenberge.
:> :; Dilgers Finger so stark, dass diesem das Blut unter den Fingernägeln hervorquoll. So wanderte er mit Dilger Hand in Hand heimwärts gegen die Bine zu. Als er auf der Höhe gegen die Häuser angekommen war, verabschiedete sich der Schallerchristi. Dilger kehrte um, ging so schnell als möglich in seine Hütte, um sein Mordmesser zu holen und seinen Gegenpart zu töten. Inzwischen hatten sich aber die Mannen auf der Bine zusammengetan und mit Waffen versehen. Als Dilger mit seinem blitzenden Messer von der Höhe herunterkam und die bewaffnete Schar sah, fand er es für gut, sich für diesmal zurückzuziehen.
Einmal in finsterer Nacht begab sich Dilger mit seiner Mordwaffe ins Tal. Am Wege von Unterflüh nach der Neubrücke, auf dem Rieltji, stand eine einsame Hütte. Hier mordete er eine ganze Familie von Vater, Mutter und mehreren Kindern. Er ging zunächst in den Ziegenstall und misshandelte die Ziege, so dass diese vor Schmerz laut « rährete ». Der Hausvater trat deshalb hinaus, um im Stall nach der Ursache dieses Geplärs zu sehen. Da mordete der Unhold den wehrlosen Mann. Als dieser nicht wieder kam und das Geplär der Ziege nicht aufhörte, ging auch die Mutter hinaus, um nach ihrem Manne zu schauen. Auch diese wurde gemordet, und so die ganze Familie bis auf ein halbgewachsenes Mädchen, an dem der Mörder Wohlgefallen fand. Dieses nahm er als Magd mit nach Hofstetten und schenkte ihm das Leben unter der Bedingung, dass es bei niemandem ein Sterbenswörtchen über seine Taten verlauten lasse. Das Mädchen hatte es bei dem Gesellen gut, hielt ihr Versprechen und wuchs zur Jungfrau heran. Unterdessen Hess sich Dilger noch manches schwere Verbrechen zuschulden kommen, die schliesslich .auch in dem Gewissen der Magd ernste Sorgen erweckten. Eines Tages erbat sie sich von dem Bösewicht die Erlaubnis, die heilige Messe besuchen zu dürfen. Nach langem Bitten gestattete er dies, sie dürfe aber in der Kirche und unterwegs mit keinem Menschen ein WTort sprechen. Sie musste ihm dies beschwören. So ging sie zur Kirche. Durch Gewissensbisse getrieben, trat sie auf dem Heimweg in ein ihr gut bekanntes Haus ehrenhafter Leute, kniete vor dem Ofen nieder und betete diesen an: « Lieber Ofen, hör mich an » usf. Sie beichtete dem Ofen die Übeltaten ihres Herrn, soweit sie ihr bekannt waren. Sie erzählte ihm auch, dass der Meister sich nach dem Mittagessen auf dem warmen Stein vor dem Hause sonne und dabei seinen Kopf auf ihren Schoss lege, damit sie ihm die Läuse fange. Bei dieser Beschäftigung schlafe er dann gewöhnlich ein und sei dann leicht, ihn zu fassen. Er besitze eine Riesenkraft, diese sei ihm aber genommen, sobald er die Verbindung mit der Erde verloren habe. ( Auch Antäus, ein griechischer Riese, war unbezwinglich, solange er mit der Erde in Berührung war. ) Diese Berichte an den Ofen hörten die Anwesenden. Am nächstfolgenden Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. 56. Jahrg.g F. G. Siebler.
Tag begaben sich einige handfeste Männer zur Mittagsstunde nach Hofstetten, überraschten den Wüterich im Schlaf und fesselten ihn. Ab er erwachend die Situation übersah, konnte er gerade noch die flüchtende Magd an den Haaren fassen und riss ihr dabei eine « Tritsche » ( Flechte ) aus dem Kopfe. Gefesselt wurde er nach dem Gefängnis gebracht und zum Tode durch den Strang verurteilt. Als er gebunden im Spissbrunnen ob Unterfluh, wo der Weg nach Visp abzweigt, vorbeigeführt wurde, fing er laut an zu lachen. Befragt, warum er lache, sagte er, hier habe er vor Jahren einem Manne mit seinem Schwert den Kopf abgeschlagen. Der Mann sei so « rätz » gelaufen, dass er noch eine grosse Strecke ohne Kopf fortmarschiert sei.
Bevor man das Todesurteil vollzog, befragte man ihn nach seinem letzten Wunsche. Er wünschte, seiner Magd noch einen Abschiedskuss zu geben, was ihm aber verweigert wurde. Nachher erklärte er, er hätte ihr bei dieser Gelegenheit die Nase abgebissen.
Dies ist die Geschichte vom Caspar Dilger, wie sie heute noch im Volke fortlebt.