Der Gletscher
Mit 1 Bild ( 126Von Andri Peer
Tälerfüllender Riese,
Der die Arme aufstreckt zum dunkeln
Felsengewirr.
Sanft und grausam
Liegst du da gleich dem
Schlafenden Untier, dem
Hundertgesichtigen.
Verborgen sei dem Nahenden
Kern und Hintergrund.
Höhnende Härte nur
Spricht dein Antlitz.
Rätselschloss, wo ist dein Tor
Und wo glänzt deine Zinne?
Von lockender Tücke schwilt deine Hüft
Denen, die sich dir nahen;
Dass vergeblich sie die Zeichen,
Die vieldeutigen, an deiner Stirn
Zu lesen sich mühen.
Zauber wandelbarer Vielgestalt;
Spiel wogender Milde mit
Klaffendem Abgrund,
Wo die Sage schlummert
In Tiefen, die zu loten kein
Sterblicher sich erdreiste.
Ströme flüssiger Kälte sind Adern der Herkunft dir. Auf ungeahnten Bahnen Durcheilen sie uraltes Häuserwerk. Bald Schluchten gleich Bald Höhle und Kessel, Labyrinth du, Geschöpf Deiner eigenen Laune.
Herr der drängenden Ströme,
Die jauchzend und tanzend
In Bläue des Eises stets neue
Und neue Spiele erfinden,
Sich zur Lust, und dir,
Dem mächtigen Vater, zu
Lieblicher Kurzweil.
Krieger, dem Schrunden und Schnitte
Werden zu sicheren Waffen
Und furchtgebietender Rüstung.
Die Felsgebirge, die allgeprüften Grauen Recken, hältst du in Einigem Reigen. Drängst zu ihnen hinauf deine Zungen von Kraft.
Doch auch dir, Eisgewaltiger, Kommt nahe Vergänglichkeit. Des Ringens Hitze entreisst dir Ströme des teuersten Blutes, Die beharrlich grausame Feindin.
Es klaffen die alten Wunden in Gleichem Schmerz, jährlich, Von Blume zu Blume. Und die sanften Wolken gehen Ohne Gnade über dich hinweg.
Späte Linderung nur bringt der Dufterfüllte Hauch des Herbstes Und findet dich matt, des Ringens müde. Es spricht der Gesegnete tröstlich Dich an, im Vorüberwehen.
Dann aber ruhst du, gedeckt
Vom weichen Geschmeide des Frostes;
Gehüllt in gleissende Glätte und
Blendend gewappnet
Mehr denn je.
So harrest du
Verhalten brummend
In erstarrten Mäulern,
Dass der ewige Kampf des Neuen
Wieder ertöne.